Der Gesundheitsexperte des BSW im EU-Parlament

Friedrich Pürner – Wagenknechts Brüsseler Spitze

von Alexander Wallasch (Kommentare: 12)

Glauben Sie mir - die Erde würde sich auch ohne mich weiterdrehen.© Quelle: EU Parlament, Screenshot

Dr. Friedrich Pürner ist Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen und Epidemiologe. Als Leiter eines Gesundheitsamtes wurde er entlassen, als er sich gegen die Corona-Strategie der Bayerischen Landesregierung ausgesprochen hatte. Heute sitzt er für das BSW im Europaparlament.

Zuletzt forderte der in der Corona-Maßnahmenkritik prominent gewordene Dr. Friedrich Pürner die Begnadigung des Soldaten Alexander Bittner. Und der EU-Abgeordnete vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) redet nicht nur, er ist in die JVA gefahren und hat mit Bittner geredet.

Pürner mischt sich ein. Auch innerhalb des BSW zu den aktuellen Themen. Damit macht er Schlagzeilen. Die „Welt“ titelte zuletzt: „„BSW sollte Vorgespräche mit AfD führen“, sagt der Wagenknecht-Europaabgeordnete“.

Dr. Friedrich Pürner im Gespräch mit Alexander Wallasch:

Sie sagten im Vorgespräch, Sie nehmen kein Blatt vor den Mund. Viele Menschen kennen Sie noch aus der Corona-Maßnahmen-Kritik, da waren Sie eine der zentralen Figuren. Darf man sagen, Sie waren im Widerstand? Sehen Sie sich da?

(Lacht) Sagen darf man vieles. Ich würde mich aber nicht im Widerstand sehen, eher als Kritiker. Ich bin ein fachlicher Kritiker bestimmter Corona-Maßnahmen.

Sind Sie Opfer der Corona-Maßnahmen oder des Corona-Regimes in irgendeiner Form?

Nein. Den Begriff „Corona-Regime“ würde ich nicht in den Mund nehmen. Als Opfer mag ich mich auch nicht sehen. Ich bin ein Kritiker, den man kaltgestellt hat. Hier kommt es immer auf die Perspektive an. Ich möchte nicht einfach in die Opferrolle geschubst werden. Ich habe meinen Job verloren und viel Gegenwind bekommen. Außerdem ist das Ganze ja noch nicht vorbei. Das ist ein Marathon, Herr Wallasch, und wir werden schauen, was am Ende dabei herauskommt.

Führende Köpfe der Corona-Maßnahmen-Kritik haben zu Beginn der mRNA-Impfkampagnen gesagt, in drei Jahren seien alle Geimpften tot. Aber die allermeisten Geimpften leben noch. Alles weniger schlimm, als befürchtet?

An meinem Statement hat sich grundsätzlich nichts verändert. Damals habe ich als Arzt gesprochen: Das ist eine wirklich neuartige Impfung. Man muss aufpassen bei der Abwägung, wie schwer eine Krankheit verlaufen kann gegenüber der Unwägbarkeit einer neuartigen Impfung. Als Arzt habe ich mit vielen Leuten gesprochen und versucht, ihnen zu erklären, dass das letztendlich ihre individuelle Entscheidung ist. Relativ schnell war ich - auch aufgrund meiner Daten - der Auffassung, dass Corona für Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene, und gesunde Erwachsene überhaupt kein Problem darstellt.

Es gab ohne Zweifel eine bestimmte Gruppe, aus der heraus viele Menschen an Covid verstorben sind. Diese Personengruppe konnte man relativ schnell ausfindig machen: Das waren ältere Menschen und die sogenannten vorerkrankten Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder solche, die adipös waren.

Für diese Gruppe wäre es ganz sicher eine Überlegung wert gewesen, ob man das Risiko einer relativ unbekannten Impfung in Kauf nimmt. Das war auch meine Erwartungshaltung an alle Ärzte, dass das so mit Patienten besprochen wird. Das war die Erwartungshaltung an das Gesundheitsministerium, an alle Politiker und an die ganze Bevölkerung, dass man sich auch damit beschäftigt.

