Am Rande der Gesellschaft – Die letzte Schlacht gewinnen "wir"

Die AfD und Schnellroda über dem Kartentisch eines „existentiellen Kulturkampfs“

von Alexander Wallasch (Kommentare: 5)

„Wir sind heute inhaltlich klarer rechts, als wir das je waren und wir steigen auf“, sagt Maximillian Krah.© Quelle: Youtube/ Kanal Schnellroda Screenshot

Die AfD steht bei über zwanzig Prozent. Das weckt Begehrlichkeiten. Das Vorfeld meldet seine Ansprüche an. Allen voran Götz Kubitschek aus Schnellroda. Er hält Hof in einer Villa Wahnfried des Ostens. Dort am rauen Holztisch zu Gast ist Maximilian Krah, der EU-Spitzenkandidat der AfD.

„Sind wir noch am Rande der Gesellschaft bei 20 Prozent AfD?“, fragt Ellen Kositza, Ehefrau von Götz Kubitschek, eben diesen und den gerade zum Spitzenkandidaten der AfD für das EU-Parlament gewählten Maximilian Krah in einem ein paar Wochen alten Youtube-Video des „Kanal Schnellroda“.

Krah wird von Kositza als „einer der wohl visionärsten rechten Politiker“ vorgestellt. Das Dreigestirn sitzt in der Wohnstube von Schnellroda am Holztisch, auf dem eine Flasche Wein steht. Im Hintergrund zwischen den Herren am Fenster ein Stehpult. An der Wand ein Reiter, das Pferd trinkt. Vielleicht ein Linoldruck. Kositza moderiert die Runde.

Kubitschek wie Kositza sind langjährige Redakteure des rechten Publizisten Dieter Stein, beide haben sich dort bei der „Jungen Freiheit“ ihre Sporen verdient und Hörner wachsen lassen.

Der Jurist Dr. Krah ist der Jüngste und der einzig gebürtige Ostdeutsche in der Runde. Er zog bereits 2019 für die AfD ins Europaparlament ein und wurde Ende Juli 2023 auf dem Parteitag in Magdeburg zum EU-Spitzenkandidaten der Partei gewählt. Der Bundestagsabgeordnete Petr Bystron steht auf Listenplatz 2, wechselt also ebenfalls sicher ins EU-Parlament.

Besagtes Video aus Schnellroda ist über eine Stunde lang und wurde bisher von knapp 30.000 Zuschauern aufgerufen. Maximilian Krah ist Autor im „Verlag Antaios“ bei Götz Kubitschek. Zuletzt wurde Krahs Buch gemeinsam mit einer neuen Veröffentlichung von Martin Sellner, dem Gründer der „Identitären Bewegung“ per Antaios-Newsletter vorgestellt. Die Rundmail 37/2023 aus Schnellroda trägt den Titel „Krah und Sellner - Magdeburg und Wien“. Kubitschek schreibt dazu:

„Es ist für mich als Verleger eine Freude, dass sich unsere beiden Autoren ganz nach jeweiliger Eignung am Vortrieb unserer aller politischen Sache beteiligen konnten und können.“

Zurück an den Holztisch. Die Eheleute siezen sich vor der Kamera. 2016 hat sich dafür noch das deutsche Feuilleton begeistert, ebenso wie für den selbstgemachten Ziegenkäse und das Rittergut an sich, wenn auch meistens in einer eher düsteren Nacherzählung.

Bernd Lucke, Gründer der AfD, hatte 2015 die Mitgliedsanträge des Ehepaares unter anderem mit Verweis auf Kubitscheks Kleiderordnung (schwarzes Hemd, braune Jacke) warnend verhindert, heute sitzt der EU-Spitzenkandidat der Partei in Schnellroda beim Wein und plaudert für die Zuschauer. Die AfD von Bernd Lucke gibt es nicht mehr.

Maximilian Krah beginnt damit, eine Anekdote zum Abzug der Amerikaner aus Afghanistan zu erzählen, die hätten nämlich einen „Pride-Monat“ ausgerufen und der Einmarsch der Taliban sei drei Wochen später die einzigrichtige Antwort darauf gewesen. Gelächter in der Runde. Dann wird über einen Erfolg des „Stolzmonats“ gesprochen und dass die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch wohl eine Spielverderberin sei, weil sie die Aktion nicht mitgemacht hätte.

