Merz und Co stellen sich in internem Briefing hinter die AfD

CDU gegen AfD-Verbotsverfahren – Verfassungsschutz habe keine Beweise

von Alexander Wallasch (Kommentare: 7)

CDU hält es für einen Trugschluss zu glauben, die Zustimmung zur AfD ließe sich „wegverbieten“© Quelle: CDU/ AFD Montage: Wallasch

Auch die CDU hat jetzt sprichwörtlich die Nase voll von Haldenwangs politischer Spitzelbehörde: „Mit überragender Mehrheit hat unsere Fraktion sich dazu entschieden, dem Gruppenantrag zur Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD nicht beizutreten.“

Wir bilden hier den Originalwortlauf des internen „Blitz-Briefings“ der CDU ab:

Blitz-Briefing
Gruppenantrag zur Einleitung eines
AfD-Verbotsverfahren
Leitungs- und Planungsstab des Fraktionsvorsitzenden, 15. Oktober 2024

I. Sachverhalt

Eine Reihe von Abgeordneten des Deutschen Bundestages bereitet einen Gruppenantrag mit dem Ziel der Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) vor. Dazu zählt auch eine einstellige Zahl von Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. In der Fraktionssitzung am 15. Oktober 2024 haben wir ausführlich und sachlich über den avisierten Gruppenantrag diskutiert. Dabei haben die Mitglieder der Fraktion die Rechtslage sowie den politischen Kontext fundiert und ausführlich abgewogen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Partei dann verfassungswidrig, wenn sie nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgeht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Zudem müssen konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Erreichen der von der Partei verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele nicht völlig aussichtslos erscheint.

II. Unsere Position

Mit überragender Mehrheit hat unsere Fraktion sich dazu entschieden, dem Gruppenantrag zur Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD nicht beizutreten. Die Fraktion hält den Versuch eines Verbots der AfD zum jetzigen Zeitpunkt für juristisch nicht erfolgversprechend und politisch kontraproduktiv. Folgende Erwägungen waren für diese Entscheidung handlungsleitend:

(1) Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Voraussetzungen für ein Parteiverbot sind mit Blick auf die AfD – zumindest derzeit – aller Voraussicht nach nicht erfüllt. Zwar führt das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als Verdachtsfall auf Rechtsextremismus. Die obergerichtliche Rechtsprechung hat diese Einschätzung bestätigt. Eine Einstufung als „Verdachtsfall“ ist aber nicht gleichzusetzen mit den – erheblich höheren – Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an das Verbot einer politischen Partei stellt. Wir gehen vielmehr davon aus, dass bei der AfD die Voraussetzungen eines Parteiverbots (noch) nicht erfüllt sind und die Verfassungsschutzämter nicht über hinreichendes Beweismaterial für ein Verbotsverfahren verfügen.

(2)  Das Verfahren zum Verbot einer politischen Partei dauert–selbst im Erfolgsfall–mehrere Jahre. Bei der NPD hat es vier Jahre gedauert. Selbst für den unwahrscheinlichen Fall eines erfolgreichen Verbotsantrags könnte sich die AfD noch an der nächsten Bundestagswahl beteiligen und sich dabei als vermeintliche „Märtyrer“ inszenieren.

(3)  Darüber hinaus fehlt dem Gruppenantrag die erforderliche Tatsachengrundlage in Form einer umfassenden Materialsammlung. Eine solche könnte nur durch das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Landesämter für Verfassungsschutz erstellt werden - erst auf einer solchen Grundlage kann eine fundierte Entscheidung getroffen werden. Überdies verlangt das Bundesverfassungsgericht, vor Einleitung eines Verbotsverfahrens „strikte Staatsfreiheit“ gegenüber der betroffenen Partei herzustellen. Das bedeutet: Die Begründung eines Verbotsantrages darf nicht auf Beweismaterialien gestützt werden, deren Entstehung zumindest teilweise auf das Wirken von V-Leuten oder Verdeckten Ermittlern zurückzuführen ist. Eine entsprechende Garantie vermag allerdings nur die Bundesregierung respektive die Landesregierungen zu geben. Sie allein vermögen deshalb einen überzeugenden Beweisantrag zu erarbeiten.

(4)  Zudem müssen wir auch die möglichen Folgen eines Scheiterns des Verbotsantrags bedenken: Die AfD erhielte faktisch ein verfassungsgerichtliches „Gütesiegel“, eine verfassungsgemäße Partei zu sein – dieses Risiko einzugehen, halten wir für nicht vertretbar.

(5)  Schließlich gilt: Wir halten es für einen Trugschluss zu glauben, die Zustimmung zur AfD ließe sich „wegverbieten“. Die politischen Kräfte der demokratischen Mitte müssen die AfD stattdessen politisch und inhaltlich stellen. Wir wollen keine Symptombehandlung, sondern Ursachenbekämpfung: Die drängenden politischen Probleme Deutschlands müssen gelöst werden, um dem in der Bevölkerung weit verbreiteten Frust gerecht zu werden. Altbundespräsident Joachim Gauck bringt es auf den Punkt: Ein Verbotsverfahren würde „noch mehr Wut und noch mehr Radikalität erzeugen – und das wäre politisch schädlich“.

III. Sprachregelung

Die CDU/CSU-Fraktion lehnt die Beteiligung an einem Gruppenantrag zur Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD ab. Nach intensiver Abwägung der rechtlichen und politischen Argumente sehen wir keine ausreichende Grundlage für ein erfolgreiches Verbotsverfahren. Die politische und inhaltliche Auseinandersetzung ist der geeignete Weg, um die AfD zu stellen. Die Lösung liegt in der Bewältigung politischer und gesellschaftlicher Probleme, nicht im Versuch eines Verbots.


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