Zur Wahrheit hätte auch gehört, dass man sagt: Leute, wir wissen über diese Impfung relativ wenig. Wir wissen nicht, wie sie wirkt. Wir wissen nicht, ob sie wirkt. Wir kennen die Nebenwirkungen und die Folgen nicht wirklich, weil es die Studienlage so nicht hergibt.

Aber im Rahmen der Verhältnismäßigkeit kann ich als Arzt sagen: Wenn jemand alt und gebrechlich war und erklärte, er habe wirklich Angst vor dieser Erkrankung, vor Covid, dann hätte man dieser Person eine Impfung empfehlen können. Aber ich sage „eine Impfung“ und nicht fünf! Für andere, die mit 50 oder 60 Jahren sagen, ich fühle mich fit, mache Sport, laufe in der Woche 20 Kilometer und habe auch sonst keine Erkrankungen, wäre die Impfung eher nichts gewesen.

Prominente Köpfe haben 2021 gesagt, die Geimpften seien alle tot nach drei Jahren. So wie Lauterbach auf der Gegenseite gesagt hatte, wenn man sich nicht impfen lässt, sterbe man unweigerlich ...

Richtig. Aber dem habe ich mich nie angeschlossen. Natürlich respektiere ich, wenn Fachleute so etwas sagen. Ich kann mich an eine Situation erinnern, da habe ich Professor Bhakdi beim Gespräch widersprochen, weil er immer wieder „Giftspritze“ gesagt hatte. Damals fand ich das einfach nicht angebracht, weil es die Menschen verunsicherte.

Das macht den Menschen Angst und löst gewisse Assoziationen aus. Es kann wirklich niemand genau sagen, was passiert. Ich habe nie gedacht, dass die Impfung gleich die ganze Menschheit auslöscht. Ich habe aber auch nie gedacht, dass Covid wirklich so schlimm ist, wie es uns erklärt worden ist.
Sondern ich sah mich – auch als Epidemiologe – immer in der Mitte aufgestellt. Als Arzt macht man eine Folgen- und Risikoabschätzung und trifft dann eine Entscheidung. Aber letztendlich muss der Patient sagen, was er will.

Wie ist das mit Wagenknecht und Pürner zustande gekommen?

Man ist mal auf mich zugekommen und wir kamen dann ins Gespräch. Näheres werde ich darüber nicht sagen. Nach mehreren Gesprächen wurde immer klarer, dass mein Interesse an Politik und an dem BSW geweckt ist. Und Sahra Wagenknecht ging es wohl umgekehrt genauso.

Früher hatte ich mir nie vorstellen können, politisch tätig zu werden oder in eine Partei einzutreten. Tatsächlich hatte ich in der Corona-Zeit genügend Angebote bekommen. Nein (lacht), nicht nur von AfD-Seite, sondern auch von anderen Parteien.

Diese Angebote habe ich aber immer abgelehnt. Die eine oder andere Berührungsangst hatte ich immer. Ich konnte mit bestimmten Themen nichts anfangen und ebensowenig mit dem ganzen politischen Betrieb. Aber dann hat mir die Corona-Zeit gezeigt: Vielleicht muss man politisch tätig werden, damit man etwas bewegen kann. Dieser kleine Kreis jeden Abend mit Chat-Gruppen, die sich gleich gesinnt sind und sich unterhalten – damit kann man da draußen letztlich nichts bewegen.

Haben Sie die Glückskarte gezogen, gleich so erfolgreich mit dem BSW zu werden und auch noch einen Sitz im Europaparlament zu erobern?

Das haben die Wähler entschieden. Sie haben abgestimmt. Das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich einen Beruf ausüben kann – den ich mir natürlich selbst ausgesucht habe, weil ich das gerne machen will – wo über mich demokratisch abgestimmt wurde. Ich hatte Listenplatz sechs beim BSW und bin ins Europaparlament gekommen.

Natürlich war ich sehr glücklich darüber, weil ich dadurch frei und unabhängig bin und weil ich bestimmte Dinge anstoßen kann, die ich schon lange machen wollte.

Es gab 1998 eine denkwürdige Szene. Die Schröder-Regierung tritt zum Gruppenfoto an und Joschka Fischer sagt zu Otto Schily in etwa: Kneif mich mal, ich glaub, ich träume! Wie ging es Ihnen am ersten Tag im Europaparlament?

