Erlauben Sie mir persönlich zu starten: Im Büro ist es schlagartig kalt geworden, mich friert, ich schaue auf das Thermostat, aber alles in Ordnung, Temperatur stimmt. Aber es ist nichts mehr in Ordnung, nichts stimmt mehr.
Heute früh bekam ich die Information, dass der Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt und zwei weitere namenhafte Springer-Journalisten mit dem ukrainischen Verdienstorden dritter Klasse ausgezeichnet wurden, Poschardt bedankte sich per Twitter überschwänglich.
Aber was bedeutet das, wenn Journalisten Orden bekommen für eine Berichterstattung über einen fremden Staat und wenn sie von diesem dafür ausgezeichnet werden?
Sie finden das empörend? Die Details, von denen hier im Folgenden die Rede sein wird, sind allerdings noch viel empörender.
Voller Stolz berichtet Welt Online in eigener Sache im Kulturteil über die erhaltenen Auszeichnungen. Die Schlagzeile der Zeitung lautet selbstbewusst: „Ukraine ehrt deutsche Journalisten mit Verdienstorden.“
Was es da zu lesen gibt, hat in normalen Zeiten das Potenzial zum größten Medienskandal zu werden, seit der Stern gefälschte Hitler-Tagebücher veröffentlicht hat. Aber es wird nichts passieren, die Meldung ist auf dem Tisch und draußen scheint weiter die Sonne über dem Springer-Verlag.
Warum drei Journalisten inklusive Chefredakteur Ulf Poschardt den Orden erhalten und ihn wie selbstverständlich anzunehmen bereit sind, damit prahlt das Blatt gleich im Intro:
„Drei Journalisten des Axel-Springer-Verlags erhalten einen ukrainischen Verdienstorden. Darunter WELT-Chefredakteur Ulf Poschardt. Er habe dazu beigetragen, die deutsche Regierung zu Waffenlieferungen an die Ukraine zu bewegen, schrieb Andrij Melnyk auf Twitter.“
Die Verleihung geht demnach unmittelbar auf den sich mittlerweile in Kiew befindlichen ehemaligen ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk zurück, der hier quasi im Auftrag des Präsidenten die Propaganda-Abteilung AO (Auslandsorganisation) der Ukraine auszeichnet?
Die Vierte Gewalt, per Grundgesetz in Deutschland mit einer ganzen Reihe von verbrieften Sonderechten ausgestattet, bekommt einen Orden dafür, dass sie propagandistisch tätig wurde für Waffenlieferungen an die Ukraine?
Am vierten November wurden diese Auszeichnungen von Präsident Selinskij persönlich per Dekret genehmigt. Weitere Journalisten aus Polen, Lettland und den USA sollen den Orden ebenfalls zugesprochen bekommen haben.
Aus Deutschland ausgezeichnet wurden ausschließlich Springer-Mitarbeiter: Besagter Ulf Poschardt ist dabei, der stellvertretende „Bild“-Chefredakteur Paul Ronzheimer und Julian Röpcke, verantwortlicher Redakteur im „Bild“-Ressort Politik.
Das linkspopulistische Portal Übermedien schrieb noch im April über Ronzheimer:
„Jetzt wird die Sache persönlich: Die Klitschkos brauchen Waffen, um in den Krieg gegen Russland ziehen zu können. Zum Glück kennen sie jemanden, der ihnen dabei helfen kann.“
Der bei der ukrainischen Armee eingebettete – embedded – Ronzheimer hat sich seitdem mit Splitterweste und Stahlhelm als Kriegsreporter vorgestellt.
Stefan Niggemeier schreibt bei Übermedien über Ronzheimer:
„Manchmal scheint es, als wäre Paul Ronzheimer mehr Klitschko-Korrespondent als Ukraine-Reporter. Was in diesem Land passiert, sieht er zu allererst durch ihre Augen, liest es aus ihren Gesichtern, berichtet es über ihre Reaktionen.“
Julian Röpckes Haltung kann man hinreichend mit einem seiner Tweets zum Ukrainekrieg erzählen, wo sich Röpcke freut, dass die ukrainische Armee „hunderte Russen zu Dünger gemacht“ hat.
