Regierungssprecher Steffen Hebestreit erklärte am Montag in Berlin in der Bundespressekonferenz, unter den aktuellen Umständen sei der Besuch Erdogans „herausfordernd“. Das liegt allerdings sicher nicht nur an der anti-israelischen Haltung des türkischen Präsidenten. Wenn Erdogan in Deutschland vor seinen treuesten Wählern Hof hält, dann sollte das für eine deutsche Bundesregierung immer eine Herausforderung sein.
Wenn Muslime in Deutschland eine ihrer zahlreichen Moscheen besuchen, dann besuchen sie immer auch eine Art Hoheitsgebiet der Türkei. Denn diese Moscheen sind Botschaften der alten Heimat. Und das nicht nur im übertragenen Sinne. Denn die bald eintausend Moscheen sind direkt der Leitung, Kontrolle und Aufsicht des staatlichen Präsidiums für religiöse Angelegenheiten der Türkei unterstellt.
Das Präsidium ist wiederum dem türkischen Präsidenten unterstellt. Erdogan kommt also nicht nur als Staatsmann, sondern sogar wie ein religiöser Führer vieler hier lebender Türken nach Deutschland. Die Millionen Zuwanderer, die ab 2015 aus Afghanistan, Syrien und weiteren arabisch-muslimischen Ländern zugewandert sind, werden sich genau anschauen, was ihre sunnitisch-islamischen Glaubensbrüder in Deutschland alles auf die Beine stellen können und zur Nachahmung empfehlen.
Die Türken und türkischstämmigen Deutschen – jedenfalls mit deutschen Blick auf die Neuzuwanderer – gelten mittlerweile als perfekt integriert. Diskussionen von vor 2015 um die Integration der dritten und vierten Generation Türken sind mit der Massenzuwanderung quasi verschwunden. Dabei ist beispielsweise der Anteil dieser Gruppe unter den Bürgergeld-Empfängern nach wie vor überproportional hoch.
Die hier lebenden Türken und türkischstämmigen Deutschen schauen aber durchaus auch argwöhnisch auf die arabischen Zuwanderer und fragen sich vielfach, wo das hinführen wird, wenn der Zustrom nicht gestoppt wird. Der Terroranschlag der Hamas gegen Israel und hier insbesondere die militärische Reaktion Israels haben diese beiden Gruppen erstmals gemeinsam auf die deutschen Straßen gebracht. Türkische Fahnen wehten auf jeder pro-palästinensischen Demonstration wie selbstverständlich mit.
Entsprechend kann man davon ausgehen, dass Erdogan, wenn er am Freitag nach Deutschland kommt, noch zwei Millionen weitere ihm potentiell wohlgesonnene, arabischstämmige Muslime vorfinden wird. Was viele schon vergessen haben: Diese Erdogan-Besuche in Deutschland sind nicht erst seit der israelkritischen Haltung eine besondere Herausforderungen. Als sich die Türkei in den Nullerjahren noch aktiv um eine Mitgliedschaft in der EU bemühte, sorgte 2008 ein Auftritt Erdogans vor seinen türkischen Fans in Köln für mehr als nur Missstimmungen.
Der damalige CSU-Vorsitzende Erwin Huber kommentierte, Erdogan habe „türkischen Nationalismus auf deutschem Boden gepredigt. Das ist antieuropäisch und belegt unsere Bedenken hinsichtlich eines EU-Beitritts der Türkei. Man muss jetzt überlegen und prüfen, ob unter diesen Umständen die Fortführung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei überhaupt noch sinnvoll ist“.
Erdogan nahm es gelassen, sein Selbstbewusstsein wurde von solchen Einlassungen nur noch befeuert, die Deutsch-Türken fuhren im Auto-Korso für „ihren“ Präsidenten. Die Süddeutsche Zeitung hatte die Rede Erdogans – der man mit westlichem Ohr durchaus religiöse Töne entnehmen konnte – dokumentiert. Der türkische Präsident sagte zu seinen Anhängern in Köln: „Assimilation ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Sie sollten sich dessen bewusst sein.“
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Die besondere Klugheit des Präsidenten eines Landes mit einer mittlerweile vergleichbaren Einwohnerzahl wie Deutschland kam 2008 in einem weiteren Satz zu tragen, als er seine Zuhörer aufforderte, ihren Kindern schon in der Schule Deutschkenntnisse zu ermöglichen und die von Deutschen angebotenen Integrationskurse bitte anzunehmen. Denn, so Erdogan, wenn die Kinder erst mit Schuleintritt Deutsch lernten, dann führe das dazu, „dass diese Kinder im Vergleich zu den anderen Schülern, die Schullaufbahn mit einem Nachteil von 1:0 beginnen müssen.“
1:0 – Erdogans damaliger Fußballbezug führt direkt zum ehemaligen Deutschen Nationalspieler Mesut Özil, dessen Trauzeuge Erdogan ist. Özil hat sich mittlerweile das Zeichen der rechten türkischen Grauen Wölfe auf die Brust tätowieren lassen und er postet per Instagram „Free Palestine“.
