Der Missbrauch des Asylrechts geht von der Ampel-Regierung aus – Nicht vom Antragsteller

Agentur-Chefin Nahles lobt hohe Arbeitswilligkeit der Ukrainer – Aber welche soll das sein und warum?

von Alexander Wallasch (Kommentare: 3)

Es gibt ein neutraleres Wort, als das von Merz gebrauchte „Sozialtourismus“, das aber im Wesentlichen das Gleiche beschreibt: „Pendel-Migration“.© Quelle: Youtube / Tagesschau , Arte I Montage Alexander Wallasch

Genossin Andrea Nahles, Chefin der Arbeitsagentur, schwärmt davon, dass Ukrainer erfreulicherweise sehr „integrationsbereit“ seien und viele schon Arbeit gefunden hätten. Mal davon abgesehen, dass es dafür keine Belege gibt, sollte Nahles endlich ihre Arbeit machen und vernünftige Daten erheben, anstelle ihrer gefühligen Bauchrednerei.

Friedrich Merz hatte sich rasch entschuldigt, nachdem seine Aussage zum „Sozialtourismus“ von Ukrainern scharf kritisiert wurde. Was konkret hatte Merz Ende September 2022 gesagt, was die Tagesschau „Kreml-Propaganda“ nannte?

„Wir erleben mittlerweile einen Sozialtourismus dieser Flüchtlinge nach Deutschland, zurück in die Ukraine, nach Deutschland, zurück in die Ukraine."

Eine „größere Zahl“ mache sich dieses System inzwischen zunutze. Merz stellte weiter fest: „Da haben wir ein Problem, das wird größer.“

Gestern nun hat Andrea Nahles (SPD) als Chefin der Bundesagentur für Arbeit gegenüber der Funke-Mediengruppe nachgelegt und behauptet, es gäbe keine Belege für Sozialbetrug, im Gegenteil, 59.000 geflüchtete Ukrainer hätten mittlerweile eine „sozialversicherungspflichtige Arbeit“ und das belege eine hohe Integrationsbereitschaft von Ukraine-Flüchtlingen.

In nüchternen Zahlen sind das bei mittlerweile über einer Million Flüchtlinge weniger als fünf Prozent. Und wie viele Beschäftigte davon tatsächlich ohne Sozialhilfe auskommen, müsste eine genauere Prüfung samt Offenlegung der ermittelten Ukrainer ergeben.

Skepsis ist hier aber durchaus angebracht. Ein Vertrauensvorschuss für die Arbeitsagentur längst kein Automatismus. Die Agentur hat Vertrauen sogar verspielt, als man in den Jahren nach Beginn der Massenzuwanderung von 2015 immer wieder versucht hat, irgendwelche geringen Tätigkeiten von Zugewanderten als Vollbeschäftigung erscheinen zu lassen. Auch der damalige Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer hatte noch Ende 2018 erklärt, die „große Mehrheit der erwerbstätigen Flüchtlinge arbeite mittlerweile in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung und sei somit integriert.“

Kramer hat sich von seinem Unsinn bis heute nicht distanziert und richtiggestellt.

Schon damals war allerdings klar, dass das eine Mogelpackung ist und im Extremfall sogar eine Arbeitsstunde in der Woche ausreicht, als „arbeitend“ gewertet zu werden. 2021 meldete nämlich beispielsweise die Frankfurter Allgemeine Zeitung:

„Mehrheit der Syrer bekommt Hartz IV. (…) Fast zwei Drittel aller erwerbsfähigen Syrer in Deutschland lebt ganz oder teilweise von Hartz IV.“

Eine kleine Anfrage (Drucksache 19/5952) an die Bundesregierung vom Dezember 2018 offenbarte, warum Skepsis überaus angebracht ist, wenn die Arbeitsagentur bei Zugewanderten und Flüchtlingen Erfolge vermeldet.
In der Anfrage wollte die AfD-Fraktion wissen, wie die Bundesregierung den Begriff „Beschäftigung“ gemäß einer Mitteilung der Bundesagentur eigentlich definieren würde.

