Der sächsische MP sieht einen „Aufruhr“ gegen grüne Politik – kämpft aber lieber weiter gemeinsam gegen die AFD

Michael Kretschmer, der Zerrissene: Mit den Grünen im Bett, aber keinen Bock auf Sex

von Alexander Wallasch (Kommentare: 6)

Die Ampel verfolgt einen „planwirtschaftlich-volkserzieherischen Ansatz“ gegen den gesellschaftlichen Konsens, sie spaltet das Land.© Quelle: Youtube/Freistaat Sachsen Screenshot

Wie ernst kann man Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) nehmen, wenn er jetzt alle Kanonen gegen die Grünen auf Bundesebene richtet, während er in Dresden mit ihnen regiert?

Hätten Regierungskritiker oder regierungskritische Journalisten verbreitet, was sich Sachsens Ministerpräsident Kretschmer jetzt getraut hat, dann hätte es womöglich jene auf den Plan gerufen, welche Oppositionelle mit dem Bannstrahl einer „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“ belegt haben.

Der Phänomenbereich wurde im April 2021 auf dem Höhepunkt der Empörung über die polit-medial gesteuerten mRNA-Injektionskampagnen eingeführt, damals, als klar wurde, dass der Protest nicht abebbt und auch nicht totzuschlagen ist.

Aber was hat Michael Kretschmer konkret gesagt, dass man an demokratiefeindliche Maßnahmen aus dem Hause Haldenwang denken muss? Der Christdemokrat hatte gegenüber der Bildzeitung am Sonntag unter anderem gesagt, die Pläne der Bundesregierung führten zu „Deindustrialisierung und zu Aufruhr in der Bevölkerung“.

Aber nicht nur das. Es war gewissermaßen ein Rundumschlag, eine CDU-Offensive wohl aus der Erkenntnis heraus, dass der Moment günstig erscheint, sich als CDU zu positionieren bzw. zu profilieren. Kretschmer gerierte sich schon öfter als Ersatz-Merz. Sein Parteichef hat sich bis heute echter Oppositionsarbeit verweigert. Ob die beiden so etwas sogar absprechen? Zuzutrauen ist ihnen auch das.

Oder präziser: Friedrich Merz weigert sich bis heute, eine Aufarbeitung – nein, eine Abrechnung – mit der Merkel-Politik zu vollziehen. Die ist allerdings unvermeidbar, denn eine Ampelpolitik wäre ohne Merkels Dünger unmöglich gewesen, Merkel ist mehr Ampel als Union.

Zum Rundumschlag von Kretschmer: Die Bild titelte das Kretschmer-Zitat „Brauchen Zeitenwende bei der Migrationspolitik“. Das ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert.

Zunächst einmal zweckentfremdet es den Scholzschen Begriff „Zeitenwende“, den der Bundeskanzler in seiner Rede zum Kriegsbeginn in der Ukraine aus der Waffenkammer holte und wie ein heiliges Mantra über den diplomatiefernen, kriegstreiberischen Wahnsinn der Ampel hängte. Später hatte Bundespräsident Steinmeier noch einen draufgelegt und mutmaßlich den Holocaust relativierend von einem „Epochenbruch“ gesprochen.

Steinmeier hatte im Oktober 2022 zudem an den „Widerstandsgeist“ der Deutschen appelliert. Den allerdings gab es zu dem Zeitpunkt bereits. Denn Michael Ballweg saß als einer der Vordenker des Widerstands gegen das Corona-Regime bereits in U-Haft und Steinmeier meinte also etwas ganz anders.

Kretschmer sprach mit der Bildzeitung in der Moritzbastei in Leipzig. Der Ort ist deshalb nicht uninteressant, weil die Bastei eigentlich eine Kriegsruine war und erst Mitte der 1970er Jahre von Studenten mit wiederaufgebaut wurde, unter ihnen damals die spätere Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Von Merkel zurück zu Kretschmer. Der 47-Jährige ist seit 2017 Ministerpräsident und im nächsten Jahr stehen dort Wahlen an. Der Mann ist noch relativ jung und immer noch ambitioniert. Er hat also allen Grund, ordentlich zu trommeln, wenn er die in Sachsen so starke AfD bei den Wahlen hinter sich lassen will.

Anstatt mit der AfD Regierungsmacht anzustreben, übernimmt er nur ihre Themen und grenzt sich von den Grünen ab, die er allerdings als Koalitionspartner benötigt. In Sachsen bekam die AfD zuletzt 35 Sitze und die Grünen und die SPD zusammen lediglich 22. Die Dreiparteien-Regierung von Kretschmer ist demnach ein Bündnis am Bürger vorbei. Justiz und Umwelt sind von Grünen besetzt, Wirtschaft und Soziales von der SPD.

Michael Kretschmer macht es wie die AfD und schaut dem Volk aufs Maul. Wenigstens im Interview mit der größten Tageszeitung des Landes erweckt er den Anschein, als läge ihm was an seinen Sachsen.

