Ramstein unter Selenskyjs Kommando

Washingtons ukrainische Söldner sollen Schutzmacht Europas werden

von Alexander Wallasch (Kommentare: 10)

Siegesplan aus Kiew: Friedrich Merz ist Selenskyjs Statthalter in Berlin© Quelle: Youtube / "ARD Brennpunkt", Screenshot

Es sind die Union, die Grünen und die FDP, die in der Tradition des Kalten Krieges – damals, als Brandt und Wehner als "Fünfte Kolonne Moskaus" verunglimpft wurden – alles daransetzen, die Begriffe „Diplomatie“ und „Frieden“ als etwas Schmutziges zu dämonisieren.

Nachdem sich Selenskyj seiner westlichen Verbündeten versichert hat, stellte er in Kiew seinen „Siegplan“ vor. Gleichzeitig warb Friedrich Merz für das Ziel einer durch reichweitenstarke Waffen gegen Moskau erzwungenen bedingungslosen Kapitulation Russlands.

Das Schicksal der Ukraine bleibt düster. Hunderttausende tote Soldaten werden dieses Land ein weiteres Mal nach dem Holodomor und Millionen Toten im II. Weltkrieg über Jahrzehnte lähmen. Der jetzt vorgestellte Fünf-Punkteplan des Präsidenten kann dieses Töten nicht beenden, er will es noch weiter anfachen.

Nachdem Wolodymyr Selenskyj seine Tournee durch den Westen beendet hat, deutet nichts am Auftreten des Präsidenten daraufhin, dass es unter den Unterstützern der Ukraine Gesprächspartner gab, die ihn dabei unterstützt oder ihn aufgefordert hätten, diesen Krieg endlich diplomatisch zu beenden.

Im Gegenteil: Der Bundestag erlebte gestern einen Oppositionsführer, der seinen Kanzler noch darin übertreffen wollte – sekundiert von der Regierungspartei FDP – alles und jeden zu verfluchen, der auch nur das Wort „Diplomatie“ in den Mund zu nehmen wagt. Eine gezielte Verächtlichmachung.

Einmal mehr Friedrich Merz und Christian Dürr, der Vorsitzende der FDP-Fraktion, haben gestern in unheilvoller deutscher Tradition Abgeordnete im Reichstag auf eine Weise diffamiert, die jeden Geschichtsinteressierten an Weimarer Verhältnisse erinnern muss.

Hier sollten Sprachcodes weiter etabliert werden, die schon einmal ins Verderben führten.

Ein neues Denken soll sich etablieren. Orwell zieht in den Krieg. Vergessen scheint aber, dass es hier um Menschenleben geht! Um hunderttausende weinende Familien, die ihre Väter verlieren oder nur noch als schwer traumatisierte Kriegsversehrte zurückbekommen.

Es sind vorneweg die Union, die Grünen und die FDP, die in der Tradition des Kalten Krieges – damals, als Brandt und Wehner als Fünfte Kolonne Moskaus verunglimpft wurden – alles daransetzen, die Begriffe „Diplomatie“ und „Frieden“ als etwas wirklich Schmutziges zu dämonisieren.

Aber zu Merz und Dürr gleich noch mehr, erst einmal zurück nach Kiew, wo Selenskyj gestern seinen Fünf-Punkteplan vorstellte. Ein „Siegesplan“ soll es sein. Darum geht es Kiew wie auch in Berlin gestern im Bundestag: Ein Siegfrieden über Putins Russland.

Wer auf die Idee käme, Selenskyj sei mit hängenden Ohren von seiner Reise zurückgekehrt, der verkennt die Lage gründlich. Die Pläne sind ausgereift, der Krieg soll jetzt endlich nach Moskau getragen werden in militärischer wie in propagandistischer Form. Selenskyj verkündet die neue Strategie:

Angriffe mit Langstreckenwaffen aus dem Westen sollen die russische Bevölkerung dazu bringen, aus Angst, aus Furcht und Horror gegen Moskau aufzustehen. Der Sturz Putins ist das Ziel.

