Stichtag: Seit Donnerstag ist Kritik an der Ampel potenzielle Volksverhetzung

Die Ampel macht ernst: Wer nicht für uns ist, der ist gegen die Ukraine

von Alexander Wallasch (Kommentare: 14)

Das Trojanische Pferd: Das Infektionsschutzgesetz wird mit dem Hochwasser-Aufbauhilfefonds verbunden und das Bundeszentralregistergesetz mit einer Änderung des § 130 StGB „Volksverhetzung“.© Quelle: Pixabay / geralt, LoboStudioHamburg I Montage Alexander Wallasch

Der Bundestag hat in einer Nacht- und Nebelaktion eine Verschärfung des Volksverhetzungsparagrafen 130 Abs. 5 Strafgesetzbuch beschlossen. Wer es jetzt noch wagt, insbesondere die Kriegspolitik der Ampel zu kritisieren, wird kriminalisiert.

Bekannt wurde die Verschärfung des Paragrafen 130 erst in dem Moment, als die taz darüber kritisch berichtete und Sahra Wagenknecht (Die Linke) diese Kritik in einem Facebook-Post geteilt hatte, alexander-wallasch.de hat darüber berichtet.

Vielen Bürgern und auch Journalisten sind die Details solcher Gesetzgebungsverfahren gar nicht geläufig. Und selbst Abgeordnete und ihre Büros scheinen hier mitunter überfordert, wie Nachfragen von alexander-wallasch.de gezeigt haben.

Wie wurde der Volksverhetzungsparagraf verschärft? Genaugenommen geht es hier um eine Ergänzung des §130 um Absatz 5:

„(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.“

Um zu verstehen, was jetzt genau zusätzlich strafbar ist, ist es notwendig, sich den zitierten Paragrafen des „Völkerstrafgesetzbuches“ genauer anzuschauen.

Hier werden eine Reihe von Verbrechen gegen „eine nationale, rassische, religiöse oder ethnische Gruppe“ aufgeführt und unter Strafe gestellt, wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen gegen Personen und Eigentum und gegen humanitäre Operationen und Embleme. Außerdem werden hier Methoden und Mittel der Kriegsführung unter Strafe gestellt.

In Erweiterung des deutschen Volksverhetzungsparagrafen hat der Bundestag nun beschlossen, denjenigen zu bestrafen, welcher Verbrechen nach dem Völkerstrafrecht „öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost“.

Die sich daraus ergebende Problemstellung ist klar: Ankläger müssen zum einen die Frage klären, ob tatsächlich eine Verharmlosung vorliegt und was verharmlost wurde. Und sie müssen klären, ob es sich tatsächlich um eine Verharmlosung einer Straftat nach dem Völkerstrafgesetzbuch handelt.

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Der Gesetzentwurf wurde aus dem Bundesjustizministerium in den Rechtsausschuss des deutschen Bundestages gegeben. Dort beraten, entsprechend ihrer Sitze im Bundestag, Abgeordnete der unterschiedlichen Parteien.

Im Anschluss an diese Beratungen gibt der Ausschuss eine Stellungnahme und ggf. eine empfohlene Fassung des Gesetzentwurfes ab.

Was passiert damit? Diese Empfehlung – die durchaus vom Entwurf des Justizministeriums abweichen kann – wird dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt.

Warum wird das so gemacht? So soll das Parlament über die reine Abstimmung hinaus eine Art Mitgestaltung erhalten und wahrnehmen. Die Ausschüsse des Bundestages können auch Experten und Sachverständige dazu einladen und anhören.

Im speziellen Fall ist wichtig zu wissen, dass die Europäische Kommission Anfang Dezember 2021 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hatte, weil hier die Gesetzgebung noch fehlte. Darauf beruft sich auch die Bundesregierung, mit der Ukraine hätte all das nichts zu tun.

