„Wir koalieren mit allen, die unsere Programmatik unterstützen“

Maaßen führt WerteUnion in den Straßenwahlkampf

von Hans-Georg Maaßen (Kommentare: 8)

„Die Ampel hält zusammen wie Pech und Schwefel.“© Quelle: privat

Hans-Georg Maaßen im Gespräch über die RKI-Files, die Arbeit in Behörden, eine Zusammenarbeit mit der AfD und über eine möglicherweise rechtsextremistische rassistische Äußerung von Robert Habeck.

Jetzt gibt es die RKI-Files vollkommen ungeschwärzt nach einem Leak aus dem RKI/BMI. An einer Stelle heißt es im November 2021 zur angeblichen „Pandemie der Ungeimpften“, das sei aus fachlicher Sicht nicht korrekt. Das RKI überlegt, das aufzuklären. Antwort: „Sagt Minister bei jeder Pressekonferenz, vermutlich bewusst, kann eher nicht korrigiert werden.“ Was sagt so etwas über die Arbeit des RKI?

Es ist die Mentalität der Beamten in Bundesbehörden, die ich kennengelernt habe: Man widerspricht dem Minister nicht. Und selbst wenn der Minister die Unwahrheit oder Blödsinn sagt, versucht man, eine Rechtfertigung für seine Äußerungen zu finden.

Als ich 2018 Zweifel an den angeblichen Hetzjagten in Chemnitz äußerte, sagte mir ein Abteilungsleiter aus dem Bundeskanzleramt sichtlich schockiert, dass ich der Kanzlerin doch nicht widersprechen könne. Ich hätte ihr doch helfen sollen, ich hätte sie doch öffentlich nicht bloßstellen dürfen.

Dieser blinde Gehorsam eines Spitzenbeamten zeigt die Mentalität von vielen in der Bundesverwaltung. Wahrer als die reine Wahrheit ist für diese leitenden Beamten die politische Wahrheit, nämlich das, was Minister und Kanzler als Wahrheit verkünden, und alles andere hat sich dem zu fügen. Und offensichtlich war es beim Spitzenpersonal des RKI als einer Bundesoberbehörde ganz genauso: Der Minister hat immer Recht und man widerspricht ihm nicht.

Aber man tut doch dem Minister oder der Kanzlerin keinen Gefallen, wenn man sie nicht wenigstens intern korrigiert. Mich interessiert, inwiefern man dann zumindest auf dem internen Weg Bescheid sagt. Denn nach so einem Leak sieht das ja noch dämlicher aus ...

Ihre Frage unterstellt, dass der Minister aus Dummheit oder wegen falscher Information so etwas sagt. Das Zitat aus den RKI-Files, das Sie verwendeten, zeigt, dass der Minister wusste oder zumindest wissen musste, dass seine Aussage unwahr war. Die Leitung des RKI musste deshalb davon ausgehen, dass der Minister bewusst die Öffentlichkeit irreführen wollte, da er dies „bei jeder Pressekonferenz, vermutlich bewusst“ sagte. Andernfalls wäre es ja leicht gewesen, dass der Minister sich korrigiert hätte.

Ministerialbürokratie und RKI mussten davon ausgehen, dass der Minister aus politischen Gründen vorsätzlich die Unwahrheit sagte, und dass das RKI diese unwahren Aussagen begründen musste, um ihnen den Schein von wissenschaftlicher Richtigkeit zu geben.

Um es plakativ zu sagen: Hätte der Minister erklärt, die Erde sei eine Scheibe, sähe die Ministerialbürokratie ihre Aufgabe darin, Argumente für die Richtigkeit und Genialität seiner wegweisenden Erkenntnis zu finden und der Öffentlichkeit mit wissenschaftlichen Argumenten zu erklären, warum sich die Menschheit in den letzten Jahrhunderten irrte, als sie annahm, die Erde sei eine Kugel. Auch das RKI sah seine Rolle wohl darin, im Brustton der wissenschaftlichen Überzeugung der Öffentlichkeit zu erklären, dass die Erde eine Scheibe ist und Impfen keine Nebenwirkungen hat.

Ist es nicht auch für solche Minister hilfreich, wenn der Bürger weiß, dass die Behörden ihm zuarbeiten, dass dort Fachleute sitzen, dass der Minister sein Wissen auch aus deren Wissen speist?