Kubitschek spricht über den „Stolzmonat“ von einem „Husarenstück“, von einer „Kaperung“. Und allgemeiner: von einer neuen „Bekenntnislust“ auch von Menschen mit einer losen rechten Haltung. Auch Kubitschek nutzt das „wir“, wenn es darum geht, zu beschreiben, dass die AfD die 18 Prozent längst überschritten hat, „jetzt haben wir ja ...“. Nein, das „wir“ wird hier nicht als unechtes Indefinitpronomen verwandt.

„Wir“ müssen in Umfragen eher davon ausgehen, „dass für uns hier tiefgestapelt wird“, sagt Ellen Kositza und kann nur die AfD meinen, denn Umfragen zur Beliebtheit des Verlages finden nicht statt. Maximilliam Krah will erkannt haben, dass seine Partei die „spannendste Rechtspartei“ Europas ist, weil die AfD bewiesen hätte, dass man erfolgreicher wird eben nicht durch eine Verwässerung rechter Positionen, sondern durch ihre Schärfung.

Petry, Meuthen und Lucke hätten daran geglaubt, dass man „nicht anschlussfähige Positionen“ aufgeben müsse. Lucke sei allerdings nie inhaltlich rechts gewesen, sagt Krah über seinen Parteigründer. „Wir sind heute inhaltlich klarer rechts, als wir das je waren und wir steigen auf“, so Krah weiter. Erstaunlich zunächst, dass hier kein Gedanke daran verschwendet wird, dass der Erfolg womöglich mit dieser Fettnäpfchen-Perlenkette von Desastern der Ampelregierung zusammenhängen könnte.

Kubitschek meint, dass die AfD die einzige Partei mit einem Bekenntnis zu Deutschland sei. In anderen Ländern bekennen sich mitunter auch Linke zur Nation. Und zu einer möglichen Neugründung einer Wagenknecht-Partei stellt Kubitschek fest, Wagenknecht könne aufgrund ihrer Sozialisation nicht „die nationale Karte spielen“. Krah sieht es anders: Der Ostmarxismus, den Wagenknecht inhaliert hätte, habe das sehr wohl gekonnt.

Der Marxismus hätte mit der Idee der Völker vielleicht gar kein Problem, findet Krah, Marx sei keine Ideologie der Neutralisierung gewesen, „es ist der Liberalismus der neutralisieren will“, ein „Liberalismus auf Speed“ sei der Feind: „Die politische Rechte muss lernen, dass wir es zur Zeit zu tun haben mit einem komplett von allen guten Geistern verlassenen Liberalismus.“

Und weiter bei Krah: „Liberale (oder sagte er „Libertäre“?) sind blind für die soziale Frage, damit sind sie letztlich auch blind für die nationale Frage.“ Die Nation dürfe nach Krah nicht auf die Solidargemeinschaft reduziert werden, sie sei auch eine Kultur- und ... er sucht noch das Wort, da hilft Kubitschek schon: „eine Abstammungsgemeinschaft.“

Ist das etwa eine Schlüsselszene für die Beziehung zwischen Schnellroda und der AfD? Krah legt wie angestachelt noch einen drauf: „Sie ist ein kollektives Schicksal!“

Interessante Umschreibung von Krah über jene Kräfte, die zwischen CDU und AfD etwas sehen und stark machen wollen: „Sie leben in einem Weltbild von 1980 und dahin wollen sie wieder zurück.“ Ist das der Gegenentwurf zum anhaltend diffamierenden Vorwurf von links, die AfD wolle zurück zu 1933?

Bezeichnend hier, dass Kubitschek Richtung Dr. Hans-Georg Maaßen formuliert, er hätte neulich ein Banner bei ihm gesehen („Unsere Ehre heißt Grundgesetz“), das könne man ja bald auf ein Koppelschloss schreiben, so der Herr von Schnellroda am Eichentisch vor dem Stehpult mit Gattin und dem EU-Spitzenkandidaten der AfD.

Krah nimmt den Ball sofort auf und verschärft brav den hingeworfenen Brocken von Kubitschek: Maaßens Banner wäre eine Mischung aus einem Satz mit einem „klaren NS-Anklang“ umgedreht auf das Grundgesetz. Maaßen wolle damit spielen, um es dann empört zurückzuweisen.