Ein weiteres wichtiges Ziel der Ukraine bleibt der Nato-Beitritt des Landes. Russland soll diesen Krieg um jeden Preis verlieren. Das allerdings schafft die Ukraine nicht aus eigener Kraft. Heute noch weniger als zu Beginn des Krieges, als Experten dem Land militärisch nur Wochen gaben, naiv und nichtsahnend, dass die USA Europa – und hier vor allem Deutschland – über Jahre in Geiselhaft nehmen würden.

Zu welchen Auswüchsen diese Geiselhaft führt, das haben Merz und Dürr gestern einmal mehr und auf wirklich schockierende Art und Weise unter Beweis gestellt. Aber dazu gleich mehr.

Moskau wollte einen neutralen Status der Ukraine zu erzwingen. Ob dieses Anliegen redlich oder taktisch gemeint war, sei mal dahingestellt. Aber erinnert sich noch jemand an den „Nato-Russlandrat“ und den im Jahr 2001 – noch unter den Eindrücken des 11. September – in Berlin geäußerten Wunsch Putins, in die Nato aufgenommen zu werden?

Ironie der Geschichte: Der 11. September hätte die Welt enger zusammenschweißen und Terror und Feindschaften auf der Welt langfristig einhegen können. Stattdessen zündete Bush Junior den Nahen Osten an mit allen Verheerungen, die Europa heute zerreißen: Die Millionen Zuwanderer, die Deutschland in die Knie gezwungen haben, sind nur eine Erblast dieses „Krieges gegen den Terror“.

Wieder zurück nach Kiew. Nein, Selenskyj Fünf-Punkteplan ist sicher kein Friedensangebot an Moskau. Es ist eine noch umfassendere Drohung mit westlicher Rückendeckung. Selenskyj ist in die Ukraine zurückgekehrt mit dem Willen, dem Angreifer Russland eine Art bedingungslose Kapitulation zu diktieren.

Das Nachrichtenportal von GMX schreibt heute basierend auf Agenturmeldungen von dpa und afp:

„Der Krieg (soll) auf das Gebiet Russlands ausgeweitet werden. „Das ist realistisch - unsere Positionen auf dem Schlachtfeld in der Ukraine halten und gleichzeitig den Krieg auf das Gebiet Russlands zurückbringen, damit die Russen wirklich spüren, was Krieg heißt“, sagte Selenskyj. Ziel sei es, den Hass der Russen in Richtung des Kremls zu lenken. Zu diesem Zweck soll die seit August laufende Operation der ukrainischen Armee im russischen Grenzgebiet Kursk fortgesetzt werden.“

Irritierend ist noch ein weiterer Punkt: Der ukrainische Präsident lockt seinen engsten Verbündeten USA mit weitreichenden Versprechungen – Experten werden die Rolle der USA in ruhigerem Fahrwasser noch genauer analysieren müssen. Selenskyj lockt die USA damit, dass die ukrainische Armee nach einem mit massiver westlicher Hilfe herbeigeführten Sieg über Russland zur Schutztruppe Europas wird und die US-Truppen damit entlasten soll.

Selenskyj schlägt hier nicht weniger vor als ein Ramstein stellvertretend unter ukrainischem Kommando. Der Präsident meint, dass die Ukraine nach einem Ende des russischen Angriffskrieges ihre gewonnenen militärischen Erfahrungen für die Sicherheit Europas und der Nato einsetzen könne. Kampferprobte ukrainische Soldaten könnten in Europa die US-Truppen ersetzen, so der Präsident.

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Und Selenskyj schlägt weiter vor, die Ukraine zur Waffenschmiede Europas zu machen. Die Aufrüstungspläne für die Zeit nach dem Krieg sind jetzt schon gigantisch. Zusätzlich lockt er die westlichen Verbündeten mit Rohstoffen „im Wert von Billionen US-Dollar“ wie Uran, Titan, Lithium und Graphit.

Nein, es braucht hier kein großes Rätselraten, dass der Hauptprofiteur nicht Deutschland oder die EU sein werden. Die immer wieder beschworenen gemeinsamen europäische bzw. westlichen Werte sind das eine – der Wert dieser Rohstoffe für die USA ist etwas ganz anderes. Aber solange die Europäer sich um die Brosamen balgen, soll es Selenskyj nur Recht sein.

