Maximilan Krah, der EU-Spitzenkandidat der AfD, reagierte via X auf eine Kritik an seiner Liebeserklärung für Erdogan so:
„Wallasch & Utlu – es wächst zusammen, was zusammengehört.“
Diesen Vorschlag nehmen Utlu und Wallasch gern auf. Im Interview sprechen sie auch über Maximilian Krahs wilde Erdogan-Schmuserei:
Sie wollten in die AfD eintreten und sind dort nicht angenommen worden?
So könnte man es ausdrücken, wobei viele in der Partei für mich waren, aber ein anderer Teil war eben nicht sehr zufrieden mit meiner Personalie und hat zwei Wochen lang heftigst gegen mich geschossen.
Jetzt ist es ja nicht so, dass ihnen der Parteieintritt verweigert wurde. Sie hatten ja auch ein Gespräch mit Frau Storch. Sie haben von sich aus dann gesagt, der Gegenwind war unerwartet ...
Dass ich Gegenwind bekomme, das war mir bewusst. Die Menge an Gegenwind hat mich überrascht. Und wenn ich in eine Partei eintrete, möchte ich mich für diese Partei einsetzen und für ihre Themen. Wenn aber alles darauf hinausläuft, dass ich innerhalb dieser Partei Grabenkämpfe führen muss oder nur damit beschäftigt bin, mich zu verteidigen, dann finde ich in dieser Partei keine Heimat, dann möchte ich das einfach nicht.
Sie sind eine Größe auf X. Wie würden Sie sich da selbst definieren?
Neumodisch sagt man Influencer. Das hat sich bei mir über Jahre aufgebaut. Ich war auch in anderen Parteien, das ist ja bekannt. Darüber werden viele Witze gemacht. Ich war beispielweise bei den Piraten der Queerbeauftragte und ich habe da regelmäßig meine Erdogan-Kritik geäußert und einen Fanclub oder eine Gefolgschaft aufgebaut, wie man das auch immer nennen will.
Sie sprachen von ihrer Erdogan-Kritik. In der Sache sehen wir einen Graben innerhalb der AfD. Sie sprechen einerseits mit Beatrix von Storch, die sie zum Gespräch einlädt. Und dann haben wir auf der anderen Seite Maximilian Krah, Spitzenkandidat der AfD zur EU-Wahl, der Erdogan gerade unaufgefordert einen Strauß Rosen angereicht hat. Wo stehen sie da zwischen diesen beiden Stühlen?
Ich bin ein absoluter Erdogan- Gegner. Erdogan hat mich zweimal verklagt. Ich kann aus diesem Grund seit 14 Jahren nicht mehr in die Türkei reisen. Ich wurde vom deutschen Staatsschutz gewarnt, in die Türkei einzureisen. Die hatten mir erklärt, dass ich eben diese Klagen von Erdogan am Hals habe. Ich stehe als türkischer Demokrat auf der Erdogan gegenüberliegenden Seite. Das war ein Schock für mich. Diese Sache mit Herrn Krah, die war mir überhaupt nicht bewusst gewesen bei meiner Antragsstellung. Ich wusste auch nicht, wer das ist. Ich habe das zunächst am Rande mitbekommen, bis ich dann ein Video von ihm gesehen habe, wo er gesagt hat, Erdogan ist nicht unser Feind, Patrioten sind nicht unsere Feinde. Das hat mich schockiert.
Ein Haus am Bodensee und eines in Antalya. Welches würden Sie lieber nehmen?
Da, wo ich in Freiheit leben kann. Also natürlich am Bodensee und am besten mit Blick auf die Insel Mainau.
Lieben sie Deutschland?
Natürlich liebe ich meine Heimat.
Sie sind in Deutschland geboren ...
Ich bin hier geboren, ich bin Hesse. Odenwälder, um genau zu sein. Und Deutschland ist meine Heimat. Deutsch ist meine native Sprache, und darum bin ich diesem Land sehr verbunden.
Sind sie traurig darüber, dass sie nicht so gut türkisch sprechen?
Das Türkisch setze ich kaum ein, eigentlich überhaupt nicht mehr. Ich habe keinen Bezug mehr zu diesem Land.
Wie teilt sich ihr Freundes- und Bekanntenkreis auf, was Deutsche und Türkischstämmige betrifft? Fünfzig-Fünfzig?