Wir dürfen davon ausgehen, dass die Antwort von damals auch heute noch die Auffassung der Bundesregierung widerspiegelt. Ende 2018 hieß es:

„Ebenso zählen folgende Personen zu den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten:

  • Beschäftigte in einem Ausbildungsverhältnis,
  • Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen und ähnlichen Einrichtungen
  • und Beschäftigte in Freiwilligendiensten.“

Und weiter hieß es:

„Die Teilnahme an einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme, einem berufsbezogenen Sprachkurs oder einem Integrationskurs beendet die Arbeitslosigkeit. Maßnahmeteilnehmende sind also keine Teilmenge der Arbeitslosen.“

Um Beschäftigungsquoten von Ukrainern in Deutschland berechnen zu wollen, muss man zunächst wissen, wie viele hier sind, wie viele hier tatsächlich gemeldet und auch an den angegebenen Adressen wohnhaft sind und wie viele der von Nahles genannten 59.000 sozialversicherungspflichtig Arbeitenden tatsächlich dank ihrer Arbeit auch ganz oder zu großen Teilen auf Sozialhilfe verzichten können.

Interessant ist weiter, dass laut einer Umfrage des Ifo-Institutes nur ein Drittel der befragten Ukrainer beabsichtigt, in den nächsten zwei Jahren überhaupt wieder in die Ukraine zurückzukehren.

Hier kann es ja nur zwei oder drei mutmaßliche Motivationen geben: Entweder die Menschen rechnen damit, dass der Krieg noch sehr lange dauern wird. Oder sie verstehen das deutsche Asylrecht falsch, das Flüchtlinge auffordert, nach dem Ende einer unmittelbaren Bedrohung in ihr Land zurückzukehren. Oder sie hoffen auf ein Ende des Kriegs, haben aber gar nicht vor, in die Ukraine zurückzukehren.

Ein kurzer Seitenblick auf die syrische Community: In Deutschland leben aktuell dauerhaft fast eine Millionen Syrer. Die prozentuell weniger vertretenen Frauen haben seit 2015 bereits weit über 30.000 Kinder in Deutschland zur Welt gebracht.

Hier stellt sich längst die Frage, wann diese Menschen eigentlich in ihre Heimat zurückkehren und das Land wieder aufbauen helfen. Aber selbst, wenn der Krieg beendet ist, Assad ist weiterhin Herrscher im Land. Darf man Asylanten überhaupt in ein nicht demokratisches Land zurückschicken oder greift hier automatisch einer der vielen neuen humanitären Imperative, Moral über Gesetz? Lässt das Asylrecht diese Vorgehensweise zu?

Zurück zu den Ukrainern. Andrea Nahles spricht von einer „hohen Integrationsbereitschaft“ von Ukraine-Flüchtlingen. Diese Einschätzung macht allerdings lediglich vergleichend Sinn, also im Vergleich beispielsweise mit einer ähnlich hohen Zahl von Syrern in Deutschland und deren Verhalten.

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Zieht man nun diesen Vergleich heran, dann müsste man bald jeder Zuwanderungs- oder Fluchtgruppe inklusive der schwer integrierbaren Afghanen eine höhere Integrationsbereitschaft bescheinigen als den Syrern, die von Anbeginn der Massenzuwanderung die rote Laterne in der Hand hielten. Hier kann und darf es auch nicht um die persönlichen Gefühlswallungen einer ehemaligen SPD-Chefin auf dem Thron der Arbeitsagentur gehen. Sondern hier müssen belegbare Zahlen und Erhebungen her.

Hinweise darauf, dass Merz in die richtige Richtung gedeutet hat und Nahles Sachverhalte viel mehr verdreht oder beschönigt, liefert die Tagesschau mit einem Bericht von Anfang Juni 2022. Dort wird berichtet, dass immer wieder Ukrainer zurückkehren in die Ukraine, weil es ihnen in Deutschland nicht gefällt. Hier sind also Menschen nach Deutschland „geflüchtet“, die dann die Verhältnisse in Deutschland so unattraktiv fanden, in ein Kriegsgebiet zurückzukehren?