Selbst am Wahltag habe ich es noch nicht realisiert. Listenplatz sechs war laut den Umfragen sehr knapp. Ich hatte noch gar nichts unternommen in Richtung Brüssel. Ein Ergebnis von fünf Prozent wäre schon toll gewesen für eine ganze neue Partei.

Das heißt, Sie waren fast erschrocken, als es dann doch passierte?

Natürlich. Ich war bis in die Früh um vier Uhr wach, um auf das Endergebnis der Bundeswahlleiterin zu schauen. Im Internet habe ich mitverfolgt, wie die einzelnen Stimmkreise ausgezählt wurden. Und ich habe gewartet, bis ich mir sicher sein konnte, dass ich mit Platz 6 noch reinkomme.

Das war schon spannend. Meine erste Fahrt nach Brüssel und dann vor allem in Straßburg – als die erste parlamentarische Sitzung losging und wir alle aufstanden – das war ein Gänsehautgefühl. So wirklich habe ich es immer noch nicht realisiert, was da eigentlich gerade passiert und wie elitär dieser Job tatsächlich ist.

Ich wundere mich immer noch und muss mich zusammenreißen, um nicht zu sagen, oh Gott, ich glaube, ich träume. Das ist sicher kein Allerweltsjob, sondern etwas ganz Außergewöhnliches. Aber es ist auch nicht so, dass ich direkt von der Schulbank in die Politik gegangen bin. Ich habe schon einiges erlebt und einiges gemacht.

Berlin - Brüssel, das sind fast 800 Kilometer. Eine ziemlich weite Entfernung. Sie es schnell geschafft – liegt es an der neuen Distanz? – zum Enfant Terrible des BSW zu werden. Noch keine Lust auf Parteidisziplin oder für Sie kein Thema?

(Überlegt) Bisher ist es noch kein Thema. Und mit „bisher“ meine ich insbesondere meine letzten Äußerungen etwa zur AfD in Thüringen. Mir ist natürlich klar, dass ich kein Solo-Spieler bin innerhalb der Partei. Im Team habe ich schon öfter gespielt und gearbeitet, ich weiß, wie es geht.

Aber ich werde mich nicht verbiegen lassen, das werde ich nicht tun. Ich habe bestimmte Überzeugungen. Und ich habe bestimmte Meinungen. Diese werde ich nicht verkaufen. Mit „verkaufen“ meine ich, dass ich meine Meinung nicht gegen weitere Mandate, Geld, Parteizugehörigkeit oder aussichtsreiche Posten eintauschen werde.

Und als Abgeordneter bin ich von den Bürgern gewählt worden. Diese Wähler dürfen darauf vertrauen, dass ich auch innerhalb der Partei bestimmte Vorgänge, die ich nicht gut finde, ansprechen werde. Immer höflich, immer freundlich, nicht herabsetzend - aber ich werde sie ansprechen. Das gehört für mich mit dazu. Und wenn das BSW die Partei ist, wie sie Sahra Wagenknecht am Anfang beschrieben hat, wird es diese Partei auch aushalten.

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Ich gehöre zu jenen, die schon vor zehn Jahren auf prominenten Portalen jeden Pieps von Wagenknecht zu Text verarbeitet haben. Das waren immer große Hymnen auf die Linkspolitikerin – die Enttäuschung heute könnte kaum größer sein. Ich fühle mich fast mitschuldig, eine bestimmte kritische Leserschaft immer wieder mit Wagenknecht verbunden zu haben, die heute sehr enttäuscht sind. Wie kann man diese Leute wieder mit dem BSW versöhnen?

Das halte ich zunächst eine normale Entwicklung. Sie werden in einer Partei immer unterschiedliche Strömungen finden. Auch mit unterschiedlichen Ansichten. Im BSW sind ehemalige Linke, es sind auch Ehemalige von der SPD darin und Leute wie ich, die mit Politik bisher nicht viel zu tun hatten.

Es sind aber schon überwiegend ehemalige Genossen der Linkspartei, die großen Kader ...

