Sachsens Ministerpräsident staunt über die offenen Worte des Schriftstellers: „Hier ist was los ey, oder?“

Wie ein Gespräch zwischen Uwe Tellkamp und Michael Kretschmer die spalterischen Medien entlarvte

von Alexander Wallasch (Kommentare: 6)

„Wenn wir nicht mehr miteinander reden, wie soll das dann gehen?“© Quelle: MDR Mediathek

Große mediale Empörung, weil Tellkamp und Kretschmer einfach so miteinander sprechen. Aber den beiden Sachsen gelingt das Außergewöhnliche: Der unbedingte Konfrontationswille der westlich dominierten etablierten Medien wird als hässliche Fratze sichtbar.

Der MDR kommentiert eine Veranstaltung mit dem Bestsellerautor Uwe Tellkamp und Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer. Tellkamp wird vorab als „renommiert und umstritten“ vorgestellt. Eine interessante Kombination schon deshalb, weil es im Vorfeld jedweder Kritik klarstellt, um wen es bei Tellkamp geht, nämlich um einen ehrenwerten Mann.

Laut Duden meint „renommiert“: „einen guten Ruf habend, hohes Ansehen genießend; angesehen, geschätzt“.

Die Kurzberichterstattung des MDR gibt sich ganz unaufgeregt. Was auch daran liegen mag, dass der Sender aus der Berliner Vertretung des Freistaates Sachsen berichten darf, also gegenüber anderen Medien prädestiniert ist.

Uwe Tellkamp liest aus seinem bei Suhrkamp erschienenen Buch „Der Schlaf in den Uhren“ vor, der MDR stellt in der Nachberichterstattung eine Passage heraus:

„Schauspieler gaben Interviews, in denen sie ihre Sympathie für die Grünen erklärten. Politiker der Grünen begannen, die Talkshows zu dominieren.“

Tellkamps Roman war nach Erscheinen von einer ganzen Reihe etablierter Zeitungen nicht etwa literaturkritisch, wie es der Autor hätte erwarten dürfen, sondern gesinnungskritisch rezensiert, merkt der Journalist Michael Hametner für den „Freitag“ mit hochgezogener Augenbraue an.

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Gesellschaftskritische Literatur hat bisweilen die Eigenart, Spiegel vorzuhalten. Tellkamps „Der Schlaf in den Uhren“ gelingt das sogar mit Bravour: Die Rezension im Hamburger Magazin „Der Spiegel" nämlich empfiehlt mit Blick auf Uwe Tellkamp eine „Ethik des Nichtlesens“.

Eine Empfehlung, die in ihrer ganzen Tragweite nicht weit davon entfernt ist, wieder Bücherscheiterhaufen – passend vielleicht vor dem Buchhaus Loschwitz – zu errichten. Der Spiegel ist mit Benzin und Feuerzeug gegen den sächsischen Autor unterwegs. Uwe Tellkamp retourniert die Feuerteufel freilich auf seine eigene Art: „Der Schlaf in den Uhren“ katapultierte zum höchsten Neueinsteiger der Woche auf Platz drei der Spiegel-Bestsellerliste.

Jetzt also Lesung vor einhundert geladenen Gästen mit Uwe Tellkamp und Sachsens politischer Nummer eins. Dieser Michael Kretschmer eckt im politischen Wohlfühlkosmos immer mal wieder mit kratzbürstigen Ausreißern an.

So wurde er zuletzt als „Putinfreund“ identifiziert. Im Frühsommer 2019 allerdings war das noch kein Beinbruch. Damals hatte Putin den Ministerpräsident Sachsens zum warmen Handschlag in St. Petersburg begrüßt.

Unter anderem die Lausitzer Rundschau war davon verzückt und kommentierte damals, hier erscheine ein sächsischer Provinzfürst auf Augenhöhe mit dem Herrscher einer Weltmacht.

„Das soll zu Hause Eindruck machen. Für Michael Kretschmer ist das Bild zwei Monate vor der Landtagswahl Gold wert. Für Putin noch mehr.“ Laut Rundschau gab es demnach vor dem 24. Februar 2022 eine Zeit, wo ein Foto mit Putin in Sachsen beste Wahlkampfhilfe war.

