Im alten Haus meiner Großmutter, welches ihre Vorfahren nachweislich seit 1750 bewohnten, stehen bis heute die alten Betten der Großeltern. Ich erinnere mich sogar noch an die alten Matratzen. Es waren jeweils drei Einzelstücke pro Bett. In den graublauen Stoffen waren florale Muster in mattem Gold eingewoben.
Großmutter hatte noch einen Kopfkeil, ebenfalls in Matratzenqualität gefertigt. Großvater hatte zudem irgendwann vier Backsteine unter die Pfosten unterhalb des Kopfteils gelegt, „gegen das Sodbrennen“, wie er sagte. Der Oberkörper war dadurch nämlich etwas höher gelegen. Opa war Herrschaftskoch und hatte eine Magensache mit in die Pension genommen.
Heute liegen moderne Matratzen darin, die Betten stehen aber immer noch wackelfrei. Nur der Lack ist an der einen oder anderen Stelle etwas angeschlagen, man sieht daran, dass die Großeltern immer bemüht waren, mit dem richtigen Bein zuerst aufzustehen.
Ich erzähle Ihnen diese Vorgeschichte, weil eine Nachbarin mir gerade strahlend berichtete, sie habe ein Bett geschenkt bekommen. Auf Nachfrage ergibt sich folgender Sachverhalt:
Im Nachbarhaus war mal wieder Bettenwechsel angesagt, also wurde eines bei Otto bestellt. Ohne Matratzen ist das erschwinglich. Die sollten nochmal extra nach Angebotslage bestellt werden. Die Lieferung kam in zwei Paketen binnen einer Woche. Otto liefert im Auftrag eines Verkäufers. Aber damit wollen wir uns hier gar nicht länger aufhalten, es ist wohl so etwas, wie ein Shop-im-Shop-System.
Jedenfalls stand die Nachbarin vor den beiden großen Paketen, öffnete eines um schnell enttäuscht festzustellen, dass die Maße, die Farbe oder sonst etwas nicht passten. Umtausch war angesagt. Nichts Außergewöhnliches, die Retourescheine sind schnell ausgedruckt, aber wo genau sind sie zu finden?
Also, so erzählt sie weiter, schrieb sie eine E-Mail mit der Bitte um Retoure bei Otto. Der Versand spielt hier stille Post für den Betten-Shop und der schreibt über Otto zurück:
„Hallo, vielen Dank für Ihre Nachricht und es tut uns leid, dass das Produkt nicht ihren Erwartungen entsprochen hat. Wir können Ihnen 50 Euro als Entschädigung anbieten. Ist das in Ordnung? Mit freundlichen Grüßen“
Nachbarin versteht nicht sofort, was überhaupt gemeint ist. Es muss wohl so sein, dass der Shop im Otto-Shop ihr angeboten hat, 50 Euro zu schicken, wenn sie das Bett doch behalten will. Das möchte sie aber nicht und teilt es Otto auch gleich mit.
Weiterlesen nach der Werbung >>>
Ihre Unterstützung zählt
Dann erreicht die Nachbarin eine weitere von Otto umgeleitete E-Mail des Betten-Shop. Ihr wird jetzt mitgeteilt, dass die Erstattung des Betrages vorbereitet und das Geld überwiesen wird. Und was das Bett und die Rücksendung betrifft, wird die Nachbarin gebeten, es nicht zurückzusenden, sondern einfach selbst zu „entsorgen“.
Die Wegwerfgesellschaft in Reinkultur.
Nicht einmal mehr das Unternehmen selbst glaubt noch an die Qualität ihrer Produkte. Eine Rücknahme lohnt nicht; das Porto, die Neuverpackung und Prüfung des Inhaltes des einmal entpackten Bettes sind nicht rentabel. Auch sind solche Unternehmen an staatlicherseits viel engmaschiger überprüfte Entsorgungssysteme gebunden, sodass die Eigenentsorgung mit mehr Aufwand verbunden ist als bei meiner Nachbarin.
Die ganze Bigotterie wird da erkennbar wo parallel Obst und Gemüse in Supermärkten nicht mehr „entsorgt“ werden darf und sich ganze Unternehmenszweige darum gebildet haben, etwa abgelaufenes und vereinsamtes Gemüse preiswerter abzugeben und dieses Geschäft obendrein als „nachhaltig“ zu labeln.
Ich verrate wohl nicht zu viel, wenn ich weitertratsche, dass meine Nachbarin das Bett jetzt auf Kleinanzeigen eingestellt hat. Für sie hat es sich demnach richtig gelohnt, jedenfalls dann, wenn sich ein Abnehmer findet.
Und um den Bogen zu bekommen: Das Bett der Großeltern quietscht nicht, wen man sich darin dreht. Was hier im Fachwerkhaus Geräusche macht, ist der alte Dielenboden darunter, der jede Bewegung einfach in das alte Gebälk weiterleitet. So ein altes Haus ist halt eine richtige Persönlichkeit mit Eigenleben. Inklusive zweier uralter solider Bettgestelle.
