Ist es wirklich so einfach, Kritiker wegzubügeln?

Der Focus versucht Prechts Medienschelte „Die Vierte Gewalt“ mit einer Diffamierung zu bestrafen

von Alexander Wallasch (Kommentare: 5)

So funktioniert Journalismus in totalitären Regimen. Christine Kurz macht es nichts aus, journalistische Ethik oder Moral über Bord zu werfen.© Quelle: Focus online

Wer etwas zum aktuellen Zustand der Medien erfahren will, für den mag ein Blick auf die Online-Seite des Focus ausreichen. Oder er liest den Mega-Bestseller „Die vierte Gewalt – Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist“ von Precht/Welzer.

Diese beiden Autoren haben sich in ihrem Buch jenen unterirdischen Journalismus der Gegenwart für eine umfassende Schelte vorgenommen, der sie hier mit einer diffamierenden Rezension vernichten will.

Tatsächlich kann es keine treffendere Werbung für Spiegel-Bestseller Platz 1 geben als diese Schmutzkampagne gegen Richard David Precht.

Einmal mehr ganz vorne dabei und damit auf dem besten Anwärterplatz, erste Zeitung der woken Bewegung zu sein: Der Focus mit einem Journalismus aus der Gosse, passenderweise hier präsentiert von der Glanz- und Glamour-Redakteurin Christine Kurz, die ansonsten Artikel schreibt über das Dschungel-Camp, darüber, wie Cora Schumacher unter ihrem Ex litt, oder die verrät, warum BossHoss „als Coaches zu ProSieben zurückkehren“. Die seichte Party-Plaudertasche soll den Philosophen abwatschen.

Christine Kurz ist Spezialistin für Gossenjournalismus.

Sie finden, dass klingt gemein? Dann lesen Sie mal, was Kurz gerade über Precht abgeliefert hat: So funktioniert Journalismus in totalitären Regimen. Kurz macht es nichts aus, journalistische Ethik oder Moral über Bord zu werfen. Ach was, um solche Werte über Bord zu schmeißen, ist es zunächst notwendig, sie einmal besessen zu haben.

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Zur Sache: Der Autorin reicht eine unterklassige Precht-Parodie einer öffentlich-rechtlichen, sich „Comedian“ nennenden Spaßbremse für ihre pauschal diffamierende Schlagzeile: „Wie Richard David Precht vom Philosophen zur Parodie-Vorlage mutiert“.

Unnötig zu erwähnen, dass „mutieren“ in der Regel für einen Vorgang hin zu etwas viel Schlechterem verwendet wird, eine negative Entwicklung, einen genetischen Misswuchs gewissermaßen. Precht jetzt also ein Philosophenkrüppel.

Zunächst redet Precht Klartext mitten im Wohnzimmer der Öffentlich-Rechtlichen: Beim schwer angegrauten Format „NDR-Talkshow“ wagt er es, über das Erfolgsrezept neuer Talkformate zu sprechen. (Ab Minute 10:00). Er nennt hier stellvertretend die immer beliebter werdende Servus-TV-Sendung „Talk im Hangar“.

Kommentar der Glamour-Queen vom Focus: Precht liefere mal wieder eine Aussage, „die heute in den sozialen Medien nachhallt, als er die Sendung 'Talk im Hangar' des Senders Servus TV als „ausgewogene Talkshow“ und „Vorbild“ lobte. Allerdings steht das Format auch in der Kritik, Rechtspopulisten ein Forum zu geben.“

Direkter kann man eine Diffamierung kaum eröffnen, der Focus geht keine Umwege, geht kein Risiko ein, gleich mal die Rechtspopulismus-Karte zu ziehen.

Und das irrigerweise gegen Servus TV. Die Autorin der Glamour-Ecke ist vollkommen ahnungslos mit den quietschenden Stützrädern der immer gleichen woken Narrative unterwegs. Ein Text, irgendwo zusammengewichst aus Wikipedia und Publikationen wie der Frankfurter Rundschau.

Weiter bei Frau Kurz: „Richard David Precht verdient viel Geld damit, seine Meinung öffentlich kundzutun.“ Das allerdings gilt doch in besonderem Maße für den neuen Meinungsjournalismus, der Partei sein will und dabei vergessen hat, wie man eine Nachricht adäquat präsentiert. Oder wie man überhaupt Nachrichten in Vielfalt präsentiert.