(lacht) Ich habe einen türkischen Bekannten, ansonsten habe ich mit Türken privat überhaupt nichts mehr zu tun seit dieser Sache mit Erdogan.
Ist es noch schwieriger, als türkischstämmiger Deutscher schwul zu sein?
Da ist auf keinen Fall dasselbe, weil einfach der kulturelle Hintergrund noch mit hineinspielt und man von türkischer Seite zu 90 Prozent Ablehnung und Hass bekommt. Das hat man auf deutscher Seite nicht, weil hier Schwule mehr oder weniger dazu gehören und auch nicht mehr speziell sind. Das spielt im Privatleben fast keine Rolle mehr, ob ich jetzt schwul bin oder hetero. Das kann man von der türkischen Community nicht sagen. Leider müssen die Schwulen und Lesben in der Türkei immer noch für ihre Rechte kämpfen. Die liegen damit zwanzig oder dreißig Jahre hinter uns.
Gibt es nicht in Istanbul und anderswo in der Türkei eine starke schwule Community?
Es gibt in der Türkei Schwulenbars, Schwulensexclubs, Schwulendiscos, Schwulensaunas. Ja, das gibt's dort alles. Aber seitdem Erdogan an der Macht ist, wird gegen Schwule gehetzt. Was merkwürdig ist, denn es existieren von der AKP Broschüren, die sich explizit an diese Community wenden, die explizit um die Stimmen dieser Menschen geworben haben.
Als Schwuler kann man sich sein Schwulsein ja nicht aussuchen. Haben sie manchmal das Gefühl, dass es irgendjemand mit ihnen ein bisschen zu gut gemeint hat: Türke in Deutschland, Atheist, schwul ...
(lacht) Es macht mich zumindest einzigartig ...
Weiterlesen nach der Werbung >>>
Ihre Unterstützung zählt
Oder hängt das eine mit dem anderen zusammen?
Natürlich. Dass ich meine Religion verlassen habe, hängt auch mit meiner Homosexualität zusammen. Ich kann nicht einer Ideologie oder einer Religion angehören, die mich verachtet oder gar töten will.
Nochmal zurück zu ihrem Versuch, in die AfD einzutreten. Haben Sie hier nicht ein bisschen zu früh den Schwanz eingezogen?
Das könnte man meinen, aber ich bin jetzt alt genug, um zu sagen, dass ich nicht mehr innerhalb einer Partei kämpfen will. Ich möchte in einer Partei arbeiten, die Themen voranbringen. Und wenn es da so viel Ablehnung gibt und ich in dieser Ablehnung praktisch nur auf meine Nationalität und Sexualität reduziert werde, dann sehe ich leider in dieser Partei keine Zukunft. Natürlich hätte ich auch eintreten können, aber was hätte mir das denn gebracht?
Was war denn überhaupt der Anlass, eintreten zu wollen? Das würde mich mal interessieren. Als schwuler, atheistischer Türke ist die AfD nicht unbedingt die erste Wahl. Da denkt man eher an die Grünen oder die Linkspartei ...
Nein, das sind die, die mich eher ablehnen, weil ich dem Islam ablehnend gegenüberstehe. Es gibt in Deutschland keine Partei, die sich dem Islamismus und dem politischen Islam entgegenstellt. Im Gegenteil, fast alle Parteien sind selber verseucht von Islamisten, das sind ja sehr viele ...
Welche Parteien sollen das sein? Die CDU?
Ja, selbst in der CDU. Herr Wüst und sein Vorgänger Laschet haben sich beispielsweise mit Vertretern der Grauen Wölfe getroffen. Auch mit Islamisten. Da gibt es Bilder, wie man gemeinsam feiert. Deswegen war für mich der Wunsch, in die AfD einzutreten, eine Art Notwehr. Ich wollte damit zeigen, dass sich alle anderen Parteien dem Islam anbiedern und sogar Kritik an den Auswüchsen des Islams verbieten. Da wird man als Nazi dargestellt. Die AfD – so dachte ich jedenfalls – ist die einzige Partei, die dieses Themenfeld genauso bearbeitet hat wie ich auch.
