Ich sag‘s ganz ehrlich, der Lorbeerkranz kam unerwartet, aber er vertrug sich ganz gut mit einer versteckt gehaltenen Eitelkeit. Und er drückte deshalb auch nicht, wie sonst bei Scheinheiligen, als sei er eine Dornenkrone.
Auch wenn diese Auszeichnung schon allein wegen des Preisgeldes bei einem nicht subventionierten Medium wie meinem auf fruchtbaren Boden fiele, war der Vorschlag der Kollegin selbstredend ironisch gemeint.
„Schau Dir das an!“, sagte sie halb grinsend, halb entrüstet im Nachsatz: „Nicht zu fassen, wie unverfroren sich die Politik hier bei ,ihren' (sie machte dazu Anführungszeichen in die Luft) Medien bedankt, als gäbe es den Vorwurf eines schwer kontaminierten polit-medialen Komplex überhaupt gar nicht.“
Jetzt war ich neugierig geworden, um was es eigentlich bei diesem Preis geht. Die Auszeichnung für Journalisten wird seit 1993 vom Deutschen Bundestag verliehen. Präziser müsste man schreiben, es ist ein Preis für Gefälligkeitsjournalismus, denn die „Neuen Medien“ oder „Alternativen Medien“ finden hier überhaupt nicht statt!
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Im vergangenen Jahr wurde die Süddeutsche Zeitung (SZ) ausgezeichnet. Die weiteren Preisträger der Vorjahre sind: Bayerischer Rundfunk, Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Welt am Sonntag, Die Zeit, Deutschland Radio Kultur, WDR und ARD-Hauptstadtstudio, ARD, Hamburger Abendblatt, FAZ usw.
Immerhin hat man es wohl selbst noch bemerkt und es 2020 mal mit einem Feigenblatt probiert, als Rainer Meyer alias Don Alphonso in die Jury gebeten wurde, was dann prompt für lautstarke Proteste sorgte; einige der schreibenden Mainstreamer verweigerten gar die Einreichung.
Jetzt ist Alphonso zwar erwiesenermaßen ein kritischer Geist, aber er wurde längst von der „Welt“ eingefangen und hinter den Gittern der Bezahlschranken festgekettet. Der Protest bezeugte also recht eindrucksvoll Motivation und Fadenscheinigkeit dieser Alibi-Einladung in die Jury.
Bezeichnend auch ein Brief des damaligen Bundestagsabgeordneten Bülow (Direktmandat „Die Partei“), der dem damaligen Bundestagspräsidenten Schäuble geschrieben hatte, ihn würden „Zuschriften von Journalist*innen“ erreichen, „die ihre Beiträge nicht einreichen wollen, weil der Medienpreis seinen unabhängigen Ruf verloren hat“.
Das ist an Ironie kaum zu überbieten: Der Versuch, mit dem domestizierten Don Alphonso so etwas wie Unabhängigkeit zu faken, wird von Bülow als Verlust der Unabhängigkeit angemahnt.
Aber es wird noch amüsanter, wenn man sich in diesem Kontext die Jury-Mitglieder der jetzt anstehenden Preisverleihung anschaut:
Pinar Atalay (RTL), Shakuntala Banerjee (ZDF-Hauptstadtstudio), Anita Fünffinger (ARD-Hauptstadtstudio), Tina Hildebrandt (Zeit), Jan Hollitzer (Thüringer Allgemeine), Prof. Dr. Claudia Nothelle (Hochschule Magdeburg-Stendal) und als Viertelfeigenblatt noch Marc Felix Serrao (Neue Zürcher Zeitung).
Diese illustren Herrschaften einer, wie es da heißt „unabhängigen Fachjury“ sollen nun aus den eingereichten Beiträgen einen Preisträger auswählen, welcher Autor eine „herausragende publizistische Arbeit“ sein soll, die zur „Beschäftigung mit Fragen des Parlamentarismus“ anregt „und zu einem vertieften Verständnis parlamentarischer Abläufe, Arbeitsweisen und Themen“ beiträgt.
Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Oder doch: „Lebenslauf und Datenschutzerklärung“, denn natürlich fühle ich mich jetzt angestachelt, den Damen und Herren der Qualitätsmedien mal ein paar meiner Beiträge aus 2022 um die Ohren zu knallen, die sich sehr wohl mit einem „vertiefenden Verständnis“ parlamentarischer Abläufe beschäftigen.
Und wenn ich das in aller Unbescheidenheit sagen darf: Eigentlich reichte es hier sogar aus, auf meine Arbeit der letzten zehn Jahre zu verweisen, die es nämlich samt ihrer enormen Leserzahlen nicht gebe, wenn es eine Unabhängigkeit der Vierten Gewalt und ihrer etablierten Vertreter tatsächlich noch geben würde.
Ich kann meinen Kollegen von den Neuen Medien nur empfehlen, mir gleich zu tun und der Jury mal ein paar ihrer Arbeiten als Fehdehandschuh hinzuwerfen.
Die Juroren sollen diesen schwer kontaminierten Preis gern wie gewohnt in eine ihrer Redaktionen senden. Aber es soll doch bitte dieses Mal ein steiniger Weg werden entlang journalistischer Beiträge von Epoch Times, Achse des Guten, Tichys Einblick, Julian Reichelt TV usw.
