Interview mit Stefan Möller (Co-Vorsitzender der AfD in Thüringen)

Der deutsche Osten fremdelt mit Nato und Selenskyj

von Alexander Wallasch (Kommentare: 1)

„Die Ukraine ist kein befreundeter Staat, für den deutsche Politiker Solidarität einfordern können“© Quelle: Youtube/ phoenix_freistil, Screenshot

Friedrich Merz stellt Bedingungen auf, die das BSW für eine Koalition in Thüringen zu erfüllen habe. Was sagt der Wahlsieger AfD dazu? Dazu sprechen wir mit dem Juristen Stefan Möller. Er ist in Thüringen der Co-Vorsitzende der AfD neben Björn Höcke.

CDU-Chef Friedrich Merz hat an das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) neue Bedingungen für eine Koalition mit der CDU in Thüringen gestellt. Merz will unter anderem keine Abkehr von der NATO und der Hilfe für die Ukraine. Stichwort „NATO“. Will die AfD in Thüringen aus der NATO?

Wir wollen eine Neuordnung der außenpolitischen Beziehungen Deutschland. Die derzeitige Form der Westbindung sehen wir hier im Osten generell etwas kritischer. Das Verhältnis von Deutschland zu den anderen westlichen Staaten ist keines auf Augenhöhe. Vielmehr ordnet sich die deutsche Außen- und Verteidigungspolitik den Interessen der Amerikaner, Briten und Franzosen weitgehend unter. Das kritisieren wir und erklärt das Fremdeln des Ostens mit der NATO.

Will man einen NATO-Austritt, oder soll das Verhältnis zur NATO nur neu bewertet werden?

Die Position der AfD ist, dass Europa zunächst selbst an seiner Verteidigungsfähigkeit arbeiten muss. Deswegen sieht die Programmatik der AfD derzeit keinen NATO-Austritt vor, wohl aber eine Beschränkung der NATO auf den Bündnisbereich und dessen Verteidigung. Eine aggressive Erweiterungsstrategie nach Osten lehnen wir ab.

Der ukrainische Präsident Selenskyj hatte jüngst angeboten, dass die europäischen Stützpunkte der Amerikaner mit kriegserprobten ukrainischen Soldaten bestückt werden. Die Amerikaner könnten sich dann weiter aus Europa zurückziehen. Eine gute Idee?

Das wäre natürlich eine verheerende Entwicklung, die wir als AfD überhaupt nicht mittragen können und wollen. Solche Pläne würden auch dem Ziel der AfD entgegenstehen, dass die alliierten Truppen Deutschland verlassen sollen.

Merz fürchtet eine „Abkehr von der Hilfe für die Ukraine“. Will Thüringen die Ukrainer alle wieder nach Hause und die Männer an die Front schicken?

Unser primärer Fokus liegt auf der Beseitigung des Asylmissbrauchs. Den sehen wir auch bei einer großen Zahl echter und vermeintlicher Ukrainer. Hinweise geben uns gut ausgebaute Fernbusverbindungen in ukrainische Zentren, aber auch Berichte aus den Landkreisen von bis zu vier Ein- und Ausreisestempeln bei Leistungsbeziehern im Monat. Offensichtlich geht es in diesen Fällen nur darum, hier Sozialleistungen abzugreifen.

Im Übrigen betrachte ich die Ukraine nicht als befreundeten Staat, für den deutsche Politiker Solidarität einfordern können. Es steht der heftige Verdacht im Raum, dass die Ukraine direkt oder indirekt an dem Nordstream-Anschlag beteiligt gewesen sein soll. Die ukrainische Regierung unter Selenskyj zielt darauf ab, Deutschland immer weiter und direkter in den Ukraine-Konflikt einzubinden. Ich sehe daher derzeit jede Menge Gründe, zu diesem Land Abstand zu halten und überhaupt keine Basis für das Einfordern weiterer Hilfeleistungen.

Seit Beginn des Krieges wird die Ukraine als eine Art Mittelpunkt und Verteidiger des Wertewesten dargestellt ...

Das ist ein Mittel zum Zweck. Letztlich versuchen die westlichen Hegemonialmächte, allen voran natürlich die USA, ihre geostrategischen Interessen auch in Bezug auf die Eindämmung der Einflusszone von Russland dort auszuleben. Für einfach gestrickte Gemüter verkauft man das mit der „Verteidigung westlicher Werte“. Die Realität, nämlich das die deutsche Ukraine-Politik den geostrategischen Interessen der Amerikaner dient, klingt halt nicht so überzeugend.

Es gibt einen Lackmustest für jeden Politiker: Wollen sie lieber in St. Petersburg oder Moskau oder in San Francisco oder New York leben? Was ist ihre Antwort?

Ich möchte in Erfurt leben, nicht in San Francisco oder St. Petersburg. Meine Heimat ist hier. Hier lebten meine Vorfahren, und hier habe ich Kinder, Familie und Freunde. Ich bin kein Weltbürger und will auch keiner sein. Deswegen habe ich den Anspruch und auch das Recht, hier in einem Staat zu leben, der mich schützt, der meine Interessen wahrnimmt und nicht die von anderen Großmächten.