Wenn man diesen Streit um Ihren Aufnahmeantrag bei der AfD in den sozialen Medien mitverfolgt hat, hätte man auch den Eindruck kriegen können, dass Ihre Gegner in der AfD doch eine gewisse Minderheit sind. Hätte man die nicht isolieren können? Zum Beispiel die Abgeordnete Beatrix von Storch hat mit ihnen ein längeres Gespräch geführt und so signalisiert, dass man zu Ihnen steht. Haben Sie die Flinte zu früh ins Korn geworfen?
Haben sie einen Tweet eines Mandatsträger gesehen, der mich in Schutz genommen hat, der gesagt hat, der Herr will uns beitreten, wir begrüßen das, lasst ihn in Ruhe?
Warum glauben Sie, haben bestimmte AfDler Sie abgelehnt? Weil Sie ein türkischstämmiger schwuler Atheist sind? Oder doch mehr, weil Sie ein streitbarer Influencer sind? Hat die AfD vielleicht mehr Angst vor einem streitbaren Geist als vor einem schwulen türkischstämmigen Mann?
Im Nachgang kann ich wohl sagen, dass man wohl Angst davor hatte. Ich bin bekannt dafür, auch Parteien zu kritisieren, in denen ich Mitglied bin. Wenn ich sehe, dass da eine Entwicklung ist, die falsch läuft, dann spreche ich das an. Da kenne ich keine Vasallentreue. Wenn eine Partei sich zum Besseren wenden muss, muss sie auch Kritik ertragen. Und natürlich gab oder gibt es Teile der AfD, die ich kritisiert hätte, auch innerhalb der Partei. Ich hätte das direkt angesprochen. Zum Beispiel, was den „Flügel“ der AfD angeht.
Jetzt haben Sie ja mit Ronai Chaker, der Frau des AfD-Bundestagsabgeordneten und Gesundheitsexperten Martin Sichert, eine starke Mitstreiterin gewonnen, die Ihnen zur Seite gesprungen ist und die selbst einen Antrag zur Aufnahme in die AfD gestellt hatte aber abgelehnt wurde. Da muss man sich dann schon ein bisschen wundern ...
Ja, wobei ich sagen muss, dass der Fall Chaker und meiner komplett getrennt sind. Sie sind gleichzeitig aufgetreten, aber völlig unabhängig voneinander. Ich kenne Ronai privat überhaupt nicht, ich kenne sie nur über X. Sie hatte dort auf diese Hasspostings gegen mich solidarisch reagiert. Ich finde es allerdings merkwürdig, dass sie schreibt, dass ihr Antrag abgelehnt wurde, und veröffentlicht das Schreiben dazu, und am nächsten Tag war das alles nur ein Kommunikationsfehler. Sie hat ihren Post gelöscht, und ja, das riecht komisch.
Kann es sein, dass die AfD sie unterschätzt hat? Hätten Sie der Partei nicht auch ein paar neue Communitys öffnen können?
Natürlich. Dass ich einen gewissen Impact habe in Deutschland, merkt man ja auch daran, dass vieles, was ich mache, auch von der Presse immer wieder begleitet wird, ohne dass ich auf die Presse zugehe. Als ich den Rücktritt von der Mitgliedschaft twitterte, haben ja direkt mehrere Zeitungen und Magazine darüber berichtet. Der AfD sollte bewusst sein, dass sie durch mich jemanden verloren haben, der einen positiveren Blick auf diese Partei nach außen hätte senden können.
Was konkret schätzen Sie an der AfD, warum ist die AfD wählbar? Warum soll man sie wählen? Geht es nur um Zuwanderung? Was sind da Ihre Themen?
Wie schon gesagt, erst einmal natürlich die Islamkritik. Was die Einwanderung anbetrifft, ist die AfD eine Partei, die das beschränken will und diejenigen, die ausreisepflichtig sind, dann auch wirklich ausreisen zu lassen. Das sieht man ja bei allen anderen Parteien nicht. Ich komme ja von der FDP, ihr gegenüber ist auch die AfD sehr neoliberal. Sie ist programmatisch neoliberaler als die FDP. Man mag es nicht glauben, das ist aber so. Und auch von der Außenpolitik war ich angetan. Das sind so die Hauptthemen.
Wo sehen sie die AfD in zehn Jahren? Wo sehen sie Deutschland in zehn Jahren? Wo sehen sie sich selbst in zehn Jahren?
