Der kleine Prinz Stänkerer

Jan Fleischhauer – Die AfD als Droge aus dem Blickwinkel eines Trockenen

von Alexander Wallasch (Kommentare: 18)

Nichts ist real, nichts ist so richtig rau, niemals geht es ans Eingemachte.© Quelle: Focus/ Kolumne Fleischhauer, Screenshot

Jan Fleischhauer hat mal wieder die Reißleine gezogen. Er wollte ja nur spielen, als er seinen Kolumnenlesern wöchentlich aufschrieb, dass ihm etwas an Land und Leuten liegt. Aber mit jeder Zeile seiner AfD-Beschimpfung wird deutlicher, dass Fleischhauer Angst hat und sich reinwaschen will – Abbitte leisten.

Jan Fleischhauer kann die Finger nicht vom Gift lassen: Tagesschau, Illner, Klamroth und „Die 100“ fordern offenbar ihren Tribut. Aber soll man sich wirklich triggern lassen von Fleischhauers Anti-AfD-Kolumne und damit noch zu ihrer Verbreitung beitragen?

Fleischhauer schreibt über die AfD:

„Aber ich komme immer mehr zu der Überzeugung, dass der eigentliche Grund für eine große Zahl von Anhängern die Enthemmung ist. Sich keinen Zwang mehr antun müssen, darin liegt der große Reiz.“

Enthemmt sind nicht die Messerstecher, sondern jene, die sie kritisieren? Um besser zu verstehen, was Fleischhauer mit seiner Kolumne bezweckt, soll vorab ein Blick auf den Autor hilfreich sein. Denn in seiner Biografie ist viel für ein besseres Verständnis angelegt. Und Fleischhauer hat sie immer wieder für jeden öffentlich gemacht.

Ältere erinnern sich: Der Journalist war lange beim „Spiegel“ und hatte sich dort gemütlich grinsend in der Rolle des kleinen Stänkerers eingerichtet. Fleischhauer beschwerte sich in schöner Regelmäßigkeit, er wolle nicht mit den linken Wölfen heulen, um dann allerdings genau das zu tun.

Aus dem Leben: Jans Papa arbeitete beim NDR und war später Geschäftsführer der Fernsehlotterie, Mama engagierte sich in der SPD, man wohnt standesgemäß in Hamburg-Wellingsbüttel. Nun war auch Klein-Jan so renitent, wie man eben ist, wenn man die Butter zu dick auf die Stulle bekommt: Man quengelt und man insistiert. Aber immer die große Sorge mit im Tornister, dass dieses Leben Brüche bekommen könnte, also bloß nicht zu viel stänkern.

Fleischhauers großer Coup war sein Buch „Unter Linken: Von einem, der aus Versehen konservativ wurde“. Da schaffte es der mittlerweile beim Spiegel angekommene Wellingsbütteler, erfolgreich zu stänkern, aber auch wieder nur so ein bisschen. Bloß nichts riskieren, was die lichtdurchflutete Frühstückswelt des weißen Riesen gefährden oder in Frage stellen könnte.

Dann passiert es aber trotzdem. Und aus einer ganz anderen Ecke: Fleischhauer vergießt im Fahrstuhl des Spiegels Tränen vor der Kollegin, es kommt ein Tavor-Drogenproblem dazu, alles stürzt in dem Moment ein, was der Wellingsbütteler-Elfenbeintürmler so aufwendig zwischen sich und der Welt aufgetürmt hat. Zudem ist es so furchtbar banal; es trifft Männer aus allen Schichten, was Fleischhauer in einem weiteren Buch beschreibt.

„Alles ist besser als noch ein Tag mit dir“ heißt der biografische Roman über das Verlassenwerden. Der Titel ist gleichzeitig der letzte Satz, den ihm seine Frau und die Mutter seiner Kinder noch hingeworfen hatte, als sie ihn verließ. Ob das ein mutiges Buch ist? Dazu muss man Stuckrad-Barres „Panikherz“ danebenlegen, dann weiß man, was Mut ist und was wieder nur eine famos erzählte Spielerei.

Das ist überhaupt das Schicksal unseres Journalistenhelden: Nichts ist real, nichts ist so richtig hundertprozentig, niemals geht es ans Eingemachte, alles ist immer nur der kleine Schmerz, den doch die SPD-Mama nach dem Hinfallen auf dem rauen Asphalt immer so schnell weggepustet hat. In „Alles ist besser als noch ein Tag mit dir“ droht Fleischhauer nur ständig damit, die Hosen herunterzulassen.

