Stattdessen veröffentlichte eine Gruppe von Künstlern jetzt einen eigenen Brief in der "Zeit", der Olaf Scholz darum bittet, noch mehr schwere Waffen an die Ukrainer zu schicken.
Aber warum hat Alice Schwarzer diesen offenen Brief geschrieben? Hier ging es zunächst darum, einer allgemeinen polit-medialen deutschen Mobilmachung etwas entgegenzusetzen. Darum, sich mit zarter Stimme in der "Emma" einmal trauen, zu sagen: Sorry, ich bin anderer Meinung, „I am not convinced.“
Stattdessen gab es satt auf die Nase. Die "Welt" immerhin war in einem Artikel empört darüber, wie Alice Schwarzer wegen ihres offenen Briefs behandelt wurde, und titelte gegen einen Mitbewerber innerhalb der Altmedien: „Das Deutschlandfunk-Interview mit Alice Schwarzer war nicht fair.“
Aber was soll das nun sein, was die "Zeit" da – womöglich auch noch unentgeltlich – für Künstler veranstaltet, die sich selbst als Intellektuelle bezeichnen? Unterzeichner, die mit einer Retourkutsche gegen Kollegen schießen?
Mit dabei auch Autoren, deren Namen und Werke kaum noch im Feuilleton zu lesen waren und die in der "Zeit" jetzt wieder an prominenter Stelle als Unterzeichner auftauchen.
Ihre Unterstützung zählt
Unterstellen wir mal, dieser offene Brief wäre aus einem ernsten Anliegen heraus entstanden. Was erzählt er? Da stehen Sätze wie aus der laufenden Debatte gepflückt vom Maibaum der Erkenntnis der Oberheeresleitung Berlin:
„Wer einen Verhandlungsfrieden will, der nicht auf die Unterwerfung der Ukraine unter die russischen Forderungen hinausläuft, muss ihre Verteidigungsfähigkeit stärken und die Kriegsfähigkeit Russlands maximal schwächen.“
Sätze, wie von Anton Hofreiter im Vorbeifahren mit hochrotem Kopf in eine Friedensdemo hineingebrüllt – man hört ihn direkt schreien:
„Wer die europäische Friedensordnung angreift, das Völkerrecht mit Füßen tritt und massive Kriegsverbrechen begeht, darf nicht als Sieger vom Feld gehen.“
Die Künstler von heute haben vor allem eines verlernt: Das Kotzen zu bekommen, wenn Kollegen Politikern auf die Schulter klopfen. Der spätere Literaturnobelpreisträger Günther Grass tourte 1969 ein halbes Jahr lang in einem alten VW-Campingbus durch die Republik und machte Wahlkampf für „Willy wählen“. Aber wofür standen Brandt, Wehner und Co damals? Wohl für eine Politik der Annährung mit dem Ostblock.
In dieser Narretei eines offenen Briefs gegen einen offenen Brief ist wieder ein Literaturnobelpreis dabei, dieses Mal gehört er Herta Müller. Sie hat allerdings ein paar gewichtige persönliche Gründe: Müllers Werk kreist um düstere Lebenserfahrungen im Ostblock. Aber ist das schon Grund genug, jedes Diskursangebot gegen Waffenlieferungen in die Ukraine ersticken zu wollen?
Empörend ist die inhaltliche Einseitigkeit. Nein, so jemand kann kein Intellektueller sein, der nicht bereit ist, seiner Antithese wenigstens Elemente der These beizufügen, den Wunsch deutlich machend, dass man die andere Meinung nicht nur niederbrüllen kann, sondern sie durchaus ernstnehmen will.
Anstelle des Versuches, sich auch einmal die US-amerikanischen Kriegshaltung genauer anzuschauen, setzt der Retourkutschenbrief lieber konturlose Plattitüden:
„Die gewaltsame Verschiebung von Grenzen legt die Axt an die europäische Friedensordnung, an deren Grundlegung Ihre Partei großen Anteil hatte.“
Interessanter freilich als der Inhalt ist sowieso der Absender. Viel interessanter ist, wer eigentlich dahintersteckt: Gestern durfte schon das grüne Urgestein Marielusie Beck bei Maischberger für Waffenlieferungen und gegen Sahra Wagenknecht antreten, alexander-wallasch.de berichtete.
Aber es kommt noch besser: Der offene Brief in der "Zeit" wurde initiiert von Ralf Fücks. Und mit Fücks betreibt die grüne Beck seit 2017 einen unter anderem aus Bundesmitteln finanzierten Thinktank „Zentrum Liberale Moderne“, der auch als Initiator des offenen Briefs in der "Zeit" fungiert.
Und welchen Aufgaben hat sich diese Denkschmiede verschrieben? Sie tritt für entschiedenes Auftreten gegenüber der russischen Regierung unter Wladimir Putin ein.
Geschäftsführer Ralf Fücks ist Mitautor eines „Transatlantischen Manifests“, das 2017 ebenfalls in der "Zeit" veröffentlicht wurde.