Dazu möchte ich mich nicht äußern. Da müsste mir erst einer erklären, was die „großen Kader“ wirklich sind. Richtig ist, dass viele ehemalige Linke beim BSW sind. Die werden sich aus einem ganz bestimmten Grund von den Linken gelöst haben. Soweit ich das mitbekomme, war es einfach die Unzufriedenheit in der damaligen Partei „Die Linke“. Aber hineinschauen kann ich auch nicht. Ich vertraue darauf, was mir die Parteimitglieder sagen.

Aber um Ihre Frage zu beantworten, ich denke, dass es ein normaler Prozess ist, dass man sich nicht überall einig ist. Hinzukommen die eigenen Landesverbände, die sich freischwimmen wollen. Auf der einen Seite wird dem BSW immer vorgeworfen, dass Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine vom Saarland aus alles zentral steuern. Gleichzeitig aber, wenn sich ein Landesverband ein wenig anders verhält, heißt es von außen gleich, es gehe eine große Krise durch das BSW.
Das ist auf der einen Seite unlogisch von der Kritik her. Auf der anderen Seite finde ich, dass man aufpassen muss, welche Leitplanken man zuvor aufgestellt hat. Etwa, dass man anders sein will als die etablierten Parteien. Dass es auf die Inhalte ankommt.

Das aktuelle Vorgehen in Thüringen, halte ich für nicht richtig. Das habe ich geäußert. Der Thüringer Landesverband vom BSW kann natürlich machen, was er will. Ich werde das aber nicht einfach abnicken und sagen, das hätte ich genauso getan. Wenn ich gefragt werde, dann sage ich sorry, dieses Vorgehen finde ich nicht in Ordnung, das hätte man anders und besser lösen können.

Würden Sie zustimmen, dass es drei Leitplanken gibt beim BW? Die Corona-Maßnahmen-Kritik, da sind Sie der Vertreter. Die Zuwanderungskritik. Da suche ich noch den Vertreter. Frau Wagenknecht ist es offensichtlich nicht mehr. Und das dritte ist die Friedenspolitik im Kontext Ukrainekrieg ...

Sozialpolitik gehört noch mit dazu, das ist ein ganz, ganz wesentlicher Kern.

Diese Idee, dass das BSW eine außerparlamentarische Kraft in die Parlamente bringt – ging flott verloren. Darin liegt ein hohes Enttäuschungspotenzial. Ich frage mich, wie man das wieder einfangen will. Ich muss mich bei meinen Lesern für die Wagenknecht-Euphorie der letzten fünf Jahre fast entschuldigen ...

Das sollten Sie aber nicht tun. Ich verstehe nicht, warum man von einem Extrem ins andere wandert. Jetzt muss man die Dinge einfach mal isoliert betrachten. Das BSW ist angetreten, um vielen Menschen, die unzufrieden sind, wieder eine Stimme zu geben.

Es hat immer geheißen, die AfD sei die Protestwähler-Partei. Ich kenne selbst genügend Leute, die AfD wählen von denen man das niemals erwarten würde.
Mich hat furchtbar gestört, dass man ständig alle sofort ins rechte Eck stellt, die die AfD wählen. Wenn man sich mit den Menschen unterhalten hat, dann wurde gesagt, man wähle die AfD, weil man mit den anderen Parteien nicht mehr zufrieden sei. Niemand sagte, er wähle die AfD, weil er da bestimmte Themen oder irgendeinen Typen gut finde, also zum Beispiel Herrn Martin Sichert ...

Oder Jürgen Braun ...

Ganz genau!

Aber das ist doch das eigentlich Spannende, dass viele gar nicht die AfD wählen, sondern bestimmte Haltungen zu bestimmten Themen, die es bei den etablierten Parteien nicht mehr gibt: eine bestimmte Sicht auf die Corona-Jahre, die Zuwanderungskritik, der Ukrainekrieg. Ich wundere mich immer, wie es Politik und Medien so erfolgreich geschafft haben, Themen und Debatten die sie nicht wollen, gleich in einem Abwasch mit der AfD zu diffamieren ...

