Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach zum 70. Jahrestag des NATO-Beitritts Deutschlands in Brüssel. Eine Rede, die auch als Aufruf zur Eskalation gesehen werden kann. Er betonte die Stärkung der Bundeswehr, Investitionen in die Verteidigungsindustrie und die Unterstützung der Ukraine, obwohl diese kein NATO-Mitglied ist. Mit einer finanziellen Mobilisierung von 500 Milliarden Euro über zwölf Jahre knüpfte er Deutschlands Schicksal eng an die Ukraine, was nicht durch den NATO-Bündnisfall gerechtfertigt ist.
Das sind nichts weiter als Durchhalteparolen, untermauert mit deutscher Schuld am Weltkrieg. Steinmeier deutet die NATO-Aufgaben um. Seine frühere Steinmeier-Formel von 2015 verschärfte den Ukraine-Konflikt, und seine damalige Deeskalationsstrategie steht im Widerspruch zu seiner heutigen Haltung. Die Unterstützung der Ukraine wird als Versuch gewertet, vergangene diplomatische Fehlschläge zu kompensieren, was Friedensverhandlungen erschwert. Der deutschen Öffentlichkeit mangelt es an Alarmbereitschaft, während Medien und Opposition den Kurs mittragen, der nationale Interessen zugunsten der Ukraine zurückstellt.
Steinmeiers Aussage, Deutschland sei bereit, „alles zu geben“, ist ein Kurs mit unklaren Folgen, der die Diplomatie zugunsten einer militärischen Verhandlungsbasis opfert.
Die NATO ist ein Militärbündnis des Westens, das sich eine gegenseitige militärische Unterstützung im Bündnisfall garantiert. Zum 70. Jahrestag des Beitritts der Bundesrepublik sprach der Bundespräsident gestern in Brüssel.
Wie im Vorfeld zu vermuten – gar zu befürchten – war, wurden es Durchhalte- und Aufrüstungsparolen, versehen mit dem zähen Kleister einer deutschen Schuld an einem Weltkrieg, der achtzig Jahre zurückliegt.
Frank-Walter Steinmeier erinnerte an 1955, als Deutschland wieder in den Kreis der Völker aufgenommen wurde:
„Wie nur wenige andere Meilensteine – der Beitritt zu den Vereinten Nationen, die europäische Integration und die sogenannte Ostpolitik – war dieser Moment 1955 ein Schlüssel, der meinem Land den Weg zu Frieden, Wohlstand und Einheit eröffnete.“
Man könnte auch sagen: Deutschland wurde wieder gegen die Sowjetunion in Stellung gebracht und damit auch gegen die eigenen Landsleute, die in der DDR im größten Freilichtgefängnis am Experiment „Deutscher Sozialismus“ teilnehmen mussten. Dieses Mal unter Sowjetführung und nicht mehr unter Hitler.
Bestürzend an der Rede Steinmeiers ist, dass er die Aufgabe des Bündnisses leichtfertig umdeutet. Hier sind Staaten zusammengekommen, die sich gegenseitig den Bündnisfall garantieren und auf einer nicht militärischen Metaebene gemeinsame Werte pflegen und einhalten. Eine gegenseitige besondere Obacht und Aufmerksamkeit. Aber Steinmeier erklärt dazu:
„Wir werden die Bundeswehr stärken, und wir werden mehr in unsere Verteidigungsindustrie investieren. Wir werden mit allen Kräften unsere Verpflichtungen für die Regionalpläne der NATO erfüllen. Wir werden auch weiterhin der größte Unterstützer der Ukraine in Europa sein und eintreten für ihre Freiheit, ihre Souveränität und ihre europäische Zukunft.“
Die Ukraine ist kein NATO-Mitglied. Steinmeier war in einer zweiten Amtszeit von 2013 bis 2017 Außenminister der Bundesrepublik Deutschland. Die größte Online-Enzyklopädie schreibt:
„Als der deutsche Bundespräsident Steinmeier im April 2022 in die von russischen Truppen angegriffene Ukraine reisen wollte, wurde ihm aus Regierungskreisen in Kiew bedeutet, dass sein Besuch nicht willkommen sei. Man nimmt an, dass einer der Gründe für die Absage die Steinmeier-Formel gewesen sei.“
Die Steinmeier-Formel war 2015 ein Vorschlag des ehemaligen deutschen Außenministers zur Umsetzung des Minsker Abkommens im Ukraine-Konflikt. Unnötig zu erwähnen, dass dieses deutsche Engagement den Krieg mindestens nicht verhindert hat. Die Deutsche Welle schrieb nämlich 2019 fast prophetisch düster: „Steinmeier-Formel – Sprengkraft für die Ukraine“. Und weiter hieß es da:
„Im Kern geht es um die Befürchtung, dass die Separatisten legitimiert werden könnten, ohne dass Kiew irgendeinen Einfluss auf die 2014 verlorenen Gebiete hätte.“
Welchen Einfluss das deutsche diplomatische Desaster von damals heute auf den Bundespräsidenten und die Ukrainepolitik der Bundesregierung hat, ist noch gar nicht ausreichend gewürdigt worden.