Ulf Poschardt ist der in der Hierarchie des Hauses verantwortlich für all das. Er hat es verpasst, hier einzugreifen. Der ehemalige ukrainische Botschafter wendet sich per Twitter direkt an seinen Freund „Ulf“:
Lieber Ulf, mein herzlicher Glückwunsch zu dieser Würdigung! Du persönlich und all Deinen Kollegen bei der @welt haben einen gewichtigen Beitrag geleistet, damit die #Ampel meine Heimat - auch mit Waffen - unterstützt. Danke für Eure Empathie für meine Ukraine“
Das liest sich bald so, als wolle der ehemalige Botschafter Melnyk noch einmal beweisen, wen er in Deutschland alles in der Hand hatte, wo er die Strippen gezogen hat und wie wenig Widerstand die tanzenden Püppchen an den Fäden eigentlich geleistet haben. Der Melnyk-Charakter offenbart sich hier auf besondere Weise: Der gute Mann kann gar nicht mehr an sich halten, so freut er sich über seinen gelungenen Coup. Da tritt einer nach und Ulf Poschardt bückt sich gerne um die Seife aufzuheben. Vom Kakao noch trinken, durch den man gezogen wird.
Und Ulf Poschardt antwortet, wie von Melnyk getriggert:
„Eine große Ehre, über die ich mich im Namen des Teams, für @OhmTatjana @S_Schwarzkopf@IbraNaber, Alfred Hackensberger und alle anderen Kollegen sehr freue.“
Und automatisch fragt man sich: Warum um Himmelswillen kontaminiert der Welt-Chefredakteur hier sogar weitere Mitarbeiter, die noch gar nicht benannt wurden von ukrainischer Seite? Journalisten, die nun automatisch mitgehangen und mitgefangen sind, angeschoben noch dazu von ihrem eigenen Chefredakteur – Friendly Fire.
Andrij Melnyk wiederum reagiert prompt auf den Artikel in der Welt über die Verleihung, ein Ping-Pong-Spiel zwischen Kumpel Ulf und Kumpel Andrij:
„Deutsche Medien & deutsche Journalisten haben eine ENTSCHEIDENDE Rolle gespielt, um den @Bundeskanzler Scholz & die #Ampel zu motivieren, endlich Waffen an die Ukraine zu liefern. Dieser Verdienst bleibt bis in alle Ewigkeit. DANKE, liebe (Deutschlandflagge) Freunde (gefaltete Hände)“
Kann man noch genauer den Einfluss der Medien auf die Politik beschreiben? Die Welt hat laut Melnyk den Bundeskanzler „ENTSCHEIDEND“ hingetrieben zu den Waffenlieferungen, denen er anfangs durchaus kritisch gegenüberstand.
Was ist das anderes als lupenreine Propaganda? Nein, nein, es ist keine Feind-Propaganda, aber es ist die Propaganda eines ausländischen Staates in Deutschland.
Die wirtschaftlichen Ambitionen des Springer-Verlages in den USA liegen auf dem Tisch. Schon die Affäre um Julian Reichelt und die Entlassung des Bild-Chefs wurden maßgeblich aus den USA lanciert und gesteuert. Warum sollte das bei von den USA gewünschten deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine eigentlich anders sein?
Aber wie kann so etwas überhaupt geschehen? Es muss Erklärungen dafür geben, was so jemanden wie Ulf Poschardt hier umtreibt. Vor was hat der Mann Angst, geht es ihm nur schnöde um eine Sorge um sein Einkommen? Kann man mit voller Kasse so tief sinken? Wo bleiben hier die charakterlichen journalistischen Eignungen, so ein Angebot brüsk zurückzuweisen, wie das noch vor zwanzig Jahren – behaupte ich einmal – für deutsche Journalisten selbstverständlich gewesen wäre?
Es bleibt weiter unerklärlich. Es ist ein Skandal. Aber der fast noch größere Skandal ist, dass es nicht alle anderen Journalisten und Redaktion sofort als Skandal erkennen und entsprechend brandmarken.
Hier kann es doch schon im Eigeninteresse nur noch darum gehen, die Vierte Gewalt von solchen Haltungen sauber zu halten, sich zu distanzieren oder doch mindestens in die schärfste Debatte zu gehen mit Poschardt und Co. Das alles hat mit Unabhängigkeit, mit Neutralität, mit journalistischer Moral und Ethik wirklich nichts mehr zu tun.
