Ein Versuch, es besser zu machen als Julian Reichelt

Der Faktencheck: Wieviel Teufel steckt in Björn Höcke?

von Alexander Wallasch (Kommentare: 29)

Ich trete meinen Hund so lange in den Hintern, bis er beißt und lasse ihn dann als bissigen Hund einschläfern.© Quelle: ZDF "Heute Show", Screennshot

Wie kritisiert man die Politik des thüringischen AfD-Vorsitzenden Björn Höcke, wenn man es nicht so machen will wie jüngst der Journalist Julian Reichelt, der dafür tief in die Diffamierungskiste der Etablierten gegen die AfD gefasst hatte?

Wer Julian Reichelt kritisiert, wie es Alexander-Wallasch.de getan hat, der schuldet es einem sonst so exzellenten Journalisten, wenigstens den Versuch zu unternehmen, es besser zu machen:

Höcke steht seit Jahren im Mittelpunkt zahlreicher Kontroversen. Die Hauptpunkte der Kritik gegen Höcke betreffen behauptete rechtsextreme, rassistische, antisemitische und geschichtsrevisionistische Äußerungen sowie angebliche autoritäre Tendenzen.

Hier ist allerdings eine umfassende Zusammenfassung der Kritik ebenso notwendig, wie die Dokumentation der Reaktion von Höcke zur Redlichkeit dazugehört. Problematisch wird es schon da, wo man die Einschätzung des Verfassungsschutzes bewerten muss. Was ist eine Einordnung eines politischen Verfassungsschutzes wert, der Nancy Faeser (SPD) untersteht?

Was sagt der Verfassungsschutz? Höcke soll rechtsextreme Positionen vertreten. Er sei einer der Hauptvertreter des völkischen Flügels innerhalb der AfD und wurde dafür vom Landesverfassungsschutz Thüringen als Politiker mit rechtsextremen Bestrebungen eingestuft. Warum?

Der Verfassungsschutz Thüringen behauptete immer wieder eine Kontaktschuld zur Gruppierung „Der Flügel“. Hier fehle eine Abgrenzung des AfD-Landesverbandes unter Höcke. Auffällig am Verfassungsschutzbericht ist die Dichte hauseigener Interpretationen versus wenigstens des Versuches einer Faktendichte.

Zitate aus Reden von Höcke werden vom VS als Steinbruch für das Fundament ihres Anwurfs gegen den Politiker genutzt. So habe er von „Umvolkung“ gesprochen und und gesagt: „Wir Deutschen sollen ersetzt werden, liebe Freunde, und das dürfen wir nicht zulassen.“

Hier darf man sich die Frage stellen, wo hier eigentlich exakt der Unterschied zu Julian Reichelts expliziter Forderung ist, er wolle kein arabisches Deutschland.

Desweiteren warf der thüringische Verfassungsschutz Höcke etwa in seinem Bericht für 2022 vor, der Politiker habe die Grafik eines Schoko-Schaumkusses mit einer Ukrainefahne veröffentlicht und „ukrainischer Student“ dazu geschrieben. Tatsächlich gab es mit der ersten Fluchtbewegung aus der Ukraine auch Farbige, die aus der Ukraine nach Deutschland kamen und sofort Bürgergeld bekamen.

Und tatsächlich berichteten auch etablierte Zeitungen über eine bestimmte Anzahl von Afrikanern, die aus der Ukraine kommend in Deutschland als Ukraineflüchtlinge ins Bürgergeld gingen. Eine berechtigte Frage wäre hier, warum diese Menschen – so sie keine Ukrainer sind – nicht in ihr Herkunftsland zurückgegangen sind. Frage hier also: Reicht eine polemisch plakative Art des Umgangs mit diesem Thema schon für den Extremismusvorwurf gegen Höcke?

Der thüringische Verfassungsschutz schreibt dazu dann allen Ernstes:

„Ziel dieser und ähnlich gearteter Kampagnen ist es, staatliches Handeln als illegitim erscheinen zu lassen sowie Migranten und Asylbewerber als Menschen verächtlich zu machen.“

Staatliches Handeln? Wäre Horst Seehofer (CSU) demnach auch ein Verfassungsfeind, weil er in Richtung Merkel-III-Regierung von einer „Herrschaft des Unrechts“ sprach und die Regierung damit illegitim erscheinen lassen wollte?

