Mit Friedrich Pürner von Erfurt nach Damaskus

Leute, geht wählen und schafft eindeutige Verhältnisse!

von Alexander Wallasch (Kommentare: 14)

Plenarsitzung vom 26-11-2024© Quelle: EU-Parlament/ Screen

Dr. Friedrich Pürner in einem ausführlichen Gespräch über die Wahl des neuen thüringischen Ministerpräsidenten, über eine AfD in Wartestellung und über die Frage, wie sich die Syrer in Deutschland zum Sturz von Assad verhalten.

Thüringen hat einen neuen Ministerpräsidenten. Mario Voigt (CDU) in inniger Umarmung mit Bodo Ramelow (Die Linke) ist das Foto des Tages. Ramelow darf jetzt einmal im Monat vom Hinterzimmer aus mitregieren. Wie schauen Sie da von Brüssel auf Thüringen?

Es ist alles so schnelllebig. Da kann man gar nicht so schnell gucken, was alles passiert. Wenn sich die zwei gern umarmen, dann sollen sie das machen. Das ist wahrscheinlich ein inniges Zeichen von Wertschätzung. Es mag befremdlich aussehen, aber man kann in völlig unterschiedlichen Parteien sein, mit komplett unterschiedlichen Ansichten und trotzdem freundschaftlich verbunden.

Mario Voigt ist CDU-Ministerpräsident und die CDU hatte eine Brandmauer nach links gezogen, die ist jetzt gefallen. Nicht nur das, es kommt zu solchen Kuschelszenen. Und Ramelow darf von außen mitregieren …

Da kann man mal sehen, wie die Politik wirklich funktioniert. Dieser Beschluss der Brandmauer gegen Die Linke wird dann einfach fallengelassen beziehungsweise ignoriert. Würde man jetzt CDU-Chef Merz befragen, dann würde er wahrscheinlich dazu antworten: Ja. Finde ich nicht so toll, aber das ist nur Landespolitik. Was habe ich damit im Bund zu tun? So ungefähr.

Wahrscheinlich würde Herr Voigt genau das Gleiche erzählen. Daran lässt sich wunderbar erkennen, wie Politik funktioniert. Hier geht es einfach um Macht. Herr Voigt wollte Ministerpräsident werden. Nun, jetzt ist er es.

Die stärkste Fraktion führt normalerweise die Regierungsgespräche. Der Wähler hat sich in Thüringen mutmaßlich eine AfD-Regierung mit einem Juniorpartner CDU gewünscht. Mario Voigt als kleiner Bruder von Herrn Höcke. Aber das findet nicht statt …

Das findet nicht statt. Der Wählerwille wird hier ignoriert. Das bedeutet jetzt nicht, dass ich das gut finde. Aber das ist nichts Neues: Wenn man nicht die absolute Mehrheit hat, werden Allianzen geschmiedet. Das muss auch dem Bürger klar sein. Immer wieder merke ich jedoch, dass das dem Bürger nicht klar ist. Deshalb kann ich nur sagen: Leute, geht zum Wählen und schafft eindeutige Verhältnisse!

Jetzt darf die abgewählte Linke gegen jede demokratische Gepflogenheit einmal im Monat mit am Regierungstisch sitzen. Das ist verfassungsfern, wenn man nicht -feindlich sagen will. Eine Zäsur …

Das heiße ich ja auch nicht gut. Ich versuche nur einzuordnen und zu erklären, wie die Realitäten in der Politik heute ablaufen. Immer wieder bin ich verwundert, dass der Bürger trotzdem kopfschüttelnd dasitzt und sagt: Oh, das kann ich aber jetzt ja gar nicht verstehen.

Nochmal: Ich heiße das nicht gut. Aber dass die Dinge so funktionieren, wie sie bei uns gezeigt werden, muss jedem klar sein. Politik verliert immer mehr an Glaubwürdigkeit und das Vertrauen wird immer mehr geschändet durch solche Dinge. Es ist vollkommen klar, die Thüringer Bürger haben ganz was anderes gewählt, dennoch bekommen sie jetzt diese Regierung.

Was halten Sie aktuell von der Wahlkampagne des Noch-Wirtschaftsministers und grünen Kanzlerkandidaten Robert Habeck?

