Calvinist und Schlossherr Steinmeier predigt Entbehrungen und verkauft Ukraine als Werte-Mittelpunkt Europas

Bundespräsident: Deutsche sollen „empfindliche Nachteile“ für die Verteidigung der Ukraine in Kauf nehmen

von Alexander Wallasch (Kommentare: 9)

Die europäischen/deutschen Werte werden nicht am Hindukusch oder in Kiew beschützt und verteidigt, der größte Feind dieser Werte sitzt längst im eigenen Haus.© Quelle: Pixabay / Darkmoon_Art / Rabenspiegel / Sammy-Sander, Bildmontage Alexander Wallasch

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nutzt eine Rede in Paderborn dazu, die Ukraine in den Mittelpunkt des europäischen Wollens und der europäischen Werte zu rücken. Wussten die meisten Europäer vor dem Ukrainekrieg nicht einmal genau, ob die Ukraine überhaupt zu Europa gehört, soll jetzt das europäische Schicksal an dieses Land und seinen Krieg gebunden werden.

Im nordrhein-westfälischen Paderborn feiern sie seit nunmehr 500 Jahren das Libori-Fest. Ein Fest, ein bisschen wie Weihnachten: christlicher Anlass für eine Sauf- und Fressmeile. Damit die Party einigermaßen friedlich abläuft, entwickelt die Polizei entsprechende Konzepte. In Paderborn ist Libori traditionell so etwas wie die fünfte Jahreszeit. Pandemiebedingt musste das Fest, das Hunderttausende anlockt, zwei Jahre lang ausfallen.

Paderborn feierte vor wenigen Tagen das 500ste Libori-Fest rund um die Rückkehr von christlichen Reliquien. Die Stadt Paderborn wurde dafür mit der Gegenwart des sozialdemokratischen Bundespräsidenten beehrt, Frank-Walter Steinmeier ist reformierter Christ, aber kein Lutheraner, er beruft sich auf Johannes Calvin, ist also Calvinist.

Aber solche innerchristlichen Details sollen hier nicht weiter interessieren. Spannender ist, was der Bundespräsident anlässlich dieses großen Jubiläums zu sagen hatte, denn Steinmeier beschränkte sich nicht darauf, etwa ein Fass anzustechen und ein paar salbungsvolle Worte von Christ zu Christ zu sprechen, er nutze diesen über Paderborn hinaus eigentlich ziemlich unbedeutenden Tag dazu, mit ganz dicken Backen den Krieg in der Ukraine zu thematisieren.

Steinmeiers zur zweiten Amtszeit eingekaufte Haltungsjournalisten von der Süddeutschen Zeitung und der Zeit haben ihm da was Flottes zusammengeschrieben, den Bogen muss man für so einen Tag erst einmal hinbekommen wollen.

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Steinmeier erzählt den versammelten Paderbornern zunächst die Welt vor tausend Jahren als ein großes Jammertal, die Menschen lebten, so der Sozialdemokrat, „in Angst vor dem Hunger, vor marodierenden Heeren und Banden, vor unbarmherzig Herrschenden – im Grunde vor jedem neuen Tag.“

Und Steinmeier spricht sogar die Mitschuld der Kirchen an, über die Reliquien, auf denen das Fest bis heute beruht, sagt er: „Damals stärkten solche Gaben nicht nur den Glauben, sie festigten bestehende Herrschaft.“

Der Calvinist über die christlichen Kirchen: „Es hat nie eine gerade Linie von den christlich geprägten Grundüberzeugungen zum faktischen Handeln gegeben. Immer wieder hat es schreckliche Verirrungen und Verbrechen gegeben.“ Für einen echten staubtrockenen Askese-Calvinisten müsste so ein reliquienbasiertes Sauffest demnach ein Gräuel sein, eine üble Ketzerei.

Steinmeier will aber sowieso etwas anderes, als den Leuten die Party versauen und eine kirchliche Schuld thematisieren. Er will in seiner Rede diese düstere Zeit als eine Drohkulisse aufbauen, in die uns die Gegenwart zurückkatapultieren würde, wenn … ja, wenn Deutschland, wenn die Europäische Gemeinschaft der Ukraine nicht kriegerisch zur Seite steht gegen den Angreifer Russland.