Angesichts dessen, wie viele Höcke-Kritiker sich auf das Urteil politischer Verfassungsschutzbehörden (VS) berufen, sind deren Argumente für eine „gesichert rechtsextreme“ Haltung Höckes bestürzend dünn. So habe Höcke laut VS behauptet, Zuwanderer aus der Massenmigration von 2015 seien besonders gewaltaffin, so seien sie geprägt und das entspräche ihrer Mentalität. Der VS kommentiert:

„Wo aber aus einem Gruppenmerkmal ein Tatmotiv abgeleitet wird, wird nicht mehr das Individuum bewertet, sondern der Einzelne auf diese Gruppenmerkmale reduziert.“

Das ist natürlich Unsinn und entstammt etwa der linksradikalen Soziologie der Uni Bielefeld und namentlich der Sektion von Andreas Zick. Festzustellen ist hier – vielfach belegt durch leidvolle Erfahrungen der Menschen auf der Straße und durch die Kriminalstatistiken – eine überproportionale Kriminalität dieser Gruppe. Entsprechend zulässig ist eine dahingehende Bewertung, die man natürlich immer als Pauschalurteil verunglimpfen kann.

Höcke war eine führende Figur der inzwischen von der AfD selbst aufgelösten Gruppierung „Der Flügel“ innerhalb der AfD. Höcke hatte explizite Vorwürfe gegen ihn und den Flügel aber stets bestritten und stattdessen behauptet, der Verfassungsschutz würde seine Aussagen bewusst missinterpretieren.

Höcke betrachtet sich faktisch als Opfer einer politisch motivierten Kampagne und stellt den Verfassungsschutz in Frage, indem er darauf hinweist, dass dieser von der Regierung gelenkt und gesteuert wird. Das zu bestreiten dürfte schwerfallen. Nur, was ist ein Urteil des Verfassungsschutzes dann überhaupt noch wert, wenn die Stoßrichtung gegen die Opposition geht? Hier steht doch der Verfassungsschutz selbst unter Verdacht, verfassungsfeindlich zu agieren.

Ein immer wieder gegen Höcke gerichteter Anwurf ist seine Haltung zur deutschen Erinnerungskultur und hier insbesondere zum Holocaust. 2017 hatte Höcke das Holocaust-Mahnmal in Berlin tatsächlich als „Denkmal der Schande“ bezeichnet. Dies wurde ihm als Versuch unterstellt, er habe damit den Holocaust relativiert und die deutsche Erinnerungskultur infrage gestellt. Dass diese Beurteilung alles andere als eindeutig ist, dürfte jedem klar sein. Zweifellos war der Holocaust viel mehr als nur eine Schande für die Deutschen.

Bei Höcke kommt noch hinzu, dass er im selben Kontext eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ forderte, was wiederum viele als eine Aufforderung zur Verharmlosung oder gar Leugnung der NS-Verbrechen verstanden wissen wollten. Aber auch hier ist nichts Strafbewehrtes erkennbar. Negative Einschätzungen beruhen auf einer grundsätzlichen Gegnerschaft zur AfD.

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Björn Höcke wiederum betonte, seine Aussagen seien aus dem Kontext gerissen und missverstanden worden. Und er betonte weiter, dass er sich nicht gegen eine Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte richte, sondern lediglich eine „normalere“ Beziehung zu ihr fordere, ohne dass sich Deutschland allein auf seine Verbrechen im Zweiten Weltkrieg konzentriere.

An der Stelle wird es elementar für ein persönliches Urteil, sich zu überlegen, was hier überwiegten könnte: Mutmaßlich gehäufte absichtsvolle oder unpassende Ausdrucksweisen von Höcke oder die Wirkung der Anti-AfD-Propaganda durch Politik und Medien, welche diesen Eindruck explizit erwecken und medial verbreiten soll.

Höcke wird auch häufig für angebliche rassistischen Äußerungen kritisiert. Er bediene sich einer Sprache, die stark an ethnische Hierarchien und die Ungleichheit von Völkern anknüpft. Höcke habe in Reden zudem das Konzept einer „Volksgemeinschaft” verteidigt. Und damit einen Begriff verwendet, der eng mit der NS-Ideologie verknüpft sei.

Ein großes Problem einer endgültigen Beurteilung ist ein maßlos überdehnter Korridor des Raunens gegen Höcke. Seine Kritiker haben sich keinen Gefallen damit getan, Alles und Nichts in die Waagschale gegen Höcke zu werfen.

Höcke verwende häufig Begriffe aus dem Spektrum des Ethnopluralismus. Aber auch dieser Anwurf wird nur als Indiz verwendet, das sei halt eine getarnte Form des Rassismus.