Das ist schwierig zu sagen. Bei der AfD werden bald offen Grabenkämpfe ausgetragen werden. Also, das wird schwierig. Die AfD kann auch abstürzen. Wenn diese Kräfte, die gegen mich gearbeitet haben, die Oberhand gewinnen, wird diese Partei für viele Menschen unattraktiv werden.
Wie kann man solche Grabenkämpfe innerhalb von Parteien beenden?
Das hat fast jede Partei schon probiert. Das wird einfach nicht funktionieren, und die Anonymität im Internet verleitet dazu, Dinge zu tun oder zu sagen, die man im normalen Leben Angesicht zu Angesicht nicht machen würde. Da wird mitunter das Schlechteste in den Menschen rausgekitzelt. Es funktioniert leider einfach nicht.
Die AfD-Führung hätte in meinem speziellen Fall einfach mal ein Machtwort reden sollen und ihre eigenen Leute zurückpfeifen. Das hat sie nicht getan. Daran kann man dann sehen, dass man so etwas nicht verhindern kann, wenn die Partei es nicht will.
Ist die AfD für Sie die letzte Chance für Deutschland?
Nein. Vielleicht die Partei von Krall oder die von Wagenknecht.
Ist die Massenzuwanderung unser größtes Problem?
Natürlich, das ist ja das, wofür ich auch kämpfe. Aber das betrifft ja nicht nur Deutsche, das verwechseln ja viele. Das betrifft ja auch die Migranten, die vor vielen Jahren hierhergekommen sind. Die leiden ebenso darunter. Die finden auch keine Wohnung mehr, die finden auch keine Arbeit mehr, oder ihre Töchter werden bedroht, wenn sie abends durch die Straßen laufen. Das ist ja nicht nur ein urdeutsches Thema, das betrifft ja jeden, der hier lebt.
Wenn mögen Sie besonders als AfD-Politiker?
Frau von Storch und Frau Weidel.
Danke für das Gespräch!
Einen Kommentar schreiben
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen. Aufgrund von zunehmendem SPAM ist eine Anmeldung erforderlich. Wir bitten dies zu entschuldigen.
Zur Anmeldung
Kommentare
melden
Kommentar von .TS.
Wo Influenzaer draufsteht sind Flitzpiepen und Unruhestifter drin.
Dieser Utlu überzeugt mich mit seinen WischiWaschi-Aussagen überhaupt nicht, solide Substanz sieht anders aus.
melden
Kommentar von Bernhard Rossi
Die Alternativen haben, wie Sportvereine, Musikvereine, Kirchenchöre, Altparteien usw. Nachwuchsprobleme. Da erweist sich eben nicht jedes neu geworbene Mitglied als geeignet. Schwamm drüber!
melden
Kommentar von Paul
Die Überschrift finde ich polemisch und irreleitend. Insbesondere, weil Herr Utlu im Interview selbst sagt, daß die in der Überschrift verwendeten Schlagwörter wohl nicht die Gründe für die Kritik an ihm sind.
Allerdings verstehe ich die Teile der AFD, die Herrn Utlu so vehement ablehnen, ebensowenig.
Mit Herrn Krahs Taten und Überzeugungen habe ich mich noch nicht auseinandergesetzt. Das, was ich hier lese, gefällt mir jedenfalls erst mal weniger. Die AFD kann nicht den Islam kritisieren und zugleich pro-Erdogan sein. Da verstrickt sie sich in Widersprüche, aus denen sie nicht mehr herauskommt.
Mir hat gefallen, daß Herr Utlu den liberalen Hintergrund der AFD genannt hat. Es ist das erste Mal, daß ich jemanden das so sagen höre. Wenn ich an Forderungen wie die nach Volksabstimmungen, mehr Basisdemokratie allgemein und Steuersenkungen denke, muß ich ihm recht geben.
Weniger gefallen hat mir seine Kritik am "Flügel". Mir fehlt nach wie vor ein substantieller Beitrag (von einer objektiven Person), was dieser Flügel ist, was er so Schlimmes fordert und wo sich seine Themen im Wahlprogramm der Partei wiederfinden. Dieser "Flügel" wird mir zu oft als Schlagwort verwendet.
Insgesamt denke ich, daß die AFD hier eine Chance hat liegen lassen. Das ist jedenfalls mein erster Eindruck.
melden
Kommentar von Ole M.
