Julian Assange wird nicht ausgeliefert

Altparteien teilen Julian Assange nicht mit der AfD

von Alexander Wallasch (Kommentare: 1)

Demonstration zur Unterstützung von Assange.© Quelle: © Foto: Wikimedia Commons / Elekhh

Der 49-jährige Julian Assange wird vorerst nicht an die USA ausgeliefert. Das ist zunächst für viele Bürger auf der ganzen Welt eine gute Nachricht, aber noch mehr für den Betroffenen selbst, für seine Familie und seine Mitstreiter. Wer diese Mitstreiter im Einzelnen sind, dazu gleich mehr.

Der Wikileaks-Gründer Assange sitzt seit über eineinhalb Jahren in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis faktisch in Isolationshaft – dafür mögen auch Sicherheitsaspekte eine Rolle spielen ebenso, wie Infektionsschutzgründe hinsichtlich der Gefahr einer Corona-Ansteckung. Der Gesundheitszustand des prominenten Häftlings bleibt weiter kritisch heißt es mit dem Häftling vertrauten Kreisen. Bezeichnenderweise entschied das Gericht in London am heutigen Montag auch deshalb gegen das Auslieferungsersuchen der USA: Aus gesundheitlichen Gründen. Die Haftbedingungen in den USA seien nicht ausreichend. Den USA wurden so per Londoner Gerichtsurteil Haftzustände attestiert, die nicht europäischen Standards entsprechen würden.

Oder anders ausgedrückt: Die Auslieferung ist indiskutabel, weil die USA Gefängnisse betreibt, die aus Sicht eines englischen Gerichts für Assange indiskutabel sind. Selbstredend kommen die Engländer mit so einer Begründung darum herum, Position zu beziehen zum eigentlichen Auslieferungsbegehren wegen Spionage und weiterer Delikte. Assanges Enthüllungsplattform WikiLeaks hatte vor einem Jahrzehnt vertrauliche Dokumente des US-Militärs veröffentlicht. Assange drohen in den USA bis zu 175 Jahre Gefängnis.

Die Auslieferung ist also vorerst richterlich untersagt worden, es wird befürchtet, dass sich Assange in Isolationshaft in den USA das Leben nehmen könnte. Was die Isolationshaft in den USA von der in England unterscheidet, können wohl aber nur Kenner der Einrichtungen und Umstände erzählen.

Intimere Kenntnisse über die Verhältnisse auch im englischen Hochsicherheitsgefängnis hatte aber offenbar eine Mitte Dezember 2020 gegründete „Fraktionsübergreifende Arbeitsgemeinschaft „Freiheit für Julian Assange““ im Deutschen Bundestag, die nämlich erkennt eine Isolationshaft für Assange im englischen Gefängnis. Und spätestens seit dem Blockbusterfilm „Baaader-Meinhof-Komplex“ nach einem Buch des Journalisten Stefan Aust wissen auch Millionen Deutsche, was eine Isolationshaft bedeutet, die eindrucksvollsten Szenen beschreiben nämlich in düster-dystopischen Szenen den Wahnsinn, dem die Terroristin Ulrike Meinhof in den 1970er Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Stammheim ausgesetzt gewesen sein soll.

Die Bundestagsabgeordneten Sevim Dağdelen (Die Linke), Bijan Djir-Sarai (FDP), Frank Heinrich (CDU), Frank Schwab (SPD) und Margit Stumpp (Grüne) sind die Unterzeichner der „fraktionsübergreifenden Arbeitsgemeinschaft“. Fraktionsübergreifend ist allerdings nicht ganz korrekt, denn die AfD mit ihren fast 90 Abgeordneten ist nicht Teil dieser Veranstaltung.

Auf Nachfrage im Abgeordnetenbüro des Sozialdemokraten, warum die AfD nicht teilnehmen darf, wird zunächst an die Abgeordnete der Linken verwiesen, sie soll man doch bitte dazu befragen. Später wird die Möglichkeit eröffnet, noch einen Fragenkatalog an Frank Schwab (SPD) zu schicken, der aber bisher nicht beantwortet wurde (ggf. reichen wir das hier nach).

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Die Linke Sevim Dağdelen ist demnach so etwas, wie die Initiatorin der AG, die Vertreter der anderen Fraktionen ordnen sich bereitwillig unter, Dağdelen formuliert auch die Pressemitteilung, sie wird dort zitiert mit der Erklärung, was sie unter fraktionsübergreifend versteht: „Als gemeinsame Initiative von Abgeordneten aller demokratischen Fraktion im Deutschen Bundestag“ möchte man ein klares Zeichen setzen.