Dem allerdings widersprach die taz, die diese behauptete Motivation aus dem Justizministerium so kommentierte:

„Die beschlossene weitreichende Regelung wäre EU-rechtlich auch nicht zwingend gewesen. Denn der EU-Rahmenbeschluss von 2008 lässt den EU-Staaten durchaus gewisse Spielräume.“

Der Gesetzesentwurf wurde dann in einer vom Ausschuss geänderten Fassung mit den Stimmen der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und DIE LINKE gegen die Stimmen der Fraktion der AfD angenommen.

Hier ist interessant, dass die Linke zunächst dafür stimmte. Später wird sie gemeinsam mit der AfD gegen die Annahme des Gesetzes stimmen.

Der Rechtsausschuss empfiehlt also am 19. Oktober den Gesetzentwurf (Drucksache 20/3708) zur Abstimmung dem Parlament vorzulegen.

Die Rechtsausschussmitglieder haben im Namen ihrer Fraktion die Möglichkeit, den Beschluss des Ausschusses zu kommentieren. In diesem Falle machen davon die CDU/CSU und die AfD Gebrauch.

Die AfD lehnte die Erweiterung des §130 StGB ab und beschwerte sich insbesondere darüber, dass diese Änderung nicht einzeln abgestimmt werden sollte, sondern an die Abstimmung eines sachfremden Gesetzes gekoppelt wurde.

Man spricht hier von einem „Omnibusverfahren“, zudem sich der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages schon einmal Mitte 2020 geäußert hatte und befand, dass damit eine breite Diskussion in der Öffentlichkeit verhindert werde. Bei den Oppositionsfraktionen im Bundestag stieße dieses Verfahren daher regelmäßig auf Kritik. Auch bestehe bei solchen Omnibusverfahren die Gefahr einer Verletzung der verfassungsmäßig vorgeschriebenen Beratungspflicht.

Der Bundestag darf sogar nur dann ein Gesetz verabschieden, „wenn er sich zuvor in einer Beratung darüber eine Meinung gebildet habe“, so der Wissenschaftliche Dienst. Insbesondere die Opposition muss Gelegenheit haben, „ihre Kontrollfunktion im Gesetzgebungsverfahren inklusive der Möglichkeit gestaltender Mitwirkung ausüben zu können“.

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Die AfD kommentierte ergänzend, dass „die Begehungsweisen des Billigens, Leugnens und gröblichen Verharmlosens im vorgeschlagenen § 130 Abs. 5 StGB äußerst unbestimmt“ seien.

Zu jedem Gesetzesentwurf haben die Fraktionen die ihnen zustehende Möglichkeit gemäß § 79 ff. eine Debatte zu verlangen. Und die AfD hatte diese Debatte auch tatsächlich eingefordert. Zur Verschärfung des Volksverhetzungsparagrafen sprachen dann am Donnerstagabend gegen 22:30 Uhr lediglich Herr Brandner von der AfD und eine Abgeordnete der Grünen.

Redner Stepan Brandner warf den Altparteien vor, dass diese gar nicht debattieren wollen. „Was Sie hier machen, ist Arbeitsverweigerung, und das müssen wir den Leuten draußen mal zeigen.“ Und Brandner kritisiert das Omnibusverfahren mit Verweis auf ein zurückliegendes Trojanisches Pferd:

„Das Infektionsschutzgesetz wird plötzlich mit dem Hochwasser-Aufbauhilfefonds verbunden (…) und hier verbinden Sie plötzlich das Bundeszentralregistergesetz mit einer Änderung des § 130 StGB ‚Volksverhetzung‘.“

Konkret zur Verschärfung des Volksverhetzungsparagrafen zitiert der Abgeordnete aus einem Aufsatz von Wolfgang Mitsch von der Universität Potsdam in der „Kriminalpolitischen Zeitschrift“ 4/2018:

„Der § 130 StGB ‚Volksverhetzung‘ hat schon jetzt einen ‚unmöglichen Zustand‘ erreicht, er sei ‚gesetzestechnisch schlecht gemacht‘ und müsse ‚entweder gründlich überarbeitet oder ... abgeschafft werden‘.“

