Der Peter Pan des Journalismus

Schrei nach Liebe: Jan Fleischhauer und die AfD

von Alexander Wallasch (Kommentare: 14)

Ganz sicher ist Jan Fleischhauer ein perfekter Beileidskartenschreiber, er findet immer den richtigen Ton bzw. sagen ihm immer alle anschließend schulterklopfend, wie schön er sich doch einfühlen konnte.© Quelle: Youtube/ Welt Screenshot

Der Focus-Kolumnist Jan Fleischhauer fängt jetzt bei „Nius“ neben Julian Reichelt an. Er muss dem Focus versprochen haben, dass er sich vorsorglich gegenüber der AfD distanziert. Ein sehenswerter Spagat, der auf den Sack geht.

Ach nö, mögen jetzt viele sagen: Warum noch einmal über eine Kolumne von Jan Fleischhauer schreiben, der hat sich doch längst diskreditiert, er hat seinem Arbeitgeber Focus ein braves Green-Washing angereicht und die AfD dafür einmal quer abgewatscht. Aber selbstredend hat der jahrzehntelange Spiegel-Kolumnist das Recht, die Opposition in Deutschland im Focus zu kritisieren. Als Journalist hat er sogar die Aufgabe, kritisch zu schauen und zu kommentieren.

Aber auch das ist wahr: Die Vierte Gewalt steht zunächst dafür, die Regierenden bzw. Herrschenden zu kritisieren. Dafür wurde die Presse mit besonderen Rechten ausgestattet, die sie vor Repressionen schützt.

So betrachtet hat es ein Geschmäckle, wenn genannter Journalist die grüne Außenministerin – noch dazu hölzern und altbacken im Gentleman-Modus – antanzt, weil die jetzt für ihre Schlechtleistung viel Kritik einstecken muss, und obendrein den Etablierten anreicht, indem er deren Diffamierungskampagnen unreflektiert übernimmt und sich dabei der gleichen Klischees und Ressentiments bedient.

Noch eines vorab an die Adresse Fleischhauer: Nein, es hat wirklich nichts Oppositionelles oder gar Rebellisches, wenn man der Bundesregierung auf diese Weise anreicht. Aufgabe der Vierten Gewalt ist es eher nicht, die Regierung vor eben dieser Gewalt zu schützen. Das ist dann vielmehr der Protestgestus der pickligen Jungen Union von 1980, als die im Keller unter der örtlichen Fahrschule gegen die langhaarigen Hippies Pläne schmiedeten.

Also los: Jan Fleischhauer und die AfD. Heute Nacht bekam ich schon eine böse E-Mail, warum ich gestern etwas Positives über Fleischhauer gepostet habe. Ganz erschrocken habe ich nachgeschaut, aber Gott sei Dank nichts gefunden.

Fleischhauers Schlagzeile zur Kolumne heißt: „Schrei nach Liebe: Warum AfD-Anhänger ein Fall für den Therapeuten sind“. Angesichts der Pathologie der Macht hinter dem woke-grünen Irrsinn ist das schon deshalb ein starkes Stück, weil es zwanzig oder mehr Prozent der Bevölkerung zu Bekloppten macht.

Damit befindet sich Jan Fleischhauer in Nachbarschaft zum thüringischen Verfassungsschutzpräsidenten Stephan Kramer, der von zwanzig Prozent „braunem Bodensatz“ spricht, der sich wiederum bei solchen Leuten wie Oliver Decker bedient, dessen „Mitte-Studien“ seit Jahren der Mitte der Bevölkerung Antisemitismus und andere Verbrechen unterstellen. Zuletzt hatte Decker – natürlich rundum staatlich finanziert gepampert – den Ostdeutschen starke Demokratiedefizite, gar Rechtsextremismus, unterstellt. Hier selbstredend immer mit Blick auf den wachsenden Zuspruch für die AfD.

Das ist die ehrenwerte Gesellschaft, der Jan Fleischhauer – nebst jener zu Baerbock – mit seiner Kolumne seine Zugehörigkeit andient. Der Presseausweis als Eintritts- und Ersatzmitgliedskarte. Fleischhauer fragt nach dem Reiz, für eine AfD zu stimmen, „von der alle anderen sagen, dass sie die Demokratie untergrabe“. Man schämt sich für ihn, es kommentieren zu müssen: Weil es alle sagen, erspart es die Selbstbefragung oder gar einen journalistischen Ehrgeiz?