Dafür ist es allerdings unabdingbar, die Ukraine zum Herzen Europas umzudeuten, was sie niemals zuvor war. Die Annährung der USA an die Ukraine verfolgte einzig strategische und wirtschaftliche Interessen und hatte mit irgendeinem europäischen Gedanken nichts zu tun. Die USA verfolgen keinen europäischen Gedanken. Denn für so ein Vorhaben wäre Moskau als Nachbar Europas der natürlichere Partner und nicht die USA.

Aber welches Moskau sollte das sein? Das von Putin kann es nicht mehr sein.

Die Achse Putin-Merkel–EU wurde vor zehn Jahren zerschlagen. Deutschland befindet sich zudem in einem Vakuum, nachdem Berlin mit der Zerstörung von Nord Stream 2 schmerzhaft klar gemacht wurde, zu was man bereit sein wird, eine Achse Moskau-Brüssel-Berlin mit aller Macht zu verhindern.

Und während Selenskyj in Kiew quasi die bedingungslose Kapitulation Russlands und den Sturz von Putin fordert bzw. ankündigt, sekundierten seine Helfershelfer im Deutschen Bundestag. Thematisch ging es gar nicht um die Ukraine, aber Merz, Dürr und andere nutzten die Gelegenheit der Regierungserklärung von Kanzler Scholz zum anstehenden Gipfeltreffen des Europäischen Rats. Primär sollte es um Migration gehen.

CDU-Chef Friedrich Merz leitete seine Selinskyj-Show mit folgenden Worten ein:

„Erlauben sie mir, dass ich abschließend noch einige Anmerkungen zur Ukraine mache.“

Dann täuschte Merz an, es ginge ihm tatsächlich um Frieden und Diplomatie:

„Rufe nach Frieden und nach Diplomatie sind von niemandem hier bestritten, und wir alle wollen so schnell wie möglich, dass Frieden in der Ukraine herrscht.“

Anschließend diffamierte der CDU-Chef die Friedensbemühungen eines Viktor Orbán auf besonders perfide Weise, indem er sie zunächst neutral schilderte, dann aber behauptete, diese Friedensbemühungen seien es gewesen, die dazu geführt haben, dass Putin ein Kinderkrankenhaus bombardiert habe. Das sei, so Merz wörtlich über die Bemühungen Orbáns, „das Ergebnis dieser Friedensmission“ gewesen.

Vom Kinderkrankenhaus ist es bei Merz ein kurzer Weg hin zur Forderung an Scholz, endlich dafür zu sorgen, das Kiew die geforderten reichweitenstarken Waffen bekommt. Aber um was damit zu tun? Um zu riskieren, dass diese Waffen dann bedauerlicherweise auch Kinderkrankenhäuser in Moskau treffen?

Wo Trump damit prahlt, diesen Krieg in 24 Stunden beenden zu können, erklärt Merz, wenn Putin nicht innerhalb von 24 Stunden aufhöre, die Zivilbevölkerung in der Ukraine zu bombardieren, „dann müssen aus der Bundesrepublik Deutschland auch Taurus Marschflugkörper geliefert werden, um die Nachschubwege zu zerstören.“

Merz forderte ebenfalls dazu auf, die Angst vor Atomwaffen zu überwinden. Der Oppositionsführer trat hier einmal mehr als lupenreiner Propagandachef der militärisch-wirtschaftlichen Interessen der Achse Washington-Kiew auf.

Merz hatte vorgelegt und FDP-Fraktionschef Christian Dürr bewarb sich anschließend als zukünftiger Koalitionspartner der Union (man hofft offenbar noch, die Fünfprozenthürde zu überspringen) mit einer eskalierenden AfD-Beschimpfung.

In Richtung AfD sage Dürr: „Da sitzen die Feinde unseres Landes, um es mal in aller Deutlichkeit zu sagen.“ Niemand fragte Dürr allerdings an der Stelle, welches Land er eigentlich meine.

Nachdem Selenskyj seinen Fünf-Punkteplan in Washington und Europa vorgestellt hat und damit die Sprechtexte für Merz und Co. vorgelegt hat, wird er am heutigen Donnerstag auch beim Europäischen Rat in Brüssel sprechen. Nichts geht mehr ohne Selenskyj in Europa und auf der Oppositionsbank im Bundestag sowieso.

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