Die Linken sind endgültig abserviert, FDP fliegt wohl aus dem Landtag

In Niedersachsen bleibt’s beim Alten: Aber AfD und Grüne mit starken Gewinnen

von Alexander Wallasch (Kommentare: 7)

Die tragische Figur des (Nicht-)Bundeskanzlers muss sich also aus Hannover noch Tipps gefallen lassen, wie er es besser machen soll. Olaf Scholz erhält Durchhalteparolen von einem Ministerpräsidenten.© Quelle: Pixabay / jorono / jette55, Montage Alexander Wallasch

Misst man es zunächst nur an den prozentualen Zugewinnen, dann sind die Alternative für Deutschland (AfD) und die Grünen die klaren Sieger der heutigen Landtagswahlen, beide konnten ihren Stimmenanteil im Vergleich zur Landtagswahl von 2017 um mehr als plus fünf Prozent ausbauen.

Die Grünen kommen nach ersten Hochrechnungen auf 14,0 und die AfD auf 11,5 Prozent. Bevor wir uns den Details zuwenden, ein paar Worte zu den Linken, denen erneut der Einzug in den Landtag nicht gelang:

Scheiterte die Partei 2017 knapp mit 4,6 Prozent an der auch in Niedersachsen gültigen Fünfprozenthürde, könnte das Desaster am heutigen Wahlsonntag größer kaum sein: Die Linken haben ihr mageres Wahlergebnis von 2017 noch einmal halbiert und landen jetzt mit minus 2,1 Prozent bei 2,5 Prozent auf dem Niveau einer Partei, die 2027 dann getrost unter dem grauen Balken der „Anderen“ wegsortiert werden könnte.

Aber der galoppierende Niedergang der Linken kann niemanden wirklich überraschen: Gregor Gysi, einer der Gründer der Linken, sprach noch am Samstag davon, dass man alle Rechten von den Montagsdemonstrationen ausschließen müsse. Spalterischer geht es ja kaum: Wenn man den politischen Gegner nicht im Wettbewerb schlagen kann, dann muss er eben ausgesperrt werden?

Nachdem die Linke sich während des Corona-Regimes nicht auf die Straße getraut hatte, um dem besorgten Bürger zur Seite zu stehen, wollen die versprengten Reste dieser Partei jetzt auf die Straße, aber nur wenn die bürgerliche Mitte sich dort nicht sehen lässt, wenn diese ausgesperrt wird?

Nein, wer es nicht schafft, sich von der frischen Energie von Wagenknecht/Lafontaine auf die Straße tragen zu lassen, der muss am Ende nicht jammern, wenn Hannover die Bordsteine für diese traurige Gurkentruppe hochklappt.

Was der Linken jetzt noch bleibt, ist ein bisschen Ostalgie, aber selbst der Osten hat wohl die Schnauze voll von dieser kultivierten Unfähigkeit, die Bedürfnisse der Menschen in echte Politik umzuwandeln, stattdessen auch hier: nur Gelaber.

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Apropos: Wer kann den Wählern der Grünen eigentlich mal verklickern, dass sie keine Protestwähler mehr sind? Sie geben einer Kriegspartei ihre Stimme! Die Grünen haben mit dem Image, das ihre Werbeagenturen aus den ersten grünen Jahren herübergerettet haben, rein gar nichts mehr zu tun.

Das gilt im Übrigen ebenso für die politische Haltung ihrer Wähler: Wer die Ökopartei 1983 mit seiner Stimme in den Bundestag trug und die Partei bis heute wählt, hat auch die Verwandlung ins Olivgrün klaglos mitgetragen. Der wählt dieselbe Hülle, die er schon immer gewählt hat, mehr nicht. Der macht es heute so, wie es die damals von ihrem Nachwuchs so verhasste Elterngeneration tat, die stur ihre CDU wählte, weil sie schon immer CDU gewählt hatte – beziehungsweise die SPD.

Der Grün-Wähler von heute ist auf dem gleichen apolitischen nostalgischen Level angekommen, den er bei seinen Eltern noch so verflucht und für jedes Problem der Welt verantwortlich gemacht hat.

Mit einer durchaus vergleichbaren Sturheit und der Unfähigkeit zur Selbstkorrektur gelingt es ihm, die Kriegslüsternheit der Grünen auf Bundesebene einfach auszublenden, die Scharfmacher der Partei, wie Hofreiter und Baerbock gehören heute zumindest ihrer Kriegsgeilheit nach zu den klassischen Rechtsaußen – wen stört’s? Die Wähler der Grüne offensichtlich nicht.

Die jüngeren Wähler der Ökopartei wählen das Gleiche wie ihre Eltern. Sie haben es für sich nie für erstrebenswert gehalten, sich aufzulehnen. Den revolutionären Part haben immer schon die grünen Eltern für sich beansprucht, da war kein Blumentopf mehr für die Kinder abzuholen.

Bevor wir zu den ehemaligen Volksparteien kommen, kurz noch ein paar Worte zur AfD. Sie haben den Prognosen nach ähnlich hoch zugelegt wie die Grünen, sogar noch ein klein wenig deutlicher. Bedenkt man darüber hinaus, welcher Gegenwind der AfD entgegenschlägt, dann ist der Partei ein noch viel erstaunlicherer Wahlerfolg gelungen.