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Maaßen hätte „Antifaschist“ in seinem Twitter-Account stehen, das müsste man mal psychologisch erörtern, giftet Krah. Das ist nun tatsächlich ziemlich schmutzig, was die beiden da veranstalten. Die hundertfachen Anwürfe gegen die AfD, Schnellroda und die Rechte hier einfach gegen Maaßen zu wenden, wirkt einfach zu durchschaubar. „Das sind Leute“, so Dr. Krah über Dr. Maaßen, „die den Schuss nicht gehört haben. Die sind einfach irgendwann steckengeblieben.“

Aber wo steckengeblieben? Krah wird konkreter: Wenn Hans-Georg Maaßen auf der ersten Seite der Jungen Freiheit dafür plädieren würde, man müsse das Asylrecht nur richtig anwenden, dann wäre das die zeitgenössische Variante von „Wenn das der Führer wüsste.“ Dr. Maaßen betreibe eine „Fetischisierung des Grundgesetzes“, so Krah. Das allerdings ist dem Grundgesetz immanent. Zudem vergisst der Jurist Krah hier den Gebrauch des Grundgesetzes als elementaren Fetisch oder Kampfmittel der Corona-Maßnahmenkritiker und der Querdenken-Bewegung.

Maaßen wolle die Bürgerlichen hinter die Fichte führen, spitzt Krah immer weiter zu. Aber was soll das? Hinter diesem verbalen Kontrollverlust muss wesentlich mehr stecken als nur eine Kritik am politischen Gegner. Maaßen kann die Abgrenzung an der Stelle allerdings nur Recht sein, dann muss er sie nicht selbst vornehmen. Die dann noch folgenden hingerotzten Diffamierungen von Krah gegen Maaßen sind nicht substantiell, also nicht einmal satisfaktionsfähig, wenn Krah soweit geht, dem profilierten Juristen einfach mal die Kompetenz abzusprechen.

So weit gehen sonst kaum die ärgsten Feinde des ehemaligen Chefs des Bundesverfassungsschutzes. Reichen Krah und Schnellroda hier willfährig der Bundesregierung an oder beißen sie hier eher den Chef der WerteUnion als Wettbewerber weg?

Die durchsichtige Keilerei am Holztisch ist schade, denn sie verdeckt ein paar ganz interessante Themen, die da ebenfalls zur Sprache kommen. Und wäre Maximillian Krah nicht so furchtbar verliebt in die Schnellrodas, wäre die Dosis Gift vielleicht auch etwas kleiner geworden und der Vortrag anständiger geraten.

„Dass jetzt der 60-jährige Jurist die revolutionäre Klasse ist, die die Bundesrepublik erneuert, das scheitert doch eigentlich schon daran, wer hängt denn eigentlich seine Plakate auf“, sagt Krah, „Wenn das jetzt die bürgerliche Revolution sein soll, dann Gnade uns Gott“ ergänzt er mit anschwellendem Verve. Zuvor hatte er das „Wir“ in der Runde in Sachen Plakate kleben zum „bei uns“ geformt: „Bei uns sind es wahrscheinlich die aktiven jungen Mitstreiter.“

Darüber hinaus allerdings hat diese Stunde aus Schnellroda durchaus das Potenzial, in den Archiven der Zeitgeschichte zu landen als spannender nachzuschauender Moment eines klaren Bekenntnisses der AfD zur Neuen Rechten. Und das soll hier ganz wertfrei beobachtet sein.

Nun könnte man einwenden, Dr. Maximilian Krah spreche hier für sich. Aber der AfD-Parteitag in Magdeburg hat Krah als Spitzenkandidaten deutlich in diese Position gerückt. Das Interesse der drei am Tisch ist eindeutig. Hier ist von Revolution die Rede, von einer „alten bürgerlichen Angst vor der Entscheidung“.

Man will die Entscheidung jetzt und man wähnt sich auf dem Pfad der Siegreichen. Das ist alles ziemlich gespenstisch. Aber die Probleme des Landes sind drückend genug und der totalitäre Regenbogen wird immer dicker und wirft immer größere Schatten. Also was tun? Darum geht’s letztlich auch in Schnellroda.

Aber sicher ist eben auch: Für dieses Gespräch hätte es den Regenbogen nicht gebraucht. Der Runde hätte auch die alte Bundesrepublik nicht gefallen.

An einer Stelle befindet Kubitschek, dass auch eine starke AfD im Bundestag von allen anderen Parteien zusammen eiskalt ausgesessen werde und „im luftleeren Raum“ hänge. Deshalb – und da kommen Krah und Schnellroda zusammen – müsse alles zusammenwirken: Die Vorfeldorganisationen, als die sich Schnellroda selbstverständlich begreift, die Zivilgesellschaft insgesamt müssen erobert werden, Parteischulungen müssen her, das fehlende Personal schnell aufgebaut werden.