"Zu schwul, zu türkisch, zu anti-muslim: Die AfD verscheucht Influencer Ali Utlu"
Weshalb kommt ein kluger Mann wie Herr Wallasch überhaupt auf so eine völlig unbedeutende politische Randnotiz?! Es gibt bekanntlich viele jüdische und sicher auch türkischstämmige Parteimitglieder der AfD. Dieser Influenzer, der davon lebt genau das zu machen, was hier völlig pillepalle passiert. Was soll das??? Der Mann will Aufmerksamkeit, Klicks. Dem geht es doch nicht um die AfD. Was ist mit Herrn Wallasch los???
melden
Kommentar von Bernd Neumann
An der, bislang eher nur AfD-intern geführten Debatte über den Parteieintritt von Ali Utlu entzündet sich eine Debatte, wie sie derzeit auch, wenn auch mit zahllosen Tabus und Sprechverboten belegt, Frankreich, Großbritannien und die Niederlande – also die europäischen Hauptzielländer für Armutszuwanderung aus der Dritten Welt – führen: Was ist ein Deutscher (bzw. Franzose/Brite/Niederländer)?
KANN Ali Utlu ein Deutscher sein? Oder aber: Ist die AfD weniger eine neurechte, oder russizistische, oder konservative Partei (oder eine nationallinke) Partei, sondern in erster Linie die Interessenvertretung der weißen „Bio-Deutschen“, bzw. die sich so definieren? Denn das, also ein Deutscher mitteleuropäisch-germanischer Abstammung, über 1000 Jahre die Definition des „Deutschen“ (lange bevor die Staatlichkeit 1871 hergestellt wurde), ist Ali Utlu eben nicht und wird es auch nie werden. Wäre die AfD die Partei der Bio-Deutschen, dann kann sie nicht die Partei der Türken sein, ob nun mit einem deutschen Reisepass ausgestattet oder nicht. Auch dann nicht, wenn diese Türken konservativ, anti-woke oder nationallinks wären.
Diese Frage kann nicht einfach weggewischt werden – jeder, der das letzte Fußballländerspiel zwischen der deutschen und türkischen Nationalelf in Berlin sah, weiß, als was sich die Türken in Deutschland sehen. Als was immer auch –als „Deutsche“ jedenfalls nicht. Und wer viel Umgang mit Zuwanderern hat, ob echte Ausländer oder „mit Migrationshintergrund“ weiß, daß das letztlich für alle Zuwanderethnien gilt, ob nun vom Balkan, Südeuropa, ja selbst die sogenannten „Rußland-Deutschen“, die nicht erst seit dem Februar 2022 sorgfältig Distanz zu Bio-Deutschen halten. Im Zweifelsfall ist und bleibt man Kroate, Pole, Grieche oder eben Türke – ob in Gelsenkirchen oder Saloniki, Krakau, Taschkent oder Izmir geboren. Das ist nicht nur bei Fußballweltmeisterschaften so – aber ist nicht bereits die geringe Bereitschaft, sich mit der hiesigen Nationalmannschaft zu identifizieren (was bis 2016 definitiv nicht an schlechter Leistung lag) verräterisch?
Der britische Premier Rishi Sunak hat neulich seine Innenministerin Suella Braverman gefeuert, wegen vermeintlich rassistischer Bemerkung über Einwanderer, ihrer Arbeitsmoral, sie bestritt ein Recht für jedermann, nach Großbritannien einzuwandern.
Doch Sunaks Begründung war vordergründig. Worum geht es wirklich? Nämlich um die Frage: Kann jemand, der von Pakistanern abstammt und Rishi Sunak – und eben nicht Brian Smith – heißt, ÜBERHAUPT ein Brite sein? Was ist überhaupt ein „Brite“? Und daher – was ist ein „Deutscher“? Denn hätte Sunak Braverman mit ihren Aussagen durchkommen lassen, hätte er letztlich zurücktreten und sein Rückflugticket nach Karachi buchen können. Daran ändert auch nichts, daß Braverman ebenfalls keine weiße Britin ist.
