Der gefallene Botschafter tritt nach: „Bin erleichtert, nichts mehr mit Deutschland zu tun zu haben."

Melnyk über Melnyks Pöbeleien: „Ich hatte Carte Blanche und volle Rückendeckung von Selenskyj“

von Alexander Wallasch (Kommentare: 5)

Andrij Melnyk benimmt sich wie eine beleidigte Diva, die austeilt ohne Rücksicht auf Verluste. Eine Diva, die tiefunglücklich und gleichzeitig fuchsteufelswild wird, wenn ihr mal jemand empfiehlt, sich endlich den Mund mit Seife zu waschen.© Quelle: T-Online

Für einen ehemaligen Botschafter in Deutschland bekommt Andrij Melnyk immer noch erstaunlich viel Zuwendung der deutschen Alt-Medien.

Wie der neue ukrainische Botschafter heißt, der jetzt in Berlin Mitte residiert, wissen hingegen die wenigsten. Oleksij Makejew wird allerdings gesehen haben, wie man sich bekannt macht. Sein Amtsvorgänger Melnyk hat vorgemacht, wie man die Trommel schlägt und auf sich aufmerksam macht.

Was macht Andrij Melnyk nach seiner Rückkehr nach Kiew?

T-Online traf ihn zum Interview auf einem Kiewer Spielplatz. Neulich noch kursierten Aufnahmen, die Melnyk in signalroter Jacke zeigen, wie er einem TV-Sender gerade erklärt, wo man in Kiew Wasser bekommt, wenn die Hausleitungen keines mehr liefern.

Melnyk ist alleine nach Kiew zurückgekehrt, seine Frau Switlana und die beiden Kinder sind in Deutschland geblieben. Der Sohn studiert, die Tochter geht in Berlin zur Schule.

Eine verstörende Begründung für die Familientrennung geht so: Er hätte in Kiew für seine Tochter keine „Schule mit Schutzbunker“ gefunden, wie Melnyk gegenüber der Welt erklärte. Selbstredend freut man sich hier für die elfjährige Tochter, dass der Vater mit seinem Bunkervorhaben erfolglos war.

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Er hätte am Tag des Interviews Glück gehabt, sagt Melnyk gegenüber T-Online, es gab Strom in seiner Wohnung. Aber damit das so bleibt, soll Deutschland liefern. Hier wird nicht mehr gebeten, sondern gefordert: „Aus Berlin erwarten wir, dass die Ampel uns neue Luftabwehrsysteme zügig liefert.“

Das „wir“ ist hier unbestimmt. Sind „wir“ die Ukrainer, die Menschen in Kiew oder die Regierung um Präsident Selenskyj? Hat Melnyk hier schon neue Aufgaben zugewiesen bekommen? Dazu gleich mehr.

Melnyk beschwert sich, dass immer mehr Deutsche eine Verhandlungslösung mit Putin fordern. Diese Verhandlungsbereitschaft der Deutschen wäre überhaupt erst die Ursache für den Krieg in der Ukraine. Wir erleben bei Melnyk die Geburtsstunde einer neuen Alleinkriegsschuld-Anklage gegen Deutschland:

„Das ist das übliche Gerede, das wir noch aus der Merkel- und Steinmeier-Ära kennen. Wir haben gesehen, wohin uns dieser Appeasement-Kurs gegenüber Moskau gebracht hat: in das heutige Desaster.“

Melnyk möchte auf keinen Fall, dass Putin irgendwann mit Biden, Scholz oder sonst wem an einem Verhandlungstisch sitzt:

„Ich hätte mir einfach nicht vorstellen können, wie Putin mit Scholz, Biden und anderen an einem Tisch sitzt, man gemeinsam redet und vielleicht sogar Scherze macht. Das verfehlt das Ziel. Putin soll merken, dass Russland ein Paria-Staat geworden ist und ihm keiner mehr die Hand reicht.“

Olaf Scholz hatte bei seinem China-Besuch erreicht, dass sich der chinesische Machthaber/Staatschef mit deutlichen Worten Richtung Moskau und gegen einen Atomkrieg ausgesprochen hat. Für Melnyk ist das alles wertlos:

„Als sei das ein Beispiel für die hohe Kunst der Diplomatie. Tja, in der Ukraine können wir nach dem Besuch des Kanzlers in China jedenfalls nicht ruhiger schlafen.“

Melnyk sagt, er hätte erst dann „Bravo, Kanzler Scholz“ gesagt, wenn der mit einem gemeinsamen Ultimatum in Richtung Moskau aus Peking zurückgekehrt wäre. Für den ehemaligen Botschafter gibt es nur eine Nachricht an Putin, die er für wirkmächtig genug hält, diesen Krieg zu beenden:

„Der Westen muss sehr deutlich machen, dass er vor einem nuklearen Zweitschlag nicht zurückschrecken würde, wenn Putin zur Bombe greift.“

Andrij Melnyk will, dass Putin eine Botschaft aus dem Kalten Krieg wieder neu lernt: „Ein Atomschlag kommt einem Selbstmord gleich.“

Es passt dann auch zum Tonfall von Melnyk, wie er die Nähe zwischen Deutschland und der Ukraine erklärt. Nicht etwa europäisch-kulturell, sondern über die beiderseitige Verseuchung durch den Atomunfall in Tschernobyl:

„Die Bundesrepublik liegt geografisch vor der Haustür der Ukraine. Die Tschernobyl-Katastrophe hat auch Deutschland betroffen, noch heute, 36 Jahre danach, sind Gebiete in Bayern verseucht.“

Andrij Melnyk erneuert, was sein Präsident per Dekret verfügt hat, als der Verhandlungen mit Putin per Dekret verboten hatte:

„Es würde reichen, ihn abzusetzen, etwa mit dem Verweis auf gesundheitliche Gründe, oder in den Ruhestand zu schicken. Dann werden wir schauen, ob sein Nachfolger ein echtes Interesse an Verhandlungen hat.“

Tatsächlich erscheint es wie eine Obsession, wenn Melnyk gleich noch ein weiteres Mal eine deutsche Schuld am Krieg formuliert. Auf die Frage, ob nicht ein Nachfolger von Putin noch brutaler agieren könnte, antwortet Melnyk:

„Das ist ein Schreckgespenst, das schon nach der Krim-Annexion 2014 in Berlin heraufbeschworen wurde. Nach dem Motto: Es könnte der Fall eintreten, dass wir Putin noch vermissen werden. Das ist reine Spekulation, die Putin letztlich im Amt gehalten und ihm den Rücken gestärkt hat.“

Eine behauptete deutsche Haltung vor dem Konflikt wird hier umstandslos zur deutschen Schuld am Konflikt umgebaut.

Melnyk bestätigt gegenüber T-Online, wie eine Einigung  mit Russland erzielt werden könnte: Durch eine Bestrafung von Kriegsverbrechern, eine Kompensation für Kriegsschäden und die Achtung der territorialen Integrität der Ukraine.

Und noch ein drittes Mal betont Andrij Melnyk die von ihm behauptete deutsche Schuld und Verantwortung. Hier bekommt man unmittelbar den Eindruck, das wäre der erlaubte Ton, den man in Europa gegenüber Deutschland anstimmen darf. Bisher von anderen europäischen Staaten weniger offensiv formuliert, äußert der ehemalige Botschafter der Ukraine frei Schnauze, was wir zu liefern haben:

„Die westlichen Staaten, vor allem die Deutschen, wissen ganz genau, dass sie dadurch eine verstärkte Verantwortung für unser Überleben als Staat tragen und ihr gerecht werden müssen.“

T-Online fragt nicht nach, woraus sich diese Verantwortung eigentlich speist. Deutschland muss jetzt Leopard-Kampfpanzer und Schützenpanzer liefern, meint Melnyk.

Vor Kurzem hätte er sich mit Selenskyj getroffen, T-Online will wissen, ob es auch um Deutschland ging. Hier die Antwort des Diplomaten:

„Zu meiner Überraschung gar nicht. Auch nicht über meine Abberufung. Aber mein Präsident hat sich eine Stunde und 15 Minuten Zeit genommen für mich. Das ist sehr ungewöhnlich. Und wir haben vor allem über die Zukunft gesprochen. Ich habe mich bei Wolodymyr Selenskyj ausdrücklich bedankt für sein ungebrochenes Vertrauen und seine Geduld mit meinem – nicht immer orthodoxen – Stil der Diplomatie.“

Die Unstimmigkeit dieser Erzählung scheint Andrij Melnyk gar nicht aufgefallen zu sein: Über Deutschland wurde nicht gesprochen, wohl aber über seinen unorthodoxen Stil der Diplomatie in Deutschland? Das passt hinten und vorne nicht zusammen.

Dankenswerterweise legt Melnyk die Karten an anderer Stelle dann offen auf den Tisch. Befragt nach Selenskyjs Haltung zu seinen unsäglichen Ausfällen in Deutschland sagt Melnyk:

„Ich hatte eine gewisse Carte blanche von ihm und spürte seine volle Rückendeckung. Ohne seine ständige Unterstützung hätte ich in Berlin gar nichts bewirken können.“

Erwähnenswert aber auch: Melnyk sagt, dass er die schlimmsten Shitstorms in der Ukraine bekommen hätte. Viele Ukrainer hätten nicht verstanden, wie ihr Botschafter so mit Freunden umgehen kann. Auch Wladimir Klitschko hätte ihn öffentlich gerügt.