Fleischhauer ist sicher ein ganz guter Beobachter. Fast ein Feuilletonist. Er ist aber definitiv eine Flachzange als politischer Kommentator. Der Journalist hat mal einen Selbstversuch gemacht und sich als AfD-Fan bei Facebook unter dem Namen seiner Frau angemeldet. Sein Fazit:

„Es ist erstaunlich, wie sich die Wahrnehmung verdüstert, wenn Facebook einen als AfD-Anhänger identifiziert hat. Man tritt in eine Welt, in die kein Sonnenstrahl mehr fällt.“

Warum das? Weil man dann, so Fleischhauer, Zusammenschnitte von Filmclips zugeschickt bekäme, „in denen arabisch aussehende Jugendliche auf Menschen einschlugen, die auf Deutsch laut um Hilfe riefen“. Und es klingt bei Fleischhhauer so, als wäre er in einem Paralleluniversum gelandet, das mit Deutschland oder Europa so gar nichts zu tun hätte. Als gäbe es diese Szenen ebenso wenig wie Zombies im Kaufhaus.

Aber das ist alles noch Vorgeplänkel. Als sich Jan Fleischhauer warm geschrieben hat, erklärt er seinen Lesern, warum die AfD so zugelegt habe:

„(W)eil sie einiges im Angebot führt, das (...) so niemand anbietet: die bedingungslose Russland-Liebe, der beinharte Antiamerikanismus, die aggressive Verachtung der muslimischen Welt.“

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Wie wäre es damit: Die AfD schaut kritisch auf die Weltmacht USA, sie verteufelt Russland nicht bedingungslos, fühlt sich den christlich-jüdischen Werten in Europa verpflichtet und sorgt sich darum, dass ein erschreckend hoher Anteil der Muslime in Deutschland die Scharia über das Grundgesetz stellt? Zu kompliziert? Zu wenige Klischees?

Aber mit seinen Zuweisungen ist Fleischhauer noch lange nicht am Ende der Fahnenstange angekommen. Was dann folgt, kann man sich nur so erklären, dass er der Meinung war, dass man der AfD alles hinterherwerfen kann, weil sich ja eh niemand findet, der sich traut, die AfD hier zu verteidigen. Mit dieser Gewissheit pathologisiert Fleischhauer die AfD und ihre Wähler, dass es sich gewaschen hat:

„Vor allem aber bedient die AfD ein Lebensgefühl, und zwar das Gefühl, nicht die Aufmerksamkeit und Anerkennung zu bekommen, die einem zusteht. Die aus dem Gefühl der Zurücksetzung erwachsene Kränkung ist ein sehr mächtiges Gefühl. Es hat schon ganze Kriege ausgelöst.“

Das Bemerkenswerte an Fleischhauer ist, dass er auch unabhängig von der AfD seine Mitmenschen für echte Flachzangen hält. Aber Gott sei Dank funktioniert die Pathologisierung auch anders herum: Jan Fleischhauer fängt jetzt bei „Nius“ an, da wo Julian Reichelt untergekommen ist, und hat die Hosen voll bei der Frage, ob das nicht zu gewagt, zu weit rechts, zu riskant war.

Also was ist die erwartbare Reaktion: Aber ganz schnell was Kritisches über die AfD schreiben und am Besten noch eine Leserbeschimpfung, damit man sich bei „Nius“ nicht noch AfD-Kommentare einfängt. So tickt der Journalist, der von sich glauben mag, er wäre so lange beim Spiegel gewesen, weil er sich geschickt im Feindesland bewegen kann. Klar, da kann man schon mal Paranoia bekommen, nicht mehr in der Mitte fest im Sattel zu sitzen.

Ganz sicher ist Jan Fleischhauer ein perfekter Geburtstags-, Jubiläums- und Beileidskartenschreiber, er findet immer den richtigen Ton bzw. sagen ihm immer alle anschließend schulterklopfend, wie schön er sich doch einfühlen konnte.

Es ist gar nicht so kompliziert: Deshalb neigt Fleischhauer dazu, alles und jeden zu pathologisieren, sich über alles und jeden mit dieser unernsten Küchenpsychologie herzumachen. Und bitte nicht falsch verstehen: Er kann dabei auch sehr charmant und nett sein. Fleischhauer ist in seiner ganzen Leichtigkeit, wie er an die Dinge herangehen möchte, der Peter Pan des Journalismus.

Aber das geht leider dann furchtbar schief, wo eine ernsthafte Analyse notwendig ist. Über die Zuwanderungskrise, über eine grün-woke Ideologie kann man nicht schreiben, als ginge es darum, dem Kollegen was Nettes zum Jubliäum aufzuschreiben.

Jan F. will einfach seine Ruhe haben. Er will ein hoffentlich noch langes ruhiges Leben in Wohlstand friedlich auspendeln lassen, es gab ja gefühlt schon genug Unruhe.

In Sachen AfD-Bashing zitiert Fleischhauer zielsicher Olaf Scholz, der hätte die AfD als „Schlechte-Laune-Partei“ bezeichnet. Aber das träfe es nur unzureichend, schreibt er weiter. Die AfD-Anhänger wären Apokalyptiker mit „Blick in den Abgrund“.

