Markus Söder soll vor den bayerischen Landtagswahlen in eineinhalb Monaten sturmreif geschossen, die Grünen noch weiter aufgefettet und abgesetzt werden vom Zehnprozent-Trio SPD/AfD/Freie Wähler und klar hinter der CSU platziert werden, die aktuell noch mit 37 oder 38 Prozent gehandelt wird.
Das Problem für die Grünen: Nach den Umfragen hat die amtierende Koalition nach wie vor eine knappe zwar, aber eine Mehrheit. Noch ist Söder nicht zwingend auf die Grünen angewiesen. Der bayerische Landeschef weiß aber auch, dass seine Wähler ihm auch deshalb noch 38 Prozent gönnen, eben weil er mit den Freien Wählern koaliert und nicht mit den Grünen. Söders Wunschpartner „Grün“ ist für die CSU in Bayern ein mächtiges Risiko.
Zur Erinnerung: Wirklich niemand nimmt den albernen Vorwurf gegen Söders Vize ernst. Einen auch für einen 17-jährigen vollkommen irren Nazi-Brief mutmaßlich seines Bruders aus den 1980er Jahren als Waffe gegen Aiwanger zu nutzen, ist infantil und geradezu lächerlich. Aber doch am Ende ausreichend?
Der krude Anwurf wird vom polit-medialen Komplex in einer Ernsthaftigkeit vorgetragen, dass es schlichte Gemüter geben mag, die die Lächerlichkeit dieses Unterfangens nicht mehr durchschauen. Darauf mögen die Initiatoren hoffen und darauf, dass noch etwas vom Schmutz hängenbleibt.
Es ist die Hoffnung auf eine Wiederholung des Sturzes der österreichischen Regierung, als die Ibiza-Affäre Heinz-Christian Strache, den Aiwanger Österreichs, zu Fall brachte und Kanzler Sebastian Kurz dazu nötigte, eine Koalition mit den Grünen zu suchen. Oder wollte er diese am Ende sogar? Eine verworrene Geschichte.
Erinnert sich noch jemand an den Dresdner Lutz Bachmann, der 2014 die zuwanderungskritische Pegida-Bewegung mit ins Leben rief? Die Bildzeitung hatte ein Foto Bachmanns in „Er ist wieder da“-Pose veröffentlicht, was zunächst zum Rücktritt Bachmanns vom Pegida-Vorsitz führte, später soll er allerdings wiedergewählt worden sein.
Gestern wurde nun bekannt, dass auch Söder seinen „Er ist wieder da“-Moment hatte. Wo Bachmann nach der Hälfte des morgendlichen Rasierens einen Moment wie Adolf Hitler aussehen wollte, imitierte der bayerische Ministerpräsident die Stimme Hitlers öffentlich auf einer Veranstaltung im Bierzelt ausgerechnet in Aiwangers Landkreis Landshut, wie der Deutschlandfunk berichtete.
Die CSU bestritt den Vergleich, das Söder-Hitler-Tonband allerdings ist eindeutig, falls es kein KI-Produkt ist, was von der CSU aber nicht behauptet wurde. Söder hitlerte: „Ich werde in München mal auf den Tisch hauen.“
Der Ministerpräsident hat seinem Vize jetzt Schulaufgaben in den Ranzen gepackt. Hubert Aiwanger soll ihm 88 Fragen – quatsch, nur 25 – beantworten. Und zwar schriftlich und sauber mit Füller in Handschrift geschrieben. „Wir werden 25 Fragen, die wir zusammenstellen, an Hubert Aiwanger zur Beantwortung geben", sagte Söder nach einem Sonder-Koalitionsausschuss in München.
Das ist so dämlich, dass man sich ernsthaft fragen muss, ob die Bayern ihre 37 oder 38 Prozent eigentlich Söder geben oder nur noch traditionell der CSU, um Bayern gegenüber dem Bund zu stärken. Söder hatte, das Flugblatt betreffend, von „schwerwiegenden Vorwürfe“ gesprochen.
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Markus Söder hat das hingereichte geschmacklose Kaugummi des polit-medialen Komplexes widerspruchslos in den Mund genommen und einfach weiter darauf herumgegnibbelt. Hier scheint niemand aufgefallen zu sein, dass Söders Bierzelt-Hitler-Parodie eindeutig macht, was er wirklich davon hält. Oder war am Ende doch alles ganz anders und es war gar keine Hitlerparodie, wie jetzt auf Facebook bereits diskutiert wird? Der falsche Brief eines 17-Jährigen trifft auf den falschen Hitler des bayerischen Ministerpräsidenten?