Der Ampel-Regierung bescheinigt Brandner das bewusste Einsetzen des Trojanischen Pferdes:

„Und weil Ihnen das so peinlich ist, weil Sie genau wissen, was für einen Murks Sie da machen, versuchen Sie, diese Änderung an ein Omnibusgesetz dranzuhängen, ohne erste Lesung, ohne ordentliche Behandlung im Ausschuss.“

Und um das Niveau im Plenum gegen 22:30 Uhr zu verdeutlichen, hier ein Zwischenruf des Sozialdemokraten Dr. Johannes Fechner (SPD): „Sie kapieren es nicht! Sie sind zu doof dafür!“

Besagte Rednerin der Grünen ist Canan Bayram, die anderen Fraktionen verzichten auf einen Debattenbeitrag. Die kurdisch-stämmige Abgeordnete sagt, um was es bei der Gesetzesverschärfung geht:

„Mit diesem Gesetz wollen wir § 130 Strafgesetzbuch so erweitern, dass jede Form von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auch in Deutschland endlich strafrechtlich verfolgt werden kann.“

Man muss hier kein Prophet sein um festzustellen, um was es der Ampelregierung eigentlich geht: „Jede Form von“ heißt hier, dass eine Furcht implantiert werden soll, sich in welcher Weise auch immer kritisch gegenüber Zuwanderern zu äußern. Ziel der Ampel ist, Oppositionelle zum Schweigen zu bringen.

Und damit ist eine mutmaßliche weitere Motivation, nämlich Kritiker der massiven Unterstützung einer Kriegspartei mundtot zu machen, von Bayram noch gar nicht angesprochen worden.

Bayram verweist auf Björn Höcke und dessen Äußerungen vom „Mahnmal der Schande“. Dieses Zitat haben sich mittlerweile allerdings sogar die öffentlich-rechtlichen Talkshows als Todschlagargument gegen AfD-Gäste abgewöhnt. Warum? Weil es nicht mehr nötig ist, es werden kaum mehr welche eingeladen.

Bayram sagt weiter:

„Aber wen wundert es, dass die AfD dagegen ist? Es ist doch Ihr Geschäftsmodell, das Sie durch dieses Gesetz gefährdet sehen, meine Damen und Herren. Ihre Politik besteht doch nur daraus, durch ständige Provokationen
(Takis Mehmet Ali [SPD]: Und durch Hass!) die Grenze des Sagbaren weiter nach rechts zu verschieben.“

Immerhin sagt die Grüne, um was es der Ampel geht. Mit dem verschärften 130er soll eine Klagewelle gegen Positionen der AfD losgetreten werden:

„Sie wollen Menschen zu Hass und Gewalt aufstacheln. Damit machen wir jetzt Schluss, meine Damen und Herren.“

Nach der Rede der Grünen mahnt Vizepräsidentin Petra Pau:

„Ich bitte um Mäßigung, was die Äußerungen betrifft, und zwar in allen Fraktionen, und ich bitte darum, dass Sie sich dem natürlich herausfordernden Prozess der weiteren Verhandlungen jetzt wieder zuwenden.“

Fassen wir nochmal zusammen:

Die Bundesregierung hat erfolgreich den Volksverhetzungsparagrafen verschärft, der Justizminister fühlt sich in dem Zusammenhang genötigt zu erwähnen, dass das aber nichts mit der Ukraine zu tun hat.

Die Gesetzesänderung wird als Trojanisches Pferd (Omnibus) in den Bundestag eingebracht. Die AfD beantragt eine Debatte, an der neben Rechtsausschuss-Mitglied Stephan Brandner nur noch eine Grüne teilnimmt, die kein Wort zur Ukraine sagt, sondern klar macht, um was es der Ampel geht: Um eine Disziplinierung und Kriminalisierung der Opposition.

Die FDP und die Union haben ausnahmslos mit allen anwesenden Stimmen ihrer Abgeordneten dem Gesetz zugestimmt.

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