Erschwerend hinzu kommen in Niedersachsen noch interne Streitereien, die nach dem Austritt dreier Abgeordneter aus der AfD-Fraktion zum Verlust des Fraktionsstatus der Partei geführt hatten, was wiederum Wikipedia dazu veranlasste, die AfD im Artikel „Niedersachsen“ unter fraktionslos wegzusortieren und damit nicht mehr als AfD-Abgeordnete erkennbar zu belassen. Also alles in allem keine idealen Startvoraussetzungen.

Die Grünen wurden indes von fast allem ins Ziel getragen, was sich eine Partei im Wahlkampf wünschen kann:

Sie bekam faktisch den Kanzlerbonus mit in die norddeutsche Landtagswahl geworfen – Scholz wird ja gemeinhin als Kanzler unter grüner Regie wahrgenommen – und zudem haben die Grünen die Öffentlich-Rechtlichen und die Alt-Medien auf ihrer Seite. Wer also von etwa gleichen Zuwachsraten von Grün und AfD spricht, der liegt damit statistisch richtig, verkennt aber die gravierenden Unterschiede in der Startaufstellung.

Bei den Kleinparteien wäre noch die FDP übrig. Sie bangt aber aktuell noch um den Wiedereinzug in den Niedersächsischen Landtag.

Christian Lindners norddeutscher Ableger fiel nach ersten Prognosen von 7,5 auf 5 Prozentpunkte, möglicherweise noch weniger, was das Aus bedeuten würde. Grandioser kann man kaum scheitern: Die FDP zeigt auf Bundesebene, was sie nicht kann, nämlich (mit)regieren. Und Niedersachsens FDP-Wähler zeigen, dass dieses Unvermögen bei ihnen angekommen ist. Ein Trauerspiel in besonders blassem Gelb.

Kommen wir schnell noch zur SPD und CDU, sie regieren in Niedersachsen bisher gemeinsam. Die SPD stellt mit Stephan Weil den Ministerpräsidenten, beide Parteien haben zusammen fast zehn Prozent der Wählerstimmen eingebüßt, also gegenüber 2017 ein gemeinsamer Schrumpfsieg.

Der alte und aller Wahrscheinlichkeit nach auch neue Ministerpräsident bezeichnete das Niedersachsen-Ergebnis ab Sonntagabend dann als eine Art Bundestagswahlergebnis:

„Das waren hier wirklich nicht nur Landtagswahlen. Im Gegenteil, manchmal konnte man (...) den Eindruck gewinnen, andere würden eher einen verdeckten Bundestagswahlkampf führen. Aber dann ist dieses Ergebnis ja vielleicht auch ein Zeichen für unsere Freundinnen und Freunde in Berlin: Es lohnt sich zu kämpfen, es lohnt sich, den Rücken gerade zu machen. Und die niedersächsische SPD betrachtet sich gerade heute Abend als Teil der Bundes-SPD.“

Die tragische Figur des (Nicht-)Bundeskanzlers muss sich also aus Hannover noch Tipps gefallen lassen, wie er es besser machen soll. Olaf Scholz erhält Durchhalteparolen aus dem Norden von einem Ministerpräsidenten, der gerade mit seiner Regierungskoalition fast zehn Prozent der Wählerstimmen verloren hat.

Aber es gibt noch etwas, das zu denken gibt: Die Wahlbeteiligung soll nach ersten Angaben erneut gesunken sein. Und das kann man auch nicht mit einem besonders sonnigen Oktobertag in Niedersachsen schönreden.

Deutschland stehen schwierige Jahre bevor, viele wissen nicht einmal, wie sie trotz Arbeit den Winter überstehen sollen, Millionen Menschen sitzen hilflos über unbezahlbaren Energieabschlägen. Hinzu kommt ein eskalierender Krieg in der Ukraine, von dem viele glauben, dass hier die Gefahr eines dritten Weltkriegs besteht. In solchen Krisenzeiten neigt der Wähler normalerweise dazu, etabliert zu wählen und ängstlich auf das Bestehende zu setzen. In Niedersachsen verliert die Regierungskoalition hingegen fast zehn Prozent der Wählerstimmen.

Das ist mindestens so beunruhigend, wie die Tatsache, dass die Grünen in Niedersachsen noch einmal mehr als fünf Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen konnten. Hier darf man auf die Analyse gespannt sein, aus welchen Schichten sich diese neuen Grün-Wähler zusammensetzen – mutmaßlich findet man hier nur Niedersachsen, denen die Abrechnungen ihrer Energieversorger keine neuen grauen Haare wachsen lassen.

Und last but not least die wahrscheinlich wichtigste Erkenntnis dieser Niedersachsen-Wahl: Die SPD kann jetzt mit den Grünen regieren. Die CDU ist aller Wahrscheinlichkeit nach in Niedersachsen ebenso wie auf Bundesebene nur noch Oppositionspartei, die Politik in Niedersachsen hängt einfach etwas hinterher.

Friedrich Merz ist auch hier der Hauptverantwortliche. Sein fundamentales Versagen als Oppositionsführer im Bundestag ist die Blaupause für dieses Ergebnis. Es bleibt also alles wie gehabt: Grüne Erfolge speisen sich zu großen Teilen aus der Arbeitsverweigerung von CDU/CSU. Deutschland verendet täglich ein stückweit mehr, weil die Christdemokraten es nicht verhindern wollen.

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