Diese Geschichte kann man nur mit Popcorn und von der Seitenlinie aus betrachten. Zu provinziell, zu viele Eitelkeiten und zu viele Protagonisten, die jeder für sich auch in eigener Mission unterwegs sind.
Dazu gehört eine Redakteurin, die sich schon jahrzehntelang mit den künstlerischen Ambitionen ihrer Braunschweiger Mitbürger herumschlagen muss. Sicher eine Mammutleistung, sich jeden Furz, der Musik genannt werden will, anhören zu müssen - samt der dazugehörigen Verdauungsgeschichte obendrauf.
Dazu gehört ein Braunschweiger Musiker und Produzent mit dem beeindruckenden Namen Billy Ray Schlag.
Und dazu gehört kein Geringerer als der afroamerikanische Weltstar Kayne West. Er gilt als der prägende Musiker der Hip-Hop- und Popmusik des 21. Jahrhunderts.
Gleich werden die hier Vorgestellten in einer verrückten Provinzposse auf derselben Bühne stehen.
Aber vorher noch einmal kurz zum Angeln nach Norwegen. Dort nämlich feierte ich vor einigen Jahren Geburtstag und meine Frau schenkte mir das gerade erschienene Kayne-West-Album „Yeezus“. Ein Album wie ein musikalischer Quantensprung und Kayne West auf dem Höhepunkt seines Schaffens angekommen. Vergleichbar in seiner Grandiosität mit dem bahnbrechenden 1981 erschienen Projektalbum „My Life in the Bush of Ghosts” der Musiker Brian Eno und David Byrne.
Die Kayne West CD lief im Norwegen-Urlaub 14 Tage lang rauf und runter, keine Makrele am Haken, die nicht als Requiem noch ein paar Takte Kayne West hören durfte.
Ich weiß nicht genau, ob das noch vor dem Bruderkuss zwischen Donald Trump und Kayne West im Oval Office des Weißen Hauses war oder doch danach.
Aber jetzt schnell von Trump und vom Angeln zurück zu dieser schrillen und ziemlich verknoteten Braunschweiger Provinzgeschichte. Ein Eiertanz für jeden Journalisten. Denn hier kommen so viele Dinge zusammen, dass man die Knoten gern mit dem Säbel, sprich mit ein paar rüden Worten zerschlagen möchte, aber jeder Beteiligte hat nun mal ein Recht darauf, so fair wie möglich vorgestellt zu werden.
Fangen wir mit Billy Ray Schlag an, das muss ein ziemlich cooler junger Künstler sein, der es tatsächlich geschafft hat, am Album „Vultures I“ des Rapstars Kanye West mitzuarbeiten. Davon träumen andere, das entspricht in etwa der Idee, als Schauspieler am Braunschweiger Staatstheater plötzlich von Hollywood angerufen und eine Rolle neben den ganz großen Leinwandstars angeboten zu bekommen.
In der Mini-Version ist das einmal einem Braunschweiger Szenekneipenwirt gelungen, der seine Kneipe verkaufte, Schauspielunterricht nahm und sich Jahre später in der Rolle des Bösewichts in einem James-Bond-Streifen wiederfand.
Und es erinnert an diese unscheinbare Wiese im kleinen Harzer Städtchen Bad Grund mit Blick auf die Grube „Hilfe Gottes“, ein von Gott vergessenes Stück Land auf dem Abraum von hundert Jahren Bergwerk, und ohne jede Vorwarnung steht da plötzlich George Clooney an der windschiefen Birke und erleichtert sich. Die Bad Grundner überlegten tatsächlich exakt dort an dieser Stelle ein Denkmal aufzustellen – oder so ähnlich. Clooney hatte einige Szenen seines „Monuments Men“ in Bad Grund gedreht, in der Gastwirtschaft hängt seitdem ein Foto des Weltstars.
Warum hier so ausführlich erzählt wird, wo Clooney sein Wasser abgeschlagen hat? Einfach um die Dimension des Deals zu begreifen, den der pfiffige und für Kanye West so überaus talentierte Braunschweiger ergattert hat. Das ist mehr als ein Oscar, ein Grammy, ein Nachwuchs-Echo und ein MTV-Musik-Award zusammengenommen, das ist normalerweise die Eintrittskarte dorthin, wo Ruhm und Ehre in Marmor gemeißelt werden.
