„Mehr Koalition wagen“ – Neue Studie sekundiert der grünen Ideologie

Schamloser geht’s kaum: Bertelsmann Stiftung bescheinigt Ampel eine positive Bilanz

von Alexander Wallasch (Kommentare: 12)

Muss man nicht generell in Zweifel ziehen, ob überhaupt ein relevanter Anteil der Bürger dezidierte Kenntnisse vom Koalitionsvertrag hat?© Quelle: Bertelsmann Stiftung Studiendeckblatt Screenshot

Die Bertelsmann Stiftung will mit einer sinnfernen Studie noch den letzten Widerspruch der Koalitionspartner der Grünen gegenüber deren grüner Ideologie aus dem Weg räumen.

Sahra Wagenknecht bescheinigt der Bundesregierung gerade, die schlechteste Regierung zu sein, welche die Bundesrepublik jemals hatte:

„Die Ampel ist die mit Abstand schlechteste Regierung, die die Bundesrepublik jemals hatte. Viele Menschen machen sich Sorgen um ihre Zukunft, nicht wenige haben angesichts der Teuerung Mühe, mit ihrem Einkommen über den Monat zu kommen.“

Aber um eine grün-links dominierte Ampel zu kritisieren, braucht es die scharfe Kritik der linken Politikerin kaum, das Unvermögen der Bundesregierung ist tief in den Alltag der Bürger eingesickert. Was macht die Bundesregierung dagegen? Sie ändert nicht etwa ihre Politik und tritt geschlossen zurück in der Erkenntnis, den Karren in den Dreck gefahren zu haben. Nein, ihr wird von der Nichtregierungsorganisation „Bertelsmann Stiftung“ in einer aktuellen Studie vermeintlich bestätigt, dass die Erfolge der Bundesregierung besser seien als ihr Ruf.

Das muss man sich vorstellen: Die Bertelsmann Stiftung, die in vielfältiger Weise mit der Bundesregierung interagiert, zusammenarbeitet und kooperiert, reicht der Regierung jetzt eine Studie an, die bestätigt, dass die Ampel eine gute Arbeit macht (Eine konkrete Auflistung der Kooperationen wurde bei der Stiftung angefragt und wird ggf. nachgereicht.).

Bevor es zum Inhalt dieser sehr seltsamen Studie geht, eine grundsätzliche Vorbemerkung: Wenn diese Studie der Bertelsmann Stiftung Schlagzeilen generiert, die der Bundesregierung eine erfolgreiche Arbeit bescheinigen, dann wäre das allerdings bereits ein grundsätzliches Missverständnis, was die Studie selbst betrifft. Die nämlich beurteilt eben nicht die Leistung der Ampel bezogen auf die Zufriedenheit der Bürger, sondern sie untersucht lediglich, in wieweit die Ampel umgesetzt hat, was sie in ihrem Koalitionsvertrag 2021 beschlossen hat.

Hier allerdings empfinden immer mehr Menschen diese Umsetzung als eigentliche Katastrophe, wenn die Details der Verschlechterung ihrer Lebensumstände 1:1 auf eben die Umsetzung der Vereinbarungen im Koalitionsvertrag zurückzuführen sind – von der Transformation der Gesellschaft, der Energiewende bis hin zur Migrationspolitik usw. Hier nicht zu vergessen: Die Wähler der Ampelparteien haben ihre Wahlentscheidung nicht vom Koalitionsvertrag abhängig gemacht. Sie konnten es nicht einmal, denn das Papier gab es ja zum Zeitpunkt der Wahl noch gar nicht.

Beispielsweise das Nachrichtenportal GMX schreibt:

„Obwohl die Ampel viele ihrer Vorhaben umsetzt, wird sie in der Öffentlichkeit vor allem für ihre Streitereien wahrgenommen.“

Aber ist das wirklich so? Interessiert sich der Bürger mehr dafür, ob Lindner mit Faeser zurechtkommt, als dafür, was der Käse im Supermarkt kostet und warum seinem Wohnort schon wieder hunderte weitere Afghanen und Syrer zugeteilt wurden?

