Olaf Scholz ist nicht mehr Bundeskanzler

Die Etablierten stecken unter einer Decke: Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser

von Alexander Wallasch (Kommentare: 9)

Mit „Ja“ haben gestimmt 207. Mit „Nein“ haben gestimmt 394. Enthaltungen 116.© Quelle: Bundestag Live, Screenshot

Die bedrückende Erkenntnis dieses Tages gleich vorweg: Zwar ist Olaf Scholz nicht mehr Bundeskanzler, aber seine politischen Entscheidungen wirken nach – wie ein offenes Bein, das einfach nicht mehr zuwachsen will.

Seine Vorgängerin Angela Merkel harrte 16 lange Jahre aus. Olaf Scholz war ihr Minister - ihr treuer Heinrich – und vernichtete als Nachfolgkanzler mit den Grünen (und der FDP) brav, was Merkel an Werten, Wohlstand und Sicherheit noch nicht gänzlich geschreddert hatte.

Wenn diesem Akt der Vertrauensfrage jemals etwas Staatstragendes im Sinne einer Schicksalsstunde für Deutschland anhaftete, an diesem 16. Dezember 2024 war rein gar nichts mehr davon zu spüren.

Und maßgeblich verantwortlich dafür war der Kanzler selbst, der seine Erklärung zur Vertrauensfrage zunächst zu einer Abrechnung eines Beleidigten mit seinem ehemaligen Finanzminister Lindner umfunktionierte, um anschließend umstandslos in den Wahlkampf einzusteigen. Ein fadenscheiniger Versuch, sich und die SPD neu als Oppositionspartei zu positionieren. Eine SPD, die nun alles besser machen will, was sie selbst vorher verbockt hat.

Sinnbildhaft für diesen Tag dann ein Moment während der Stimmenabgabe, als Bundestagspräsidentin Bärbel Bas ein mahnendes Wort an Staatssekretär Cem Özdemir richtet, um ihn daran zu erinnern, dass fotografieren im Plenum während der Sitzung nicht gestattet und das Foto umgehend zu löschen sei.

Die Vertrauensfrage als Fotosafari für jene, die in den sozialen Medien noch einen letzten Fingerabdruck vom Tag hinterlassen wollen.

Christina Baum von der AfD durfte noch eine Erklärung abgeben. Sie will Olaf Scholz das Vertrauen aussprechen. Der habe zwar fast alles falsch gemacht, aber Frau Baum setze auf das „Nein“ von Scholz zu Taurus. Scholz hatte während seiner Rede zudem erklärt, dass es mit ihm als Kanzler keine deutschen Soldaten in der Ukraine gebe.

Tatsächlich gehört es zu den wenigen wichtigen Erkenntnissen dieser Vertrauensfrage, dass Friedrich Merz trotz mehrfacher Anwürfe gegen ihn und seine Taurus-Freigabe dennoch keinerlei Signal aussendete, an dieser Entscheidung nicht mehr festhalten zu wollen. Eine Vertrauensfrage, die im Übrigen gar keine ist, weil Scholz selbst das Vertrauen nicht ausgesprochen haben wollte.

Zur Tragik des Auftritts von Frau Baum gehört sicherlich, dass die Abgeordnete tatsächlich der Auffassung ist, dass es diesen einen relevanten Unterschied in der Ukraine-Politik von Scholz und Merz gibt oder vielleicht nur geben könne.

Kaum jemand würde seine Hand dafür ins Feuer legen, dass Scholz nicht entlang aller vorhergehenden Eskalationen in der Aufrüstungsspirale nicht auch Taurus zugestimmt hätte. Auch Scholz hat in seiner Rede zweifelfrei klargestellt:

Das Schicksal Deutschlands ist für ihn untrennbar an das der Ukraine und einen Endsieg über Russland gebunden. Ganz unabhängig davon, ob eine Mehrheit der Deutschen und der Ukrainer nur noch eines wollen: Verhandlungen.

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Alles, was es darüber hinaus heute im Plenum zu hören gab, war Teil der Endphase eines Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiels mit vollem Haus: Die gleichen Figuren bleiben auf der Platte, bis einer die Hütte voll hat. Dann wird wiederl alles hübsch abgeräumt, und die Spielsteinchen werden wieder in ihre Startposition gerückt – nur die blauen Steine dürfen weiter nicht mitspielen.

Was zur Wahrheit ebenfalls dazugehört: Selten war die Isolation der AfD so deutlich wie an diesem Tag. Sie sind allenfalls noch das Feigenblatt der Demokratie. Und sie werden gerade noch geduldet, weil die Etablierten sie als Identifikationsmoment missbrauchen.

Zum Initiationsritual gehört längst dazu, die AfD schmissig „Nazi“ zu nennen, dafür kassiert man dann einen Ordnungsruf, der bei den Etablierten Florett und Schmiss der schlagenden Verbindung ersetzt.

Man ist sich einig. Niemand fürchtet die AfD, Friedrich Merz hat in den vergangenen Wochen deutlich genug gemacht, dass er nicht einmal gemeinsam mit der AfD abstimmen werde, ganz gleich, welchen Vorteil das für Deutschland hätte.

Es gibt keine schlagkräftige Opposition, die AfD ist müde – seit einem Jahrzehnt stellt der Wähler den Futtertrog hin, aber immer fressen nur die anderen. Irgendwann wird der Napf ausbleiben, die AfD wird einfach ausgehungert, nachdem sie Jahr für Jahr wie ein Hund durchgeprügelt wurde.

Scholz ist Geschichte. Aber das ist lange kein Grund für Champagnerkorken. Deutschland ist in die Hände von Politikern unterschiedlicher Färbung gefallen, die an Deutschland kein Interesse mehr haben.

Der Abgang von Scholz ist den Kameras des Bundestags nicht einmal mehr einen letzten Blick auf den Gewesenen wert. Direkt nach der Verkündung des Ergebnisses wird das Bild mit einer letzten großen Totalen auf die schon ihre Plätze räumenden Abgeordneten einfach beendet.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas verliest das Ergebnis:

"Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführer ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag des Bundeskanzlers gemäß Artikel 68 Grundgesetz bekannt: Abgegebene Stimmkarten 717. Mit ,Ja'  haben gestimmt 207. Mit ,Nein' haben gestimmt 394. Enthaltungen 116. Für die Zustimmung zur Vertrauensfrage des Bundesrates sind mindestens 367 Stimmen erforderlich. Der Antrag des Bundeskanzlers hat die erforderliche Mehrheit von mindestens 367 Stimmen nicht erreicht. Ich werde dem Bundespräsidenten unverzüglich das Ergebnis der Abstimmung mitteilen. Wir sind damit am Schluss unserer Tagesordnung – auch der Ampel (Gelächter und Applaus). Die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages findet am Mittwoch, den 18. Dezember 2024, 13:00 Uhr statt. Die Sitzung ist geschlossen.“

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