Michael Kretschmer scheute sich auch nicht, mit den verfemten mRNA- und Corona-Maßnahmenkritikern Professoren Sucharit Bhakdi und Stefan Homburg ins Gespräch zu gehen. Im Ergebnis wurde der Ministerpräsident dann allerdings trotzdem zum glühenden Verfechter von 2G-Regel und mRNA-Injektion. Ein Vorwurf könnte hier dahingehend lauten, dass der Görlitzer Kretschmer die Mentalität seiner Sachsen einfach zu gut kennt und entsprechend vielseitig agiert und Nebelkerzen setzt. Ist das Gespräch mit Tellkamp auch so eine Nebelkerze?

Der Schriftsteller gilt vielen Menschen als Hoffnungsträger, der für Dialog und Gesprächsbereitschaft steht.

Die Autorin Katrin Schrader, deren Eltern in Tellkamps Dresden leben, schrieb Mitte des Jahres über eine Fahrt in die sächsische Hauptstadt einen Artikel in der Berliner Zeitung unter dem Titel „Uwe Tellkamp und seine Stadt: Eine Zugreise nach Dresden.“ Besagte Autorin Schrader hatte eine öffentlich-rechtliche Doku über Uwe Tellkamp gesehen und formulierte während ihrer Zugfahrt:

„Tellkamp hat mich nicht schockiert. Ich wusste, dass er ein Rechter ist. Jeder weiß es. Wirklich schockiert hat mich, dass ich diesen sperrigen Dickkopf in der Doku mochte. Es gelang mir nicht, ihn zu verabscheuen.“

Gleich vorweggeschickt: „Pumuckl“ – so nannten einige Sachsen ihren Ministerpräsidenten abschätzend, später wohlwollender – geht es offensichtlich ähnlich. Im Gespräch mit Uwe Tellkamp blitzt unter dem rötlich-blonden Haar immer wieder die Sympathie für den Schriftsteller durch, der allerdings über weite Strecken eher gequält zu seinem Landesvater hinüberschaut, sein dichtes schwarzes Haar hier der bildgebende Kontrast.

Michael Kretschmer ist bemüht, nicht zu sehr in die Konfrontation zu gehen. Irgendwann schaut er milde wie verzweifelt lächelnd ins Publikum mit den Worten:

„Hier ist was los ey, oder? … Ich würde auch nicht sagen, wir sind am Ende, im Endstadium einer Demokratie, sondern dieses System muss immer wieder neu, auch gefordert und reformiert werden und weiterentwickelt werden.“

Die Dialoge der beiden gehen so weiter:

Uwe Tellkamp: „Dass man zu Hause anders spricht als auf Arbeit … Da kann man sich auch drüber unterhalten, ob das nicht überall so ist. Aber in dieser Weise glaube ich nicht. Es kommen Dinge wieder, wie, dass man Leute einteilt, der ist auf dieser Seite, da musst Du vorsichtig sein …“

MP Michael Kretschmer: „Dass man in Sorge ist, wenn man gewisse Themen anspricht, dass man dann in eine Ecke gerückt wird, dass man dann sich verteidigen muss und schräg angeschaut wird. Das gibt es natürlich.“

Oder zum Thema Klimawandel:

Uwe Tellkamp: „Weil ich eine andere Auffassung habe und mir nicht so felsenfest sicher bin, dass sich die Dinge so verhalten, wie sie dargestellt werden. Ich hätte gern mehr kritische Stimmen in der Wissenschaft. Diesen Prozess, das habe ich gelernt, als ich das mal studiert habe.“

MP Michael Kretschmer: „Und ich würde mal sagen, dass CO2 den Klimawandel mit auslöst, dass die Industrialisierung da schuld ist und dass wir insgesamt die CO2-Reduktion runterbringen müssen, das ist klar.“

So weit, so irgendwas, aber auf jeden Fall eine Annäherung, ein Vortasten, bestenfalls zurück zu einer verschüttgegangenen Gesprächskultur. Was könnte man auch verlieren?

