Precht und Welzer gegen den Rest des verampelten Medienuniversums

Bei Lanz: Die Medienkritik „Vierte Gewalt“ klagt die Etablierten an und gerät selbst in Bedrängnis

von Alexander Wallasch (Kommentare: 2)

Die Einseitigkeit und die Regierungsnähe der Alt-Medien und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind kein Ergebnis des Ukrainekrieges.© Quelle: Lanz / ZDF/ Fischerverlag I Montage AW

Markus Lanz diskutierte am Donnerstagabend ein medienkritisches Buch von Richard David Precht und Harald Welzer. Aber „Die Vierte Gewalt“ kommt viele Jahre zu spät. Wer die Alt-Medien ernsthaft kritisieren will, der muss spätestens 2015 beginnen und nicht erst entlang einer erwartbar einseitigen Berichterstattung über den Ukrainekrieg.

Bettina Röhl und Wolfgang Brümmer haben ihre scharfe und umfassende Analyse von „Die Vierte Gewalt“ hier bereits vorgelegt. Bei Markus Lanz kommt es zum Showdown zwischen den Autoren Precht/Welzer und Vertretern der von ihnen kritisierten Medien.

Melanie Amann vom Spiegel ist ebenso dabei wie Robin Alexander von der Welt. Markus Lanz selbst ist hier aber kein neutraler Beobachter. Er ist Beteiligter. Seine Moderation gab oft Anlass für solche Kritik, wie sie im Buch formuliert wurde.

Wer wie Precht und Welzer im Jahr 2022 die Berichterstattung zum Ukrainekrieg zum Anlass nimmt, ein Buch zu veröffentlichen mit dem Titel „Die Vierte Gewalt – Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist“, der muss mit dem Vorwurf leben, einen sieben Jahre langen Winterschlaf gehalten und Zuwanderungskrise und Corona-Regime grandios verpennt zu haben.

Und war da nicht in einer anderen Zeit ein ehemaliger FAZ-Journalist, der mit „Gekaufte Journalisten“ eine Art Blaupause für Precht/Welzer hingelegt hatte? Macht es für Precht und Welzer Jahre später Sinn, eine weichgespülte Version des bösen Udo Ulfkotte abzugeben?

Beachtlich ist, dass „Die Vierte Gewalt“ heute beispielsweise mit Nils Minkmar (Zeit, FAZ, Spiegel, SZ usw.) einen der Antreiber der Demontage der Vierten Gewalt dazu bewegt, ausgerechnet bei Stefan Niggemeiers regierungsnahen „Übermedien“ gegen das Buch anzuschreiben. Und Minkmar macht das wie ein aufgescheuchter Hahn, wenn der Fuchs schon im Stall steht.

Denkwürdige erste Eindrücke bei Lanz schon nach etwas mehr als sechs Minuten: Welzer spricht und wird dabei eingerahmt von den bedröppelt in ihren Sesselschalen sitzenden führenden Leitmedien-Figuren Melanie Amann und Robin Alexander.

Die beiden haben weiß Gott in den letzten Jahren gelernt, fundamentale Kritik an ihrer Rolle in den regierungsnahen Leitmedien an sich abperlen zu lassen wie Schmutz vom Lotusblatt. Teflon-Journalismus nur deshalb, weil die Kritik vornehmlich von den alternativen Medien kam.

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Was Precht und Welzer da nun obendrauf machen, muss sich für die beiden jetzt anfühlen wie Friendly Fire.

Vorab gesagt: Die beiden Autoren von „Die Vierte Gewalt“ sind alles andere als zu den Alternativen konvertiert. Ihr Verlag sagt obendrein eine Interview-Anfrage der Alternativen Medien kurz und einsilbig ab und positioniert sich damit exakt dort, wohin eigentlich die Kritik von „Die Vierte Gewalt“ zielt. Wenn sie denn überhaupt wenigstens in ihrem Kern ernst gemeint war.

Tendenziell verstörend an der Diskussion bei Lanz ist, dass das Versagen der Vierten Gewalt diskutiert wird, als wäre es eine Art Entjungferung. Die allerdings passierte schon ab 2015 unter den Themen Zuwanderung und später Corona.