Haben Sie eine Idee, warum Friedrich Merz überhaupt die NATO ins Gespräch gebracht hat, wo es doch um die Koalitionsfrage in Thüringen geht? Was hat Thüringen für einen Einfluss auf die NATO-Mitgliedschaft?

Gar keinen. Allenfalls mal die Rolle des Mahners, auf den keiner hört. Das ist vor allem der Versuch, einen Ausweg aus diesen Koalitionsverhandlungen zu finden. Im Übrigen scheint das beim BSW nicht großartig anders zu sein. Der Eindruck drängt sich auf, dass Merz und Wagenknecht ahnen, wie deutlich eine derartige Koalition ihre Chancen bei der nächsten Bundestagswahl senken wird. Deswegen versucht man hier, Barrieren für eine solche Koalition zu finden.

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Wie hoch ist überhaupt die Bereitschaft der AfD in Thüringen, mit dem BSW zusammenzugehen?

Da gibt es ganz unterschiedliche Aussagen. Wir haben Leute, die eine Zusammenarbeit mit dem BSW wegen der Vergangenheit von Sahra Wagenknecht und ihrer damaligen Positionen in der „Kommunistischen Plattform“ rundweg ablehnen. Und dann gibt es eine Mehrheit der Leute, die skeptisch sind, was eine solche Zusammenarbeit angeht, aber auch grundsätzlich bereit sind auszuloten, inwieweit mit dem BSW Politik im Interesse unserer Wähler umsetzbar wäre.

Lange Jahre der Oppositionsarbeit: Ist denn die AfD in Thüringen überhaupt noch bissig genug, die Macht anzustreben? Der Linke Gregor Gysi soll mal in etwa gesagt haben: Wir müssen nicht regieren, Hauptsache die Regierung setzt um, was wir wollen ...

Das ist aus meiner Sicht eine Ausrede. Natürlich möchte man als Politiker immer direkt gestalten und nicht nur indirekt wirken. Und das gilt natürlich auch für die AfD in Thüringen.

Nochmal zur Europäischen Union. Will die AfD in der EU bleiben?

Hier ist ebenfalls, wie bei der NATO, eine grundlegende Reform erforderlich. Und wenn das nicht möglich ist, dann bliebe als letztes Instrument der Austritt aus der EU und die Schaffung einer neuen Form der europäischen Zusammenarbeit, die wahrscheinlich angelehnt wäre an die alte EWG, die wir bis zum Vertrag von Maastricht hatten und wo europäische Zusammenarbeit noch erfolgreich funktioniert hatte.

Friedrich Merz sagte mit Blick auf das BSW, über Landespolitik könnte man verhandeln, über diese Themen aber nicht. Aber eigentlich geht es doch in Thüringen nur um Landespolitik. Da schaut Merz offenbar schon auf die Bundestagswahl und dann vermischt sich das alles ...

Genau an diesen Widersprüchen in der Argumentation erkennt man, dass es hier primär darum geht, Ausreden zu finden, warum nicht miteinander koaliert werden kann.

Haben Sie das Gefühl, dass man sich hier schon im Bundestagswahlkampf befindet? Hat es das für Thüringen schwieriger gemacht?

Ja, definitiv. Das Ganze spitzt sich ja noch dadurch zu, dass man auch damit rechnen muss, dass es möglicherweise doch noch vorgezogene Neuwahlen im Bund gibt. Die FDP scheint da wieder gewisse Unsicherheiten zu schüren. Ich könnte mir vorstellen, dass man da noch sensibler ist beim Setzen von politischen Botschaften. Insbesondere bei so kritischen Themen wie dem Verhältnis zur NATO oder dem Umgang mit der Ukraine und der Frage des Friedens.

Der Journalist Julian Reichelt und andere haben laut darüber nachgedacht, ob ein Abgang von Björn Höcke die AfD koalitionsfähiger machen würde. Wie wird darüber in der AfD-Thüringen gesprochen? Ist das überhaupt ein Thema?

Also, ich kenne bisher jedenfalls keine Forderungen, die in diese Richtung gehen. Das wäre ja auch absurd ...

Julian Reichelt hat es gefordert ...

Das steht ihm ja auch zu. Er kann seine Position öffentlich verbreiten, das ist sein gutes Recht. Aber es hat null Relevanz für eine Entscheidungsfindung innerhalb der AfD Thüringen. Das klären wir immer noch selbst. Und ich kenne keine Debattenbeiträge innerhalb unseres Verbands aus jüngster Zeit, jedenfalls keine ernstzunehmenden, die darauf abzielen, dass Björn Höcke zurücktritt oder austritt. Es gibt hier in Thüringen zwar ständig Überlegungen, wie man die weitere Entwicklung des Landesverbandes gestaltet. Und dazu zählt beispielsweise auch, ob und wann es einen Führungswechsel geben muss. Über sowas sind wir im Gespräch, aber das ganze geschieht ohne jeden Druck.

Das heißt, Ihr Co.Vorsitzender Björn Höcke sitzt fest im Sattel?

Ja.

Danke für das Gespräch!

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