Zurück zu Steinmeiers Brüsseler NATO-Rede: „Wir werden auch weiterhin der größte Unterstützer der Ukraine in Europa sein.“
Dafür kann man nun alle möglichen Gründe aufrufen. Aber ganz sicher nicht den NATO-Bündnisfall, die Ukraine ist kein NATO-Mitglied. Und dass sie das nicht ist, war jahrelang elementarer Wesenskern aller diplomatischer Bemühungen.
Steinmeier hatte sich 2015 über öffentliche Warnungen des NATO-Oberkommandierenden vor aggressiven russischen Truppenkonzentrationen an der Grenze zur Ukraine beim NATO-Generalsekretär beschwert, im Kanzleramt war gar von „Propaganda“ die Rede.
Und Steinmeier hatte sich ebenfalls 2015 bei einem Besuch in Washington gegen die Lieferung von Abwehrwaffen durch die USA an die Ukraine ausgesprochen, das würde den Konflikt in die „nächste Phase katapultieren“. Nach der Annexion der Krim 2014 durch Russland vertrat Steinmeier eine Deeskalationsstrategie.
Die Frage muss beantwortet werden, ob wir Milliarden über Milliarden in die Ukraine schicken und ob Deutschland Friedensverhandlungen deshalb so gelähmt gegenübersteht, weil die politische Führung irgendwelche Altsünden wiedergutmachen will. Ein ganz schlechter Ratgeber!
Aus ukrainischer Sicht sitzt mit Steinmeier nämlich ein diplomatischer Versager im Schloss Bellevue. Aber weil es diese Vorgeschichte gibt, ist doppelte Vorsicht geboten, wenn sich Deutschland an der kurzen Leine der Ukraine über dieses furchtbare Schlachtfeld führen lässt, buckelig und mit Schuldgefühlen.
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Besondere Aufmerksamkeit bedarf hier die enge Verknüpfung der Einhaltung der NATO-Verpflichtungen mit der Unterstützung der Ukraine, wenn Steinmeier etwa sagt:
„Die Tatsache, dass der Bundestag in großem, parteiübergreifendem Einvernehmen 500 Milliarden Euro über die kommenden 12 Jahre mobilisiert hat, sollte Ihnen als Beleg dafür dienen, dass wir es ernst meinen. Wir meinen, was wir sagen.“
Schon die ersten 100 Milliarden Sondervermögen Bundeswehr waren auch eine Sonderzahlung Ukraine. Die Ampel scheiterte an weiteren 100 Milliarden, die über eine erneute Grundgesetzänderung in diesen elenden Krieg gepumpt werden sollten – immer verbunden mit dem Satz, man wolle die Ukraine für kommende Verhandlungen besser in Stellung bringen. Aber was wurde damit hunderttausende Tote später erreicht?
In Zukunft wird zu analysieren sein: Trifft die Annahme zu, dass man sich hier furchtbar verrannt hat und jede Option für Friedensverhandlungen verbaut hat, wäre das ein besonders folgenreiches Versagen deutscher Diplomatie beim Versuch, Weltpolitik mitzugestalten.
Und Steinmeier sagt es ja auch – wenn die anderen nicht mehr wollen, wir sind mitgehangen und mitgefangen:
„Bis jetzt war jeder Meilenstein für Deutschland, jede Wende zum Besseren in gewisser Weise ein Schritt der Einbindung, der Einhegung, der Integration in etwas Größeres – die NATO, die Vereinten Nationen, die Europäische Union. (…) Deutschland muss jetzt nicht nur Teil des Ganzen sein, sondern für das Ganze eintreten, vielleicht sogar hervortreten.“
Was Steinmeier hier macht und was die Bundesregierung zuletzt immer wieder getan hat – bis hin zu dieser verdeckten Mobilmachung durch eine Billionen-Euro-Neuverschuldung – ist eine alternativlose Verknüpfung des Schicksals Deutschlands mit dem der Ukraine. Mit der NATO-Mitgliedschaft hat das noch weniger zu tun, als mit der Idee, dass diese Ukraine schon immer Teil einer europäischen Wertegemeinschaft gewesen sein soll.