Die AfD-Wählerschaft wählt die AfD, weil sie keine Alternative hatte zu den anderen Parteien. Das BSW ist damit angetreten, zu sagen: Bei uns bekommt Ihr auch inhaltlich eine neue Heimat. Im EU-Wahlkampf bin ich quer durch Bayern gezogen und habe für die Aufarbeitung der Corona-Jahre geworben und thematisiert. Auch das Thema Frieden habe ich immer wieder mit reingebracht. Denn das ist es, was die Leute umtreibt.

Wie sehr ist Deutschland aktuell gefährdet, was Wohlstand, Wirtschaft, Sicherheitsarchitektur, die Migration, den Krieg und vieles mehr angeht? Ist es fünf vor zwölf oder schon fünf nach zwölf? Wird alles noch wesentlich schlimmer für die Bevölkerung?

Als Politiker muss man sehr vorsichtig sein, wie man sich dazu äußert. Wenn man rausplärrt – bitte nicht falsch verstehen – in einem Jahr brenne hier die Hütte, dann ist das nicht besonders sinnvoll für die Bevölkerung und für die Motivation.

Dennoch bin ich mir sicher, dass man den Menschen reinen Wein einschenken muss. Die jetzige Bundesregierung hat es innerhalb kürzester Zeit geschafft, den Wirtschaftsstandort Deutschland in Grund und Boden zu rammen.

Das bereitet mir ganz große Sorgen. Was mir auch Sorge bereitet, ist das Verhalten der Politiker - nicht nur der Deutschen übrigens - wie diese gegenüber der Ukraine beziehungsweise Russland auftreten. Natürlich werden im Hintergrund diplomatische Gespräche ablaufen. Im Vordergrund stehen jedoch immer Waffenlieferungen, Waffenlieferungen, Waffenlieferungen.

Es gibt ja nicht wenige, die immer noch sagen: Jawohl, die Ukraine muss gewinnen! Das ist das Ziel. Oder die einverstanden damit sind, dass bestimmte militärische Strukturen auf russischem Boden angegriffen werden dürfen.

Was daraus resultieren kann, ist besorgniserregend. Manchmal habe ich die Befürchtung, dass die einen oder anderen, die so etwas fordern, sehr kurzsichtig sind. Oder sie können sich einfach nicht vorstellen, was passieren kann. Das treibt die Menschen doch um. Ich sehe den Ukraine-Konflikt mit Sorge. Deshalb setze ich mich für Frieden und für Friedensgespräche ein.

Aber los ging es 2015 mit der Migrationspolitik. Dann kam Corona mit diesen schrecklichen Maßnahmen an der Gesellschaft und Auswirkungen innerhalb der Gesellschaft. Die Spaltung hat das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht. Man hat nicht rechtzeitig „Stopp“ gesagt. Das ist es!

Weil Sie gerade Zuwanderung und Coronamaßnahmen-Kritik erwähnt haben: Sie sind der Fachmann für die Corona-Maßnahmen-Kritik. Und da ist immer von Aufarbeitung die Rede. Ich vermisse diese Aufarbeitung bei der Massenzuwanderung seit 2015. Ich staune immer, wenn Corona-Maßnahmenkritiker erzählen, sie wären die ersten Verfolgten der Nachkriegszeit gewesen. Dabei wurden Zuwanderungskritiker schon über Jahre als „Nazis“ diffamiert. Das ist doch die Blaupause. Ich kann Ihnen mal erzählen, wie das ist, wenn einem alle Jobs wegbrechen. Da waren Sie noch in Amt und Ehren. Wir haben uns mit den Neuen Medien nicht neu erfunden, weil uns langweilig war. Wir wurden diffamiert, diskreditiert und ausgegrenzt ...

Natürlich muss man das auch aufarbeiten. Tatsächlich glaube ich aber, dass es jetzt schon viel zu lange her ist. Diese Aufarbeitung haben wir versäumt. Wenn Sie das jetzt so sagen, dass das bereits 2015 so war, muss ich ehrlicherweise zugeben, so habe ich das nicht mitbekommen. In der Migrationspolitik haben das viel weniger Menschen zu spüren bekommen oder mitbekommen, wenn man anderer Meinung war, als zur Coronazeit.