Höcke habe, heißt es weiter, wiederholt Migranten und Flüchtlinge als Bedrohung für die deutsche Kultur und Gesellschaft dargestellt. So warne er in angeblich apokalyptischen Tönen vor der „Islamisierung“ und „Überfremdung” Deutschlands und Europas durch Migranten. Zur Erinnerung an der Stelle: Reichelt, hier gewissermaßen als Höcke-Kopie von Nius, sprach davon, kein arabisches Deutschland zu wollen. Zu wem aber hat Reichelt eine Nähe, die ihn wiederum über eine Kontaktschuld gesichert rechtsextrem macht? Zu Höcke, zu Sellner oder gleich zu Hitler?

Auch hier streitet Höcke die Vorwürfe ab. Er sieht seine Kritik an der Migrationspolitik als legitime politische Position. Er spricht davon, dass er lediglich den „Erhalt der deutschen Identität“ und Kultur verteidigen wolle.

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft angebliche autoritäre Ansichten und eine Nähe zu illiberalen politischen Modellen. In Reden und Schriften habe Höcke immer wieder seine Skepsis gegenüber der liberalen Demokratie geäußert und diese als zu schwach angesehen, um die „nationalen Interessen“ Deutschlands zu wahren. Er habe sich zudem bewundernd über autoritäre Staatsformen geäußert und dabei impliziert, dass eine starke Führungspersönlichkeit besser geeignet sei, die Herausforderungen der Zeit zu bewältigen.

Höcke streitet antidemokratische Ansichten ab. Er beschreibt sich selbst als Verfechter einer „direkten Demokratie“, die den Bürgern mehr Mitspracherechte einräumen solle. Äußerungen über autoritäre Staatsformen sind für ihn theoretische Überlegungen zur Funktionsweise von Staaten.

Allerdings: Auch in der AfD gab und gibt es Bestrebungen gegen Höcke, die mit denselben Anwürfen arbeiten wie die etablierte Politik und die Medien. Aber eine wichtige Frage bleibt hier unbeantwortet: Reagieren bestimmte Kreise der AfD schon auf die Kampagnen ihrer politischen Gegner und wollen Höcke nur deshalb entsorgen, um keine Angriffsfläche zu bieten?

Wenn man sich dann aber wie „Achtung Reichelt“ auf diese Stimmen innerhalb der AfD bezieht, dann legitimiert man damit einen illegitimen Kreisschluss. Frei nach dem Motto: Ich trete meinen Hund so lange in den Hintern, bis er beißt und lasse ihn dann als bissigen Hund einschläfern.

Höcke selbst bezeichnete die Versuche, ihn aus der Partei auszuschließen, als Bestrebungen parteiinternen Gegner, die von den Medien aufgegriffen und verstärkt würden.

Die Auseinandersetzung mit Höcke ist längst zu einer umfassenden Empörungskultur geworden, die sich von einer faktischen Auseinandersetzung entfernt und verselbstständigt hat. Eine unabhängige Einschätzung, wo Höcke politisch steht, ist so verunmöglicht geworden.

Der Journalist Julian Reichelt hat jetzt mit seiner Höcke- und AfD-Beschimpfung bei „Nius“ weiter dazu beigetragen, dass schon der Versuch, sich sachlich mit dem Phänomen der Höcke-Dämonisierung zu befassen, als AfD-nah und extremistisch ausgelegt werden kann. Wahrscheinlich wird demnächst schon der Begriff „Höcke-Dämonisierung“ mit einer Kontaktschuld belegt.

Höcke selbst sieht sich weiter als Vertreter eines „patriotischen Deutschlands“ und als Opfer einer breiten politischen Kampagne gegen ihn. Höcke ist der Politiker, der vor vielen Jahren einmal eine taschentuchgroße Deutschlandfahne bei Günther Jauch auf der Sessellehne ausbreitete und liebevoll tätschelnd glattstrich, was viele Zuschauer skurril fanden. Möglicherweise war es sogar die gleiche Fahne, die Kanzlerin Merkel nach einem Wahlsieg empört in die Ecke warf.

Björn Höcke ist auch enger Freund des neurechten Thinktanks von Götz Kubitschek in Schnellroda, der auch der Verleger von Höcke ist. Zum engen Kreis gehören hier zudem Martin Sellner, der Gründer der Identitären Bewegung und Maximilian Krah, der EU-Spitzenkandidat der AfD.

Zur Wahrheit gehört ebenfalls, dass Höcke gut mit Vertretern libertärer Kreise vernetzt ist. Aus der Ecke immerhin droht ihm kein Ungemach. Libertär-freiheitliche Positionen taugen nur sehr begrenzt als Nazikeule. Nein, eigentlich gar nicht.

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