Der Minister könnte sich auf die Fachkompetenz und Erfahrung seiner Beamten stützen. Es wäre schön, wenn dies in der Praxis so wäre. Tatsächlich läuft es oftmals umgekehrt: Der Minister trifft eine politische Vorgabe, und die Beamten sind gezwungen, für diese Vorgaben Begründungen zu finden und sie mit dem Anschein von Wissenschaftlichkeit zu ummänteln.

Nun gehe ich immer noch davon aus, dass ein Behördenmitarbeiter nicht lügt ...

Nein, nicht die Behördenmitarbeiter lügen, sondern die Behördenleitung, und sie verlangt von den Beamten, für diese Lügen eine Rechtfertigung bzw. eine Begründung zu finden, um aus der Lüge eine Wahrheit zu machen. Ich habe den Eindruck, dass es in den Ministerien zu viele Beamte gibt, die für eine Beförderung nach B6 vor der Ministerin sogar auf dem Tisch tanzen würden.

In den Ministerien sitzen vielfach noch die gleichen Mitarbeiter. Die wechseln ja nicht die gesamten Behörden aus. Was unterscheidet die Arbeit der Bundesinnenminister Seehofer und Faeser?

Der Unterschied ist gravierend. Horst Seehofer kannte noch eine Bindung der Ministerien an Recht und Gesetz. Dieser für unsere freiheitliche Demokratie elementare Verfassungsgrundsatz ist unter Scholz, Habeck und Faeser still und heimlich durch die Devise „Wir kennen keine roten Linien“ ersetzt worden.

Und das heißt in der Praxis – so wie ich die Arbeit der Regierung wahrnehme –, dass sie das tun, was sie können und nicht das, was sie dürfen. Sie machen es einfach, auch wenn sie es nicht dürfen, weil sie ihr ideologischen Programm durchziehen wollen. Und wenn der betroffene Bürger oder der politische Gegner damit nicht einverstanden ist, dann sollen sie klagen. Dies wurde offensichtlich bei den verfassungswidrigen Haushaltsgesetzen, bei den gerade ungeschwärzt veröffentlichten RKI-Files, in der Migrationspolitik und durch die Entscheidung von Außenministerin Baerbock, auch gefälschte Pässe für die Visumerteilung anzuerkennen, gemacht.

Wie sieht das denn aus mit einer Rücktrittskultur?

Merkel hatte bereits für die ihr ergebenen Minister die „Rücktrittskultur“ abgeschafft. Denken Sie allein an Merkels Gesundheitsminister Jens Spahn und seine Coronapolitik. Merkel hatte aus meiner Sicht bewusst Personen in Ministerämter gehievt, die ihr persönlich ergeben waren. Im Gegenzug wurde diesen Leuten Schutz vor persönlichen Kampagnen und vor Diffamierung und Diskreditierung gewährt.

Nicht anders ist es bei der Ampelkoalition: Sie hält zusammen wie Pech und Schwefel. Und weil die Staatsmedien diese Regierung unterstützen und ihrer Aufgabe, die Regierung zu kontrollieren, nicht mehr nachkommen, sondern Kritiker der Regierung mundtot machen, muss kein Regierungspolitiker damit rechnen, wegen seiner Verfehlungen aus dem Amt entfernt zu werden.

Wann beginnt die Offensive der Werteunion? Es sind nur noch wenige Wochen bis zu den Wahlen in den neuen Bundesländern. Wann geht's los?

Wir werden in den nächsten Tagen in Sachsen und Thüringen auf die Straßen gehen und Straßenwahlkampf machen. Danach folgt Brandenburg und dann schauen wir mal, wie das Ergebnis aussehen wird.

Die Nachfrage nach einer neuen bürgerlich konservativen Partei ist groß. Schätzungsweise 15 bis 20 Prozent können sich vorstellen, eine solche Partei zu wählen. Unser Angebot an die Wähler ist gut. Die Frage ist nur, ob die Bürger uns und unser Angebot kennen. Wir haben ein Visibilitätsproblem, weil wir vielen Bürgern noch nicht bekannt sind und uns die Massenmedien derzeit totschweigen.

Wir werden durch unseren Straßenwahlkampf das Visibilitätsproblem ein Stück weit beheben können. Zudem ist unser Fokus auf die Bundestagswahl 2025 gerichtet. Wir versuchen unsere junge Partei über die Erfahrungen mit den drei Landtagswahlen in Stellung zu bringen für die Bundestagswahl, denn auf diese Wahl kommt es entscheidend an.

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Also die Werteunion in Thüringen als Juniorpartner von BSW und AfD?

