Insbesondere Deutschen mit DDR-Biografie dürfte dieser Vorfall sauer aufstoßen

Erst Verhör, dann Tribunal und Hinrichtung: Die ARD im Kampf gegen ein Friedensmanifest

von Alexander Wallasch (Kommentare: 12)

„Wer hat Sie in welcher Form angesprochen, welche Kenntnisse hatten Sie von den Initiatorinnen, welchen Zeitrahmen gab es usw.?“© Quelle: ARD / Mediathek / Fakt

Die öffentlich-rechtlichen Medien schicken den Erstunterzeichnern des Friedensmanifestes einen Fragenkatalog bis hin zur Frage, wer sie dazu aufgefordert hätte. Einen der Befragten erinnert das an McCarthy und die Inquisition.

Die Frauenzeitschrift „Emma“ der Herausgeberin Alice Schwarzer, die neben Sahra Wagenknecht eine der beiden Initiatoren des Friedensmanifests ist, berichtete bereits vor drei Tagen von einem Skandal, der eigentlich das öffentlich-rechtliche Gebäude in seinen Grundfesten erschüttern müsste, aber nichts Relevantes ist bis heute passiert.

Konkret geht es um Recherchen aus der Redaktion des ARD-Politmagazins FAKT (Sendeplatz: Dienstag von 21.45 Uhr bis 22.15 Uhr), die den Erstunterzeichnern des Wagenknecht/Schwarzer-Friedensmanifestes jeweils eine längere Anfrage zum Zustandekommen ihrer Unterschrift zusenden.

Der Skandal besteht nun darin, dass die Befragung vom Ton und Inhalt her auch von einer totalitären Ermittlungsbehörde stammen könnte. Erstunterzeichner Detlef Malchow beispielsweise antwortet dem Sender empört:

„Wenn man Ihre Zeilen liest, muss man den Eindruck haben, dass sich nicht ein Redakteur einer von uns Steuerzahlern finanzierten Landesrundfunkanstalt in der Rechtsform einer Anstalt öffentlichen Rechts an mich wendet, sondern Joseph McCarthy oder der selige Papst Innozenz III. (1161–1216), der den Grundstein für die Entwicklung des Inquisitionsverfahrens legte. Ich gehe einmal davon aus, dass es sich bei Ihrem Schreiben entweder um eine böswillige Täuschung oder eine Frechheit handelt, von der – so kann man nur hoffen – Ihr Verwaltungsrat nichts weiß. Ich würde mich nur schämen, wenn ich mich für das, was Sie tun, hergeben müsste. Ohne Grüße“

Der Erstunterzeichner Schauspieler Henry Hübchen schreibt von „jämmerlichen Fragen“ und einer „jämmerlichen Recherche“ und er attestiert dem ARD-Magazin obendrein „kriminalistische Verhörfragen wie aus einem TV-Krimi“.

Aber was genau wollte ARD/Fakt für den Mitteldeutschen Rundfunk wissen? Die „Emma“ hat die Fragen veröffentlicht, inklusive eines im Anhang an die Fragen angehängten Papiers, das ein paar recherchierte Verdächtige und ihre Hintergründe benennt, die auf der Demonstration dabei gewesen sein sollen. Hier die Fragen an die Erstunterzeichner:

„1. Auf dem Hintergrund unserer Recherche und mit der Kenntnis, was über die Veranstaltung jetzt bekannt wird, würden Sie das ,Manifest für Frieden' erneut unterzeichnen? Wenn ja, warum? Wenn Sie sich anders entscheiden würden, können Sie uns die Gründe dafür nennen?
2. Können Sie uns die Details der Unterzeichnung kurz schildern: Wer hat Sie in welcher Form angesprochen, welche Kenntnisse hatten Sie von den Initiatorinnen, welchen Zeitrahmen gab es usw.?
3. Ähnlich wie in dem Manifest hörte man bei der Kundgebung von Putin oder der russischen Armee als Agressor nicht viel, bei den meisten Reden gar nichts. Das ähnelt rechtsextremen Narrativen, die Putin und Russland teils sogar glorifizieren. Sehen Sie darin einen Punkt, den Sie neu überdenken würden?“


Kurios und in der Formulierung grotesk auch, dass der Sender „fragwürdigen Personen“ und „Rechtsextremen“ ein „ehrliches Herz“ attestiert, wenn es da begleitend zu den Fragen heißt:

„Natürlich kann eine angemeldete Demonstration nicht verhindern, dass fragwürdige Personen versuchen für sich Kapital daraus zu schlagen. Doch wer jeden einlädt, der ‚ehrlichen Herzens‘ (Wortwahl von Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine) für Frieden und Verhandlungen ist, muss sich nicht wundern, wenn rechte bis rechtsextreme Kräfte dies faktisch als Einladung betrachten.“

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Unter anderem Holger Friedrich, Erstunterzeichner und Verleger der Berliner Zeitung, beantwortet die Fragen, so schreibt er zu Frage 2:

„Ich bin von Alice Schwarzer gefragt worden. Ich schätze sie als äußerst kluge, unabhängige Frau, die zudem eine der wenigen wirtschaftlich erfolgreichen Verlegerinnen in Deutschland ist. Sie hat mich gefragt und ich habe gerne zugestimmt. Frau Wagenknecht schätze ich als brillante Analytikerin, die ihr Umfeld oftmals intellektuell überfordert, was nicht ihr vorzuwerfen ist.“

Zum Artikel und weiteren Antworten der Erstunterzeichner geht es hier.

Und was der Sender in einem knapp neunminütigen Beitrag daraus gemacht hat, kann man hier nachschauen.

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