Die „Welt“ auf der Suche nach einem Alibi

Die große Umdichtung: Als die „Welt“ das Kampfblatt der Corona-Maßnahmen- und Impfkritik sein wollte

von Alexander Wallasch (Kommentare: 16)

Tim Röhn – Ressortleiter Investigation und Reportage bei Springer© Quelle: Welt.de / Tim Röhn Autorenseite, Screenshot

Nicht der „Welt“, nicht Tim Röhn oder irgendwem bei Springer wurden die ungeschwärzten RKI-Files zugespielt, sondern Aya Velázquez. Nicht die „Welt“ oder Tim Röhn, sondern Paul Schreyer von „Multipolar“ hatte die Files freigeklagt, die dann teilweise geschwärzt geliefert wurden.

Was das mit der „Welt“ macht, hat jetzt Welt-Autor Tim Röhn sehr schön demonstriert. Tatsächlich hat der Journalist zweierlei Dinge getan, die nicht nur psychologisch interessant sind: Zuerst hat er versucht, die Bedeutung der Leaks herunterzuspielen, was dann sehr merkwürdig geriet, weil er einerseits schrieb, er sehe keinen Skandal, und andererseits erklärte, er könne aus diesen Files herauslesen, wie „willkürlich die politischen Entscheider bei der Verhängung von Maßnahmen“ vorgegangen seien.

Das ist sehr vielen Lesern der X-Tweets des Welt-Autors aufgefallen, die ihren Unmut oder eben ihre Verwunderung darüber zum Ausdruck brachten. Mehr nicht. Das wiederum veranlasste Röhn zu einem Tweet, den man so nicht stehen lassen kann und sollte. Ein Auszug:

„Schon während (!) der Maßnahmen-Irrsinn lief, konnte jeder - wenn er denn wollte - erkennen, dass schwerwiegende politische Entscheidungen keineswegs von wissenschaftlichen Erkenntnissen gedeckt sind. Wir @welt haben intensiv zu 2G, Impfpflicht, Absurditäten wie ein „Genesenenstatus“, Ethikrat-Donuts, Inzidenz-Lügen, Lauterbachs Falschaussagen u.v.m recherchiert, berichtet und kommentiert.“

Lernt man das bei Springer? Ein paar Alibi-Artikel zu erwähnen, die dann diesen Berg an Diffamierungen gegen Corona-Maßnahmen und Impfkritiker vergessen machen sollen? Da wollen wir Tim Röhn gerne helfen, falls er es nur vergessen hat. Das geht allerdings nur auszugsweise und ohne Chronologie, zu hoch ist der Berg der Diffamierungsartikel, der Ausgrenzungsversuche von „Welt“, dem Ort, an dem Röhn so Tag für Tag seine Artikel schreibt.

31.10.2022 in „Welt“ :

„In der Corona-Hochphase entstand eine Mischszene aus Esoterikern, Rechtsradikalen und Verschwörungsgläubigen. Die Szene der Corona-Leugner sei bis heute weder geschrumpft noch harmlos geworden, warnen Experten.“

Und weiter:

„Während der Proteste von Corona-Leugnern und radikalen Impfgegnern lernte die Republik die brisante Verbindung zweier Milieus kennen, die bis dahin der breiten Öffentlichkeit unbekannt war: von Esoterikern und verfassungsfeindlichen, oft rechtsradikalen Verschwörungsgläubigen.“

30.01.2022 in „Welt“ – also auch hier nicht etwa zu Beginn der Pandemie:

Überschrift: „Der Corona-Leugner in meiner Familie“ und im Text:

„Wenn Angehörige oder Freunde in der Pandemie zu Anhängern von Verschwörungsmythen werden, sich zu Corona-Leugnern entwickeln, sind die Belastungsproben schwer, zerstört das selbst innigste Beziehungen.“

24.04. 2024 (!) in „Welt“:

„Corona-Leugner, Fundamentalchristen und Psychogruppen mit Drogenkonsum und Gruppensex: Die Beratungsstelle Sekten-Info NRW hat 2023 auch nach dem Abklingen der Pandemie noch überdurchschnittlich viel Arbeit mit gefährlichen pseudoreligiösen und ideologischen Gemeinschaften gehabt.“

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09.02.2021 in „Welt“:

„Die „Querdenker“-Demonstrationen im November 2020 haben zu einer verstärkten Ausbreitung des Coronavirus beigetragen. Dies zeigt eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW Mannheim und der Humboldt-Universität zu Berlin (...) Insgesamt sollen 16.000 bis 21.000 Covid-19-Infektionen mehr durch die Kundgebungen entstanden sein. Diese Zahl ist allerdings nur eine Schätzung der Wissenschaftler.“

06.12.2021 in „Welt“:

„Wie sich die Corona-Leugner gegenseitig anstacheln, lässt einem das Blut in den Adern gefrieren. Dagegen muss sich dieses Land wehren ...“

Am 27.10.2021 fragt die „Welt“:

„Welchen Einfluss hat die Corona-Pandemie auf die Radikalisierung in Deutschland?“

13.02.2023 in „Welt“:

„Wie Impfgegnern Todesfälle von Prominenten nützen“. Dort heißt es unter anderem:

„Stirbt jemand in jungen Jahren, ist das meist besonders traurig. Nur versuchen radikale Impfgegner seit einer Weile, die Trauer um die Verstorbenen für ihre Zwecke zu nutzen.“

17.11.2021 in „Welt-Video“ nur eine Pathologisierung von vielen:

„Welche Motive haben Impfgegner und wie sollte man damit umgehen? Hasskampagnen würden wenig helfen.“

27.10. 2021 in „Welt-Video“:

„Wie gefährlich sind „Querdenker“ und Corona-Leugner?“

13.01.2021 in „Welt“:

„Die Verschwörungs-Extremisten sind unter uns“. Dort heißt es unter anderem:

„Jeder Bürger in Deutschland hat das Recht, das Coronavirus zu leugnen. Es ist dumm, es entbehrt jeder Grundlage, aber strafrechtlich relevant ist das Leugnen dieser, unserer Realität nicht.“

Diese Liste könnte man ewig so weiterführen. Im Ergebnis entstände eine Propaganda-Fibel einer regierungsnahen Zeitung, die jedes Narrativ der Bundesregierung 1:1 ins Volk getragen hat.

Und weil die „Welt“ nun aber wusste, was sie da treibt, hat sie sich eine Reihe von Alibi-Artikeln schreiben lassen, die etwa Tim Röhn jetzt zu der gewagten These veranlassten, zu behaupten, „Wir @welt“ haben doch zu diesem und jenem berichtet. Damit hat er nicht einmal unrecht. Aber er lässt das Wichtigste aus: Diese Masse von Diffamierungsartikeln seiner Zeitung. Ein Stockholm-Syndrom. Oder einfach nur ein kalkulierender Blick auf die wattierte Honorierung.

Was Kubicki für die Politik, ist Tim Röhn für den Journalismus.

Wer mag, soll diese Chronologie der Schande gern in den Kommentaren mit weiteren "Welt"-Artikeln ergänzen.

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