Die Methode Focus/Kurz basiert auf Niedertracht. Vergegenwärtigen muss man sich, was die Autorin hier macht, wenn sie schreibt:

„Dass dem 57-Jährigen viel Widerspruch und schlechte Kritiken entgegenschießen, dürfte den Verkauf seines Buchs ordentlich angekurbelt haben.“

Sie selbst ist mit ihrer Kritik Teil dessen, was sie hier als Argument gegen Precht verwendet, der demnach die Kritiken eben von Frau Kurz im Focus nur deshalb provoziert hätte, um den Verkauf anzukurbeln. Hat der Focus keinen Chef vom Dienst mehr, keine Schlussredaktion?

Das Prinzip des Selbstzitats im Kreisverkehr: „Das Image von Precht steht auf der Kippe. Neben Kritik erntet er nämlich zunehmend Spott.“

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Und das alles wegen einer Medienschelte, der Inhalt des Buches muss wirklich gesessen haben. Woher soll der Spott kommen? Von der öffentlich-rechtlichen Komikerin Carolin Kebekus. Ja, genau die Kebekus, welche mit Karl Lauterbach 2021 zusammen diesen Impfkampagnen-Song „Adios Corona“ eingesungen hat, demgegenüber die Lieder von Dieter Bohlen etwas Akademisch-Orchestrales haben.

Über den bösen Precht singt beziehungsweise rappt Kebekus also wie bestellt: „Er wäre gern Deutschlands Sokrates“ und „denkt, er hat immer Recht“. Weiter „frotzelt“ Kebekus, zitiert von Kurz: „Du hast keine Expertise, auch nicht zur Ukraine.“

Zur Erklärung: Richard David Precht hatte den offenen Brief in der Emma gegen den Krieg unterzeichnet. Die Focus-Autorin schlussfolgert daraus: „Precht diskutiert sich immer mehr zur medialen Streitfigur.“

Und wohl, weil alles noch nicht schmutzig genug ist, geht Christine Kurz einen Schritt weiter und unter Gürtellinie:

„Damals galt er dank lässiger Langhaarfrisur und Dreitagebart als angesagter Pop-Philosoph. Heute dient er als Vorlage für Parodien.“

Pathologisierend ergänzt sie für den Focus: „Der promovierte Germanist redet viel, auch wenn er behauptet, privat keine Aufmerksamkeit zu brauchen.“ Der alternde Quasselkopf mit ADS-Syndrom also.

Geht aber noch mieser bei Kurz. Precht könne sich teure Bücher als Hobby nur leisten, „dank seiner Skandälchen und Bestseller“. Skandälchen? Das ist alles so behäbig und semmelig geschrieben. Über dem Focus-Artikel steht, fast als wäre es entschuldigend gemeint: „Dieser Beitrag erschien durch Kooperation mit Bunte.de“.

Nein, es ist eine Kooperation mit der Gosse, mit dem Anti-Journalismus. Da wird auf der Kurzstrecke ein Autor und sein Buch abgewatscht. Der Focus macht sich nicht einmal die Mühe, eine wenigstens ansatzweise dem Buch des Anstoßes gerecht werdende Kritik zu üben aus der Feder eines Journalisten, der immerhin noch das Handwerkszeug beherrscht, wenn er schon Haltung schreiben soll. Ausgestorben?

Stattdessen wird eine Christine Kurz gebeten, sich mal ein bisschen an Precht abzuarbeiten: Jede Zeile zeigt zudem auf merkwürdige Art und Weise persönliches Interesse, Begehren fast. Aber der Moment der Erkenntnis, dass Precht für solche naiven Schwärmereien unerreichbar ist, führt zum Verschiss der Person, nicht zum Verriss des Buches.

Der Focus wird von Precht und Welzer in ihrer Medienkritik angegriffen. Das Blatt wehrt sich mit der Schlagzeile einer Glitzerparty-Autorin: „Wie Richard David Precht vom Philosophen zur Parodie-Vorlage mutiert.“

Aber wo bleibt Welzer? Die Konzentration auf Precht bestätigt die These: Hier ist eine Journalistin in Aufregung – ausgelöst ausschließlich von Precht als Person und nicht als Autor. Und der Focus benutzt nun diese emotionale Anspannung, um eine ernsthafte Auseinandersetzung zu umgehen, warum die Leitmedien ihre Rolle als Vierte Gewalt auf dem woken Altar geopfert haben.

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