Nein, an diesem Zusammentreffen ist nichts merkwürdig. Und wenn daraus eine neue Normalität erwachsen würde, dann müssten Kritiker schon genau begründen, warum sie ihr keine Chance geben wollen.

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Allerdings hätte man in diesem Moment die Rechnung nicht mit den Gazetten vorwiegend westdeutschen Ursprungs gemacht. Wer sich die Schlagzeilen der Zeitungen von Spiegel bis Süddeutsche Zeitung (SZ) zum Aufeinandertreffen der beiden anschaut, der ahnt, wie schwer es noch sein wird, die Menschen zusammenzuführen, unterschiedliche Haltungen wieder in einer gemeinsamen Debatte auf Augenhöhe zu ertragen.

Die SZ nennt solche Bemühungen, Gräben zu überbrücken, abfällig die „Man-muss-doch-miteinander-reden-Methode“. Die Sächsische Zeitung, quasi der Hofberichterstatter der Landesregierung, lässt die Chance ebenfalls liegen und gestaltet ihren Bericht wie einen Boxkampf mit Sieger und Verlierer. Unnötig zu erwähnen, wer vorne liegt. Die überhebliche Art und Weise, geringschätzig mit dem erfolgreichsten Autor des Landes umzugehen, hier in zwei Sätzen:

„Michael Kretschmer erklärt Uwe Tellkamp die Demokratie. Es sollte ein Abend für Uwe Tellkamp werden, doch es wurde ein Abend für Michael Kretschmer.“

Noch viel unversöhnlicher allerdings geriert sich die taz. Die Rezension der grünrotlackierten Hauspostille ist es wert, genauer hinzuschauen, das Blatt titelt „Kein Lehrstück in Sachen Demokratie“. Aber wie hätte ein solches Lehrstück aussehen sollen und warum sollte es überhaupt eines werden?

Die taz holt sich nicht irgendwen, dieses eigentlich hoffnungsvolle Zusammentreffen niederzukartätschen. Die mutmaßlich größte Giftspritze von allen darf antreten, Tellkamp den Blumenstrauß vor die Füße zu werfen und den MP anranzen, warum er selbigen überhaupt anreichen wollte: Der Journalisten-Aktivist Matthias Meisner solls richten. Meisner schreibt unter anderem Kolumnen für die linksradikalen so genannten „Seenotretter" von Mission Lifeline.

Der auf Twitter so schrille wie hyperaktive Meisner wird später so begeistert über seinen Tellkamp-Verr(sch)iss sein, dass er den taz-Artikel voll Stolz gleich an seinem Twitter-Account „anheftet“. Er ist so ein Typ, der beim Schreiben ordentlich Gallensaft ejakuliert. Das immerhin schützt vor Steinen, die andere bekommen, die immer nur lernen mussten, alles nur runterzuschlucken.

Meisner beginnt mit einer Kontaktschuld, als ginge es darum, eine Stasi-Akte über Tellkamp anzulegen. Womöglich ist er im Anschluss an die Veranstaltung noch um Tellkamps Stuhl herumgeschlichen, um noch ein herausgefallenes Haar des Schriftstellers für das Weckglas aufzusammeln.

Aber spaßig ist das alles doch nicht. Buchhändlerin Dagen hat einen Ehrenplatz in der ersten Reihe bekommen, Meisner musste sich irgendwo reinquetschen. Also giftet er, Buchhändlerin Dagen hätte eine weitere Folge eines Videoformats vorgestellt zu Gesprächen über Literatur in einer Reihe, in der auch schon Martin Sellner von der Identitären Bewegung zu Gast war.

Böse Kontaktschuld. Und Dagen dürfe „gleich neben den Eltern von Tellkamp“ sitzen, eifersüchtig beobachtet Meisner von seinem Katzenbuckelstühlchen aus.