Aber damit endet die Verstörung hier längst nicht: Die Startfinanzierung gab die Stiftung des Milliardärs George Soros. Nicht etwa zur freien Verfügung für den Thinktank von Beck und Fücks. Nein, Soros gab Geld für ein Themenportal „Ukraine verstehen“ innerhalb des Thinktanks.
Aufgabe dieses Portals: Für eine „kritische Sympathie für die Ukraine“ werben. Auch dieses Themenportal wird mittlerweile aus Bundesmitteln gefördert, Soros gab die Anschubfinanzierung. Und was wird da so gemacht in Sachen Ukraine? Hier werden im nichtöffentlichen Rahmen regelmäßig kleine Gruppen von Regierungsvertretern, Thinktank-Experten und Praktikern mit Sitz in Berlin zusammengebracht.
So viel in aller Kürze zum tatsächlichen Hintergrund dieses offenen Briefs. Und man kann durchaus davon ausgehen, dass viele der prominenten Unterzeichner nicht ansatzweise realisiert haben, mit wem sie da eigentlich zusammengehen. Oder darf man dem Fernsehspaßvogel Wigald Boning hier mehr Tiefenschärfe zutrauen? Aber warum unterzeichnet er dann?
Wer sich die Liste der Unterzeichner anschaut, dem fröstelt. Viele sind dort versammelt, die sich in den letzten Jahren vor allem damit hervorgetan haben, regierungskritische Stimmen zu diffamieren.
Teilweise liest sich die Unterzeichnerliste wie aufgelesen nach der letzten Grillparty bei Ruprecht Polenz. Der Twitter-Schreihals, der in seinem Vorleben mal irgendetwas für die CDU gemacht hat, ist natürlich auch als Unterzeichner dabei, ebenso wie Gerald Knaus, einer der Organisatoren der Merkelschen Massenzuwanderung – ebenfalls Thinktank-Betreiber und dort Empfänger von – na klar – Zuwendungen aus dem Hause Soros.
Man mag hier gar nicht noch tiefer buddeln, die Erkenntnis, dass es hier um viel mehr geht als um die Frage, ob man schwere Waffen liefern sollte, ist schon durch die Zufallsfunde gesichert.
Der offene Brief auf den offenen Brief endet erwartbar:
„Sie ist auch ein Prüfstein, wie ernst es uns mit dem deutschen 'Nie wieder' ist. Die deutsche Geschichte gebietet alle Anstrengungen, erneute Vertreibungs- und Vernichtungskriege zu verhindern. Das gilt erst recht gegenüber einem Land, in dem Wehrmacht und SS mit aller Brutalität gewütet haben.“
Einen Kommentar schreiben
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen. Aufgrund von zunehmendem SPAM ist eine Anmeldung erforderlich. Wir bitten dies zu entschuldigen.
Zur Anmeldung
Kommentare
melden
Kommentar von Nicoletta Stern
Eine medienwissenschaftliche Abschlussarbeit, die sich mit dem Phänomen "Boris Reitschuster" beschäftigt, kommt möglicherweise auch an der Entwicklung und dem publizistischen Wirken von Influenecern wie "Martin Lejeune" bzw. "Anni und Martin" in den vergangenen 2 1/2 Jahren nicht vorbei?
melden
Kommentar von Nicoletta Stern
Wigald Boning, das ist natürlich eine Kapazität, dazu müsste man mehr wissen. Schade, dass er nicht die Rolle bekommen hat, in diesem zutiefst lehrreichen Werbe-Film der Bundesregierung, für die Coronamaßnahmen, diesen Couch-Potatoe-Film, über das Gebot der Selbsisolierung., nicht wahr? Oder war er es sogar , in einer guten Maskerade? Ich blicjke nicht mehr durch! Überall Experten!
melden
Kommentar von Nicoletta Stern
Der interdisziplinäre Gedankenaustausch ist immer gut, insbesondere in Krisenzeiten.
melden
Kommentar von Nicoletta Stern
"Diskurshygiene" ist natürlich eine geniale Begrifflichkeit.. ;-) Meien Cousine äußerte die Vermutung, dass dieser Artikel eher nicht auf dem Portal von Boris Reitschuster stehen wird. Warum, weiß ich auch nicht. Aber Ich finde das völlig in Ordnung. Es lebe die Meinungsfreiheit, und der ehrliche, ideologiebefreite Journalismus.
melden
Kommentar von hans faust
<a href="https://eussner.blogspot.com/2022/04/die-g7-staaten-im-totalen-krieg-gegen.html">George Soros:</a> „Was in der Ukraine passiert, ist mein bestes Projekt“
melden
Kommentar von Stefan Meschkank
Der Hinweis auf die Finanzierung der Thinktanks aus den die führenden Gestalten kommen, hilft dem Verständnis. Meine Frage ist ob sie bereit währen sich mit den Menschen mit einer anderen Auffassung gemeinsam an einen runden Tisch zu setzen, wie ich es von Marianne Birthler kennenlernen durfte.