Im Interview: Ein Facharzt für Gynäkologie

Viele Frauen leiden darunter – Ulrike Guérot macht es öffentlich

von Alexander Wallasch (Kommentare: 7)

„Ein Herpes gehört nun wirklich nicht zu den seltenen Aktionen. Es sei denn, das war ein Fall, wo diese Infektion explodiert“© Quelle: Youtube ZDF Screenshot

Seit gestern ist Ulrike Guérot nicht nur wegen ihrer couragierten Haltung in den Schlagzeilen, sondern aufgrund einer Äußerung über eine schwerwiegende Herpeserkrankung im Intimbereich, die sie direkt auf eine Stresssituation während eines ein Jahr zurückliegenden Talkshowauftritts bei Markus Lanz zurückführt.

Prof. Ulrike Guérot ist eine mutige Frau. Mit ihren unabhängigen Analysen in der Corona-Maßnahmenkritik und ihrer Position zum Ukrainekrieg hat es sich die Politikwissenschaftlerin und Publizistin nicht leicht gemacht und musste sich umfangreiche An- und Übergriffe gefallen lassen, bis hin zum Verlust ihrer Tätigkeit an der Universität Bonn.

Viele Altmedien nahmen die aktuelle Herpes-Geschichte auf, die Häme in den sozialen Netzwerke, insbesondere aus der linken Ecke, kannte keine Grenzen. T-Online titelte „Ulrike Guérot nach Lanz-Talk: Scheidenherpes durch ,männliche Brutalität'“. Selbstverständlich darf man darüber auch einen Moment lang schmunzeln, denn diese unerwartete Offenheit zu diesem Thema in Verbindung mit der Schuldzuweisung Richtung Markus Lanz ist speziell.

Aber dann sollte in unseren Breiten gerne wieder Ruhe einkehren und der Frage nachgegangen werden, um was es hier eigentlich geht, für was Prof. Ulrike Guérot hier vielfach verspottet wird. Was ist da näherliegend, als mit einem Frauenarzt darüber zu sprechen, anstatt sich nach Stammtischmanier noch bis morgen früh auf die Schenkel zu klopfen.

Alexander-wallasch.de spricht mit einem 55-jährigen Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, seit 2010 niedergelassen in eigener Praxis, Fachgutachter für Geburtshilfe, Dozent für OP- und Krankenpflege und funktionelle Medizin mit Schwerpunkt LC/PostVac.

Haben Sie mitbekommen, was aktuell über und von Ulrike Guérot berichtet wird?

Ja, natürlich, die Medien sind ja voll davon.

Ist sowas überhaupt möglich von einem Tag auf den anderen?

Ja, dass entwickelt sich innerhalb von Stunden.

Trägt man den Herpes grundsätzlich in sich und wird der dann von außen ausgelöst?

Der Mensch hatte irgendwann mal so eine primäre Infektion mit diesem sogenannten Herpes Simplex Virus. Den gibt es als Typ 1 und 2. Der Typ 1 wird den Lippen zugeordnet und der Typ 2 dem Genital. Ist er im Körper vorhanden, hält ihn das Immunsystem in Schach. Und je nachdem, welchen Zustand das Immunsystem hat, kann das jederzeit wieder ausbrechen.

Ist die Häufigkeit von Lippenherpes deutlich höher? Oder liegt es nur daran, dass man ihn deutlich häufiger sieht?

Man sieht ihn deutlich häufiger. Ich würde jetzt nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, dass das eine häufiger ist als das andere. Es kann durchaus gleichverteilt sein. Das müsste man in der Literatur nachgucken. Aber ich würde sagen, dass ist ungefähr gleich häufig.

Wie häufig ist das bei Ihnen in der Praxis? Ist die Feststellung eines Herpes auch für Sie ein Signal für eine besondere Hygienemaßnahme?

Nein, das ist kein Signal für gar nichts. Das ist grundsätzlich bei Geschlechtskrankheiten geboten.

Ist das die häufigste?

Nein, aber schon recht häufig. Und der Herpes wird unter Umständen auch durch Oralverkehr übertragen. Es kann auch eine Kreuzinfektion geben zwischen HSV eins und HSV zwei. Früher hat man das streng auseinander gehalten, aber es kann auch durchaus durch Oralverkehr von der einen in die andere Richtung übertragen werden. Bei Frau Guérot wird jetzt diskutiert, dass der Auslöser eine Aufregung bei Markus Lanz war.

Haben Sie die Erfahrung gemacht, dass Frauen in besonderen Stresssituationen dann zu Ihnen kommen mit Herpes?

Nein, das sagen die in der Regel nicht, wie das ihrer Meinung nach passiert ist. Die Frauen sagen einfach nur, sie haben Beschwerden. Und Herpes macht ganz fiese Beschwerden, der tut unglaublich weh, entwickelt sich innerhalb von Stunden und ist super penetrant. Den kriegt man auch so mit normalen Mittelchen nicht weg, da brauchen sie antivirale Medikamente.