Diese Annahme der ukrainischen Verdienstordens für Propaganda – nein, das ist keine Polemik, es sind genau solche Orden – wird stattdessen als vollkommen normal angenommen, so wie man es heute für normal hält, dass eine grüne Außenministerin einen Atomkrieg befürwortet.
Aber was hat die Vierte Gewalt in den letzten Jahren veranstaltet? Sie war ganz vorne mit dabei, wenn es darum ging, Regierungskritik zu diffamieren, Kritiker zu diskreditieren und Kollegen aufs Übelste zu denunzieren.
Ich korrigiere mich noch einmal: Diese Auszeichnung ist ein Skandal, der den Skandal um diese läppischen Hitler-Tagebücher noch in den Schatten stellt.
An den Chef-Redakteur der Welt:
Es ist gleichsam tragisch wie schäbig, schämen Sie sich Herr Poschardt. Sie tun damit aber auch der Ukraine keinen Gefallen. Denn selbstverständlich muss den Menschen geholfen werden, die da in Furcht, Angst und Schrecken leben. Sie aber kontaminieren mit ihrer Propaganda-Abteilung nicht nur das Haus Springer, auch das Leid dieser Menschen wird von Ihnen eitel beiseite geschoben, weil Sie andere Journalisten automatisch dazu nötigen, sich vom Grauen des Krieges für den Moment abzuwenden, sich von diesen leidenden Menschen abzuwenden und diesem eigentlich so banalen Elend in ihrer verkommenen Redaktion zuzuwenden. Was Sie da machen, dass ist journalistische Arbeit drei Etagen unter dem Gully.
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Kommentar von Gunter Dringenberg
Du hast Recht: "Nichts stimmt mehr". Und: "Verdienstorden für Journalisten". Wirklich: Es schauert einen. Früher, als ich noch ein Junge war oder Halbwüchsiger der 68er, konnte ich das Hitler-System vom Erzählenhören nicht begreifen. Ich habe es lange nicht glauben können. Wie konnten die Menschen solch bösartigen Machthabern zujubeln? Heute denke ich fast jeden Tag daran, diese Zeiten sind wieder da. Mit voller Wucht! Es ist gruselig. Und diese ausgezeichneten "Journalisten" sind auch noch stolz auf ihren schmutzigen Orden. Pfui Teufel! Welch normaler, freier, liberaler Mensch begreift das? Ich sicher nicht...
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Kommentar von Ben Diekmann
Hmmmm, das war auch grade mein erster Gedanke, Ehrung für gute Berichterstattung über den ukrainischen Krieg, das kann ja nur Propaganda im Sinne Selenskyj´s sein.
Was ist eigentlich mit den früheren Stimmen, die über die Korruption in der Ukraine berichteten?
Was passiert grade mit Hilfsgeldern, wurden nicht hunderte von Millionen von Selenskyj mit Crypto verzockt, bzw. sind verschwunden, wohl auch Richtung US Wahl.
Das würde mich interessieren, Wahrheit oder Propaganda?!
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Kommentar von Hildegard Hardt
Ob diese ehrenwerten Pseudojournalisten lediglich Orden bekommen, ist fraglich. Schon Dr. Udo Ulfkotte ließ sich in seinem Buch "Gekaufte Journalisten" ausführlich über diverse kostspielige "Wohltaten" aus, die den Verfassern positiver Berichte zugute kommen.
Daran dürfte sich auch heute nichts geändert haben, auch wenn die Ukraine am finanziellen Tropf der westlichen Kriegsbefürworter hängt. Selenskyjs Oligarchen werden sicher gern aushelfen.
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Kommentar von Rasio Brelugi
Der Arme! Da ignoriert er unentwegt jede Kritik an seiner einseitigen, jedem journalistischen Anspruch spottende Berichterstattung in seiner „Welt“ — und dann sowas. Da bestätigt ihm der Selinsky vor aller Welt genau das!
Genau betrachtet, ist das ein richtiges Stück politisches Kabarett von diesem ehemaligen Show-Mann Selinsky.