Weiterlesen nach der Werbung >>>

Ihre Unterstützung zählt

Mit PayPal

Kommen wir zur Studie der Bertelsmann Stiftung. Die scheut sich nicht davor, dem Papier den Titel zu geben „Mehr Koalition wagen“, entlang des Titels des Koalitionsvertrages „Mehr Fortschritt wagen“ und wiederum wohl in Anlehnung an den Wahlkampfslogan von Willy Brandt, der Ende der 1960er Jahre Kanzler werden wollte mit dem Slogan „Mehr Demokratie wagen“. Untertitel der Studie: „Halbzeitbilanz der Ampel-Koalition zur Umsetzung des Koalitionsvertrages 2021“.

Die Bertelsmann Studie ist 124 Seiten lang. Der Verantwortliche der Studie bei Bertelsmann ist gleichzeitig Mitglied der „Kommission zur Reform des Wahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit“ auf Vorschlag der FDP. Für die Studie kooperierte die Stiftung mit der Universität Trier und mit einer linken Nichtregierungsorganisation, „Das progressive Zentrum“. Letztere wird durch die Bundesregierung gefördert. Allein 2020 erhielt der Kooperationspartner der Bertelsmann Stiftung von der Bundesregierung Fördermittel in Höhe von knapp 600.000 Euro.

Auf diese Sachverhalte telefonisch von alexander-wallasch.de angesprochen und um eine fachliche Einordnung gebeten, reagiert der Studienleiter Prof. Dr. Robert Vehrkamp schnell zickig und geradezu aggressiv, unterstellt dem Fragenden eine „falsche Tonalität“ und fragt verstört, wie man überhaupt auf solche Fragen kommen könne, welche eine Unabhängigkeit der Studienmacher in Zweifel ziehen würden. Er möchte das Gespräch nach wenigen Minuten nicht mehr fortsetzen.

Die Studie attestiert der Bundesregierung:

„In den ersten 20 Monaten ihrer Regierungsarbeit hat die Ampel-Koalition bereits knapp zwei Drittel (64 Prozent) ihres sehr ambitionierten Koalitionsvertrages entweder umgesetzt (38 Prozent) oder mit der Umsetzung begonnen (26 Prozent). Überschattet wird diese insgesamt sehr vielversprechende Halbzeitbilanz durch den öffentlich ausgetragenen Koalitionsstreit. Der führt zu Unzufriedenheit und einem stark einbrechenden Vertrauen in die Erfüllungstreue des Regierungshandelns.“

Auch hier muss daran erinnert werden, dass ein Koalitionsvertrag nicht die Zustimmung der Wähler benötigt. Die Einhaltung von gegebenen „Versprechen“ , wie es in der Studie heißt, sind also keine Versprechen, welche sich unmittelbar etwa an Forderungen der Wähler anknüpfen.

Interessant ist, dass etwas mehr als 1.000 Bundesbürger befragt wurden, ob die Ampel ihre Versprechen eingehalten hat. Aber muss man hier nicht generell in Zweifel ziehen, ob überhaupt ein relevanter Anteil der Bürger dezidierte Kenntnisse vom Koalitionsvertrag hat? Allenfalls die unmittelbaren Auswirkungen der Politik der Bundesregierung kommen beim Wähler konkret an, entfalten dort ihre verheerende Wirkung und können daran entlang von den Betroffenen eingeordnet werden.

Selbst die Aussage, dass die Ampel den Koalitionsvertrag umsetzt, setzt selbstverständlich kein Einverständnis voraus. Die Idee der Studie insgesamt ist fragwürdig. Denn welchen unmittelbaren Aussagewert hat es eigentlich, wenn die Bertelsmann Stiftung meint, hier festzustellen, dass die Koalition sich zu einem größeren Anteil an die Erfüllung des Koalitionsvertrags hält als beispielsweise ihre Vorgängerregierung?

Ist es nicht sogar möglich, dass sich Vereinbarungen eines Koalitionsvertrages nach zwei Jahren als mit der Lebenswirklichkeit und den rasanten Veränderungen der Jetztzeit vollkommen unvereinbar erweisen – explizit jener Teil im Koalitionsvertrag, der sich damit befasst? Wie absurd das alles ist, zeigt ein Beispiel: Die Abbildung 2 der Studie trägt die schwammige Überschrift „Gefühlte Umsetzung von Koalitionsversprechen“.