Interessanterweise nennt Melanie Amann die Altmedien, die sie heute als Mitglied der Spiegel-Chefredaktion mit anführt, „Qualitätsmedien“. Das allerdings nicht mehr zu sein, ist zentraler Kritikpunkt des Buches von Precht/Welzer.

Welt-Autor Robin Alexander schleppt seit Jahren diese vertrockneten Lorbeeren mit sich herum, einmal etwas Kritisches über Merkels Zuwanderung aufgeschrieben zu haben.

Oder nein, Herr Alexander hat mit „Die Getriebenen“ einen wichtigen Punkt gemacht, als er die Botschaft zwischen zwei Bestseller-Buchdeckel presste, dass die offenen Grenzen nicht geschlossen wurden, weil Merkel hässliche Bilder vermeiden wollte.

Auf dem Rücken dieser Heldentat tingelt Autor Robin Alexander nun seit Jahren durch die ÖR-Talkshows. Aber was ist bei ihm nennenswert Neues dazugekommen? Nichts. Da ereilt ihn in etwa das Schicksal von Drafi Deutscher, der immerzu nur „Marmor, Stein und Eisen bricht“ singen musste. Aber eins ist via Mattscheibe passiert: Der Welt-Autor ist den Zuschauern als ein Journalist mit altbacken-spießigen Attitüden bekannt geworden.

Bei Lanz lümmelt er dann im Drehsessel, als wäre es schon sein Wohnzimmer und lächelt dabei hochnäsig über Precht und Welzer hinweg, wenn die Kamera auf ihn fällt.

Welzer erzählt, er wundere sich, woher „dieser unfassbare Affekt“ gegenüber dem Buch in der Medienkritik kommt.

Da müssen Vertreter der Alternativen Medien allerdings laut lachen. Denn sie kennen von den Alt-Medien nur solche Diffamierungen, Denunziationen und Diskreditierungen. Alt-Medien, die – natürlich – von Melanie Amann beharrlich weiter „Qualitätsmedien“ genannt werden.

Bald spaßig wird es da, wo Robin Alexander einen Spickzettel aus der Tasche zieht – was allerdings, das wissen erfahrene Talkgäste wie er – ein No-Go ist. Täte das nämlich jeder, würde es ausufern hin zu einer wechselnden Vorleserunde.

Was liest Alexander ab? Er hat diverse Schlagzeilen der Welt mitgebracht, mit denen er allen Ernstes die Vielfalt der Meinungen der Alt-Medien belegen will.

Was ein großer Nonsens ist. Denn solche Alibi-Artikel sind ein beliebtes Stilmittel der Zeitungen. Warum Alibi? Alexander hätte erwähnen müssen, welcher seiner Artikel hinter der Bezahlschranke noch nie das Licht der Sonne gesehen hat. Dort fristen ganze Karrieren ihr Dasein, so wie die von Don Alphonso, der als Autor im Bauch der Welt versunken ist – hochbezahlt wahrscheinlich, aber von Normalsterblichen ungelesen.

Jetzt können Alexander und Amann noch so viel reden und ihrerseits versuchen, die Arbeit von Precht/Welzer zu diffamieren als schlecht belegt oder nur aus dem Bauch heraus.

Was sie nicht wegradiert bekommen, ist der viel besungene Elefant im Raum, hier in Gestalt der Alternativen Medien von Tichys Einblick über Achse des Guten bis zu alexander-wallasch.de. Hier sind wir und können nicht anders. Wir sind die Medien mit den Wachstumsraten, die Altmedien verlieren täglich Leser.

Die Lücke für die Alternativen Medien ist entstanden, weil die Alt-Medien so einseitig berichtet haben. Das aber bestreiten Amann/Alexander vehement. Aber was sie verrät, ist ihr verbales Synchronschwimmen, welches automatisch die Masterthese in „Die Vierte Gewalt“ bestätigt.