Die Frauen berichten nicht von besonderen Ereignissen, wenn sie das haben. Die können sich auch selten daran erinnern, dass irgendwas Gravierendes vorgefallen ist. Sondern die stehen dann in der Praxis und sagen, das hat sich plötzlich entwickelt, ich habe hier ein Pickelchen gefühlt, hab hier Blasen usw. und man stellt dann eine Blickdiagnose.

Das heißt, Sie können gar keine Zuordnung machen, weil Sie gar nicht wissen, ob es durch Stress passiert ist oder durch Geschlechts- oder Oralverkehr, was ja letztlich auch keine Rolle spielt ...

Wir fragen da auch nicht nach. Ich persönlich finde es übergriffig, da nach dem Grund zu fragen. Aber ich weiß, es ist in der Branche nicht unüblich, dass da übergriffig durch die Gegend gefragt wird. Das machen manche Kollegen.

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Wie glaubwürdig ist die Geschichte von Ulrike Guérot?

Sehr glaubwürdig. Es gibt Zustände, in denen Frauen so etwas entwickeln können. Das ist jedenfalls nicht an den Haaren herbeigezogen. Ich kann es mir durchaus vorstellen. Das muss man sich mal überlegen, die Frau macht sich da nackig!

Aber wenn sie jetzt sagen, dass es besonders schmerzhaft ist, Frau Guérots Frauenärztin soll ja nun laut Frau Guérot gemeint haben, so etwas noch nie gesehen zu haben. Und sie soll dann Fotos fürs Lehrbuch gemacht haben. Haben Sie da auch immer eine Polaroidkamera liegen für die spannendsten Geschichten?

Ich habe mein Handy dabei, ich habe auch mit Sicherheit einige Vulvafotos und Vaginalfotos drauf. Aber ein Herpes gehört nun wirklich nicht zu den seltenen Aktionen. Es sei denn, das war ein Fall, wo diese Infektion explodiert ist, dass das über die Vulva hinausgegangen ist bis auf die Oberschenkel oder sonstiges. Aber dann ist es keine Sache, die sich innerhalb von Stunden entwickelt hat. dann wird sie schon länger damit rumgelaufen sein. Aber prinzipiell halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass das passieren kann, dass Frau Guérot da so unter Stress geraten ist, dass da ein Herpes explodiert ist.

Das heißt, dass man durchaus obenrum bei Lanz noch vernünftig seine Frau stehen kann, aber untenrum ist man schon auf dem Gang in die Katastrophe. Was ist denn die klassische Methode, dagegen vorzugehen?

Die Standardmethode ist erstmal die Diagnose, also die sollte schon feststehen. Da muss also ein Facharzt sehen, ob es tatsächlich ein Herpes ist.

Also kein Bluttest ...

Nein, das ist eine Blickdiagnose. Manche sichern das auch noch mit einem Abstrich ab. Auf jeden Fall würde man bei einem dringenden Verdacht mit antiviralen Mitteln arbeiten. Und damit fängt man erstmal oral an. Da gibt es ein bestimmtes Einnahmeschema, und bei richtigen Härtefällen, wenn das also oral versagt, dann muss man das intravenös geben, aber dann gehört die Frau in der Regel auch stationär untergebracht, aber das ist sehr, sehr selten.

Muss ich mir das vorstellen wie so eine offene Gürtelrose?

Ja, so kann man sich das vorstellen. Das ist auch genauso schmerzhaft.

Kommen die Frauen mit so etwas mehrfach, bis es wieder in Ordnung ist?

Ja. Und es besteht manchmal auch das Problem, dass sich daraus eine Superinfektion entwickelt. Sie haben dann einmal diesen Virenbefall, und dann setzt sich manchmal auch noch eine bakterielle Infektion obendrauf samt Ausflusserscheinung und solche Sachen.

Aber geht man damit an die Öffentlichkeit, wie es Frau Guérot getan hat?

Aus der Sicht, wie ich den Fall dieser Frau jetzt über die vergangenen Jahre verfolgt habe, würde ich sagen, war das ein Eigentor. Ich hätte das für mich behalten. Denn da fällt ja jetzt das feindliche Lager über die Frau her. Ich weiß nicht, was sie damit beabsichtigt hat, ob ihr da etwas rausgerutscht ist. Ulrike Guérot stellt sich da im Interview hin und meint allen Ernstes, wir können ja hier von Frau zu Frau reden ...

Ist das nicht auf eine gewisse Art auch entwaffnend für Kritik?

Ja, tatsächlich. Das ist schon total mutig.

Wo ist denn der Unterschied, wenn ich als Rudi Assauer offensiv mit meiner Alzheimererkrankung umgehe?

Gynäkologie ist ein Fach, für das es besondere Intimitätsregeln gibt. Da wird weniger darüber gesprochen, was da unten herum passiert.

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