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Normalerweise. Wären da nicht diese schlimmen Vorwürfe gegen Kayne West, ein Antisemit und Rassist zu sein. Das „Simon Wiesenthal Center“ platzierte West gar auf seiner Liste der „zehn schlimmsten antisemitischen Verunglimpfungen“ des Jahres 2022. An vergleichbarer Stelle stand auch schon der deutsche Verlegersohn Jakob Augstein, ohne dass man bis heute genau weiß, warum eigentlich. Die Äußerungen von Kayne West sind allerdings vielfach belegt.
Für die Geschichte hier wichtig zu erwähnen: Ende Dezember 2023 veröffentlichte West auf Instagram einen Post auf hebräisch, entschuldigte sich umfangreich und versprach, sich in Zukunft zu bessern.
Und jetzt kommt die Braunschweiger Redakteurin wieder ins Spiel. Die nämlich empörte sich in ihrer Zeitung über den heimischen Produzenten, der es gewagt hatte, die Chance seines Lebens anzunehmen, der demnach nicht die Eier habe, seinen Hauptgewinn auszuschlagen, weil dieser aus megaprominenten zwar, aber eben aus den falschen, politisch nicht korrekten Händen kam.
Besagte Redakteurin leitete ihren Kommentar mit folgenden Worten ein:
„Wie schade: Billy Ray Schlag ist nicht mehr glaubwürdig.“
Und dann erinnerte sie ihre Leser daran, dass besagter Herr Schlag sich in seiner bisherigen Karriere stets im Kampf gegen „Diskriminierung, Rassismus, Antisemitismus und Sexismus“ engagiert habe. Ausgerechnet dieser Kämpfer für das Gute habe sich laut Redakteurin nun „mit dem Falschen eingelassen“.
Der Braunschweiger, so die Redakteurin weiter, sei doch immer für „Toleranz und Respekt“ eingetreten. Und sie lobt und erinnert an die größte Heldentat von Billy Ray Schlag in diesem Kontext:
„Er hatte mit einem raffinierten Coup dafür gesorgt, dass die AfD zeitweise keine Landesparteitage mehr in der Millenium-Halle in Braunschweig abhalten konnte.“
Das ist deshalb unter Braunschweigern noch einmal ein besonderes Schmankerl, weil die Redakteurin hier mit einer Auslassung glänzt: Diese besagte Millenium-Halle ist selbst ein skandalträchtiges Gebäude, gebaut auf einem gigantischen Müllberg, der als Amphitheaterbau ausgewiesen wurde, nur um immer noch mehr kostenpflichtigen Müll anzukarren oder so ähnlich.
Aber das wäre dann schon wieder die nächste verrückte Geschichte, die hier nicht weiter ausgeführt werden soll.
Aber fair ist fair: Jetzt gab die Zeitung Herrn Schlag Gelegenheit, sich zu seinem Sündenfall selbst zu äußern, seine Widerworte wurden ungekürzt abgedruckt. Billy Ray Schlag schrieb, selbstverständlich seien Kaynes Aussagen inakzeptabel. Dann versucht der Braunschweiger aber doch irgendwie eine Erklärung zu finden und meint, das Kayne wohl so etwas wie ein Ozzy-Osbourne-Gen habe, der bekannte Rockstar habe früher auch einen auf Satanisten gemacht und Gewalt verherrlicht.
Schlag schreibt weiter:
„Um die Thematik Kanye West zu verstehen, muss man gleichzeitig wissen, was er nach wie vor für eine Bedeutung für die afroamerikanische Hip-Hop-Kultur hat, und wie er stets seine Machtposition dazu nutzt, um für Schwarze Rechte einzustehen.“
Aber Machtpositionen nutzen andere auch. Die Redakteurin nutzt die ihre, um über den Fall anklagend zu berichten, und der Braunschweiger Künstler wiederum nutzte seine regionale Prominenz in der Vergangenheit dazu, der örtlichen AfD „mit einem raffinierten Coup“ die Austragungsorte für ihre Landesparteitage zu canceln. Die Cancel-Culture-Karawane zieht derweil weiter, demnächst bestimmt auch in Ihrer Stadt.
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Kommentar von Rainer Möller
Wäre es möglich, den "Kayne" konsequent überall in "Kanye" zu ändern?