Einen Kommentar schreiben
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen. Aufgrund von zunehmendem SPAM ist eine Anmeldung erforderlich. Wir bitten dies zu entschuldigen.
Zur Anmeldung
Kommentare
melden
Kommentar von christian krull
bei mir war es noch schlimmer. ich habe ein möbel -einzelteile jeweils akkurat in noppenfolie eingeschlagen- völlig zerstört mit bestoßungen, abplatzungen beulen ua. erhalten. in worten: ein unbrauchbares zerstörtes produkt wird im werk verpackt und versendet. kaufpreis rückerstattet und durfte aber auf eigene kosten entsorgen. das kommt davon, wenn waren im urwald produziert werden und mit eselskarren zum containerschiff gekarrt werden. da behaupte noch jemand, dass die sklaverei abgeschafft wäre...
melden
Kommentar von Siggi S.
Ich war sehr lange Kunde bei denen, bis vor kurzem meine Bestellungen aus unerklärlichen Gründen nicht mehr angenommen wurden. Auf Nachfrage diesbezüglich wurde mir erklärt, das man mir aus Datenschutzgründen keine Auskunft geben könne. Habe dann bei diesem mit vermutlich völlig verblödeten Personal besetzten Konzern die Kündigung eingereicht. Die gehen mir aus verschiedenen Gründen schon länger auf den S.... und da bin ich glaube ich nicht der einzige.
melden
Kommentar von Rothaut
Bei arroganten, woken Versandfirmen wie Otto würde ich nie kaufen. Wer sich bei Otto über das Gendern beschwert wird ohnehin aufgefordert dort nicht zu bestellen.
melden
Kommentar von Petra Wilhelmi
Da hat die Dame aber wirklich Pech gehabt. Bei Möbeln ist mir das noch nicht passiert. Bei kleineren Sachen schon. Da hat sich die Mühe, etwas zurückzuschicken für den Anbieter nicht gelohnt. Den Kundendienst speziell bei Otto kann ich nur loben. Dort kaufe ich i.d.R. Möbel/Betten, wenn etwas kaputt ist. Solange hält ja heutzutage nichts mehr. Man kann das nicht mit früher vergleichen. Möbel gehen bei Otto im Prinzip meist heutzutage über den Marktplatz, wo auch z.B. polnische Firmen involviert sind. Wenn man den Aufbauservice mitbestellt, hat man ja sofort die Kontrolle über das gelieferte Teil. Ohne Aufbauservice bestelle ich nichts. Die Unternehmen, die an den Marktplatz angeschlossen sind, sind im Prinzip auch daran interessiert, gut beim Kunden da zu stehen. Bei Problemen mit dem Aufbauservice stelle ich sie immer vor die Alternative, entweder sie machen das oder ich storniere die Bestellung. Immer mit Erfolg. Ich dränge auch darauf, dass die alten Möbel mitgenommen werden. Auch immer mit Erfolg.
melden
Kommentar von .TS.
Mitschuld an dieser Entwicklung ist die tolle Neuerung des Fernabsatzgesetzes vor einigen Jahren daß jeden Versandhandler dazu verpflichtet jegliche Ware ohne Angaben von Gründen binnen 2 Wochen zurücknehmen zu müssen.
Gegen diesen volkswirtschaftlichen wie ökologischen Wahnsinn hört man von den rotzGrünen fanatikern nichts - verständlich, gehören deren Kreise doch zu den intensivsten Nutznießern dieses Systems, und über mehrere Schritte hinweg denken ist dort ebenfalls Mangelware.
Die Zeche zahlen wir alle: Durch Umlegung der entstehenden Kosten auf die Gesamtheit aller Käufer, durch die Mißstände der Billigstproduktion, und durch die unnötigen Schäden die durch den Wegwerfgesellschaftsmüll entstehen.
melden
Kommentar von andreas h
Es bedeutet nicht unbedingt, dass heutige Produkte schlechter ist. Sie sind nur nicht für die Ewigkeit konzipiert.
Die maschinelle Herstellung mit Fremdenergie kostet bei vielem fast gar nichts mehr. Einmal mehr Knopf gedrückt.
Man muss sich fragen, wer denn das viele Geld bekommt, das wir trotzdem bezahlen. Das ist wiederum leicht zu beantworten, es verteilt sich auf alle Leute die nichts zur Produktion beitragen. Verwaltung, Lieferung, Staat, Propaganda.
Es ist kein Wegwerfen, diese Bezahlung einzusparen.
melden
Kommentar von Tommaso Targi
Frei nach Volker Pispers: Das sind doch alles Systemanbieter. Produkte zum Wegwerfen für ebensolche "Menschen" in einer ebensolchen Gesellschaft.