Aber wozu dann die ebenfalls lächerliche Geschichte mit den 25 Fragen als Strafaufgabe, man könnte ja einfach zusammensitzen und die Sache von Mann zu Mann klären. Pustekuchen. Um was für Fragen geht es eigentlich?
Weil das offenbar immer noch nicht lächerlich genug ist, erklärte Söder seinen Fragenkatalog unter anderem damit, dass es in der bayerischen Staatsregierung keinen Platz für Antisemitismus gäbe. Was im Umkehrschluss ja nichts anderes bedeutet, als das Söder annimmt, dass Aiwanger möglicherweise einer sei. Dass sein Vize eine Art Antisemitismusschläfer sei, der nach 35 Jahren Hitler-Dornröschenschlaf aus diesem erwachen könnte, und sich der Marsch auf die Feldherrenhalle in Söder geliebtem München wiederholen könnte.
Man kann sich jetzt einen Scherz machen und die mutmaßlichen 25 Fragen einmal aufschreiben. Beispielsweise Frage 1: „Wie hieß die spätere Ehefrau von Adolf Hitler?“ Aber Humor im Umgang mit der jüngeren deutschen Vergangenheit kann man dann doch getrost den Bachmanns und Söders überlassen.
Der Hauptgeschädigte der Aiwanger-Affäre wird der bayerische Ministerpräsident selbst sein. Er weiß es nur noch nicht. Derweil reibt sich Katharina Schulze, die Chefin der Grünen, die Hände und wartet einfach weiter darauf, bis Söder seine Hitlerparodie beendet und um ihre Hand anhalten wird.
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Kommentar von Anja Pusch
Schon geschehen. Söder behält Aiwanger im Amt, und wird deshalb selbst untragbar. Finde ich aber auch richtig, denn Gedanken die man mit 16 hat - und die FW fordern bereits Wahlmündigkeit mit 16 - hat man später ebenfalls noch, oder kann es - die Sache mit diesem Flugblatt ist seit 2008 in größerem Kreise bekannt gewesen - öffentlich revidieren. Wer dies als Politiker nicht kann, ist fehl am Platze. Sorry!
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Kommentar von Logolei
"Hubert Aiwanger soll ihm 88 Fragen – quatsch, nur 25 – beantworten."
Hatte das Programm der NSDAP nicht auch 25 Punkte?
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Kommentar von SuperlogenRegierenDieWelt
OK, das eXTwitter-Video (twitter.com/BR24/status/1696580340859502683) zeigt eindeutig, die Hitler-Parodie war keine.
Aber Söder sucht offenbar bei den FW in der Person Aiwanger das Haar in der Suppe, wenn er trotz Kooperation & aller Erklärungen Aiwangers noch weiter insistiert: "Es darf jetzt auch nichts Neues dazukommen."
Das klingt schon so, als wüsste er ganz genau, dass da noch was kommt (z.B. ein Ultraschall-Foto seiner damals mit Aiwanger schwangeren Mutter, wo Aiwanger eindeutig erkennbar den rechten Arm zum Hitlergruß hebt).
Entweder will Söder die FW per Enthauptungsschlag durch (von Söder per inszenierten & erzwungenen) Rücktritt Aiwangers als Koalitionspartner für die Wahl zu Gunsten seiner CSU schwächen oder er will tatsächlich eine gewichtige Ausrede für den Wechsel des Koalitionspartner hin zu den Grünen fabrizieren. Und mit dem Begründung 'Antisemitismus' hat er das denkbar schärfste Schwert gezogen, sodass ihm kein Wähler dann einen Vorwurf wird machen können - zumindest in der Theorie. Denn Söder hat eindeutig den Bogen überspannt!
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Kommentar von Johannes Schumann
Also ich bin ja nicht vom Fach, aber wer so den Hitler stimmlich imitieren kann, der hat doch bestimmt schon in der Jugend viel geübt. Warum übt jemand das? Bewunderung?
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Kommentar von SuperlogenRegierenDieWelt
Frage 1 - 24: "Wer ist der tollste Politiker in Bayern?" (in 24 Varianten)
Frage 25: "Stimmt es, dass Hitler nur einen Hoden hatte?"
Aiwanger sollte aber den Spieß nun einfach umdrehen und ebenfalls einen Gesinnungs-Tüv über 25 Fragen mit Söder veranstalten.
Dann hätte er die Lacher (& sicher auch nicht wenige CSU-Wähler) auf seiner Seite.
Denn nach Söders von Vielen als Hitler-Imitation wahrgenommenen Satz und damit Nazi-Verharmlosung fällt ihm seine eigene Aussage, "dass es in der bayerischen Staatsregierung keinen Platz für Antisemitismus gäbe" nun selbst vor die Füsse.