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Kommentar von Karl Georg Lempenheimer
Die Cancel Culture ist einfach nur krank. Das Schlimmste daran: Die Cancler wollen, dass man auch krank wird. Man soll mitcanceln.
Was passiert denn durch Kontakt mit einem „Falschen“? Allein dadurch passiert rein gar nichts. Noch nicht einmal eine Identifikation mit ihm. Niemand kommt zu Schaden. Und dafür soll man abgestraft werden? Für nichts? Genau deshalb ist canceln krank. Vor allem auch, dass ständig nach Fällen gesucht wird. Was muss man für ein Mensch sein, dem ständig danach ist, Gift zu produzieren und damit auch noch Geld zu verdienen? Pfui Deibel!
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Kommentar von W. Köhler
Die Redakteurin darf dieser Meinung sein und sie selbstverständlich auch öffentlich verbreiten. Sie dürfen anderer Meinung sein und diese, zumindest noch, öffentlich verbreiten.
Ich denke wir sollten aufhören von anderen neutrale Informationen zu verlangen. In diesem Fall kann man ja sogar recht deutlich erkennen, das es sich um die Meinung der Autorin handelt.
Da ich persönlich möchte, dass jeder seine Meinung haben darf, egal ob sie mir gefällt oder nicht, mag ich dieses gegenseitige Wadenbeissen überhaupt nicht. Weder bei denen, dderen Meinung ich nicht mag, noch viel weniger bei denen, deren Meinung ich beipflichten kann.
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Kommentar von Perry Moppins
Blablabla - wer der totalitären Sklavenweltdystopie des Klima- und Migrations- etc. WEF / WHO / EU / NATO Fascho-Globalismus (wie damals der Herrschaft der Inquisition) nicht zustimmen will, der wird als 'Antisemit' gebrandmarkt und auf den wird mit der Natzikeule eingeschlagen, dabei sind die Truppen die hier alles terrorisieren und von oben bestimmen wollen, selbst die Nazis und deren Helfer.
Jetzt bitte "Knüppel aus dem Sack", wie im Märchen!
Ich habe den ganzen Dreck so dermaßen satt!
Satire!
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Kommentar von .TS.
Zusammengefasst: Buntistischer Büttelkünstler bekommt seine eigene Medizin verabreicht.
Selber schuld, kein Mitleid - ist mir nur recht wenn sich das geifernde politmediale Gespinst erfolgreich durch eigene Impertinenz selbst zersetzt.
Gibt zum Glück auch Künstler die sich solchem Gesinnungsgeist nicht verschuldet haben - werden von den Quantitätsjournaillen zwar weitgehend totgeschwiegen, aber es gibt sie, und sie verdienen unsere Unterstützung!
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Kommentar von Carl Peter
Der Kultur-und Künstler-Pranger der Menschenverachtung ist quasi endlos.
Da steht aber auch gleich am Eingang ein Windfähnchen, das immer zeigt, woher er denn weht, der Wind.
Und am Pranger steht nebeneinander, was liebt und hasst.
Und wenn man Glück oder Pech hat steht man als Russin Anna Netrebko, die bei Putin vorgesungen hat, neben dem Deutschen Wolfgang Niedecken, der von der Reichskristallnacht gesungen hat, und der Covid-Zwangsimpfung nichts entgegengesungen hat.
Seit Corona Stunde Null wird an den Pranger gestellt, was das Zeug hält.
Eigenartig ist dabei, dass für die einen Angeprangerte sichtbar sind, die für die anderen unsichtbar sind.
Da darf man armen kleinen Kulturredakteuren aber auch nicht abverlangen, dass sie alle zusammen sehen.
Die Prangerarbeit ist schwer genug, zudem es immer wieder vorkommt, dass sich selbst angeprangert wird.
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Kommentar von Bernhard Rossi
Joschka Büchs? Redakteurin? Mir egal!
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Kommentar von Red Marut Jr.
Tja. Wer mit dem Zeitgeist heult - ist für diesen ein leichtere Beute.
Der heutige Ungeist beginnt offensichtlich schon seine Kinder zu fressen. Immer ein gutes Zeichen, wenn er sich seinem Untergang nähert.
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Kommentar von Johannes Schumann
Würde er die Musik für einen Sixtus-Film komponieren, wäre die Aufregung nicht so groß.