Demnach haben sich Abgeordnete von FDP, CDU, SPD und Grünen dem Argument der Linkspartei gefügt, die AfD wäre keine demokratische Partei. Hinzu kommt, dass beispielsweise der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron neben der Abgeordneten Heike Hänsel (Die Linke) laut Bystron als einziger Abgeordneter persönlich in London vor Ort war und sich zu Beginn des Prozesses öffentlich gegen die Auslieferung von Julian Assange eingesetzt hat. Bystron besuchte im Vorfeld des Prozesses das Hochsicherheitsgefängnis Belmarch, in dem Assange inhaftiert war und drehte dort gemeinsam mit Tommy Robinson einen Video-Aufruf zur Begnadigung von Assange, der in England hohe Beachtung fand. Warum war Bystron ausgerechnet mit Robinson vor dem Gefängnis? Laut Bystron vor allem deshalb, weil Robinson mit Assange zeitgleich in eben diesem Gefängnis und ebenfalls in Einzelhaft saß. Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=jtxwRK5ZFtI

Laut Petr Bystron stoßen „die politischen Spielchen der Linken“, wie es der AfD-Bundestagsabgeordnete nennt, auch im Assanges engstem Umfeld auf Unverständnis. So zeigte sich, so Bystron per Telefon, auch der Vater von Assange bei einem Besuch im Bundestag darüber erstaunt, dass die Linke die Zusammenarbeit mit Abgeordneten verweigert, die sich nachweislich aktiv für die Freilassung seines Sohnes engagieren würden.

Die Abgeordnete der Linken befindet also, dass die AfD keine demokratische Partei sei, alle weiteren Fraktionen folgen, Hauptsache man ist offiziell Teil der Arbeitsgruppe, kann ja nicht schaden, Julian Assange wird samt seiner via Netflix abrufbaren filmischen Bestsellerbiografie bereits heldenhaft verehrt, da wollen viele dabei bei der „Befreiung“ des Helden.

Was besagte Arbeitsgruppe erreicht hat über die Formulierung hinaus, dass man eine solche Gruppe gebildet hätte, bleibt allerdings weitestgehend im Ungewissen. Julian Assange war im April 2019 nach sieben langen Jahren Aufenthalt in den Räumlichkeiten der Botschaft von Ecuador und aufgrund des besagten US-Auslieferungsantrags von der britischen Polizei festgenommen worden. Die Erlaubnis dazu hatte die Botschaft selbst erteilt, nachdem die Regierung des Präsidenten Moreno Assange das Asylrecht entzogen hatte, dass die Vorgängerregierung unter Präsident Rafael Correa gewährt hatte – zunächst um Julian Assange vor einer Auslieferung nach Schweden zu schützen. Assange besaß zu dem Zeitpunkt neben der australischen auch die Staatsbürgerschaft Ecuadors. Auch die britische Regierung hatte zwischenzeitlich angekündigt, Assange wegen angeblicher Verstöße gegen Kautionsauflagen festzunehmen, sollte er die Botschaft verlassen.

Erinnert sei hier noch an die Sprecherin des russischen Außenministeriums, die zur Festnahme Assanges geschrieben hatte: „Die Hand der 'Demokratie' erwürgt die 'Freiheit'“. Die Rolle der Regierung Ecuadors bei der Festnahme ist unter anderem damit kontaminiert, dass sich die englische Regierung explizit dafür bedankte, das Asyl für Assange ausgesetzt zu haben. Großbritanniens Außenminister bedankte sich beim Präsidenten für dessen „Kooperation“. Julian Assange sei kein Held und würde auch nicht über dem Gesetz stehen, so damals Außenminister Jeremy Hunt, Assange hätte sich jahrelang vor der Wahrheit versteckt. Darf man das sarkastisch nennen? Man muss wohl sogar.

Sevim Dagdelen ist Initiatorin der fraktionsübergreifenden Free-Assange-Arbeitsgruppe des Deutschen Bundestages ohne AfD. Anfang Dezember fuhr sie – nein, nicht nach London – nach Moskau in Begleitung von Gregor Gysi und sprach dort mit Edward Snowden über die Jagd der Geheimdienste nach Whistleblowern. Auf Einladung von Dagdelen war der Vater von Julian Assange im Oktober Gast im Deutschen Bundestag, um die Linksfraktion von neuesten Entwicklungen im Auslieferungsprozess zu unterrichten. Dagdelen warf unter anderen der Bundesregierung und insbesondere Außenminister Heiko Maas vor, sich „keinen Deut um die Verfolgung von Julian Assange“ zu scheren.

Zweifellos ist der Einsatz für Assange nicht nur für Assange von Vorteil. Ganz gleich welche Rolle die Geschichte dem Wikileaks-Gründer einst zubilligen wird, sich mit den großen Heldenfiguren zu schmücken, ob nun verdüstert oder sonnenbestrahlt, ist einen gute Sache auch für seine Verteidiger, so der Glanz der Überfigur nur entsprechend abfärbt.

Julian Assange gilt vielen als einer der großen Kämpfer des 21. Jahrhunderts für die Freiheit, für Pressefreiheit und gegen staatliche Willkür, gegen Krieg und Kriegsverbrechen. Da will man dabei sein, will seine demokratische Gesinnung zeigen. Aber natürlich keineswegs neben der AfD. Selbst dann nicht, wenn die sich für den Ausgestoßenen einsetzt auf vielen Ebenen. Die AfD Sachsen-Anhalt beispielsweise forderte per Facebook schon 2016 „Solidarität mit Julian Assange“. Und verlinkte dazu einen offiziellen Bericht der Vereinten Nationen, das blau der UN strahlte da neben dem der AfD und als Absender strahle ausgerechnet André Poggenburg, der im Januar 2019 einem Parteiausschluss zuvorkam und die AfD verließ. Poggenburgs Engagement für Assange war hier übrigens nicht der Ausschlussgrund.

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