Kein Kavaliersdelikt, sondern verfassungsfeindliches Handeln

Ex-Verfassungsschutzpräsident: Das Verhalten von Faeser ist verfassungsfeindlich

von Hans-Georg Maaßen (Kommentare: 7)

Presse- und Meinungsfreiheit sind die Grundlagen einer freiheitlichen Demokratie.© Quelle: privat

Maaßens Rat an die Neuen Medien: „Vor dem Hintergrund muss jeder, der sich kritisch politisch oder publizistisch äußert, sorgfältig abwägen, inwieweit er sich gefährdet sieht und ob er sich nicht außerhalb des Zuständigkeitsbereichs dieser Bundesregierung absichert.“

Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte am vergangenen Mittwoch die Compact-Unternehmungen von Jürgen Elsässer verboten. Was passiert da? Welche Rechtsgrundlage sehen Sie dafür?

Aus meiner Sicht ist das Vorgehen von Ministerin Faeser gegen die Zeitschrift Compact rechtswidrig. Es ist eine Umgehung des Zensurverbots. Faeser verbot nicht die Zeitschrift, denn ein Verbot der Zeitschrift wäre ein offenkundiger Verstoß gegen das Zensurverbot in Artikel 5 des Grundgesetzes. Stattdessen hat sie die den Zeitschriftenverlag tragenden Firmen, die als GmbH organisiert sind, nach dem Vereinsgesetz verboten.

Wenn man diese Firmen verbietet, hat dies praktisch zur Folge, dass auch die Zeitschrift, die Eigentum dieser Firma ist, verboten wird. Dass dies eine Umgehung des Zensurverbots ist, kann man sich dadurch anschaulich machen, dass ein solches Verbot nur deshalb möglich war, weil Herr Elsässer seinen Verlag als eine GmbH organisiert hatte. Hätte er seinen Verlag nicht als GmbH sondern als Einzelkaufmann betrieben, wäre Frau Faeser nicht an die Zeitschrift rangekommen, denn einen Einzelkaufmann als Verein anzusehen und ihn nach dem Vereinsgesetz zu verbieten, dürfte selbst bei den willfährigsten Juristen auf Widerwillen stoßen.

Erschreckend ist aber auch, dass Faeser überhaupt auf die Idee gekommen ist, ein Vereinsverbot gegen die Firmen von Elsässer anzuwenden. Dabei geht es nicht darum, dass eine GmbH kein Verein im Sinne unseres bürgerlichen Rechts ist. Das Vereinsgesetz ist in der Hinsicht großzügig und ermöglicht auch ein Verbot von Gesellschaften wie einer GmbH.

Das Entscheidende ist, dass das Grundgesetz nur unter ganz bestimmten Umständen ein Verbot vorsieht. Nach Artikel 9 darf ein Verbot nur ausgesprochen werden, wenn die Zwecke des Vereins den Strafgesetzen zuwiderlaufen, wenn er sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder gegen die Völkerverständigung richtet.

Faeser stützt ihre Verbotsverfügung darauf, dass die Verlagsfirma sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richtet. Dabei wird dieser Ausdruck in einer Weise ausgelegt, dass nach ihrem Verständnis bereits „menschenverachtende Hetze“, rassistische Äußerungen und auch die Delegitimierung der Bundesregierung darunter fallen. Aber diese Ausweitung des Schutzbereichs der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist nirgendwo geregelt oder definiert, sondern eine freie Erfindung dieser Bundesregierung.

Das Vereinsverbot soll davor schützen, dass in Organisationen zusammengeschlossene Menschen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung umstürzen und durch eine totalitäre Staatsform ersetzen wollen. Das Vereinsverbot dient nicht dem Schutz der Regierung vor Kritik – egal ob berechtigt, unberechtigt oder polemisch.

Der Ausdruck „menschenverachtende Hetze" ist nirgendwo gesetzlich geregelt, sondern ein Kunstausdruck linker Thinktanks, mit deren Hilfe unsere linken Politiker versuchen, das Grundgesetz und die Gesetze in ihrem Sinne umzuinterpretieren, dass Kritik an der aktuellen Massenansiedlung von Ausländern als „menschenverachtende Hetze" und damit als verfassungsfeindlich diffamiert und bekämpft werden kann.

Das Verhalten von Faeser ist nicht nur rechtswidrig. Es ist aus meiner Sicht sogar verfassungsfeindlich, denn Presse- und Meinungsfreiheit sind die Grundlagen einer freiheitlichen Demokratie. Wenn Medien Angst haben müssen, dass Kritik an der Bundesregierung und dass jede überspitzte oder polemische Äußerung zur Schließung des Verlages und zur Beschlagnahme aller Vermögenswerte und Bankkonten führen kann, dann wird damit eine tragende Säule der freiheitlichen Demokratie zerstört. Dies ist kein Kavaliersdelikt, sondern verfassungsfeindliches Handeln.