Erst die Coronazeit hat es geschafft, weil es so tief in die Familie hinein ging. Es wurden bestimmte Strukturen sichtbar. Die Struktur der Gehässigkeit, des Hasses, der Denunziation, des Verpetzens. Das war wirklich brutal ...

Sie haben gerade einen Gastartikel veröffentlicht bei Roland Tichy. Das BSW überlegt bereits, zur nächsten Bundestagswahl mit Friedrich Merz zusammenzugehen. In den Landtagsparlamenten wird diese Verbindung mit der CDU bereits durchgespielt. Derselbe Friedrich Merz, der Mitte 2018 den Ludwig-Erhard-Preis abgelehnt hatte, weil Roland Tichy ihm als Stiftungschef den Preis überreichen sollte. Und es gab viele weitere Fälle, die vielfach zum Verlust der Arbeitsplätze oder Positionen führten. Diese Verletzungen reichen sehr tief. Wir beide sind vielleicht noch im Vorteil, weil wir intellektuell damit umgehen können ...

Ja, das denke ich auch. Wenn hier jemand einen Job verloren hat – und jetzt rede ich gar nicht von mir – der im Supermarkt arbeitete oder als Krankenpfleger, weil er diese vollkommen unsinnige Impfung nicht wollte. Oder der, weil er Maßnahmen kritisiert hat, verpetzt und dann aus dem Job geworfen wurde. Da sitzt die Verletzung sehr tief.

Natürlich hat mich mein Rauswurf aus dem Amt sehr getroffen. Auch Sie als Journalist wird die Ausgrenzung getroffen haben. Jeden Menschen trifft sowas. Aber es gab nicht wenige Menschen, die gar keine Aussicht mehr hatten, dass es für sie besser wird. Die haben einfach ihren Job verloren und standen da und wussten nicht mehr weiter.

Der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter hat gesagt, das BSW sei keine demokratische Partei. Wie bewerten sie das?

Das lasse ich unkommentiert so stehen. Wer so etwas behauptet, hat nicht einmal ein Mindestverständnis von Demokratie und davon, was bei uns grundgesetzlich geregelt ist. Der Herr Kiesewetter ist nicht dumm. Der weiß genau, was er sagt, er möchte halt provozieren wie ein kleiner Schulbub, der einfach gehört werden will.

Haben Sie denn in Brüssel schon mit Maximilian Krah gefrühstückt?

(Lacht laut) Sie hängen mich da wirklich viel zu hoch. Tatsächlich bin ich auf der einen Seite erstaunt, dass immer wieder fremde Leute kommen, die mich kennen und mit mir sprechen wollen. Nicht nur Deutsche. Aber Herr Krah bisher nicht. Wenn ihre Frage darauf abzielt, ob ich mit ihm reden würde, kann ich ihnen sagen: Natürlich würde ich das.

Derzeit bin ich aber noch mit der örtlichen und administrativen Orientierung beschäftigt. Ich muss mich immer noch konzentrieren, wenn wir irgendwo hingehen, damit ich mich nicht verlaufe ...

Sie können ja Herrn Krah fragen, der ist schon länger da, der weiß womöglich schon, wo es langgeht ...

(Lacht) Klar, auch die administrativen Tätigkeiten, die hat so ein alter Hase wie Herr Krah schon längst erledigt. Der kann dann schon seine Arbeit oder was auch immer machen. Also bitte, hängen Sie mich nicht zu hoch, ich mag sowas auch tatsächlich nicht.

Lieber Herr Dr. Pürner, jetzt muss ich Sie ermahnen: Wenn man einer von 720 Europa-Abgeordneten ist, dann sollte man sich selbst zwingen, sich ein bisschen wichtiger zu nehmen, denn ansonsten wird es gefährlich für uns alle ...

Da haben Sie recht. Sie sind auch nicht der Erste, der mir das sagt. Das ist jetzt eine Rolle, das muss ich erst noch erlernen und verinnerlichen. Ich bin zu einer guten Bescheidenheit erzogen worden. Wir beide wissen, wie schnell das geht, wenn man sich plötzlich zu wichtig nimmt. Und glauben Sie mir - die Erde würde sich auch ohne mich weiterdrehen.

Danke für das Gespräch!

Sehr gerne. Hat großen Spaß gemacht!

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