Interessant ist auch die Sicht & Meinung von Vera Lengsfeld zur Causa Södolf* (https://vera-lengsfeld.de/2023/08/30/nicht-aiwanger-soeder-muesste-zuruecktreten/)
* "Verfahren eingestellt: Markus Söder darf "Södolf" und "Corona-Autokrat" genannt werden" (https://meinungsfreiheit.rtde.life/inland/179291-gerichtsurteil-markus-soeder-darf-soedolf/)
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Kommentar von .TS.
"schlichte Gemüter [...] die die Lächerlichkeit dieses Unterfangens nicht mehr durchschauen."
Die wählen ohnehin schon rotzgrün, oder machen auch die drölfzigste Wetterfähnchenwende ihres CSU-Zampanos noch mit.
In erster Linie ist das ganze Schmierentheater daher nichts anderes als plumpeste Selbstbestätigung fürs eigene Lager. Und wirksame Ablenkung von den wirklich wichtigen Themen.
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Kommentar von Ostdeutsche
Aber, liebe Frau Rechner, A. Wallasch hat es doch auch so gesehen.
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Kommentar von Karl Eduard
Leider ist selbst in Bayern längst Hopfen und Malz verloren, die Großstädte haben nichts mehr mit dem Bayern zu tun das man vielleicht vor 10 - 15 Jahren noch kannte. Hier können mittlerweile Klimakleber mit Ansage und unter tatkräftiger Mithilfe der Stadtverwaltung wochenlang den Verkehr lahmlegen, Konsequenzen gibt es keine. Bezahlbare Wohnungen gibt es nicht mehr für Einheimische, völlig wahnsinnig gewordene "Stadtplaner" behindern den Verkehr durch absurde Fahradstrassen, Tempolimits und Rote Wellen mehr als es die Klimakleber jemals könnten, auf dem Marienplatz werden ukrainische Nazilieder gesungen und in Kindergärten der sexuelle Missbrauch legalisiert. Ich würde wetten dass diese ganze Aiwanger Geschichte von Söder selbst eingefädelt wurde - dem ist nichts lieber als mit den Grünen zu regieren und gleichzeitig hat er eine tolle Ausrede warum er die FW nicht mehr als Koalitionspartner akzeptieren kann. Von der Verschlagenheit eines Söders können sogar die Grünen noch was lernen - der sieht sich in seinem Wahn immer noch als kommender Kanzlerkandidat, daher ist ihm auch völlig egal das die CSU wohl künftig als Landesverband der CDU antreten muß. Mir ist völlig schleierhaft wie man so verblendet sein kann weiterhin eine Partei zu wählen die diesen Menschen als Spitzenkandidaten aufstellt. Aber wie gesagt auch in Bayern kann man jede Hoffnung auf Besserung einfach mal vergessen...
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Kommentar von Miriam Rechner
@Ostdeutsche, dass Söder Hitler imitiert hätte ist eine Story, die zu schnell die Runde machte, weil nur wenige Sekunden von dem Video gezeigt wurden. Ich finde aus dem verlinkten Video von der JF geht ganz klar hervor, dass es sich hier um einen Irrtum handelt.
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Kommentar von Ostdeutsche
Heute bei der JF eine Meldung, daß Söder eben nicht die Figur A. H. imitiert habe. Man korrigiere diese Falschmeldung. Mein Gedanke war: Hä?
Ich habe unvoreingenommen eben das Abgestrittene wahrgenommen und nicht, daß irgend ein Hinterbänkler parodiert werden sollte. Da ist auch ein Bruch in der Rede, weil Söder sich anschließend lobend über einen Mann äußert, der so viel für Landshut getan habe.
Komisch das alles.
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Kommentar von Bernhard Rossi
Söders Messlatte, die er nicht überspringen wird: Die unter Alfons Goppels Spitzenkandidatur erreichten 62,1 % der Wählerstimmen bei der Landtagswahl 1974 sind bis heute das beste Ergebnis für die CSU und das zweitbeste Ergebnis, das eine Partei bei einer Landtagswahl in Deutschland je erzielte. Übertroffen wurde dies lediglich 1948, als die (West-)Berliner SPD unter Ernst Reuter 64,5 % der Stimmen erzielte.
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Kommentar von Sigrid Leonhard
Ich würde eher meinen, dass die Stimmen, die von der CSU weg gehen, Richtung FW, Bayernpartei oder AfD gehen.
Wer in Bayern findet die Grünen gut? Wenige - vor allem nach den letzten Jahren Bundespolitik.