Rammstein ist keine Teenagerband

Till Lindemanns Aftershow

von Alexander Wallasch (Kommentare: 11)

Bei einer Backstage-Bewerbung dieser Groupies geht es um die maximale körperliche Nähe zum Objekt der Begierde, um Sex. Eine sexuelle Handlung ist das Endziel.© Quelle: Youtube/ Martin Mentzoni Screenshot

Wenn ich Berater von Till Lindemann wäre, meine Empfehlung lautet, er solle sich an Wolodymyr Selenskyj wenden, der möge eine Ehrenerklärung für ihn abgeben, denn dann wäre Lindemann unantastbar.

Und vor allem zögen sich auch solche regierungsnahen Medien wie Süddeutsche und die Öffentlich-Rechtlichen zurück. Aber warum sollte der ukrainische Präsident das tun? Weil Rammstein der Soundtrack dieses Krieges geworden ist. Wer sich die kurzen und oft grausamen Clips einer Reihe von Einheiten anschaut, der findet die Vernichtung einzelner Individuen aus der Armee des russischen Angreifers untermalt eben von der martialischen Musik vom Rammstein.

Zudem hat sich die Band gleich zu Beginn des russischen Angriffs klar auf die Seite der Ukraine gestellt und unterstützt den Kampf bis heute.

Aber was haben die Medien gegen Lindemann ausgegraben? Im Vergleich mit der Kampagne gegen Til Schweiger sind die Unterstellungen gegenüber Rammstein und Sänger Till schwerwiegend bis hin zu angeblich eidesstaatlichen Versicherungen Geschädigter. Aber jenseits der Namensähnlichkeiten „Til“ und „Till“ kommt man nicht umhin, auch anzunehmen, dass es sich hier um gezielte Kampagnen handelt. Um eine exemplarische woke Konditionierung, vorgeführt an Prominenten.

Wer ein Stück weit verstehen will, welche Gemengelage sich rund um so ein gigantisches Rock-Ereignis zusammenbraut, dem sei der zuletzt auf Netflix veröffentlichte erfolgreiche Film „The Dirt – Sie wollten Sex, Drugs & Rock’n’Roll“ empfohlen.

Hier geht’s um den Aufstieg der US-Glam-Band „Mötley Crüe“. Der Titel spricht für sich, bis hin zu explizit pornografischen Szenen hinter der Bühne, basierend auf einem weltweit auf solchen Events üblichen Einvernehmen zwischen weiblichen Groupies und ihren Stars.

Eine sexuelle Freizügigkeit ist Eintrittskarte hinüber in die Welt jener Männer, die man anhimmelt und welche daheim in Gelsenkirchen oder anderswo die Posterwände schmücken. Das ist dann besonders kritisch, wenn es um die angehimmelten Stars von Teenagern geht, aber Rammstein ist keine Teenagerband.

Was ist der Unterschied zwischen einer Stalkerin und einem weiblichen Groupie? Ein Groupie gilt nicht bei jedem Objekt der Begierde als Stalker. Jedenfalls explizit dann nicht, wenn der Star die angebotene Gefälligkeit anzunehmen bereit ist, wie das auch bei Rammsteins Sänger Lindemann schon mal der Fall gewesen sein soll.

Nun mag man das verwerflich finden. Aber gerade Stars aus dem Rock’n Roll, die von Horden von Security-Personal vor einer allzu großen Zuneigung insbesondere auch ihrer weiblichen Fans bisweilen geschützt werden müssen, können sich nicht wie gewöhnliche Sterbliche verhalten bei der Auswahl ihrer Interimspartner.

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Okay, dem „Spiegel“ muss man attestieren, diese ganzen Inszenierungen auch mal kritisch anzupacken, wie es Autor Arno Frank mit Blick auf den Film „The Dirt“ machte, der dazu schrieb:

„Wer noch nie über toxische Männlichkeit nachgedacht hat, der findet in diesem Film, der von jungen Jungs auf Basis von alten Jungs für ein Publikum von ewigen Jungs gedreht wurde, also allerlei Anschauungsmaterial.“

Blöd nur, dass diese „toxische Männlichkeit“ in Verbindung mit Rock’n Roll auch bei Frauen, die sonst gerne mal auf Arno Franks moderner Womanizer-Seite stehen, eben auch eine explizit toxische Weiblichkeit produzieren. Und das ist alles andere, als die fehlende Anerkennung, dass ein kurzer Rock noch keine Einladung ei. Denn hier ist die Länge des Rocks genauso gemeint. Weil sie als einzige Eintrittskarte hinein in die Garderobe des Stars genutzt wird.