Die ist einfach nur genial. Da kann man nur sagen: Hier, schaut zu, so geht‘s, da kann man etwas lernen. Dass ich natürlich weder Habeck noch die Grünen und deren Politik gutheiße, steht auf einem anderen Blatt. Aber man kann einfach mal anerkennen, was dieses Habeck-Team macht. Möchte nicht wissen, wie viel Geld das kostet. Die haben wirklich dazugelernt und sich relativ viel – wahrscheinlich aus den USA – abgeguckt und geschaut, wie so was geht. Da wird viel mit Emotionen gearbeitet: Robert Habeck sitzt am Küchentisch bei Freunden und plaudert ganz offen …

Sie sprechen von den Amerikanern. Das war ja auch mal andersrum. Die amerikanischen Propagandisten waren begeistert von Leni Riefenstahl und der deutschen Propagandaleistung …

Ja, ja. Jetzt hören Sie doch mal auf, das gleich wieder in so einen Kontext zu stellen. Sie haben mich gefragt, wie ich das finde. Und ich sage, ich finde die Werbekampagne von Habeck gut gemacht. Rein technisch und auch werbepsychologisch gesehen. Die Kampagne ist ansprechend und ich bin mir relativ sicher, dass da viele Leute wieder darauf reinfallen werden. Insgesamt finde ich die Kampagne einfach gut, ohne dass ich die Person oder die Partei gutheiße oder unterstützen möchte. Man muss einfach mal anerkennen, wenn etwas gut gemacht ist. Da könnte sich die eine oder andere Partei durchaus was abschauen.

Da hat ja Christian Lindner im Wahlkampf 2021 vorgelegt. Große Schwarz-Weiß-Aufnahmen, unabhängig souveräner Auftritt mit trendig-modernen Sätzen darunter. Da könnte dieselbe Agentur tätig gewesen sein wie jetzt für Habeck. Anschließend hat Lindner mit der Ampel getan, was er getan hat. Also was nutzt die ganze Propagandageschichte am Ende, wenn es eine maximale Täuschung der Wähler ist?

Es darf doch wohl hoffentlich keiner glauben, dass Wahlwerbung tatsächlich irgendwas mit Wahrheit zu tun hat.
Aber der Bürger möchte natürlich schon, dass der Politiker ihm das erzählt, was er anschließend bringt. Das wäre ja fast schon dystopisch. Sie haben ja auch für sich Werbung gemacht. Sie haben dem Wähler etwas vorgemacht?

Wo habe ich annähernd solche Werbung wie Robert Habeck, Lindner oder irgendwer gemacht? Ich versuche so authentisch wie möglich zu sein, so glaubwürdig wie möglich. Deshalb – und jetzt mache ich einen Schritt zurück –  deshalb kritisiere ich auch die Dinge, die innerhalb meiner Partei passieren, weil ich finde, dass man authentisch bleiben muss und dass man, soweit möglich, ehrlich sein muss.

Wenn heute der Habeck an einem Küchentisch bei Freunden sitzt und scheinbar nett plaudert, muss eigentlich jedem aufgehen, dass das so nicht der Wirklichkeit entspricht. Das wird so installiert, so gezeigt, so inszeniert, dass es glaubhaft rüberkommt. Aber es wird doch hoffentlich keiner ernsthaft denken, dass das nur annähernd der Realität entspricht. Trotzdem funktioniert‘s. Das ist wie ganz normale Werbung.

Wenn ein Tino Chrupalla als Handwerksmeister durch die Handwerksbetriebe ziehen und sich an die Werkbank stellen würde, fände ich das glaubwürdiger als Habeck am Küchentisch. Das hat doch einen Glaubwürdigkeitsfaktor. Haben Sie eine Idee, warum das bei der AfD nicht stattfindet? Ich habe keine Partei bisher auf dem Schirm, die so ängstlich agiert. Was kann der Grund dafür sein?

Entschuldigung, aber ich kümmere mich nicht um die Belange der AfD. Da würde ich ja nicht mehr fertig …

Ich meine theoretisch. Wir haben ja über Werbung gesprochen …

Sie haben einen Punkt. Das ist mir auch aufgefallen, dass die AfD, was Werbung angeht, brutal schwächelt, also wirklich ganz brutal schwächelt. Wahrscheinlich brauchen die gar nicht viel Werbung machen. Die AfD sorgt regelmäßig dafür – oder lässt dafür sorgen – dass sie in den Gazetten, Talkshows und sonst wo zumindest Thema ist, selbst wenn sie physisch nicht vorkommt.

