Desinformation und Delegitimierung

Die Regierung darf keine Zensur betreiben – Zensur ist in Deutschland verfassungsfeindlich

von Hans-Georg Maaßen (Kommentare: 4)

Merz und Wagenknecht stehen für die Brandmauer© Quelle: privat

Hans-Georg Maaßen über Trusted Flaggers, den 35. Jahrestag des Mauerfalls, über Wagenknecht und Weidel und grüne Politiker, an die sich außer einem harten Kern von Anhängern morgen schon keiner mehr erinnert.

Künstliche Intelligenz in der Anwendung etwa mit ChatGPT kann zukünftig auch politische Reden schreiben, journalistische Artikel formulieren und Bücher schreiben. Die Entwicklung ist rasant. Muss man sie auch fürchten?

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass Künstliche Intelligenz nicht nur jetzt, sondern auch in Zukunft in hohem Maße den politischen Diskurs beeinflussen kann. Das kann zu einer Gefahr werden, wenn die Falschen die Algorithmen in den Händen haben.

„Trusted Flaggers“ ist ein Begriff, den die allermeisten Leute bis vor wenigen Tagen noch nicht gehört haben, er steht für private „vertrauenswürdige Hinweisgeber“, eingesetzt von der Bundesregierung, um die Inhalte der sozialen Medien zu überwachen und zu zensieren. Bisher wählte Facebook solche Zensoren selbst aus. Was steht hier zu befürchten?

Es ist eine sehr gefährliche Entwicklung. Der Staat überträgt privat organisierten Stellen Aufgaben, die der Staat nicht wahrnehmen darf. Dabei sind es Stellen, die den Regierungsparteien politisch nahestehen. Die Regierungsparteien reden dann von der „Zivilgesellschaft“ oder von „Nichtregierungsorganisationen“, aber es sind Stellen, die regelmäßig politische Vorfeldorganisationen der Regierungsparteien sind und über staatliche Haushalte zumindest mitfinanziert werden.

Die Regierung darf nach unserer Verfassung keine Zensur betreiben. Was sie hier macht, ist, dass sie das, was verboten ist, nämlich Zensur zu betreiben, auf private Organisationen verlagert und dann noch mit euphemistischen Ausdrücken wie Demokratieförderung oder Desinformationsbekämpfung bemäntelt. Seit jeher hatten Zensoren nichts anderes getan, als das zu bekämpfen und zu verbieten, was die Herrschenden als „Desinformation“, als „Delegitimierung“ der Herrschenden oder als „Hass und Hetze“ ansahen.

Das, was hier geschieht, ist ein Unterlaufen unserer Verfassung und ein Frontalangriff auf unsere freiheitliche demokratische Grundordnung. Zensur ist in Deutschland nicht nur durch unsere Verfassung verboten, sie ist sogar verfassungsfeindlich, denn die freie Meinungsäußerung ist eine tragende Säule unserer freiheitlichen Demokratie. Hier wird sie mutwillig zerstört durch dieses Konstrukt der „Trusted Flaggers“.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert ist zurückgetreten. Ist das ein Verlust? Wenn ja, für wen und wenn nein, warum nicht?

Kevin Kühnert ist ein Politikertyp, der durch hunderte andere rot-grüne Aktivisten ersetzt werden kann. Er hinterlässt keine individuellen Spuren und kann morgen schon wieder vergessen sein.

Der Mauerfall jährt sich im November zum 35sten Mal. Wo waren Sie damals? Was hatten Sie empfunden? Was sind Ihre Gedanken heute?

Meine Gedanken zum Mauerfall sind, dass die Menschen 1989 für ihre bürgerlichen Freiheiten, gegen Zensur, die Bevormundung durch ideologisierte und verblödete Parteifunktionäre und gegen die SED und ihre Blockparteien auf die Straße gegangen sind. Was wir derzeit erleben, ist für viele im Osten Deutschlands, die 1989 bewusst erlebt hatten und die damals auch auf die Straße gegangen waren, ein Déjà-vu: Parteien, die sich zu einem Block der „Demokraten“ formieren, Politiker, die Menschen in Freunde und Feinde kategorisieren und die letztlich bestimmen wollen, wie wir zu leben haben. Dazu kommen die Beobachtung, Ausforschung und Ausgrenzung von Menschen, die nicht regierungstreu sind.

Im Osten wird deswegen davon gesprochen, dass das, was wir derzeit erleben, nicht nur eine Aushöhlung der freiheitlichen Demokratie ist, sondern dass es darauf hinausläuft, dass wir eine Art DDR mit „Soft Power“ haben. Dissidenten und Oppositionelle werden nicht weggesperrt oder erschossen, nein, es geschieht geschickter, denn die „Soft Power“ des neuen Sozialismus ist subtiler aber ähnlich wirkungsvoll: Die Opfer verlieren ihren Job, ihr Konto, ihre Kreditkarte oder ihr Mitvertrag wird einfach gekündigt, sie werden öffentlich als „Nazis“ diffamiert und an den Pranger gestellt und damit aus der Gesellschaft ausgegrenzt, und ihnen werden damit soziale Kontakte genommen.