Die gewollte und überwiegend über ein überdehntes und als generelles Zutrittsrecht umgedeutetes Asylrecht organisierte Ansiedlung von Millionen von Einwanderern aus dem islamischen, afrikanischen und ostasiatischen Raum, in GB zusätzlich aus der Karibik, folgt dem linksliberalen Leitbild einer multikulturellen Identitätsgesellschaft, die Staaten nur noch die Rolle von Sozialhotels zuweist, deren einziger Daseinszweck ist, die Zuwanderung für die Ankommenden so sanft und angenehm wie möglich zu gestalten. Dabei gibt es aber eine Einschränkung: In der Identitätsgesellschaft ist das Pflegen der eigenen Identität nur den Zuwanderern und deren Nachkommen erlaubt. Den Alt-Einheimischen, also Deutschen germanischer Herkunft oder Briten angelsächsisch-keltischer Herkunft, wird dies grundsätzlich verwehrt. Jeder Versuch, auch für sich eine Identität zu reklamieren, wird als rassistisch und unberechtigt abgebügelt. Eigentlich gibt es sie als Entität gar nicht.
Daher also die Frage: WENN Ali Utlu ein „Deutscher“ ist – was ist dann Alexander Wallasch oder ich? Türke, soviel ist sicher sind, wir beide nicht, unsere Vorfahren lebten (soweit ich das vom Herausgeber weiß) nicht in Anatolien. Warum schreibt der Vize-Chef der hessischen SPD, in Deutschland geboren, seinen Nachnamen Mansoori? Er ist iranischer Herkunft, im Original schriebe sich dieser Name in arabischer Schrift, warum also transkribiert er in Deutschland auf Englisch? Also nicht als „Mansuri“? Nun, weil das Persische eben in englischer Schreibweise in lateinische Schrift transkribiert wird, und dann wird ein „u“ eben „oo“ geschrieben. Doch halt. Will Herr Mansoori nicht ein „Deutscher“ sein? Was also an ihm ist „deutsch“, wenn sein Name ohne Not persisch auf Englisch ist? Ist ein in Deutschland in 3. Generation geborener Mensch türkischer Herkunft wirklich deutsch, wenn er weiterhin einen türkischen Namen bekommt und als Kleinkind seine Mutter mit „Ännä“ anstatt „Mama“ anredet? Reicht es, Deutsch nach Stufe B2 zu sprechen (also zu radebrechen), um Deutscher zu sein?
Aber wenn das so wäre, erneut die Frage: Was sind dann „deutsche“ Deutsche? Wenn es Deutsch-Türken gibt, warum sollen dann die 68 Millionen germanischen Deutschen in Deutschland so tun, als seien sie irgendwie gar niemand? Außer ewige Nazis mit neuerdings auch noch kolonialer Erbschuld?
Das sind eben keine Spitzfindigkeiten. In der AfD ist die Mehrheit der Mitglieder atheistisch, die Vorsitzende ist eine Lesbe, daß man ihm das vorhält oder ihn deswegen nicht haben will, ist Bullshit. Vielleicht wäre er auch Mitglied geworden, wenn wir nie einen Mesut Özil gehabt hätten, wenn die Türken in Deutschland nicht auf die deutsche Nationalmannschaft sch… würden, wenn man Erdogan nicht zujubelte – aber so ist es nun einmal. Und sie sind nicht allein.
Blut ist dicker als Wasser. Wenn die dünne Firniß der Zivilisation fällt, zählt kein Sozialstaat oder ein „Grundgesetz“ sondern nur die Sippe oder Ethnie. Syrien, Jugoslawien. Spanien, Afghanistan, you name it.
Sunak mußte also Braverman feuern, sonst wäre er in unmittelbaren Zwang geraten, sich als Pakistani und nicht als Brite zu sehen. Doch das sind Rückzugsgefechte. Ein „Melting Pot“ werden die europäischen Staaten mit Masseneinwanderung nicht mehr. Man mag Ali Utlu unrecht getan haben. Aber Familie zählt nun einmal. Und sich bin mir sicher, das wird noch zunehmen, wenn die deutsche Mittelschicht den Traum vom postnationalen Weltbürgertum ausgeträumt hat, weil niemand sie als Bürger haben wollte, außer ihr Geld.
melden
Kommentar von Harald Wellmann
Ich finde es ohne Ansehen der Person immer ein bisschen problematisch, wenn jemand durch seinen Bekanntheitsgrad und direkte Kontakte zur Parteispitze eine Parteimitgliedschaft oder Kandidatur befördert.