Wir brauchen nicht über Koalitionen zu reden. Das machen wir erst nach der Wahl, wenn wir im Landtag vertreten sind. Und wir sagen auch, wir koalieren mit allen, die unsere Programmatik unterstützen und uns zu einer Politikwende in Thüringen und in Deutschland verhelfen werden. Und dann auch mit der AfD.

Ein AfD-Verbot: Ist das vollkommen auszuschließen, noch vor den Wahlen? Aktuell ist von einer Einstufung als „kämpferisch-aggressiv“ die Rede ...

Ein einzelnes Bundesland kann das gar nicht beantragen. Dies müsste von der Bundesregierung, vom Bundestag oder vom Bundesrat beim Bundesverfassungsgericht beantragt werden. Das, was die Verfassungsschutzbehörde in Thüringen macht, ist, sich in den Dienst der politischen Linken zu stellen und politische Feindbekämpfung zu betreiben. So etwas kann man einfach nicht akzeptieren.

Was bedeutet „kämpferisch-aggressiv“? Sagt Ihnen der Begriff etwas aus Ihrer Arbeit?

Ja, es wird ja unterschieden, ob eine Partei vom Verfassungsschutz beobachtet wird oder ob eine Partei auch die Voraussetzungen erfüllt, um letztendlich verboten zu werden. Die Schwelle für ein Verbot ist wesentlich höher als die für eine Beobachtung.

Bei einem Verbot geht es nicht nur darum, dass die Partei sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung wendet, sondern dass sie sie auch aggressiv kämpferisch bekämpft und sich für die Überwindung der freiheitlichen Demokratie und für eine totalitären Gesellschaftsform einsetzt. Ich sehe diese Gefahr derzeit eher bei Teilen der Grünen, die auch als Regierungspolitiker an einer verfassungsfeindlichen ökologischen Transformation und einer menschenrechtsfeindlichen Klimapolitik arbeiten.

Wirtschaftsminister Habeck appelliert jetzt an ein deutsches „Ur-Gen“. Zitat: „Ein Ur-Gen der Solidarität“. Der Antrieb von Habeck hier: Die Deutschen sollen noch schneller und unter größerem Aufwand Waffenfabriken bauen für den Ukrainekrieg. Gibt es dieses deutsche „Ur-Gen“ überhaupt, wird Habeck es aktivieren können?

Sollte Habeck diesen Unsinn gesagt haben, wäre das aus Lesart dieser Bundesregierung eine rechtsextremistische rassistische Äußerung, da er das Deutschsein über die Genetik definiert.

Wir haben in Deutschland, aber auch in manch anderen westlichen Staaten das Problem, dass die Menschen zur Autoritätsgläubigkeit erzogen worden sind. Dies gilt aus meiner Sicht sogar besonders für Akademiker, die während ihrer ganzen Ausbildung gelernt haben, Autoritäten, Lehrbüchern und Fußnoten zu vertrauen.

Wir müssen in Deutschland und im gesamten Westen lernen, dass das Vertrauen in Autoritäten auch missbraucht werden kann und dass es nicht nur in der Produktwerbung, sondern auch in der Politik kluge Köpfe gibt, die mit Hilfe von massenpsychologischen Tricks in der Lage sind, das Vertrauen von Menschen in einer Weise auszubeuten, dass sie gegen ihre eigenen Interessen handeln und es noch nicht einmal merken. Und das nehme ich bei der Migrations-, der Klima- und der Ukrainepolitik wahr.

Frau von der Leyen ist nun doch wiedergewählt worden. Kann das gut für Deutschland sein? Wie groß ist ihre Macht?

Frau von der Leyen hat Deutschland und Europa erheblichen Schaden zugefügt. Sie ist verantwortlich für eine Coronapolitik, die die Pharmaindustrie bereicherte und Millionen Menschen schädigte. Sie steht für eine Migrationspolitik, die zur rechtsgrundlosen Massenansiedlung von Millionen Ausländern führt, und sie steht mit ihrem „Green-Deal“ für eine ideologische Energie- und Klimapolitik, die für die deutsche Wirtschaft katastrophal ist.

Aber vor allem steht von der Leyen für die Einschränkung von Meinungsfreiheit, für Zensur, Einschränkung von Demokratie und Rechtsstaat, für die Ausgrenzung politisch Andersdenkender und für eine unverantwortliche Kriegspolitik. Frau von der Leyen könnte zum Sargnagel dieser EU werden.

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