Die Situation, die wir derzeit erleben, führt jedenfalls in diese Richtung. Wir erleben jetzt, dass es eine neue Mauer gibt, die Brandmauer gegen die Regierungskritiker. Es ist der „Antifaschistische Schutzwall gegen die Meinungsfreiheit“, der maßgeblich von der CDU und CSU bewacht wird und zwar gegen all diejenigen, die sich noch für die klassischen bürgerlichen Positionen von CDU/ CSU und FDP einsetzen und die den politischen Mainstream infrage stellen. 35 Jahre nach dem Fall der Mauer müssen wir diese Brandmauer zum Einsturz bringen. Auch heute brauchen wir wieder mutige Bürger, die diese Mauer nicht akzeptieren wollen.

„Welt-Duell“ zwischen Wagenknecht und Weidel. Wem ist da eigentlich mehr geholfen, wenn die Medien bewusst die Gegensätze hervorheben und nicht auf koalitionsfähige Gemeinsamkeiten schauen? Das hätte ja auch der erste Gedanke sein können ...

Es war gut, dass es ein derartiges Diskussionsformat zwischen Frau Weidel und Frau Wagenknecht gegeben hat. Allerdings war es offensichtlich, dass durch dieses Gespräch unter keinen Umständen Brücken gebaut und Gräben zugeschüttet werden sollten. Das Gespräch war deshalb auch so angelegt, dass die Brandmauer gegen die AfD unter keinen Umständen gefährdet war. Es darf aus der Perspektive auch nicht zu einer Zusammenarbeit zwischen Wagenknecht und Weidel kommen, denn dies würde zum Einsturz dieser Brandmauer und zu einer Gefährdung der herrschenden Mehrheit führen.

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Vorgestellt, das BSW ersetze die Grünen einfach. Verschwinden die Grünen nach fünfzig Jahren von der politischen Bühne? Was bleibt von ihnen?

Die Grünen werden nicht von der politischen Bildfläche verschwinden, denn sie haben einen harten Kern fanatischer Anhänger und sie werden ihre Heimat nicht in der Wagenknecht-Partei sehen, weil sie sich dort mit ihrem Fanatismus nicht vergleichbar austoben können. Die Zielgruppen der Wagenknecht-Partei sind nicht die Wähler der Grünen, sondern die Protestwähler. Es ist offenkundig, dass es das Ziel dieser Partei ist, Protestwähler anzusprechen und sie davon abzuhalten die AfD oder die Werteunion zu wählen.

Die grüne Parteiführung ist zurückgetreten. Was bleibt von Ricarda Lang und Omid Nouripour?

In einigen Monaten wird sich niemand mehr an diese Namen erinnern. Das ist das Bemerkenswerte im linken politischen Spektrum: Diese Personen sind austauschbar. Sie werden von den Medien während ihrer Zeit als Talkshow-Gäste hofiert, aber sobald sie abgetreten sind, landen sie wieder in der Versenkung und neue, austauschbare Figuren nehmen ihre Positionen ein. Wir werden dann Leute als Nachfolger erleben, die diese Funktionen ihrerseits für drei oder vier Jahre ausüben, die dann auf kurz oder lang ebenfalls wieder in der Versenkung verschwinden werden. Der Grund ist einfach: Es mangelt diesen Leuten an Substanz und an Persönlichkeit.

Wer ist sich näher: Weidel und Wagenknecht oder Merz und Wagenknecht?

Ich glaube, Merz und Wagenknecht sind sich durchaus näher als Weidel und Wagenknecht. Denn Merz und Wagenknecht stehen für die Brandmauer. Wagenknecht will ein linkes Deutschland, sie will auch eine Transformation unserer Gesellschaft und sie will durch ihre Partei eine linke Dominanz in Deutschland über weitere Jahre sichern. Und zu diesen linken Parteien, mit denen sie zusammenarbeiten will, gehört auch die von Merkel nach links gedrehte Merz-Union. Merz wird aus meiner Sicht die Brandmauer nicht für eine konservative Politikwende einreißen.

Wo sehen Sie die FDP im kommenden Jahr? Wird es Lindner noch einmal gelingen, wie 2017, seiner Partei ein wählbares Profil zu basteln?

Die FDP ist heute keine liberale Partei, sondern eine linke Partei, die den woken Umbau der Gesellschaft und die Zerstörung der Wirtschaft maßgebend mitgestaltet. Die meisten früheren FDP-Wähler haben das begriffen. Unverbesserliche Anhänger und politiknaive Wähler gibt es bei allen Parteien und auch bei der FDP. Man darf auf die Pirouette gespannt sein, die es in den kommenden Monaten schaffen soll, zu diesem Bodensatz an Unverbesserlichen noch ein paar Prozent mehr an Wählern an die FDP zu binden.

In einem FAZ-Gastbeitrag prangert Grünen-Politiker Cem Özdemir sexualisierte Gewalt an, die seine Tochter von migrantischen Männern erfahre. Das fällt ihm bald zehn Jahre nach den vielfachen Übergriffen auf der Kölner Domplatte in der Silvesternacht 2015/16 ein. Wo war Özdemir in den vergangenen Jahren grüner exzessiver Zuwanderungspolitik?

Cem Özdemir gehört damit zu jenen Politikern, die, wenn sie selbst betroffen sind, aufschreien, aber wenn andere betroffen sind, das Leid dieser Leute ignorieren. Mehr noch: Dieser Typ Politiker diffamiert und diskreditiert diese Opfer als Rechte oder als Rassisten. Wenn sie dagegen selbst betroffen sind, sollen allerdings ganz andere Spielregeln gelten. Ein Phänomen, das allerdings zur Struktur der grünen Politik und der grünen Politiker gehört.

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