Wieder – analog zu den Rentnerputsch-Verhaftungen – waren bei den Hausdurchsuchungen gegen Compact und Elsässer ausgewählte Medienvertreter mit ihren Fotografen anwesend. Worum geht es hier? Um öffentliche Demütigung obendrauf?

Es ist in der Tat nicht das erste Mal, dass bei polizeilichen Exekutivmaßnahmen in Verantwortung der Bundesregierung Journalisten und Kamerateams offenkundig vorher unterrichtet waren und die Maßnahmen filmen konnten. Festnahmen und Wohnungsdurchsuchungen vor laufenden Kameras sind demütigend und entwürdigend. Die Betroffenen im Verbotsverfahren wie im Strafverfahren haben unabhängig davon, was ihnen vorgeworfen wird, einen Anspruch, dass ihre persönliche Würde geschützt wird.

Unter dem Bonner Grundgesetz sind Schaufestnahmen und Schauprozesse wie in totalitären Staaten, wo sie als politisches Demütigungs- und Erziehungsinstrument eingesetzt werden, verboten. Dass zum wiederholten Male in Deutschland Journalisten bei polizeilichen Exekutivmaßnahmen anwesend waren und filmten, ist der Bundesregierung, die für die Geheimhaltung dieser Maßnahmen und für den Schutz der von den Maßnahmen Betroffenen die Verantwortung trägt, zuzurechnen.

Was kann man den Neuen Medien dann an der Stelle empfehlen? Einfach so weitermachen wie die Lämmer zur Schlachtbank? Oder muss man jetzt wirklich schauen, dass man seine Arbeit in irgendeiner Form inhaltlich verändert?

Aus meiner Sicht kann nach dem von der Innenministerin ausgerufenen „Kampf gegen rechts“ und ihrer Interpretation der Befugnisse der Sicherheitsbehörden inzwischen jeder, der sich regierungskritisch äußert und eine gewisse Prominenz oder Wirkkraft hat, Gefahr laufen, Gegenstand einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz, eines Strafverfahrens wegen Volksverhetzung oder – im Falle von Gesellschaften und Vereinen – eines Verbotsverfahrens werden. Damit kann er Gegenstand von polizeilichen Exekutivmaßnahmen, von Beschlagnahmung und Hausdurchsuchungen und einer öffentlichen Demütigung und Diffamierung werden.

Vor dem Hintergrund muss jeder, der sich kritisch politisch oder publizistisch äußert, sorgfältig abwägen, inwieweit er sich gefährdet sieht und ob er sich nicht außerhalb des Zuständigkeitsbereichs dieser Bundesregierung absichert.

Nach den RKI-Files wurden jetzt die Protokolle des Krisenstabs des Corona-Regimes freigeklagt. Was nach Lektüre der 600 Seiten auffällt, ist vor allem die Hilflosigkeit und ein erschreckender Dilettantismus. Monatelang bringt man mit Kompetenzrangeleien zu. Warum war der Staatsapparat nicht ausreichend vorbereitet auf ein Pandemiegeschehen? Haben Sie mehr erwartet?

Aus meiner Sicht war der Staat durchaus vorbereitet. Es gibt für solche Ereignisse Krisenpläne und Handlungsanweisungen. Seuchen-Ereignisse werden von den betroffenen Behörden „geübt“, das heißt, man simuliert eine Pandemie und prüft, ob die beteiligten Behörden fähig sind, entsprechend der Krisenpläne richtig zu handeln.

Die Bundesregierung hatte sogar eine Risikoanalyse durch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz erarbeiten lassen, in der es um die Ausbreitung eines neuartigen Coronavirus von einem Markt in Südchina nach Deutschland ging (https://dserver.bundestag.de/btd/17/120/1712051.pdf). Es mangelte nicht an der Vorbereitung, sondern an dem Willen, vielleicht auch an der Fähigkeit, die bestehenden Standards zur Abwehr einer solchen Krise anzuwenden. Möglicherweise lag auch auf der politischen Ebene Vorsatz vor.

Ich habe den Vorsatz beim Lesen der KriSta-Files kaum lesen können. Es klang wirklich überwiegend sehr nach Inkompetenz. Wie müsste denn Ihrer Meinung nach eine Regierung aussehen, die das zukünftig besser macht?