Hans-Georg Maaßen, der ehemalige Chef des Bundesverfassungsschutzes, kommentierte Özils Ausfälle damals so :
„Bei der Integration ist es eben anders als beim Abitur. Es reicht nicht aus, dass bestimmte Fähigkeiten da sind und sie die Sprache beherrschen, sondern die Migranten müssen sich auch als Teil der Gesellschaft fühlen und dazugehören wollen. Aber an dem ,Wollen' fehlt es in vielen Fällen, wenn die Migranten die deutsche Gesellschaft ablehnen. Diese Leute wollen die Vorteile unserer Gesellschaft für sich, ihre Familie und manchmal auch für ihren Herkunftsstaat nutzen. Sie nehmen die Vorteile des deutschen Passes für sich in Anspruch, verachten aber unser Land, unser Volk und unsere Gesellschaftsordnung.“
Und wohlgemerkt, hier sind wir noch beim in Deutschland aufgewachsenen Ex-Nationalspieler Mesut Özil und noch lange nicht beim neu zugewanderten Afghanen oder Syrer.
Am Freitag kommt Erdogan und am Samstag spielt Deutschland gegen die Türkei im Berliner Olympiastadion. Der Deutsche Fußball-Bund schrieb, ein Besuch Erdogans im Stadion sei bisher nicht geplant. Auch der Bundeskanzler habe sich noch nicht angemeldet. Die Gewerkschaft der Polizei warnte bereits Anfang November vor einer großen Belastung für die Einsatzkräfte.
Zwei Dinge dürften bei diesem viel beachteten Spiel interessant werden: Werden sich die mutmaßlich mehrheitlich türkischstämmigen Fans (Ein Heimspiel für die Türkei in Berlin) in ihrer Choreografie auch eine Grußadresse an „ihren“ in Berlin weilenden Präsidenten einfallen lassen und wird diese Inszenierung zu einer pro-palästinensischen eskalieren? Oder gar zu einer anti-israelischen oder anti-jüdischen?
Werder Bremens Ultras hatten am vergangenen Wochenende in ihrem Stadion Spruchbänder ausgebreitet mit folgendem Satz: „9.11. Aus der Vergangenheit lernen – Jüdisches leben schützen“. Außerdem forderten die aktiven Fans: „Bring them home now“. Die Fanszene von Werder Bremen pflegt enge Kontakte zu den Fans von Maccabi Haifa und Hapoel Jerusalem, von denen einige von der Hamas verschleppt wurden und immer noch nicht zurückgekehrt sind.
Sollte Vergleichbares, bis hin zu israelischen Flaggen im Olympia-Stadion, von wem auch immer geplant sein, dann braucht man auf die Reaktion einiger türkischer Fans nicht lange gespannt sein. Fest steht jedenfalls, dieses Wochenende wird für die Berliner Polizei eine weitere große Bewährungsprobe. Die Wunden werden dann am Montag geleckt, wenn Erdogan nach seinen Besuchen bei den Sozialdemokraten im Schloss Bellevue und im Kanzleramt längst wieder in Ankara angekommen ist.
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Kommentar von Bernhard Rossi
Ok, Herr Erdogan kommt hauptsächlich, um seine Jungs anzufeuern! Werden er und Scholz auf der Tribüne sitzen und Tee trinken und Döner aus der Hand verzehren! Oder gibt es Bier und Bratwurst für beide, wie auf einem deutschen Sportplatz üblich!
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Kommentar von Palmström
Sitzen dann in der Südkurve die „Grauen Wölfe“? Und wer sitzt in der Nordkurve? Was wird es zum Staatsdinner geben? Döner- Teller extra und dazu Instant-Apfeltee?
Man wäre ich neugierig wenn es mich interessieren würde.
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Kommentar von Wim Wendelin
Was für ein Zufall...Erdogan kommt und gleichzeitig spielt die Türkei gegen Deutschland. Wer da wohl die Termine organisiert hat. Das wird noch lustig...
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Kommentar von Karl Eduard
Ein Fußballspiel gegen die Türkei in Berlin - der größten türkischen Stadt außerhalb der Türkei - und der Sultan ist auch noch da. All das während abertausende auf den Straßen für Palästina demonstrieren. Kann man sich nicht ausdenken. Bin gespannt ob die vielfach genauso wie der DFB politisierten "Fans" sich trauen Pro Israel im Stadion zu verbreiten, denn dann ist Feuer unterm Dach. Was waren das noch für schöne Zeiten als man sich einfach auf ein Fußballspiel freuen konnte. Aber all das wird nichts sein im Vergleich zur EM 2024, die wohl die größte Propagandaveranstaltung seit Olympia 1936 wird. Wahrscheinlich treten unsere Fußballer mit Regenbogentrikot, Faeserbinde und unter ukrainischer Flagge an. Was für ein nicht enden wollender Alptraum.
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Kommentar von .TS.
"Aber an dem „Wollen“ fehlt es in vielen Fällen, wenn die Migranten die deutsche Gesellschaft ablehnen. [...] Sie [...] verachten aber unser Land, unser Volk und unsere Gesellschaftsordnung."
Wer kann es ihnen verübeln angesichts eines Landes daß all seinen Wohlstand erwartungs- und gegenleistungslos wild verschenkt, dessen geschichtliches Selbstverständnis sich auf den Selbstgeißelungs-Schuldkult beschränkt, mit einer Gesellschaft die Familie und Nachbarn auf ein Minimum reduziert hat und Kinder wie Senioren in Verwahranstalten abschiebt, dessen Religion sich vor Andersgläubigen in den Staub wirft und stattdessen dem Buntismus huldigt?