Unzucht mit Abhängigen? Eine interessante Frage. Ist der Star hier für seine Wirkung verantwortlich? Dafür, dass der Wunsch, ihn kennenzulernen, Groupies Dinge tun lässt, die sie eigentlich gar nicht tun wollen? Ist das vergleichbar mit dem „Gefallen wollen“, wenn es darum geht, einen Vorteil zu erlangen, bei der Bewerbung für einen bestimmten Job?

Die Zielrichtung ist eine andere: Bei der Bewerbung für einen Job will Frau den Job und selbstverständlich nicht mit dem Personalchef oder dem Chefredakteur ins Bett. Bei einer Backstage-Bewerbung dieser Groupies geht es aber genau um das: Die maximale körperliche Nähe zum Objekt der Begierde: Sex. Eine sexuelle Handlung ist das Endziel. Der Traum, dass der Star mit dem Groupie zusammenleben möchte, bleibt auch hier ein Aschenputtel-Traum.

Und um nochmal auf das Bewerbungsgespräch und bestimmte #metoo-Handlungen zurückzukommen: Hier muss man bei mehr oder weniger deutlich eingeforderten sexuellen Handlungen selbstverständlich von einem ethisch-moralisch verwerflichen und ggf. auch juristisch relevanten Vorgang sprechen, wenn es um sexuelle Übergriffe und Belästigungen geht, die Frauen hinnehmen oder meinen, hinnehmen zu müssen, will sie den Job wollen oder den Job behalten wollen.  

Aber um all das geht es bei Till Lindemann gar nicht. Allenfalls um den Anwurf, dass hier jemand seine Hybris exzessiv ausgelebt und zumindest oberflächlich selbst sein größter Fan gewesen sein soll.

Der Focus schrieb 2015 über einen Rammstein-Auftritt:

„Vor allem den vorderen Rängen wird ein gehöriges Maß an Abhärtung abverlangt … (…) Bei einem gemeinschaftlichen Sado-Maso-Ausflug auf das Podest in der Hallenmitte kommen aber auch Besucher in vermeintlich sicherer Position in den fragwürdigen Genuss, von Frontmann Lindemann mit Kunstejakulat abgespritzt zu werden. (…) Lindemann reitet dabei auf einer Penis-Kanone über die Bühne und besudelt die Fans mit Schaum.“

Zu den beliebten Fan-Artikeln gehört auch ein sündhaft teurer Rammstein-Aluminiumkoffer für die Dame mit Dildos, die den Abmaßen der Künstler entsprechen sollen, was Jahre später von der Band gegenüber dem Magazin „Rolling Stone“ bestritten wurde mit der Begründung, man hätte so lange, wie es gebraucht hätte, diese Dinger zu modellieren, gar nicht standhaft bleiben können.

Zweifellos hat Till nicht nur ein -l- , mehr auf dem Konto als Til. Und zweifellos ist die Kampagne gegen Lindemann noch deutlich toxischer als die gegen Schweiger. Schon allein, wer die Produkte der beiden Künstler miteinander vergleicht, darf hier auch auf zwei privat vollkommen unterschiedliche Lebenswelten zu schließen. Aber auch das bleibt Spekulation.

Die Süddeutsche Zeitung will Außergewöhnliches festgestellt haben und fragt auch gleich danach: „Werden bei ,Rammstein'-Konzerten Fans für Sex mit Till Lindemann gecastet?“

Das allerdings gehört zum gängigen Prozedere vieler Rockstar-Auftritte mit Hinblick auf die Aftershow-Party, die mit Einvernehmen der Groupies eben auch zu so einer werden kann. Das kann man verwerflich finden. Aber dass das kein Relikt der 1980er Jahre ist, scheint Rammstein hier mutmaßlich zu bestätigen.

Auch das Kokain und andere Drogen im Spiel gewesen sein könnten, gehört nicht zu den überraschendsten Neuigkeiten.

Der Fernsehmoderator Michel Friedman konnte nicht auf ein solches Casting hoffen. Auch er wollte vielleicht einmal Rockstar sein. Aber dafür waren seine Groupies zu rar gesät. Also hat er sich eine Handvoll ukrainischer Prostituierter aufs Zimmer bestellt.

Und damit wären wir wieder am Anfang der Geschichte. Rammstein ist aktuell auf Tour. Die Backstage-Partys werden aber 2023 eher mau ausfallen, soviel ist sicher. Kiew steht nicht auf dem Tourplan. Wäre ich Lindemanns Berater, würde ich ihm empfehlen, so ein Konzert genau jetzt und dort zu veranstalten. Bin ich aber nicht.

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