Zunächst: Wenn das Robert Koch-Institut entsprechend den politischen Vorgaben und nicht nach wissenschaftlichen Standards und auf Grund eigener Überzeugung handelt, geht es um Vorsatz und Absicht. Denn jede Verletzung von Menschenrechten wie Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit muss gerechtfertigt sein, andernfalls begehen die handelnden Politiker und ihre Handlungsgehilfen Menschenrechtsverletzungen. Darüber, warum sie damals entgegen Vernunft und fachlicher Erkenntnislage handelten, kann man spekulieren. Aber wir sollten es nicht beim Spekulieren belassen, sondern durch staatsanwaltliche Vernehmungen der Verantwortlichen Klarheit erhalten.

Zu Ihrer Frage: Man muss zumindest aus dem lernen, was früher schon einmal falsch gemacht wurde. Und das, was sich bewährt hatte, sollte man zumindest kennen und beim eigenen Handeln berücksichtigen. Und das bedeutet zum Beispiel: Als erstmalig bekannt wurde, dass ein unbekanntes Virus sich von China ausbreiten konnte, hätte man den Flugverkehr aus China unterbrechen, Reiseverbote aus China aussprechen und Quarantänemaßnahmen für Reisende aus China nach Deutschland aussprechen müssen. Wenn man nicht weiß, wie gefährlich ein neuartiges Virus für die Bevölkerung ist, muss man sich bis auf weiteres auf das schlimmste Szenario einstellen. Dies ist auch in den handelnden Behörden bekannt.

Ich kann mir vorstellen, dass das Führungspersonal der damaligen Bundesregierung – wie auch der heutigen – dieser Krise auch nicht gewachsen war, weil ich den Eindruck habe, dass bereits unter Merkel Führungspositionen oftmals nicht mit den besten, sondern mit den loyalsten oder linientreuesten Mitarbeitern besetzt wurden. Dadurch wurde ein fachlicher Qualitätsverlust bewusst in Kauf genommen.

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Sie stehen als Parteichef der Werteunion mitten im Wahlkampf. Und Sie haben demnächst weitere Wahlkampfveranstaltungen. Was kam Ihnen in den Sinn, als sie vom Attentat auf Trump hörten?

Die Saat ist aufgegangen. Die amerikanischen Medien, die systematisch diese Hetze und die Dämonisierung von Trump betrieben haben, bereiteten letztendlich den Boden vor für einen derartigen Anschlag. Trump wurde wider besseres Wissen aber mit einer politischen Motivation in unglaublicher Weise dämonisiert, als das Böse dargestellt, dessen Wahl auf jeden Fall verhindert werden müsse, bei dem der demokratische Präsidentschaftskandidat Biden, führende Politiker der demokratischen Partei und maßgebende Medien erklärten, Trump müsse unbedingt verhindert werden, weil er eine große Gefahr sei. Die Politiker und Agitationsjournalisten tragen als Aufhetzer Mitschuld an der Eskalation und daran, dass ein Attentäter diese Aussagen wörtlich nahm und einen Anschlag auf Trump beging.

Und mir ist durch den Kopf gegangen, dass die Situation in Deutschland nicht völlig anders ist. Ich dachte an den Anschlag auf den Politiker Stürzenberger in Mannheim vor einigen Wochen. Dieser Anschlag wurde gar nicht mehr als politischer Anschlag wahrgenommen und kaum diskutiert. Es wird allenfalls über den bei dem Anschlag getöteten Polizeibeamten gesprochen, nicht aber darüber, dass dieser Anschlag einem islamkritischen Politiker gegolten hat.

Aus meiner Sicht wird durch Faesers „Kampf gegen Rechts“ und damit gegen die nichtlinke Opposition, durch die Diffamierung von Regierungskritikern, durch Agitation und Hetzkampagnen gegen Gegner der Regierungspolitik der Boden bereitet, auf dem Gewalt gegen Regierungsgegner wachsen und gedeihen kann und wodurch solche Anschläge möglich werden. Aber über die politische Motivation des Anschlages, dass natürlich der „Kampf gegen Rechts“, die Agitation und die Hetzkampagnen gegen Regierungsgegner dafür mitverantwortlich sind, darüber wird nicht gesprochen.

Ich halte derartige Anschläge gegen nichtlinke Politiker und Aktivisten in Deutschland jederzeit für möglich. Und mit Blick auf die politische Linke möchte ich noch hinzufügen: Ich hatte als Verfassungsschutzpräsident vor Jahren gesagt, der linksextremistischen Szene sind derzeit keine Tötungsdelikte zuzutrauen, weil die linksextremistische Szene der Auffassung ist, dass Tötungsdelikte in unserer Gesellschaft nicht vermittelbar sind.