Das gilt z.B. auch für Carola Rackete, die einfach mal so bei der Linken auf Listenplatz 2 für die Europawahl gesetzt wurde.
Mich hätte interessiert, ob Ali Utlu überhaupt mal den Kontakt zum zuständigen AfD-Kreisverband Köln und den Parteimitgliedern vor Ort gesucht hat. Wenn man in seinem eigenen Verband vernetzt ist und Rückhalt hat und sich dazu auch vor dem Parteieintritt ein Bild verschafft hat, dann kann es einem eigentlich ziemlich egal sein, was irgendwelche Pöbler, die es leider in jeder Partei gibt, über Twitter verbreiten. Es wäre aber etwas vermessen zu erwarten, dass sich gleich der Bundesvorstand öffentlich hinter einen stellt.
Zum Thema Erdogan: Wenn man Maximilian Krah unbedingt missverstehen will, dann macht er es einem natürlich sehr leicht. Seine Botschaft war aber schlicht, dass Erdogan der gewählte Präsident der Türken ist, dem deutsche Amtsträger mit Respekt auf Augenhöhe begegnen sollten, um deutsche Interessen zu vertreten.
Ich habe tatsächlich den Eindruck, dass ein Außenminister Krah das Zeug hätte, dieses Amt auszufüllen, und auch von einem Erdogan ernst genommen zu werden, ganz im Gegensatz zu der aktuellen Dilettantin.
Zurück zu Ali Utlu: Ich hätte seinen AfD-Eintritt begrüßt (wie ich auch auf Twitter schrieb), bin mir aber nicht mehr ganz sicher, ob die ganze Sache nicht eine kalkulierte Aktion à la "Zentrum für Politische Schönheit" war, um zu demonstrieren, wie homo-, islamo- oder Ali-phob die AfD ist.
Ich kann nur für meinen Bezirks- bzw. Landesverband sprechen, in dem wir einige aktive Migranten, Muslime oder auch Schwule wie mich haben. Auf der politischen Tagesordnung stehen aber meistens Themen, die mit dem eigenen Hintergrund gar nicht so viel zu tun haben. Darauf muss man sich halt einlassen wollen.
melden
Kommentar von Wally Wallner
Nachtrag: Auf was die Anmerkungen / Vermutungen "zu schwul" bzw. "zu islamkritisch" zurückzuführen sein sollen, erschließt sich mir nicht! Denn nach dem Gesetz (!) darf m.W. niemand wegen seiner sexuellen Orientierung oder seiner Glaubensausrichtung benachteiligt werden und es wird - soweit ich weiß - auch von der AfD so gehandhabt.
melden
Kommentar von Wally Wallner
Ich kenne Herrn Ali Utlu nicht , wie viele sog. Influencer mir nicht bekannt sind, weil ich keinen "Beeinflusser" brauche. Wenn ich mir das Interview so durchlese, steigt in mir der Verdacht an, dass Hr. Utlu einfach auf einen fahrenden Zug aufspringen will/wollte. Natürlich ist es jedermanns Recht zu versuchen sich politisch zu engagieren. Man muss aber auch akzeptieren, dass gerade eine Partei wie die AfD sehr kritisch und vorsichtig mit neuen pot. Mitgliedern umgeht. Zu viele "U-Boote" sind vermutlich schon bei der AfD eingeschleust worden - wobei ich hier ausdrücklich Hr. U. nicht einen solchen Plan unterstellen will (wie gesagt - ich kenne ihn überhaupt nicht). Aber wenn jemand von der Piraten-Partei über die FDP kommt und von vornherein schon die Gefahr besteht, dass der Influencer seine Beinflussungsmöglichkeiten verwenden könnte um selbst ins Rampenlicht (wieder?) zu kommen, dann muss man den Parteikremien ihre kritische Betrachtungsweise und letztendlich ihr Urteil auch zu schätzen wissen. Zu verlangen, dass zu eigenen Gunsten die Partei-Führung ein Machtwort hätte sprechen sollen, bestärkt mich in meiner Ansicht, dass man bei Neuaufnahmen - auch (Halb-)Prominenter - immer mit Vorsicht gehandelt werden muss und Mitgliedschaften von den entsprechenden Gremien abgewogen und dann entschieden werden müssen.