Und es gibt ein neutraleres Wort, als das von Merz gebrauchte „Sozialtourismus“, das aber im Wesentlichen das Gleiche beschreibt: „Pendel-Migration“. Und von der sprach gegenüber der Tagessschau beispielsweise Migrationsforscher Franck Düvell von der Universität in Osnabrück:

„Die Ukraine ist ein EU-Nachbarland. Man kommt schnell und einfach hin. Es gibt keine Ein- und Ausreise-Beschränkung. Dadurch haben wir eine viel größere Dynamik zwischen den Ländern. Das erlaubt den Menschen auch so eine Art Probe-Rückkehr. (…) was ich erwarte, ist eigentlich ein größeres Hin und Her. Also eine Art Pendel-Migration.“

Tatsächlich wäre es ein Leichtes, hier Spekulationen zu begegnen: Wer in Deutschland Leistungen als Asylant bezieht, muss in Deutschland auch dauerhaft wohnhaft sein. Und dieser Pflichtaufenthalt muss regelmäßig unangemeldet überprüft werden. Mindestens da, wo der Verdacht besteht, dass sich der Asylant nicht am Ort aufhält.

Zudem sollten Ausreisen via Flixbus grundsätzlich mit den Behörden abgeglichen bzw. im Vorfeld die üblichen Genehmigungsverfahren durchlaufen.

Fazit: Wenn also Andreas Nahles davon spricht, dass Ukrainer sehr integrationsbereit sind, dann ist das ihre persönliche und individuelle Baucheinschätzung, die sie für sich behalten darf.

Die Chefin der Bundesagentur sollte sich auf die Erfassung und regelmäßige Veröffentlichung von Daten beschränken, anstatt Politik zu machen. Dafür muss sie ihre Akten lesen und lesen und nochmal lesen. Sie muss dafür arbeiten und abliefern, dass ist ihre Verantwortung – ihre Bauchrednerei hingegen nicht.

Wenn nämlich explizit aufgeführt wird, dass „18.000 Geflüchtete in einem Minijob“ arbeiten, welche Aussage soll daraus abgeleitet werden bei bisher über einer Million Flüchtlinge aus der Ukraine?

Wenn Nahles sagt, für den von Merz erhoben Vorwurf des „Sozialtourismus“ gebe es „weiterhin keine Belege“, dann muss Frau Nahles sich mal bequemen, dort welche zu suchen, wo sie fündig werden könnte. Sie muss anfangen zu arbeiten.

Hinzu kommt ein verzerrtes und missbräuchliches Verständnis von Asylschutz. Die Bundesregierung und ihre Vorgängerregierung erwecken schon länger den Eindruck, sie missbrauchten die Asylaufnahme, um behauptete demografische Probleme zu bewältigen.

Asylbewerber werden von der Bundesregierung längst nicht mehr als vorübergehend Schutzsuchende verstanden, sondern als so etwas wie potenzielle Rentenretter, ihr Wert wird an ihrer Befähigung gemessen, in Deutschland einer Arbeit nachzugehen. Und hier ist der Ukrainer aktuell beliebter als der Syrer.

Die Syrer sind von der Bundesregierung still und heimlich aufgegeben worden. Eine aufwendig eingeführte Millionen Euro teure Befragung zur Ermittlung von Kompetenzen wurde einfach eingestellt (Alexander-wallasch.de berichtete)

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Integration muss im Übrigen überhaupt nicht erste Anstrengung von Flüchtlingen sein. Es reicht vollkommen aus, sich zunächst den Gepflogenheiten des Gastlandes anzupassen. Als im Frühjahr nach und nach hunderttausende Ukrainer zu uns kamen, hatten die wenigsten überhaupt die Vorstellung, dass der Krieg Monate dauern würde.

Natürlich kann man ab einer bestimmten Aufenthaltsdauer über weitergehende Integrationsmaßnahmen schon im Sinne der Kinder nachdenken. Aber wenn das Bundesinnenministerium von Nancy Faeser schreibt „Voraussetzung (Red.: hier für eine Integration) sei, dass die Menschen, die mit einer dauerhaften Bleibeperspektive zu uns kommen, die deutsche Sprache lernen und sich um Grundkenntnisse unserer Geschichte und unseres Staatsaufbaus bemühen“, dann verwendet Nancy Faeser hier politische Begriffe wie „Bleibeperspektive“, die in Gesetzen als Rechtsbegriff überhaupt nicht vorkommen.

Wenn also Faesers Parteigenossin Nahles davon orakelt, dass Ukrainer erfreulicherweise sehr „integrationsbereit“ seien und viele schon Arbeit gefunden hätten, dann darf man davon ausgehen, dass es sich hier um zwei Seiten derselben Medaille handelt. Und die hat mit klassischem Flüchtlingsschutz herzlich wenig zu tun.

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