Meisner wirft Tellkamp vor, er sage „viele Dinge, die er schon seit vielen Monaten so oder so ähnlich sagt“. Er selbst allerdings singt seit Jahrzehnten den immer selben linksradikal veranzten Gassenhauer.

Tellkamp hätte irgendwann „Führertum“ gesagt, fällt Meisner noch auf, und man hört dabei dieses gackernde Glucksen des öffentlich-rechtlichen Komikers Kurt Krömer, der Menschen in Sendungen beleidigt und zeitgleich um Verständnis und Mitleid für seine Depressionen bittet.

Meisner schreibt weiter in der taz, er hätte sich bei Youtube ein Interview von Uwe Tellkamp angeschaut, dort hätte er es gewagt, „lobend verschiedene Parallelmedien wie den Blog von Vera Lengsfeld oder die Achse des Guten“ hervorzuheben.

Ja, das hat Tellkamp tatsächlich, aber der Schriftsteller hat auch die „Parallelmedien“ von Gunnar Kaiser und Alexander Wallasch lobend hervorgehoben. Und über letzteren, den ich besonders gut kenne, kann ich sagen, dass Wallasch wiederum des Öfteren ganzseitige Feuilleton-Artikel für die taz geschrieben hat. Beißt sich da vielleicht was?

Für Meisner ganz sicher nicht. Meisner ist was Meisner immer war. Und das findet er gut, entsprechend panisch wird er aber, wenn Begegnungen wie die zwischen Tellkamp und Kretschmer sein Weltbild erschüttern und seinen verschorften Wertekompass ins Rotieren bringen.

Meisner schreibt sich in Rage wie ein Eifersüchtiger, der weiß, dass er nicht mehr zu denen gehören kann, denen es um Versöhnung geht, um Brückenbau. Er spürt an diesem Abend instinktiv, dass die Zukunft nicht den Hetzern gehört. Das erzeugt bei ihm Panik, also rudert er noch mehr im Jauchekübel und sinkt doch nur immer tiefer.

Mathias Meisner ist empört, Tellkamp hätte behauptet, „das Vorgehen gegen Rechtsextreme sei in Wirklichkeit oft eine Überreaktion des Staates, der dem Volk ,einen Bären aufnötigen' wolle“.

Darüber ließe sich ja streiten, aber Meisner sammelt Tellkamp-Ungeheuerlichkeiten, und die sind eben Teil einer „Ethik des nicht darüber Nachdenken dürfens“ frei nach Johannes Franzen.

Meisner hätte gern mal laut dazwischengebrüllt und sich dann aktivistisch an eines von Tellkamps Bücher geklebt. Allein, er traut sich nicht und fühlt sich schon bald wie der blinde Passagier auf einem Kraft-durch-Freude-Dampfer:

„Das handverlesene Publikum – gut 100 Leute sind im Saal – nimmt fast alles, was Tellkamp sagt, nahezu widerspruchslos hin. Immer wieder gibt es Zwischenapplaus und nur selten Gegrummel bei Einzelnen.“

Was andere als einen neuen Anstand und die Bereitschaft, wieder aufeinander zuzugehen erkennen, ist für Meisner eine Zumutung:

„Der Regierungschef und CDU-Landesvorsitzende Kretschmer relativiert zwar die eine oder andere Aussage von Tellkamp vorsichtig, ernsthaft fährt er ihm aber nicht in die Parade.“

Meisner zitiert Kretschmer: „Wenn wir nicht mehr miteinander reden, wie soll das dann gehen?“ Da ist Meisner sprachlos. Man kann sich gut und bildhaft das entglittene Gesicht des Aktivisten-Journalisten und Twitter-Kumpels  von Böhmermann vorstellen, wenn der sich abschließend darüber wundert, dass der „sächsische CDU-Mann nach eigenen Worten“ seine rote Linie erst dann ziehen will, „wenn der Staatsanwalt oder der Verfassungsschutz das vorgeben.“

Tja, ein Leben ohne Beugung des Rechts kann sich Meisner einfach nicht mehr vorstellen. Schon deshalb, weil es die letzten Jahre doch immer so gut funktioniert hat.

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