Ich freue mich übrigens schon, wenn der unvermeidbare Preisträger der SZ, Zeit oder FAZ bei der Preisverleihung dem live zugeschalteten ukrainischen stellvertretenden Außenminister in die Hand verspricht, er werde seine 5.000 Euro Preisgeld der Ukraine für ein paar Streubomben zur Verfügung stellen.
Übrigens: Jeder Leser, der Spaß daran hat, kann jeden Artikel aus 2022, den er für preiswürdig hält, ebenfalls einreichen, ich stelle mir gerade diese unfassbare Schwemme an Beiträgen auf den letzten Metern vor, die natürlich alle ein theoretisches Anrecht auf eine angemessene Begutachtung durch die Juroren haben – Einsendeschluss ist hier bereits der 06. März 2023, also viel zu tun im Anschluss.
Und hier nochmal die Teilnahmebedingungen und alles was man benötigt, seine Favoriten der Jury vorzulegen, um den Juroren mal zu zeigen, wie man diesen verschollenen Begriff „Vierte Gewalt“ mit Leben erfüllen kann.
„Medienpreis des Deutschen Bundestages“
Teilnahmebedingungen:
Eingereicht werden können journalistische Beiträge mit regionalem oder überregionalem Bezug, die in Tages- oder Wochenzeitungen und in Online-Medien erschienen oder in Rundfunk oder Fernsehen ausgestrahlt worden sind.
Der eingereichte Beitrag muss zwischen dem 1. Januar 2022 und dem 31. Dezember 2022 veröffentlich worden sein. Einsendeschluss ist der 6. März 2023. Es gilt der Poststempel.
Es werden sowohl Eigenbewerbungen (durch Einzelpersonen oder durch mehrere Personen gemeinsam) als auch Benennungen durch Dritte berücksichtigt.
Dem Bewerbungsschreiben ist ein Exemplar der zur Auszeichnung vorgeschlagenen Arbeit (bei audiovisuellen Beiträgen bitte Zusendung auf einem geeigneten elektronischen Speichermedium, z. B. Stick, DVD), ein Lebenslauf der Autorin bzw. des Autors sowie die von dieser bzw. diesem unterschriebene Einverständniserklärung zur Verarbeitung personenbezogener Daten auf Grundlage der Datenschutzgrundverordnung beizufügen. Unvollständige Bewerbungen werden nicht berücksichtigt.
Die Bewerbungsunterlagen sind an folgende Adresse zu senden:
Deutscher Bundestag
Fachbereich WD 1
Medienpreis Parlament
Platz der Republik 1
11011 BerlinE-Mail: medienpreis@bundestag.de
Telefon:+49 (0)30 227 38629
Fax: +49 (0)30 227 36464
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Kommentar von Nadja N.
Ich schicke denen nichts, das wären Perlen vor die Säue (gemeint nur als sinnbildliche Redewendung ;-) Wie wär's mit einem eigenen Journalistenpreis, für Angehörige der Berufsgruppe, die diesen Namen auch verdienen? Ich weiß, utopisch. Ist ja möglicherweise kein Zufall, dass auch in diesem Beitrag nur die eher „wertkonservativen“ Alternativmedien, wie Tichys Einblick, Reichelt, Achse d. G. erwähnt werden . Das Schlimmste, was der selbsternannten "Meinungselite" bzw. den eingebetteten „Mainstreammedien“ passieren könnte, wäre ja, wenn sich im Kreise der Alternativmedien so etwas wie fruchtbare Koexistenz, Austausch, Unterstützung oder gar Zusammenarbeit herausbilden würden, über die allseitsbekannten ideologischen Denkverbote hinweg. .
Aber ich geb's zu, ich hätte nichts gegen einen Preis, mit einer Fachjury, in der so unterschiedliche Journalisten wie R. Tichy, A. Wallasch, T. Kandziora , T.O. Regenauer, W. van Rossum, M. Klöckner, P. Schreyer , M.Preradovic, N. Häring, S. Hörrlein oder S. Böttcher zusammensitzen (nur eine kleine Auswahl möglicher Personen). Kühne Idee oder der naiver Traum? Wie wär's, man könnte ja evtl. zumindest mal anfragen, bei den linken "Kulturmarxisten", von der anderen Seite?? ;-)
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Kommentar von Alois Wahldorf-Sattler
Dankeschön, für diese schöne Replik, auf das "Affentheater der Regierungstinte"! ;-) Ich habe geschmunzelt. Ob die Showveranstaltung der eingebetteten Märchen-Medien noch soviel Aufmerksamkeit verdient, dass man dort gute journalistische Arbeiten einreicht, finde ich jedoch fraglich. Wird diese absurde Selbstbeweihräucherung dadurch nicht aufgewertet? In der "DDR" gab es übrigens auch einen "Journalisten-Preis", eine Medaille mit der Aufschrift "Meine Feder ins Waffenverzeichnis." -
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Kommentar von Bernhard Rossi
Das wäre noch ein Trophäe im preisgekrönten Regal des legendären Investigativ-Journalist Seymour Hersh (85).
Für seine früheren Enthüllungen hat Hersh den Pulitzer-Preis erhalten.
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Kommentar von peter struwwel
Wenn doch schon kein Geringerer als Pulitzer goes to the Bundestag, dann sollte
aber wirklich nicht lange gezögert und schon gar nicht geziert werden, ganz im
Gegenteil, da kann für jeden gestandenen Journo das erste Mittel der Wahl nur
lauten: jetzt aber flott beide Beine in die Hand genommen und sich ... anpreisen.