Jan Fleischhauer schreibt über seine Scheidung nicht mit blutunterlaufenen Augen, aber mit rosa Kalaschnikow. Entmannt, aber bewaffnet. Verletzt, aber verschorft. Getroffen, aber wieder zusammengeflickt. Er schreibt über diesen viel zu langen Weg von Ella zu Hannah durch Sturzbäche aus Tränen und über Berge von Tranquilizern hinweg. „Es ist wirklich enorm, was 0,5 Milligramm Tavor bewirken können. Eine halbe Tablette am Morgen, und die Angst fällt von einem ab wie ein böser Traum.“

Es geht in diesem Buch sogar so weit, dass der Leser von Fleischhauers Obsession für die Unterwäsche seiner Frau erfährt:

„Wenn das Schonprogramm durchgelaufen war, nahm ich ihre Blusen und ihre Unterwäsche und hängte sie auf die Leine im Badezimmer. Lange bevor wir zusammenlebten, wusste ich schon, welche Größe und Farbe Ellas Dessous hatten.“

Wow! Aber die entscheidende Szene hin zum Verständnis, wie dieser Jan Fleischhauer tickt, ist doch eine andere. An einer Stelle erzählt der Held nämlich, was er am meisten vermisst an seiner Ella:

Der berühmte schönste Moment einer Ehe – jedenfalls aus der Perspektive des Helden. Da ahnt man dann zwischen den Zeilen doch, woran diese Ella so lange gelitten hat. Wenn sich Jan Fleischhauer in seinem Buch an den schönsten Moment seiner Ehe- und Familienzeit erinnert, sieht er sich selbst auf dem Dach seines Hauses in der Hängematte schaukeln und in die Wolken schauen. Dort oben fühlt er sich frei und geborgen. Mit sich alleine. Wattiert in dem sicheren Gefühl, das seine Frau ihm ein Stockwerk tiefer im Kinderzimmer den schaukelnden Silberrücken freihält. Verliebt in die Idee Familie, aber dann doch immer sorgsam außen vor.

In dieser Szene ist alles enthalten, was es braucht, zu erklären, woher diese regelmäßigen Ausfälle von Fleischhauer kommen.

Und man darf es auch so intim nacherzählen, weil der gut behütete Wellingsbütteler es in seinem biografischen Roman unbedingt jedem aufs Auge drücken musste, als der Schmerz des Verlassenwerdens so groß war, dass er den Trost tausender Leser erzwingen wollte, endgeil auf das Mitgefühl der Massen. Jener Leser, die aber bitte nicht zu nah herankommen sollen, bloß keine Umarmung, man müsste aus besagter Hängematte aufstehen und dann stände man da: Nackt unter AfD-Wählern.

Jan Fleischhauer hat mal wieder die Reißleine gezogen. Er wollte ja nur spielen, als er seinen Kolumnenlesern wöchentlich aufschrieb, dass ihm etwas an Land und Leuten liegt.

Fleischhauer macht die Wagenknecht. Seine frühere Kritik an der Migrationspolitik war nur vorgeschoben. Viel wichtiger ist ihm, niemals dieses Wellingsbüttel-Gefühl zu verlieren, sich niemals zu weit vom lauwarmen Hummer entfernen. Das mit Ella war ja schlimm genug, damals, als er in den Himmel schaute, während die dunklen Wolken schon unbemerkt unter ihm aufzogen, dort bei Ella im familiären Maschinenraum.

Dort wo sich Mütter jeden verdammten Tag und jede Stunde und jede Minute um die gemeinsamen Kinder kümmern müssen. Dort, wo es von Bedeutung ist, was in den Kindergärten, den Schulen und auf der Straße in Deutschland passiert. Dort, wo Migrationspolitik unmittelbar einschlägt – jenseits der pupsigen Hängematten: Vier mal im Monat zurück zu den Menschen finden als einzig verbliebene Aufgabe unseres Journalistenhelden.

Und dort schreibt Jan Fleischhauer den Titel seiner neuesten Focus-Kolumne:

„Einfach mal die Sau rauslassen: Weshalb es so viele Menschen zur AfD zieht.“

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Besser kann man Fleischhauer kaum erklären, als er es hier selbst erledigt. Das Leben der anderen außerhalb der Hängematte und die Bemühungen der anderen, mit der vielfach illegalen Massenzuwanderung, mit dem grün-roten Kriegsgeschrei, mit den Corona-Maßnahmen, der Impfpflicht in Pflegeberufen klar zu kommen – das alles sind für Jan Fleischhauer die Sorgen des Pöbels da draußen.

Unangenehm, viel zu nah, gerade noch erträglich, wenn man einmal die Woche so tut, als sei man doch noch an irgendetwas interessiert fern ab von diesem warmen Hin-und Hergeschaukel – Rapunzel lässt ihr Haar herunter. Aber nur einmal die Woche und frisch geföhnt vom Wind auf dem Penthouse-Dach. Der heruntergelassene Zopf stoppt aber sicherheitshalber ein paar Meter oberhalb des Bodens unter dem Elfenbeinturm.

Jan Fleischhauer wäre so gern Ulf Poschardt. Nebeneinander schaukeln auf Augenhöhe über den Dächern der Stadt – das muss sich anfühlen, wie gemeinsam masturbieren im Gefechtslärm, wie Fleischhauers Ex-Kollege Georg Diez einmal ganz aufgeregt in kurzer Hose mit Holzgewehr den Big-Point des Lebens der anderen beschrieb.

Fleischhauer spürte jetzt dieses Leben der anderen ganz furchtbar bedrohlich zu ihm hochschwappen. Und dann machte er halt, was er immer macht in so einer Situation: Er geht husch-husch auf Distanz und flüchtet zurück in seine geliebte Hängematte.

