Die Debatte könnte nicht vergifteter sein - Trotzdem versucht jeder, noch einen draufzulegen

Faktencheck korrigiert sich - Merz hetzt trotzdem gegen Wagenknecht

von Alexander Wallasch (Kommentare: 7)

Die Begriffe, diese Grabenbauer zu demaskieren, könnten gar nicht scharf und ätzend genug formuliert sein.© Quelle: Youtube / Phoenix / Pixabay, Montage Alexander Wallasch

Die Diffamierungskampagne gegen Sahra Wagenknecht ist widerlich. Und sie baut auf der Unterdrückung von Fakten durch Faktenfinder auf. Friedrich Merz (CDU) trägt die verbale Hetzjagd gegen die Initiatoren des Friedensmanifests trotzdem in den Bundestag.

Der christdemokratische Oppositionsführer ist heute einmal mehr übel auf die Klappe gefallen. Es passierte, als er sich erneut der grünen Bundesregierung andienen, den Ukrainekriegskurs verteidigen und die deutsche Friedensbewegung diskreditieren wollte.

Dabei fühlte es sich für Merz zunächst noch ganz wunderbar nach einer Steilvorlage und nach einem perfekt servierten Gratismut an, als er sich der polit-medialen Diffamierung gegen die linke Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht anschloss und Gift und Galle spuckte.

Aber Pech gehabt: Seine Hass- und Hetze-Aktien stürzten schon kurze Zeit nach der Wagenknecht-Beschimpfung (ohne Namen zu nennen) ins Bodenlose, als seine Vorwürfe vom Faktenchecker als falsch wieder einkassiert wurden.

Jetzt darf jeder selbst vermessen, was für ein Charakter Friedrich Merz tatsächlich ist. Aber Wetten sollten besser nicht darauf abgeschlossen werden, dass er sich etwa bei Wagenknecht hörbar für seinen Auftritt entschuldigt.

Was genau der Faktencheck korrigiert hat, dazu gleich mehr. Zunächst zum grüngefärbten Gratismut von Friedrich Merz, aufgeschrieben im Plenarprotokoll vom heutigen Donnerstag. Merz äußert sich hier zunächst zur Friedensdemonstration von Samstag vor dem Brandenburger Tor und anschließend zum Auftritt von Sahra Wagenknecht bei Hart aber fair:

„Aber wenn am Wochenende von maßgeblichen Vertreterinnen und Vertretern von ganz links und ganz rechts, auch von Abgeordneten aus Ihrer Fraktion der Linken und Ihrer Fraktion der AfD, in einer geradezu bizarren Gemeinsamkeit Täter und Opfer verwechselt werden - nicht mal so zufällig, sondern geradezu vorsätzlich - und wenn dann noch eine der Vertreterinnen aus Ihrer Fraktion der Linken achselzuckend im deutschen Fernsehen sagt: „Na ja, Vergewaltigungen, die gibt’s halt so in jedem Krieg, und zwar auf beiden Seiten“, meine Damen und Herren, dann ist das zynisch, menschenverachtend, dann ist das einfach nur niederträchtig und dann ist das beschämend für unser ganzes Land.“

Viel schärfer kann man nicht gegen Wagenknecht formulieren, will man nicht im justiziablen Bereich anlanden. Und Merz wähnte sich dabei noch so siegesssicher auf der richtigen Seite, hatte doch der Faktenchecker Wagenknechts Behauptung von Vergewaltigungen auf beiden Seiten nicht bestätigen wollen ... jedenfalls zunächst.

Die obszön anmutende Schmutzkampagne gegen Wagenknechts Friedensbewegung übertraf in Teilen die polit-medial konzertierten Diffamierungen des Corona-Regimes und solche gegen die Zuwanderungskritik.

Was hatte Sahra Wagenknecht in der Sendung von Louis Klamroth gesagt, worauf sich die Diffamierungskampagne inklusive Merz bezieht? Der Faktencheck der Sendung fasst es zunächst so zusammen:

„Die Reaktion von Sahra Wagenknecht auf unseren Einspielfilm über die Vergewaltigungen von ukrainischen Frauen durch russische Soldaten war: „Also das stimmt so nicht, die UN hat eindeutig gesagt, dass Kriegsverbrechen – und das ist in jedem Krieg so – von beiden Seiten begangen werden.“

Im Folgenden will die Faktencheck-Redaktion herausgefunden haben, dass Wagenknecht so etwas wie Fake-News verbreitet hat und schreibt:

„In unserem Einspielfilm ging es aber um die Erkenntnisse der UN über Vergewaltigungen von ukrainischen Frauen durch russische Soldaten. Sahra Wagenknecht bezog sich an dieser Stelle aber auf Kriegsverbrechen.“

Dann plötzlich die Kehrtwende und Korrektur des Faktenfinders mittels einer Ergänzung im Text und einer neu angehängten „Anmerkung der Redaktion.“ Die Ergänzung geht zunächst so:

"Mittlerweile ist uns ein Bericht der UN-Menschenrechtskommissarin aus dem Juli 2022 bekannt, in dem auch sexualisierte Gewalt auf ukrainisch kontrolliertem Gebiet berichtet wird. (…) Die meisten Fälle wurden in den von den russischen Streitkräften kontrollierten Gebieten begangen, aber es gab auch Fälle, die in von der Regierung kontrollierten Gebieten begangen wurden.“

„Mittlerweile“ ist der Redaktion demnach ein Bericht bekannt, der aus Juli 2022 stammt. So viel zur tatsächlich investierten Sorgfalt solcher Faktenfinder.