Aber: Precht und Welzer sind alles andere als Kritiker der Etablierten. Die beiden – insbesondere Precht – sind erst in dem Moment mit ihrer Medienkritik aus der Geborgenheit der Etablierten aufgewacht, als es ihnen persönlich an den Kragen ging. Als Precht – zu seinem Erschrecken – für seinen Ukrainekurs angegriffen wurde.

„Die Vierte Gewalt“ ist eine große persönliche Abrechnung. Um ein großer Wurf zu sein, hätte das Buch mindestens fünf Jahre früher erscheinen müssen. Die Entdeckung des Punk fünfzig Jahre nach den Sex Pistols gewissermaßen.

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Die Vertreter der Alternativen Medien haben jeder Einzelne mehr Gründe, zum Taschentuch zu greifen. Aber nun kommt das Mimimi … ausgerechnet von Precht, dessen häufigster Satz in dieser Sendung in etwa so geht: „Das haben wir so nicht geschrieben, das habe ich so nicht gesagt …“

Im Verlauf dieser Fernsehsendung bekommt die Debatte immer neue skurrile und groteske Elemente: Hier haben sich alle Beteiligten darauf geeinigt, die so schwer kontaminierte Rolle der Alt-Medien in der Zuwanderungskritik und der Corona-Debatte einfach auszuklammern.

Aber damit ist die Diskussion unvollständig. Und um im Bild zu bleiben: Es wird über den Rüssel im Raum gesprochen, während der Elefant schon draußen sein gigantisches Häufchen macht.

Sowieso sind die Belege hinreichend bekannt und vorhanden: Exemplarisch kann man hier auf Giovanni di Lorenzo verweisen, der 2017 im Cicero eine Kritik an der Arbeit der Medien formulierte, wie sie schärfer kaum ausfallen könnte.

Und Kai Gniffke, ehemaliger Chef der Tagesschau/Tagesthemen, sprach 2018 von einem „missionarischen Eifer“ seiner Tagesschau, wenn es darum ging, die AfD als „rechtspopulistisch“ hinzustellen. Gniffkes Zitat erinnert – jetzt wieder bezogen auf die Lanz-Sendung – daran, dass es noch einen Unterschied gibt, der in der Talkrunde einfach unter den Tisch fällt: Nämlich den Unterschied zwischen privaten Alt-Medien und öffentlich-rechtlichen Medien. Letztere stützen noch einmal mehr die These einer regierungsnahen Berichterstattung.

Amann und Alexander sprechen für die privaten Alt-Medien. Lanz ist Vertreter des ÖR, zieht sich aber ausnahmsweise einmal auf seine Moderatorenrolle zurück.

Den weiteren Verlauf der Sendung können Sie gerne auf der Mediathek-Seite bei Lanz nachschauen https://www.zdf.de/gesellschaft/markus-lanz.

Ein erstes Fazit jedenfalls lautet, dass hier fünf Vertreter der Alt-Medien und des ÖR ein paar interne Quengeleien verhandeln.

Alle zusammen debattieren sie darüber, wie der beleidigte Precht wieder in den Schoß der Familie zurückzuführen ist. Ach, hätte er doch dieses doofe Buch bloß nicht geschrieben, meint man von den Gesichtern von Amann und Alexander ablesen zu können.

Ein weiteres Fazit vielleicht so: Die Einseitigkeit und Regierungsnähe der Alt-Medien und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind kein Ergebnis des Ukrainekrieges.

Weil aber die Autoren Precht und Wetzel diesen Eindruck erwecken wollen, werden Amann, Alexander und Lanz einen Teufel tun, die beiden daran zu erinnern, dass sich die Vierte Gewalt schon seit 2015 in einem anhaltenden Deformierungsprozess befindet hin zu regierungsnahen Einheitsmedien.

Und wer die Entstehungsgeschichte dieser Verwerfung umschiffen will, weil er nicht alle heißen Eisen (Zuwanderung, Corona, Ukraine) gleichzeitig anfassen mag, der scheitert damit.

„Die Vierte Gewalt“ ist in Deutschland mit ihrem Auftrag krachend gescheitert.

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