Bloß nicht als AfD-Freund missverstanden werden, bloß nicht den imaginären Speckgürtel gefährden, man hat gerade so viel mit sich selbst zu tun, ach, das Alter, die Liebe, die Traurigkeit und obendrauf diese ewige Sehnsucht nach dem großen Wattebausch, die latente Traurigkeit des Tavor-Entwöhnten.

Fleischhauer kritisiert in diesem Moment nicht die Ampelpolitik, nicht die zehn Jahre andauernde illegale Massenmigration, nicht diesen Dauerangriff auf die Demokratie, nicht die jahrelange und permanente Ausgrenzung und Diffamierung der AfD, nicht die Kriegstreiberei, nicht die fehlende Aufarbeitung der Corona-Jahre. Fleischhauer sorgt sich um Fleischhauer – irgendwann ist er morgens aufgewacht und hatte plötzlich zittrige Knie: Könnte jemand denken, ich sei AfD-nah?

Also stürzt er sich auf eine Szene nach dem Sieg der AfD in Brandenburg, als ein paar von der Jugendorganisation der AfD auf der Siegesfeier ein asoziales Lied sangen und dafür nicht sofort, wie es sich gehört hätte, von den Älteren eingenordet wurden. Für Fleischhauer soll das nun der Wesenskern der AfD sein.

Aber es ist vor allem das dankbar angenommene Alibi für jenen, der am Morgen aufwachte und sich erschrocken fragte, ob die Hängematte des Nachts zu nah am Feuer gehangen hat:

„Ein Partygast hielt ein Schild mit der Aufschrift „Millionenfach abschieben“ hoch. Was einem bei der AfD halt so als Erstes in den Sinn kommt, wenn alle Anspannung des Wahlkampfs von einem abgefallen ist. (...) So ist es immer bei der AfD. Jemand krakeelt eine wüste Parole oder macht eine anzügliche Geste: klar nicht schön, heißt es anschließend, aber man dürfe doch vom Einzelfall nicht aufs Ganze schließen. Nie schreitet jemand ein und unterbindet den Spuk. Schuld durch Unterlassung würde man das im Strafrecht nennen.“

Ein Dünnbrettgebohre erster Güte. Und Fleischhauer offenbart mit jeder weiteren Zeile, dass er von der ganzen Migrationsthematik keine Ahnung mehr hat. Es muss ihm irgendwann 2016 oder 2017 als Thema zu pfui geworden sein, da hat er sich nicht weiter mit den Lebensumständen der anderen beschäftigt, es kam alles so bedrohlich nah auf einmal.

Was Fleischhauer da über die AfD zusammengetragen haben will, ist knackiger als Gaulands „Müllhaufen der Geschichte“:

„Man darf Gesetze loben, die es Schwulen untersagen, ihre Zuneigung in der Öffentlichkeit zu zeigen. Man darf SA-Parolen verkünden, beim Besuch von Konzentrationslagern demonstrativ Kleidung mit Nazi-Symbolen tragen und dem Juden Michel Friedman eine baldige Abreise aus Deutschland empfehlen. Man darf sich sogar einen weiteren Holocaust wünschen, dieses Mal für die Ausländer, die ins Land kommen.“

Und dann weiß Fleischhauer auch noch, dass Marine Le Pen auf Distanz zur AfD gegangen ist. Und das sei dann das untrügliche Zeichen, dass die AfD ganz weit außen angekommen ist. Das ist tatsächlich grober Unfug und zeugt davon, dass Fleischhauer nicht einmal willens war, sich mit den sehr französischen Hintergründen dieser Abgrenzung zu beschäftigen.

Leider mies: Der Tavor-Entwöhnte Fleischhauer berichtet von Schwermutsanfällen bei Höcke und dass diese doch hinderlich seien für die politische Zukunft. Das ist schon ziemlich mies.

Aber Fleischhauer schreibt dankenswerterweise, wovor er die größte Angst hat: Der Wechsel zur AfD sei wie ein Schritt auf die andere Seite. Die sich auftürmenden Probleme des Landes sind dem Journalisten vollkommen schnuppe, sie berühren ihn nicht. Er hat sie erfolgreich einfach weggeschaukelt. Bloß nicht positionieren, bloß nicht AfD-nah erscheinen. Die Selbstaufgabe könnte kaum größer sein.

Jan Fleischhauer endet in seiner neuen Kolumne mit einer lupenreinen Pathologisierung: Wer AfD wählt, ist alkoholkrank. Immerhin da scheint Fleischhauer in seinem Element, der ehemals Tavor-Abhängige muss es wissen, wenn er über AfD-Wähler schreibt:

„Das ist wie bei Alkoholikern: Wer einmal drauf ist, der ist drauf. Dem hilft auch kein Zureden. Er kann es schaffen, trocken zur werden, aber Alkoholiker bleibt er. Deshalb lautet ja auch mein Rat: Halte Dich von den Drogen fern.“

Die AfD als Droge aus dem Blickwinkel eines Trockenen. Ein lauter Schrei von Fleischhauer nach Liebe: Denkt bitte, bitte nicht, ich sei AfD-nah!

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