Die Bildzeitung zitiert ihn so: „Brauchen Zeitenwende bei der Migrationspolitik“. Aber da kam noch viel mehr als nur ein Querschläger für die Schlagzeile. Kretschmer forderte, dass „die Anzahl der Menschen, die zu uns kommen, reduziert werden muss“.

Freiwillige Aufnahmeprogramme wie etwa für Ortskräfte aus Afghanistan oder anderen Ländern müssten sofort gestoppt werden. Es brauche auch in der Migrationspolitik eine Zeitenwende.

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Auch zum Thema Ukrainekrieg zeigte der Ministerpräsident seinem Parteichef, der sich für mehr Waffen für die Ukraine ausgesprochen hatte, dass Sachsen das deutlich anders sieht:

Auf die Frage, ob er an ein Ende des Ukrainekrieges noch in diesem Jahr glaube, antwortete Michael Kretschmer mit einer Forderung der Straße nach Verhandlungen: „Das hängt auch vom Engagement von Deutschland und Europa für diplomatische Lösungen ab.“

Kretschmer sagte gegenüber der Zeitung zudem, dass ihn die Haltung der deutschen Außenministerin verstören würde, weil diese jedweder Diplomatie eine Absage erteilt hätte.

Breiten Raum im Kretschmer-Interview nimmt auch die Energiepolitik der Ampel-Regierung ein. Der Reporter der Bild interveniert an einer Stelle: „Jetzt übertreiben Sie aber.“

Kretschmers Antwort:

„Keineswegs. Die Ampel kündigt das Gleichgewicht von Ökonomie, Ökologie und Sozialem gerade auf. Jeder weiß doch: Wir in Deutschland allein werden das Klima nicht retten können. Aber: Die Pläne dieser Regierung führen zu Deindustrialisierung und zu Aufruhr in der Bevölkerung.“

Ob absichtsvoll oder nicht, so eine Prognose kann schnell mal den Charakter einer Aufforderung bekommen. Eine Online-Enzyklopädie definiert „Aufruhr“ so:

„Ein Aufruhr ist eine Aktion einer größeren Menschenmenge gegen eine bestehende Ordnung in Form von Auflehnung und Zusammenrottungen, insbesondere gegen die Staatsgewalt.“

Kretschmer weiter:

„Die Energiewende wird für die Bürger unbezahlbar und die Politik wird damit einen großen Teil der Bevölkerung verlieren. Die Menschen wenden sich ab, weil sie Angst bekommen.“

Die Politik der Grünen, also jener Partei, mit der er selbst gegen die AfD koaliert und die unter anderem die sächsische Umweltministerin der Regierung Kretschmer II stellt, sei „ökologischer Irrsinn“, gerade werde unter der Ampel „mehr CO2 ausgestoßen als vor einem Jahr“. Deutschland schalte Atomkraftwerke ab und verfeuere dafür mehr Gas und Kohle. Das sei kein Beitrag zum Klimaschutz, sondern völlig verfehlte Politik.

Für den Ministerpräsidenten haben die Grünen „das Grundvertrauen der Bevölkerung verspielt“. Sie sägten zudem, so Kretschmer, „an dem Ast, an dem der Wohlstand unseres Landes hängt“.

Die Ampel verfolge einen „planwirtschaftlich-volkserzieherischen Ansatz“ gegen den gesellschaftlichen Konsens, sie spalte das Land.

Das sind starke Worte von Michael Kretschmer. Hier hat einer begriffen, dass man weit ausholen muss, wenn man Wahlen gewinnen will. Wer schon knapp eineinhalb Jahre vorher mit dem Wahlkampf beginnt, der weiß, welche hohen Mauern es zu brechen gilt. Der fürchtet diese Mauern. Kretschmer wird in Sachsen von den Themen der AfD vor sich hergetrieben.

Zu allem Überfluss wäre sein natürlicher Koalitionspartner thematisch die AfD. Aber davon ist auch Kretschmer so weit entfernt, wie er hier im Interview nur vorgibt, von den Grünen entfernt zu sein. Aber Kretschmer hat ein Problem:

Die Grünen sind in Sachsen nicht beliebt, SPD, Grüne und Linke streiten sich in Umfragen regelmäßig um die rote Laterne, während AfD und CDU mit 29 Prozent gleichauf liegen.

Wer in Sachsen die Volksparteien stellt, ist hier unstrittig. Aber die Königskinder wollen nicht zusammenkommen, die Braut ziert sich und der Bräutigam schaut belustigt zu. Oder anders: Brautvater Friedrich Merz hatte es gegenüber Kretschmer Ende März in Sachsen eindeutig gemacht und damit auch seine Parteiführung in die Waagschale geworfen bei Zuwiderhandlung:

„Für die CDU wird es mit dieser Partei an keiner Stelle der Bundesrepublik Deutschland eine parlamentarische Zusammenarbeit geben.“

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