Konkret heißt ein Vorwurf in dieser Beschuldigtenanhörung gegen einen Bürger aus Paderborn:
„Sie sollen im Profilbild bei WhatsApp unter der Nummer (geschwärzt) russische Fahne mit dem Z-Symbol als offensichtliche Sympathiebekundung für den Angriffskrieg gegen die Ukraine abgebildet haben.“
Das „Z“ ist demnach das neue Hakenkreuz. Und tatsächlich nutzen die russischen Invasoren dieses Syymbol. Das ZDF berichtete, das "Z" sei zuerst auf Richtung Ukraine vorrückenden, russischen Panzern aufgetaucht. Der Sender weiß auch, dass es das „Z“ nicht im russischen Alphabet gibt. Eine Erkenntnis des öffentlich-rechtlichen Senders: „Das russische Militärgerät war vermutlich so gekennzeichnet worden, damit die Soldaten es von ukrainischem unterscheiden können.“
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In Russland soll das „Z“ mittlerweile sehr populär geworden sein. Oder auch das ist schon Teil der Propaganda. Wer öfter in den deutschen sozialen Netzwerken unterwegs ist, der sieht jetzt immer wieder Emojis – begriffsersetzende Piktogramme - die drei „Z“ über dem orangenen Kopf tragen, die das Schnarchgeräusch darstellen sollen. Also eine vom Nutzer gezielt eingesetzte Provokation hinsichtlich des Verbots eines expliziten Bekenntnisses zum „Z“.
Ende März berichtete die Tagesschau, dass das Zeigen des „Z“ strafbar sein kann. Und die Berliner Innensenatorin erklärte gegenüber dem Tagesspiegel:
„Wird der Kontext zum Krieg hergestellt mit der Verwendung des weißen 'Z's, wie es auf den russischen Militärfahrzeugen zu sehen ist, dann bedeutet das natürlich die Befürwortung des Angriffskriegs. Das wäre strafbar, da schreiten wir auch sofort ein.“
Aber die Medaille hat zwei Seiten. Die andere beginnt damit, dass Facebook/Meta bald nach dem Überfall der Russen verkündete, Gewaltaufrufe gegen Putin und russisches Militär nicht zu ahnden. Was einer Aufforderung eben dazu gleichkam. Beim Tagesspiegel heißt es dazu:
„Der US-Konzern Meta lockert teilweise seine Regeln für Facebook- und Instagram-Nutzer, um Aufrufe zur Gewalt gegen die russische Regierung und ihre Streitkräfte in der Ukraine zuzulassen.“
Die russische Botschaft in den Vereinigten Staaten reagierte entrüstet darauf, schreibt die Zeitung weiter:
„Metas aggressive und kriminelle Politik, die zur Aufstachelung von Hass und Feindseligkeit gegenüber Russen führt, ist empörend“, hieß es weiter. Das Vorgehen des Unternehmens sei ein weiterer Beweis für den „Informationskrieg“, der ohne Regeln gegen Russland geführt werde.“
Aber wie sieht das konkret auf der anderen Seite, der von Strafverfolgung bedrohten „Z“ Verbreiter aus?
Gegenüberliegend - und ebenfalls aus der westlichen Komfortzone heraus in den Äther gespuckt - wird es ekelhaft: Ein deutscher Facebook-Nutzer veröffentlichte unbehelligt und stolz unter seinem Echtnamen in einer Facebook-Gruppe ein Foto einer Gruppe junger russischer Soldaten mit dem Kommentar: „Ukraine wünscht gute Reise“. Auf dem Foto sind die Köpfe der uniformierten Jungs rot durchgestrichen, wie auf einer Abschussliste.
Was Facebook/Meta erlaubt hat, wurde hier schon beherzigt. Aber wissen beide Seiten wirklich, was Krieg dort bedeutet, wo Menschen elend verrecken? Wo sich Ukrainer in ihren Kellern verstecken müssen, wenn sie es überhaupt bis dahin geschafft haben? Wo Soldaten auf beiden Seiten in den Schützengräben an ihren Verletzungen elend krepieren? Was passiert da eigentlich in deutschen Wohnzimmern?
Dieser Klientel sollte man mindestens einen Besuch im Dresdener Militärmuseum ans Herz legen. Dort nämlich kann zumindest ansatzweise ein Gefühl vermittelt werden, wie grausam Krieg ist – die deutschen Großväter und Urgroßväter dieser komfortverwöhnten Ego-Shooter-Generation sind längst verstorben und können nicht mehr von Blut, Rotz und Wasser in den Gräben berichten. In besagtem Museum kann man den Horror aber wieder riechen.
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Dort kann man an einer Station über Duftpartikel unmittelbar olfaktorisch ermitteln, dass Krieg entsetzlich stinkt. Der Geruch des Todes. Eine Chemikerin hat den Gestank in Dresden nachgebaut. Sie kommentiert ihre Arbeit gegenüber Deutschlandfunk so:
„Der Schützengraben riecht nach infernalischer Mischung aus verschiedenen Gerüchen, das ist einmal der Latrinengestank, Kot und Urin, dann Verwundung, Blut, Eiter, das stinkt. Dann Schweiß, Tabak, dann die Geschütze, der Granatdampf, die feuchte Erde, es ist eine Mischung, und was am aller schlimmsten war, ist der Leichengeruch der Verwesung. Und das ist ein ganz charakteristischer, einem schier den Atem raubender Geruch.“
Wenn sich deutsche Gerichte also zukünftig überlegen, wie sie „Z“-Verbreiter bestrafen wollen, dann sollte diesen hier die Nase hineingedrückt werden. Schaden kann es ja nicht. Das gleiche gilt selbstverständlich auch für jene, die Facebooks Marschbefehl beim Wort nehmen und Ekelhaftes in die Gegenrichtung verbreiten.