Den Paderbornern müsste angesichts dessen eigentlich der Mund offen gestanden haben, oder sie haben schon ein Glas vorgeglüht und die Tragweite dieses verbalen Missbrauchs ihres Festes durch den Bundespräsidenten ist ihnen gnädiger Weise entgangen.

Steinmeiers Wendepunkt in seiner Rede trieft vor Zynismus angesichts der Verwerfungen unserer Zeit, wenn er sagt:

„So schauen wir zurück auf die Ursprünge des Libori-Festes, zu dem jedes Jahr hunderttausende Besucher kommen – und erinnern uns daran, wie aus der armen, meist von Hunger und Not und Gewalt geprägten Welt jenes freie, friedliche und wohlhabende Europa wuchs, in dem heute zu leben wir das große Glück haben.“

Hier zitiert sich Steinmeier quasi selbst, als er im Oktober 2020 die von der Pandemie und den Lockdowns so schwer Betroffenen am 30. Jahrestag der Deutschen Einheit verspottete mit dem Satz: „Wir leben im besten Deutschland, das es jemals gegeben hat.”

Steinmeiers Hinleitung zur Einforderung einer Art bedingungsloser Solidarität und Beistandspflicht mit der Ukraine scheut keine historischen Verdrehungen: Die christlichen Verwerfungen und Quälereien der Menschen hätten in Europa immer wieder eine Neubesinnung auf unsere guten geistigen Wurzeln erfordert.

Verdrehung deshalb, weil für Steinmeier beispielsweise die Menschenrechte „ursprünglich im Christentum“ angelegt sind, aber in Europa „gegen die amtlichen Vertreter des Christentums“ durchgesetzt werden mussten:

„Immer wieder musste die Bergpredigt oder das Gleichnis vom barmherzigen Samariter gegen die Kirche selbst in Erinnerung gerufen werden.“

Die Aufklärung als Rückbesinnung auf die wahren, die echten und ursprünglichen europäischen Werte der griechischen Philosophen, der großen Vordenker und Väter der Demokratie aus eintausend Jahren europäischer Geschichte (ab etwa 600 v. Chr.)  – die Philosophie der Antike ist für den Calvinisten Steinmeier nicht relevant.

Stattdessen verbalisiert der Bundespräsident ein neues Reich des Bösen: Hier die christlichen „westlichen“ Werte, dort Putins Russland. Steinmeier knüpft an Ronald Reagan an, der US-Präsident hatte 1983 auf der National Association of Evangelicals den Begriff „Reich des Bösen“ für die damalige Sowjetunion geprägt.

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Wussten die meisten Europäer vor dem Ukrainekrieg nicht einmal sicher, ob die Ukraine überhaupt geografisch, geschweige denn kulturell (als Teil von Reagans Reich des Bösen) zur Europa gehört, ist die Ukraine bei Steinmeier in den Mittelpunkt des europäischen Wollens und der europäischen Werte gerückt.

Mit dem Einmarsch in die jahrelang umkämpften Gebiete der Ukraine hätte Putin die europäische Sicherheitsarchitektur vernichtet. Steinmeier und seine helfenden Haltungsjournalisten formulieren politisch und historisch betrachtet einen ziemlichen Unsinn, wenn es in der Rede weiter heißt:

„Aber in diesen Tagen geht es noch um mehr: Der Krieg, den Putin gegen die Ukraine führt, ist auch ein Krieg gegen die Einheit Europas. Wir dürfen uns nicht spalten lassen, wir dürfen das große Werk eines einigen Europa, das wir so vielversprechend begonnen haben, nicht zerstören lassen. Es geht in diesem Krieg nicht allein um das Territorium der Ukraine, es geht um den im doppelten Sinne gemeinsamen Grund unserer Werte und unserer Friedensordnung.“

Was die Ukraine mit der „Einheit Europas“ zu tun hat, mit der Europäischen Gemeinschaft, ist schleierhaft, bleibt das alleinige Geheimnis des Bundespräsidenten. Das Narrativ, welches hier neu gestrickt werden soll, ist ziemlich atemberaubend in seiner folgenschweren Verdrehung.