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Die Anmerkung geht dann so:

„Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Faktenchecks haben wir noch nicht auf den Bericht der UN-Menschenrechtskommissarin aus dem Juli 2022 und den UN-Bericht aus dem September 2022 verwiesen. Dies haben wir hier ergänzt.“

Das darf man eine Rehabilitierung erster Klasse für Sahra Wagenknecht nennen. Und die dringende Frage, die hier zu stellen ist: Haben die Redakteure von Hart aber fair und die Redenschreiber von Friedrich Merz, die mutmaßlich nicht identisch sind, nicht die gleichen Mittel der Recherche zur Verfügung, welche Wagenknecht und ihrem Team zur Verfügung stehen?

Doch, haben sie. Allen stehen die Suchmaschinen des Internets zur Verfügung. Im Zweifel könnte Merz sogar den wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages zu Rate ziehen, wenn er in der Hektik des Alltagsbetriebs eines Oppositionsführer nicht weiter kommt. Aber dafür muss man der Wahrheit verpflichtet sein und nicht alles der Idee unterordnen, doch irgendwann noch unter den Grünen und ihren Vorfeldorganisationen (NGO) Bundeskanzler zu werden.

Sahra Wagenknecht twitterte am Vormittag nach Bekanntwerden der Korrektur des Faktenchecks:

"Inzwischen hat #HartAberFair seinen Fehler eingestanden. Ist es wirklich zu viel verlangt, dass die Redaktion vorher(!) sauber recherchiert, ehe mir der Moderator vor Millionen zu Unrecht Falschinformation vorwirft? Jedes Gewaltverbrechen ist eines zu viel!“

Postwendend bekommt Wagenknecht Antwort beispielsweise von Patrick Dieckmann von T-Online. Der hatte zunächst kurz nach der Demo getwittert:

„Zur #Wagenknecht-Demo: Die war für die Organisatoren ein Reinfall, weil nur wenig Menschen kamen – trotz Werbung.“

Dieckmann lässt hier als Vergleich allerdings die nur wenigen tausend Menschen unter dem Tisch, die Tage zuvor einem Aufruf FÜR Krieg und Waffenlieferungen gefolgt waren. Und er unterschlägt zudem, dass auch sein Arbeitgeber sich munter daran beteiligt hatte, keine Diffamierung gegen solche Bürger auszulassen, welche die Wagenknecht-Demo besuchen wollten.

Und dann wurde Dieckmann via Twitter auf eine Weise übermütig, die im fahlen Lichte der peinlichen Korrekturen des Hart-aber-fair-Faktencheck zeigt, wie furchtbar man sich auf die Nase legen kann:

„Die Thesen von #Wagenknecht & #Schwarzer machen nicht nur keinen Sinn. Beide lassen immer wieder entscheidende Informationen oder verdrehen Dinge, damit diese besser in ihr Narrativ passen. Deshalb geht es zunächst einmal darum, mit Unsinn aufzuräumen.“

Unnötig zu erwähnen, dass Dieckmann seinen eigenen hanebüchenen „Unsinn“ nicht wegräumen mag. Er ist sich, wie alle weiteren Akteure, sogar weiterhin mutmaßlich sicher, dass die Diffamierungskampagne gegen Wagenknecht trotzdem erfolgreich war.

Stellvertretend für den Kurs der Bundesregierung, für Merz und Co und als Vertreter der regierungsnahen Medien will Dieckmann unter dem Tweet von Wagenknecht der erste sein, der sich nicht etwa entschuldigt, sondern der laut und herausfordernd trotzig pöbelt: Na und?

Oder in der Sprache von T-Online-Dieckmann und in diesem lümmelhaft herablassenden Ton:

„Ach Frau #Wagenknecht. Sie können trotzdem nicht russische & ukrainische Kriegsverbrechen auf eine Stufe stellen. Weder in Quantität noch in Qualität. Das ist zutiefst moralisch verwerflich. Besuchen Sie Butscha & lassen Sie sich von den Menschen erzählen, was dort passiert.“

Oft ist gegenüber solchen Ausfällen abfällig die Rede von einem „polit-medialen Komplex“. Man könnte annehmen, das klingt zu revolutionär, zu angriffslustig.

Aber was Friedrich Merz mit seinem Gratismut und solche regierungsnahen Medienvertreter mit ihrer konzertierten Diffamierungskampagne gegen Sahra Wagenknecht gerade hinreichend bewiesen haben: Die Begriffe, diese Grabenbauer zu demaskieren, könnten gar nicht scharf und ätzend genug formuliert sein.

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