Was hier am allermeisten verwundert, ist, dass die Deutschen nicht längst in eine Alarmbereitschaft versetzt sind. Aber wer sollte die Alarmglocke läuten? Die Medien sitzen ebenso im Boot, wie die Union, die in den Jahren der Oppositionsführerschaft im deutschen Bundestag zum Adjutanten der Ampelregierung mutiert ist, wohlwissend, dass die Rollen auch wieder vertauscht werden, Hauptsache, die AfD bleibt draußen.
Steinmeier sagt: „Ein schlecht gerüstetes Deutschland ist heute die größere Gefahr für Europa als ein stark gerüstetes Deutschland.“ Dafür musste dann über Monate und Jahre der Popanz einer Bedrohung durch Russland aufgebaut werden. Aber gemeint ist natürlich weiterhin eine unerschöpfliche Waffenkammer für die Ukraine samt Aufrüstungsplänen, falls das Schlachten doch noch zu einem Ende kommt.
Merz und Steinmeier haben das Wohl der Ukraine über das des eigenen Landes gestellt. Der Bundespräsident sagt: „Ich bin überzeugt: Die wichtigste Aufgabe der neuen deutschen Regierung ist es, unsere Bundeswehr zu stärken.“ Oder anders: Deutschland als Hinterland der Ukraine, in dem jenes Reservoir an Waffen und Material angelegt ist, auf das noch jahrelang zurückgegriffen werden kann – Rheinmetall baut Werke in der Ukraine.
Ein Steinmeier-Satz wie ein Offenbarungseid und das Ende der Diplomatie zugunsten einer waffenstarrenden Verhandlungsbasis:
„Auch unsere Außenpolitik braucht ein starkes Militär – nicht um Diplomatie zu ersetzen, sondern damit sie glaubhaft ist.“
Und es wäre keine Steinmeier-Rede, wenn nicht die Opposition zum Feindbild erklärt würde:
„Ich denke, wir wissen alle, dass all das nicht nur von außen, sondern auch von innen angegriffen wird. Wir alle spüren in unterschiedlicher Weise in unseren verschiedenen politischen Kulturen, wie sich autoritäre Trends und Tendenzen unheilvoll ausbreiten.“
Steinmeier endet mit den Worten: „Deutschland ist bereit, all das zu geben.“ Tragischerweise haben die Deutschen noch gar nicht verstanden, was damit wirklich gemeint ist: Wenn es sein muss, auch auf eigene Rechnung.
Und – Stichwort Taurus und Co – Merz und seine Kriegstreibertruppe sind eifrig darum bemüht, alles dafür zu tun, dass Russland uns nun endlich auch als Gegner begreift. Deutschland geht All-in.
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Kommentar von Joly Joker
Mal abgesehen davon, dass Steinmeier wieder einmal uns seinen islamischen Stinkefinger zeigt, was natürlich einem Vorgehen gegen jeden radikalen IS Anhänger mit diesem Fingergruß des Todes so ziemlich unmöglich machen dürfte, spiegelt diese Art den Steinmeierschen Größenwahn wieder. Ich frage mich was Deutschland mehr schadete: Die Sprüche des BP-Lübke oder Steinmeier an sich.
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Kommentar von Gerhard Berger
Der Lacher des Tages..:-)
"Wir meinen, was wir sagen.“
Aber auch nicht schlecht als Lacher..:-)
"Deutschland geht All-in."
Soviel zu verlieren sollten wir nicht mehr haben..:-)
Von der Seite her.:-)
Habe eine leichte Schwäche für subtilen Humor..:-)
Danke..:-)
Immer drauf halten..:-)
Sie sind mehr.. Wir sind Besser..:-)
Immer drauf halten..:-)
Ist doch dieser Orangensaft Typ..?
Zumindest nach seiner eigenen Biographie.. .. Wenn ich micht ganz absolut täusche..:-)