Ich glaube, die Situation hat sich deutlich verändert, auch vor dem Hintergrund, dass Mainstream-Journalisten die Tötung von politischen Gegnern, die so dämonisiert sind wie Trump, nicht nur billigen, sondern bejubeln. Heute muss auch mit politisch motivierten Tötungsdelikten gegen Kritiker der Regierungspolitik durch aufgehetzte Fanatiker gerechnet werden.

Sie spielen auf den Witzeschreiber von ZDF-„Comedian“ Jan Böhmermann an. Der RBB-Hörfunksender Fritz hat inzwischen die Zusammenarbeit mit Sebastian Hotz, genannt „El Hotzo“, beendet ...

Das macht die Sache nicht besser. Dass diese Person in einem öffentlich-rechtlichen Medium beschäftigt worden ist, zeigt letztendlich, welches Personal mit welchem Mindset und mit welcher Vorstellung von Meinungspluralismus und Rechtsstaat in den öffentlich-rechtlichen Medien arbeitet und das Sagen hat und damit unseren öffentlichen Diskurs dominiert.

Das sind Leute, die Übergriffe und Anschläge auf Oppositionelle reinen fanatischen Herzens bejubeln oder sie, weil dies beim Publikum nicht gut ankäme, kleinreden und unter den Teppich kehren. Tenor: Das Opfer ist es doch mitschuldig, wenn es so polarisiert. Herr Hotz wurde aus meiner Sicht nur deshalb aus dem RBB entfernt, weil man entschieden hatte, für den Moment die Angriffsfläche zu verkleinern und die Kritiker der Staatsmedien ruhig zu stellen. An der grundsätzlichen Haltung des Senders wird dies nichts ändern.

Die NATO baut ihr Hauptquartier für den Ukraine-Einsatz in Deutschland auf. Fühlen sie sich jetzt sicherer?

Ganz im Gegenteil, Deutschland wird als Flugzeugträger der Amerikaner weiter ausgebaut. Auf diesem Flugzeugträger leben rund 80 Millionen „Eingeborene“, die gar nicht wissen, was auf ihrem Territorium stattfindet. Ich halte es für eine große Gefahr. Als verantwortlicher Regierungschef hätte ich es abgelehnt, dass ein solches Hauptquartier hier in Deutschland errichtet wird.

Nato-Doppelbeschluss, Hunderttausende gegen Bonn, friedensbewegte Linke gegen die Stationierung von noch mehr US-Atomwaffen auf deutschem Boden. Wie viel Proteste von links erwarten sie 45 Jahre später?

Ich erwarte keinen Protest der Grünen, von der SPD oder anderen linken Parteien. Erst recht nicht von der CDU. Ganz im Gegenteil, diese Parteien sind heute die großen Kriegstreiber. Rückblickend muss man sagen, dass beim Nato-Doppelbeschluss die grünen und linken pazifistischen Forderungen nur Maskerade waren, um mit Hilfe aufgehetzter Menschenmassen an die Macht zu kommen. Um Frieden und Pazifismus ging es den Kader-Grünen und -Linken nie, sondern darum, ein Thema, mit dem man mobilisieren kann, auszunutzen, um einen Regierungswechsel zu erreichen. Es sind skrupellose Machtpolitiker im Sinne ihrer verrückten Ideologie, und das Leben der einfachen Menschen ist ihnen völlig gleichgültig.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder forderte jetzt „ukrainische Legionen“ aus wehrfähigen Ukrainern in Deutschland. Wenn Selenskyj anklopft, will er liefern. Machen sich solche Leute keine Gedanken darüber, wie solche Transporte dann real aussehen?

Den Eindruck muss man haben, dass sich diese Leute entweder keine Gedanken darüber machen, oder ihnen ist es einfach egal, was ihr Handeln für Folgen hat. Bislang galt das Recht auf Kriegsdienstverweigerung als ein wichtiges Recht und als ein Element unserer Grundrechtsordnung. Wir haben vielen Asylsuchenden Schutz gewährt, denen in den Heimatstaaten die Einziehung zum Kriegsdienst drohte. Ich habe den Eindruck, dass das, was bisher unser Verständnis von Humanität, von Menschenrechten und von unserer Rechtskultur prägte, von den Parteien, die den Krieg unterstützen, ad acta gelegt wurde.

Haben Sie Markus Söder in ihrer Tätigkeit als Präsident des Bundesverfassungsschutzes auch persönlich kennengelernt?

Meines Wissens bin ich ihm nie begegnet.

Danke für das Gespräch!

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