Das ist nun allerdings schon deshalb ein schiefes Bild, weil man der Klimaapokalypse nun wirklich nichts entgegensetzen darf. Fleischhauer im nächsten Fettnäpfchen: Der Relativierung der Klimakatastrophe. Und deshalb könnte man schreiben, verlangt Fleischhauer von den deutschen Lemmingen, dass sie vor der Katastrophe noch so gut gelaunt sind wie er:

„Schlechte Laune haben viele in der AfD auch, und das nicht zu knapp, aber was die Anhänger auszeichnet, ist der Blick in den Abgrund. Wenn ich die Bilder aus den brennenden Vororten in Frankreich sehe, denke ich: Gott sei Dank, weit weg. Der AfDler schaut in die Flammen und sieht sie als Menetekel: Was heute in Paris geschieht, passiert morgen in Duisburg und Essen!“

Für einen Witz oder eine gekonnte Hinterfotzigkeit ist er hier zu ungenau, Fleischhauer muss irgendwie ernst meinen, was er schreibt. Aber was ist das für ein grauseliger journalistischer Offenbarungseid? Die gesamte Debatte rund um die anhaltende Massenzuwanderung mit ihren Verwerfungen einfach vom Tisch gewischt, als gäbe es sie gar nicht: „Gott sei Dank weit weg.“

Und dann, als wäre es eine Provokation – aber es ist viel wahrscheinlicher Unwissen aus Desinteresse – „Essen“ erwähnt als Bespiel für AfD-Paranoia: Aber ausgerechnet dort in Essen kam es vor etwa drei Wochen zu massiven Ausschreitungen rivalisierender Clans, also sogar schon zu einer Art etablierten Variante der Unruhen in Frankreich.

Jan Fleischhauer ärgert sich, dass die AfD-Anhänger nicht in ihrer Blase bleiben, er fühlt sich gestört. Aber Fleischhauer ist leider nicht gut in der Selbstbeschau: Es sind nicht die AfD-Anhänger, die ihn so stören, es sind die Deutschland-Anhänger, die ihm unheimlich sind. Und es erzählt viel über Fleischhauer, wenn er diese beiden Gruppen für deckungsgleich hält.

Jan Fleischhauers Liebe zu Deutschland passt auf eine Glückwunschkarte mit Schulterklopfen. Bitte keinesfalls mehr. Und es soll auch nicht weh tun. Also schreibt er echt genervt, dass den AfD-Anhängern „Tichys Einblick“ und Co nicht ausreiche, diese AfDler wollen Mainstream sein, schimpft er:

„Aber das reicht den AfD-Anhängern nicht. Sie wollen, dass ihnen auch Leute, die sie eigentlich als Mainstream abgeschrieben haben, zuhören.“

Und dann hat Fleischhauer im letzten Drittel seiner Kolumne vollends den Faden verloren. Er schreibt über die AfD-Blase:

„Anne Will und Maybrit Illner gelten ihm als besonders schlimme Beispiele für Gesinnungsfernsehen. Doch nach jeder Anne-Will-Sendung wird Klage geführt, warum die eigenen Leute nicht eingeladen waren.“

Was für ein schludrig hingeschriebener Satz ist das? Denn wenn die Einladungen erfolgen, dann wäre es weniger Gesinnungsfernsehen. So einfach, so erklärend, ein Gedanke und Erkenntnis. Für Jan Fleischhauer schon ein Gedanke zu viel und jetzt dolle Kopfschmerzen.

Und wenn die Kopfschmerzen da sind und die anderen trotzdem weiter Musik machen und die Musik immer lauter wird, wird Fleischhauer immer saurer, es fühlte sich doch gerade noch alles so gemütlich an:

„Die Tragik des AfD-Anhängers ist, dass er nicht mehr dazugehört, aber von denen, die nach wie vor die Mehrheit bilden, so behandelt werden möchte, als sei er immer noch einer von ihnen. Ja mehr noch: Je stärker er sich abwendet, desto größer sein Wunsch nach Anerkennung. Daher schlägt die Aggressivität auch so schnell ins Weinerliche um. Und umgekehrt der Jammer ins Aggressive. Die Zeitungen fragen immer Politologen oder Extremismusexperten, wie man mit der AfD umgehen solle. Ich würde mal einen Therapeuten zurate ziehen.“

Die Wähler der AfD sind alle sowas wie dämliche Psychos endet Fleischhauer: „Das ist nur noch psychologisch zu erklären.“

Folgerichtig gerät dann auch die Selbstbeschreibung von Jan Fleischhauer unter seiner Kolumne zum großen Selbstbetrug:

„Fleischhauer selbst sieht seine Aufgabe darin, einer Weltsicht Stimme zu verleihen, von der er meint, dass sie in den deutschen Medien unterrepräsentiert ist. Also im Zweifel gegen Herdentrieb, Gemeinplätze und Denkschablonen.“

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