In eigener Sache ist der Austeiler Andrij Melnyk allerdings die größte Mimose:

„Ich war geschockt. Normalerweise sagt man dem eigenen Botschafter auf diese Weise nicht, was er zu tun hat. Ich würde Herrn Klitschko auch keine Ratschläge erteilen, wie man besser boxt.“

Dann berichtet Melnyk weiter, wie er es dem Boxer heimgezahlt hat. Die folgende kurze Anekdote offenbart dabei so einiges über die charakterliche Konstruktion Melnyks:

„Wladimir Klitschko war noch am 1. April in Berlin zu Besuch, um mit seiner 'good cop'-Methode schwere Waffen zu holen. Der Kanzler posierte für Fotos mit ihm, er wurde von vielen Ministern hofiert. Nach ein paar Wochen habe ich ihn dann gefragt: 'Na, wo sind die Leoparden?'"

Wie nebenbei unterstellt er Klitschko hier die Good-Cop-Bad-Coop-Methode, eine Vorgehensweise, die man bei Kriminellen anwendet, um ihnen Geständnisse zu entlocken.

Dieses Interview in Kiew ist hilfreich, abschließend zu verstehen, was Andrij Melnyk wirklich von den Deutschen hält.

Ein lehrreiches Stück über den Ex-Botschafter, dass T-Online da gelungen ist. Eine beleidigte Diva, die austeilt ohne Rücksicht auf Verluste, aber tiefunglücklich und gleichzeitig fuchsteufelswild wird, wenn ihr mal jemand empfiehlt, sich den Mund mit Seife zu waschen.

Welche Aufgaben er zukünftig erfüllen soll, will der Reporter wissen. Melnyks Antwort:

„Darüber darf ich noch nicht sprechen. Wir haben viele Optionen sehr detailliert besprochen. Der Ball liegt nun beim Präsidenten.“

Der Ball liegt also beim Präsidenten, den begnadeten Superstar der Diplomatie für eine Weiterverwendung zu empfehlen? Aber Selenskyj wird sich schwer tun mit seinem Enfant Terrible. Denn es gibt auf der Welt kein vergleichbares Land und kein vergleichbares Volk, mit dem man so umspringen dürfte.

Aber wenn Selenskyj diesen Krieg rasch beenden will, dann muss er Andrij Melnyk nur nach Washington DC entsenden, es würde mutmaßlich keine zwei Tage dauern, bis die USA sich dieses Herrn und seines Auftraggebers entledigt hätten, um andere Wege zu suchen, in der Ukraine ein paar Dollars zu machen.

Seine Familie ist noch in Deutschland, aber Melnyk findet nichts dabei, die Wahlheimat der Familie ein ums andere Mal in den Schmutz zu ziehen:

„Nein, mit Deutschland werde ich hoffentlich nichts mehr direkt zu tun haben.“

Erleichterung hätte sich breit gemacht bei ihm:

„Es ist einerseits ein befreiendes Gefühl, dass ich nicht mehr verantwortlich dafür bin, was mit Deutschlands Ukraine-Politik passiert.“

Eine weitere Aussage, die sich nahtlos einreiht in diese Sammlung von Verstörungen und Beleidigungen.

Verstörend insofern, als dass Deutschland theoretisch durchaus die Souveränität besitzen sollte, keinen Souffleur für die deutsche Ukraine-Politik zu benötigen. Und schon gar nicht einen in eigener Sache. Es sei denn, Selenskyj, Melnyk und Co hätten von anderswoher die Order erhalten, dass man den Deutschen gegenüber keinerlei Rücksichten mehr zu nehmen braucht, die Deppen in der Mitte Europas werden schon erledigen, was man von ihnen verlangt.

Und dann wird es von T-Online tatsächlich gefragt: „Haben Sie Schuldgefühle?“ Gemeint sind seine Pöbelarien. Die Antwort ist auf eine Weise Melnyk, dass man schon darüber lachen könnte, wenn die Lage insgesamt nicht so ernst wäre:

„Ich werfe mir manchmal vor, dass ich viel früher undiplomatisch hätte werden müssen, nicht erst seit dem russischen Überfall am 24. Februar.“

Selbstkritik a la Andrij Melnyk: Schade, dass ich nicht schon früher ein Arschloch war.

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