Allein jetzt wieder in Thüringen, was da alles passiert ist. Aktuell das mit dem Verfassungsschutz mit Herrn Kramer usw. – das reicht aus, dass die AfD wieder in aller Munde ist. Hier haben wir genau das Gegenteil: Die müssen sich gar nicht bei jemanden inszeniert an den Küchentisch setzen, sondern können sich ganz einfach zurücklehnen und abwarten, was passiert. So können sie sich immer und immer wieder in der Opferrolle präsentieren. Auch das ist eine Art von Werbung und es spart wahrscheinlich viel Geld.

Sie würden der AfD aber schon die Opferrolle zubilligen, oder ist die auch gefaked?

Na ja, ich glaube die AfD nimmt die „Opferrolle“ natürlich gerne an. Inwieweit sie tatsächlich Opfer ist, kann ich nicht so einfach sagen. Es ist halt erstaunlich, wie leicht man es der AfD macht. Wenn die AfD zum Beispiel nicht eingeladen wird, in irgendeine Talkshow oder Kanzlerkandidatenshow und Alice Weidel einfach nicht dabei ist …

Wie bei Julian Reichelt auf Nius …

Nun ja, dann kann man natürlich sagen, das hat irgendwie einen eigenen Geschmack. Wenn dann andere sagen: Aber wir laden nur die demokratischen Parteien oder deren Vertreter ein, hat es natürlich auch einen Beigeschmack und man kommt automatisch in diese Opferrolle.

Aber die Opferrolle wird dadurch geprägt, dass den Leuten die Bankkonten gekündigt werden. Dass ein politischer Verfassungsschutz von Thüringen aus bis hinüber zum Bundesverfassungsschutz, von Kramer zu Haldenwang, diese Leute als „gesichert rechtsextrem“ framt. Dann kann man sie beobachten, man kann ihre Privattelefone abhören, ihnen Spitzel unterschieben. Wenn man da als AfD-Politiker kein lupenreines Opfer ist, wann dann? Da ist ja „Opferrolle“ schon ein Framing als Begriff …

Aber nochmal: Das muss man differenziert sehen. Es gibt nicht gleich überall Grund für die Opferrolle, aber manchmal ist es angezeigt. Auch hier benötigt es Mittelmaß und Differenziertheit. Es wäre doch seltsam, wenn die AfD diese „Opferrolle“ nicht ausweiden würde. Das wäre vollkommen unnormal. Da würde man dann auch wieder was falsch machen.

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Sie hatten zuletzt geschrieben, Friedrich Merz riskiert für seine Kanzlerschaft den Dritten Weltkrieg …

Merz zeigt sich als großer Unterstützer der Ukraine durch all die Waffensystemen, die er gern rüberschieben möchte. Jedoch vergisst er dabei, dass dies eine offene Provokation gegenüber Russland ist. Denn diese deutschen Waffen, die er so gerne da drüben sehen würde – z. B. „Taurus“ – müssen auch von jemandem bedient werden. Das können nur deutsche Soldaten, beziehungsweise Deutsche müssten den Ukrainern erklären, wie Taurus technisch funktioniert. Irgendwann ist ein Punkt erreicht, an dem wahrscheinlich auch Putin sagen wird: So, jetzt ist aber gut, genug eingemischt.

Mich erstaunt, dass der Merz in diesen Tagen in die Ukraine fährt und dort quasi als Wahlkampfaktion solche Versprechungen macht. Also offensichtlich kann man bei einer gewissen Klientel in Deutschland damit punkten, zu sagen, wir liefern noch mehr Waffen einschließlich Taurus. Das mag ich kaum glauben …

Der macht das ganz sicher nicht aus intrinsischen Gründen, also aus einer inneren Überzeugung heraus. Merz macht das, weil er Kanzler werden will. Er schaut auf die Umfragewerte und darauf, wie stehen die Bürger zu bestimmten Themen? Mittlerweile sind ja schon viele – ich glaube über die Hälfte – dafür, dass der Krieg in der Ukraine enden muss und dass es keine Waffenlieferungen mehr geben darf. Aber nun ja, Merz schaut dann auf den Rest. Und der ist nicht so verschwindend gering, dass es sich für ihn nicht rentieren würde.

Noch schlimmer finde ich ja, dass auch über die Hälfte der Ukrainer den Krieg nicht mehr will. Und die, die ihn wollen, sind noch viel weniger, der Rest sagt lieber nichts. Sollen Syrer zurück nach Syrien?

Da muss ich ganz differenziert sein. Grundsätzlich bin ich der festen Überzeugung, dass jeder Mensch überall leben können soll, wo er leben möchte! Das ist …

… verfassungsfeindlich?

Nein, weil Sie gefragt haben, sollen die wieder zurück?

Ja.