Auch der ukrainische Botschafter in Deutschland ist dahingehend kein Kind von Traurigkeit.
Zuletzt twitterte Andrej Melnyk zum Bild einer jungen Frau mit Säugling in Richtung Bundesregierung. Und er tat es mutmaßlich deshalb, weil sich der Bundeskanzler weiter bedeckt hält, schweres Gerät in die Ukraine zu entsenden:
„Liebe Ampel-Regierung, während Sie seit ACHT Wochen mit schweren modernen Waffen für die Ukraine zögern, darf Russland jeden Tag neue Frauen & Kinder ermorden. Wie diese junge Mutter mit ihrem Baby, gestern im Raketenbeschuss, in Odesa. Ach so, Sie wollen keinen Atomkrieg. OK“
Folgt man der Denke dieses Herrn, dann erteilt die Bundesregierung Russland die Genehmigung, Frauen und Säuglinge zu ermorden. Fast unnötig zu erwähnen: Andrij Melnyk ist immer noch nicht sanktioniert/einbestellt worden.
An anderer Stelle nennt Melnyk die SPD-Führung ein „Kasperltheater“ - hier immerhin könnte man Schwierigkeiten haben, anderer Auffassung zu sein.
Andrej Melnyk geht noch weiter. Und er bekommt Schützenhilfe – was für ein Wort übrigens in dem Zusammenhang – vom Focus-Kolumnisten Jan Fleischhauer.
Original Beitrag von Andrij Melnyk auf Twitter
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Der Botschafter der Ukraine teilt die aktuelle Kolumne von Fleischhauer mit dem Titel: „Wer hat die Ukraine verraten? Sozialdemokraten!“. Melnyk schreibt dazu: „Es ist NIE zu spät, die RICHTIGE Seite der Geschichte zu wählen.
Was Fleischhauer da titelt, stand in leicht abgewandelter Form auf Wahlplakaten der NSDAP.
Worum geht es beim Focus-Schreiber? Bei Fleischhauer passiert, was passieren muss, wenn der Kolumnist den Historiker gibt und die teilzeitsympathische Ich-Bespiegelung des Spaßvogels unerwartet ins ernste Fach wechselt: Fleischhauer macht einen üblen Bauchklatscher, verliert die Feinjustierung und liefert dem ukrainischen Botschafter eine Steilvorlage. Widerwillen?
Aber Fleischhauer steht damit nicht allein. Die Instrumentalisierung des Überfalls auf die Ukraine ist in solchen deutschen Kreisen en vogue, in denen man glaubt, im bisherigen Leben gelitten zu haben unter einer linksgrünen politisch-kulturellen Hegemonie.
Deutsche, die nicht mitspielen durften bei den coolen Jungs, die verstört herübergeschielt haben zu jenen, die – man muss es so ausdrücken – mehr Spaß hatten mit den Mittelscheitelmädchen, während sie selbst im zu eng gewordenen Konfirmandenanzug im Keller unter einer Fahrschule beim Akne-Treffen der Jungen Union erwachsen wurden.
Bei Fleischhauer heißt es in der von Andrij Melnyk gefeierten Online-Kolumne:
„Das Verhalten der SPD-Spitze im Ukraine-Krieg ist für Menschen, die an das Gute in der SPD glaubten, was der Missbrauchsskandal für Katholiken ist: ein vertrauen zerrüttendes Versagen.“
Fleischhauers Kolumne also im selben Kontext genutzt wie bei Melnyk und dessen Anwurf, die Bundesregierung würde Kinder töten.
Beim Focus-Kolumnisten werden diese Kinder vor ihrer Ermordung zusätzlich noch von Sozialdemokraten missbraucht. Das dürfen nicht nur SPD-Mitglieder als widerlich empfinden. Der Krieg verroht. Propaganda überschreiten jede Grenze.
Aber noch ein letztes Mal zurück zum ukrainischen Botschafter Andrej Melnyk. Der teilt also Fleischhauers Kolumne und schreibt dazu: „Es ist NIE zu spät, die RICHTIGE Seite der Geschichte zu wählen.“
Damit bezieht sich Melnyk direkt auf die Regierungserklärung des Bundeskanzlers nach dem Überfall auf die Ukraine. Scholz hatte nämlich in Richtung Ukraine versprochen:
„Als Demokratinnen und Demokraten, als Europäerinnen und Europäer stehen wir an ihrer Seite, auf der richtigen Seite der Geschichte.“
Wo Andrej Melnyk die „richtige Seite der Geschichte“ allerdings mit der Lieferung schwerer Waffen verbindet, kommentiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung das Pathos des Bundeskanzlers ganz trocken so:
„Es steht außer Frage, dass der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands durch kein Geschichtsbild zu rechtfertigen ist. Aber wir sollten angesichts aller gerechtfertigten rechtlichen und moralischen Verurteilungen des Aggressors doch versuchen, zu Formen des historischen Verstehens zu kommen, die nicht in Dämonisierung und in problematische Verengung multiperspektivischer Sichtweisen münden. Denn sonst steht man vielleicht doch schnell auf der falschen Seite der Geschichte“.
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