Während man da so zuhört, denkt man, das könnte jenes Gespräch als Missing Link sein, das man gern mal bei den Grünen belauscht hätte, als die vor fast einem halben Jahrhundert angetreten sind, ihre grüne Revolution zu starten. So lange hat es dann doch gedauert. Krah bittet dann, man solle doch mal die Parteiprogramme der CDU und der Grünen von 1983 nebeneinanderlegen und schauen, wer sich heute durchgesetzt hat, und das, obwohl die Grünen in der gesamten Zeit nur ein paar Jahre regiert hätten und die Union mit Kohl und Merkel über dreißig Jahre lang.

Die drei wollen eine Bekenntnis-Revolution. Jedenfalls widersprechen Kositza und Kubitschek dem EU-Abgeordneten der AfD nicht, wenn der ausführt:

„Was bürgerliche Revolution heißt, ist ja in Wahrheit: Ihr müsst euch nicht bekennen, ihr müsst nicht politisch werden, es reicht der Rechtsstaat. Ihr müsst nicht grundsätzlich ideologisch argumentieren, es reicht der gesunde Menschenverstand.“

Dabei, so ist sich der Tisch einig, stehen wir in einem „existentiellen Kulturkampf, der vom deutschen Bürgertum nichts übriglässt, wenn sich die Woken durchsetzen“. Leute wie Dr. Maaßen versprächen den Bürgern, sie müssten auf den Kampf nicht mit Kampf antworten, so Krah weiter. Maaßen wäre der „falsche Prophet“, weil er noch den Rechtsstaat bemühen und „mit Verfahren“ antworten will.

Abschließende Einordnung von Kubitschek: „Jetzt haben wir die ganzen Leute abgehandelt, die es nicht bringen werden.“ Übrig bleibt für Kubitschek nur die AfD und Schnellroda. Selten sah man sich wohl so nah an einem Ziel, der Verfassungsschutz zieht die Daumenschrauben an, aber es schreit keiner mehr „Aua“. Stattdessen lachen auch immer mehr Bürgerliche über den CDU-Verfassungsschutz, der den politischen Gegner so stümperhaft wegtreten will.

Unbestritten ist eine Absage an das politische System Bundesrepublik im Schatten der anhaltenden Massenzuwanderung und nach drei Jahren Corona-Regime tief in die Mitte der Gesellschaft hineingewachsen. Der Zuspruch für die AfD war nie so groß, das Potenzial dafür wächst sogar noch. Krah spricht von einer „begründeten Hoffnung, wie noch nie zuvor“.

Was kann ein erstes Fazit nach über einer Stunde Schwarzweißfernsehen aus Schnellroda sein? Da erregen sich drei politische Aktivisten in einer altdeutschen Studio-Wohnzimmer-Atmosphäre der 1930er Jahre über Bürgerliche wie Maaßen, die angeblich zurück in die 1980er Jahre wollen. Das ist schon einigermaßen skurril, aber vielleicht noch zu vernachlässigen.

Viel interessanter ist hier der Siegestaumel, verbunden mit der subtilen Sorge, auf den vermeintlich letzten Metern nicht nah genug an den Futternapf heranzukommen, wenn das Beutegut in Form von was auch immer verteilt wird.

Das Überschreiten der magischen 20 Prozent Wählerzustimmung, das Wegschmelzen der Altpartien, hat ein neues Selbstbewusstsein generiert. Der Film aus Schnellroda zeigt: Jetzt will man nicht mehr loslassen, jetzt will man ganz vorn dabei sein beim Marsch auf Berlin oder bei was auch immer. Schnellroda erhebt Anspruch auf die Deutungshoheit. Und die AfD sitzt schon mit am Tisch über dem Kartenfächer.

Das eigentlich Bedrohliche bleibt allerdings etwas ganz anderes: Die Machtübernahme der Woken hat fast alle Bereiche der Gesellschaft erfasst. Die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt: „Der Nationalsozialismus war eine Folge des Versagens der Zivilgesellschaft.“ Die woke Ideologie hat diese Zivilgesellschaft vollkommen durchdrungen, für sie gilt demnach das Gleiche.

Aber wie darauf antworten? Indem man die Zivilgesellschaft zurückerobert und sich dabei der erfolgreichen Methoden der Grünen bedient?

Die Diskussion in voller Länge ist hier nachzuschauen.

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