Verstehen Sie? Das impliziert bei mir: Soll man die jetzt zurückschicken oder nicht?

Aber da gibt es eine ganz klare Rechtsposition, eine Asylgesetzgebung und ein Grundgesetz …

Ich war noch nicht fertig. Und jetzt kommt hinter meinem dicken Ausrufezeichen noch eine Ausführung. Diese lautet: Wer hier in Deutschland ohne rechtliche Grundlage ist bzw. die Voraussetzungen für ein Verbleiben im Bundesgebiet nicht erfüllt sind, muss wieder zurück. Das gilt auch, wenn die Voraussetzung, warum er eigentlich bei uns war, wegfällt und er kein anderes Bleiberecht hier aufgebaut hat. Ganz einfach.

Dann haben wir aber deutsche Gerichte, die entschieden haben, dass selbst das EU-Land Griechenland ein Land ist, in das man Menschen nicht zurückschicken darf, weil es nicht dem menschenwürdigen Komfort entspräche. Unser System verhindert ein Zurückschicken. Das Asylrecht sagt aber explizit, dass es ein Aufenthalt auf Zeit ist. Die Regierung und ihr Vorfeld hat daraus allerdings eine Einladungspolitik für Fachkräfte gemacht. Also eine wirtschaftliche – und an die Linken adressiert: eine kapitalistische – Argumentation darübergelegt …

Ich verstehe das alles. Das Problem ist tatsächlich: Diese Dinge werden komplett vermischt und deshalb auch meine erste Aussage: Jeder Mensch soll leben und wohnen dürfen, wo er möchte. Das ist für mich erst einmal das Grundsätzliche. Dann kommen gesetzliche Voraussetzungen, damit es juristisch korrekt bleibt und man sich im Land aufhalten darf.

Sollten die Gründe wegfallen, dann ist es natürlich nicht mehr so. Wenn hier ein deutsches Gericht etwas entscheidet, so gilt es, dies erst einmal zu respektieren. Punkt. Wenn es einem nicht passt, muss man dagegen vorgehen. Mit allen Mitteln, die heute in diesem Rahmen zulässig sind. Aber diese Differenzierung, die fehlt mir und das erkenne ich dann auch in dieser Frage: Sollen die wieder zurück oder sollen sie nicht? Ich tu mir damit schwer. Aus dem Bekanntenkreis kenne ich welche, die aus Syrien sind. Die haben sich hier ganz einfach ein Leben aufgebaut.

Das ist aber nicht Sinn des Asylangebots, sich hier in Deutschland ein Leben aufzubauen, wenn das dazu führt, dass man nicht mehr in die Heimat möchte oder muss. Als wir unsere türkischen Gastarbeiter geholt haben, gab es klare Verträge dazu. Und 2015 hatten Politik, Medien und Industrie die glorreiche Idee, mit Blick auf die Zuwanderer von einem neuen deutschen Wirtschaftswunder zu fabulieren. Also eine unrechtmäßige Vermengung von Asyl und der Lösung eines mutmaßlichen demographischen Problems vorzunehmen …

Da gebe ich Ihnen vollkommen Recht. Das Problem liegt nur in Ihrer Frage. Denn Sie fragen: Sollen Syrer zurück nach Syrien? Die Frage ist so allgemein und undifferenziert gehalten, dass ich das nicht einfach so beantworten mag.

Ich widerspreche vehement. Die Frage „Sollen Syrer zurück nach Syrien?“ war allenfalls deshalb nicht gut, weil sie rein rhetorisch war. Denn nach dem Asylgesetz müssen sie selbstverständlich nach Hause. Und Deutschland hat sogar die Pflicht, sie nach Hause zu schicken. Ihre Antwort war: Jeder soll leben können, wo er will. Diese Haltung ist grüner als grün, sie ist anti-nationalstaatlich, sogar verfassungsfern …

(Lacht) Das ist einfach was Grundsätzliches. Es ist für mich tatsächlich auch ein Menschenrecht …

Aber das Menschenrecht gibt es nicht.

Das ist allgemein gefasst, wie wenn man sagt: Du sollst nicht oder du darfst nicht stehlen, du sollst nichts Unrechtes tun. So allgemein ist es gefasst.

Aber es gibt kein Menschenrecht nach dem Motto: Du kannst überall leben auf der Welt, wo du möchtest. Das gibt es faktisch nicht.

Ja, und? Für mich gibt es das natürlich! Warum denn nicht? Für mich kann es doch eines sein. Genau das ist meine Vorstellung.

Danke für das Gespräch!

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