Die europäischen Werte wären die verpflichtende Grundlage, „eine eindeutige Haltung“ zum Ukrainekrieg an den Tag zu legen, so Steinmeier. Deutschland und Europa müssten bereit sein, diese Werte zu verteidigen, für ihre Geltung einzustehen – also explizit auch in der Ukraine.

Und dann ein noch tiefer gehender Satz dieser Rede: Steinmeier ist kurz vor dem Fassanstich in Paderborn endlich dort angekommen, wo er von Anfang an hinwollte:

Für die Verteidigung unserer Werte in der Ukraine müssten wir Deutschen auch bereit sein „empfindliche Nachteile in Kauf zu nehmen“.

Ein geradezu unanständiger Spagat von Paderborns Reliquien-Gebeinen zur zentralen Frage von Steinmeier: „Sind wir dazu bereit?“

Aber zu was? Man will es kaum glauben, aber der Bundespräsident will seine Bevölkerung darauf einstimmen, dass die Sanktionen gegen Russland in Russland zwar kaum eine Wirkung zeigen, aber in Deutschland „heute und in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten“ Entbehrungen abfordern werden.

Um zu verstehen, was hier passiert, muss man es in aller Deutlichkeit aussprechen:

Dieser große sozialdemokratische Spalter aus Schloss Bellevue gibt mit seinem unheilvollen Geschwätz von europäischen Werten, die im Donbass zu verteidigen sind, den Ausputzer für eine desaströse Außen- wie Innenpolitik der Ampelregierung – was wiederum ein umfassender Missbrauch des Amtes ist.

Angesichts des umfassenden Zerstörungswerkes der deutschen Politik der letzten beiden Jahrzehnte an der europäischen Einheit, wiegt die Axt, die Steinmeier jetzt an diese Einheit legt, besonders schwer. Nein, das Schicksal der Ukraine, so grausam es für so viele Ukrainer ist, es ist keineswegs und schon gar nicht bedingungslos an das Schicksal Europas gebunden.

Davon kann keine Rede sein. So etwas zu konstruieren, um beispielsweise die Lieferung schwerer Waffen zu rechtfertigen, drohende Energieknappheit oder gar die Gefahr eines Kriegseintritts Deutschlands ist nicht nur fahrlässig, sondern bodenlos in jeder Hinsicht, vorgetragen vom Bundespräsidenten auf einem Reliquienfest mit anschließender Fressmeile:

„Aber in diesen Tagen geht es noch um mehr: Der Krieg, den Putin gegen die Ukraine führt, ist auch ein Krieg gegen die Einheit Europas. Wir dürfen uns nicht spalten lassen, wir dürfen das große Werk eines einigen Europa, das wir so vielversprechend begonnen haben, nicht zerstören lassen. Es geht in diesem Krieg nicht allein um das Territorium der Ukraine, es geht um den im doppelten Sinne gemeinsamen Grund unserer Werte und unserer Friedensordnung.“

Und nein, hier soll ein schon fünfhundert Jahre altes Fest der Paderborner gar nicht entwertet oder verhohnepipelt werden, hier geht es auch nicht um eine Debatte um die Wurzeln Europas: Es geht um eine politische Ideologie, vorgetragen vom deutschen Bundespräsidenten, welche diese Werte missbraucht.

Steinmeiers Rede ist in dem Moment von großer Kühnheit geprägt, wo er die Verwerfungen der christlichen Kirchen thematisiert und im selben Atemzug nach einem tausend Jahre alten Muster einer neuen öko-sozialistischen Religion das Wort redet.

Wem es wirklich darum geht, die europäischen, die deutschen Werte zu schützen und zu verteidigen, der muss dafür nicht extra an den Hindukusch oder nach Kiew reisen, der größte Feind dieser Werte sitzt längst im eigenen Haus.

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