Und da werden dann die etwa eintausend repräsentativen Umfrageteilnehmer gefragt: „Was glauben Sie, wie viele der Vorhaben, die im Koalitionsvertrag stehen, werden im Allgemeinen umgesetzt?“ Aber wer von den Befragten hat überhaupt Kenntnisse von diesem Papier? Das wird nicht abgefragt. Entsprechend darf man die Antworten getrost als eine allgemeine Kritik an der Regierungspolitik deuten: Die Mehrheit der Befragten meint nämlich, dass nur „ein kleiner Teil/kaum welche“ der Vorhaben umgesetzt wurden, Und das in vermuteter weitreichender Unkenntnis über die Inhalte des Koalitionsvertrages.

Bertelsmann Stiftung als Speerspitze einer grünen Ideologie

Interessant an der Studie ist etwas anderes. So wollen die Studienmacher herausgefunden haben (Abbildung 3), dass mehr als die Hälfte der Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag, die man Parteien zuordnen kann, von den Grünen stammen. Die SPD, welche den Kanzler stellt, soll gegenüber den Grünen gerade einmal ein Viertel der Vorhaben in den Koalitionsvertrag eingebracht haben und die FDP auch nur die Hälfte gegenüber den Grünen.

Diese Studienmacher schreiben: Trotz des Ukrainekriegs habe „die Ampel-Regierung bereits zur Halbzeit ihrer Regierungszeit deutlich mehr umgesetzt, als ihr derzeit eher negatives öffentliches Erscheinungsbild als ,Streitkoalition' vermuten lässt“.

Aber wer behauptet eigentlich, die Ampelregierung trete als „Streitkoalition“ in Erscheinung? Die Ampel tritt doch aktuell vor allem als eine Bundesregierung auf, deren Zustimmungswerte katastrophal niedrig bei einer Zufriedenheit noch unter 20 Prozent liegen. Das ist ein Desaster! Der Versuch, diese Unzufriedenheit darauf zu schieben, dass es die Wahrnehmung einer „Streitkoalition“ gibt, ist einfach falsch.

Und weil diese Annahme so falsch ist, entsteht der dringende Eindruck, dass diese Studie der Bertelsmann Stiftung aus welchen Gründen auch immer den Versuch unternimmt, die als katastrophale Schlechtleistung empfundene Politik der Bundesregierung auf Streitigkeiten zwischen den Koalitionspartner zu reduzieren.

Um dann anschließend die für die Geschicke des Landes grundsätzlich vollkommen irrelevante Umsetzungsquote des Koalitionsvertrages als vorbildlich darzustellen. Denn wenn dort der größte Unsinn stände, wäre es alles andere als ein Verdienst, wenn dieser Unsinn noch in die Praxis umgesetzt würde.

Noch eine Intention hinter dieser Studie drängt sich auf: Gemessen am exorbitant hohen Anteil des Parteiprogramms der Grünen im Koalitionsvertrag scheint es bei den Koalitionspartnern SPD und FDP wachsende Korrekturwünsche zu geben. Hier kann man als Beleg durchaus interkoalitionäre Reibereien anführen, wenn die Tagesschau Ende August dieses Jahres titelt: „Streit in der Ampel - Krach und Knatsch, aber kein Koalitionsbruch“. Unter anderem heißt es da konkret: „Öffentlichkeitswirksam stoppt die grüne Familienministerin ein FDP-Gesetz, das der Kanzleramtsminister von der SPD mal schnell auf die Tagesordnung des Bundeskabinetts gesetzt hatte.“

Und so steht diese Studie der NGO „Bertelsmann Stiftung“ unter Mitarbeit einer von der Bundesregierung mit hunderttausenden Euro geförderten weiteren NGO unter dem dringenden Tatverdacht, hier dem grünen Anteil der Ampelkoalition anzureichen, indem man den Widerspruch der Koalitionspartner mit einer Studie aus dem Weg räumt, die auch inhaltlich mehr als nur missverständlich ist.

Ihre Unterstützung zählt

Mit PayPal

Einen Kommentar schreiben

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen. Aufgrund von zunehmendem SPAM ist eine Anmeldung erforderlich. Wir bitten dies zu entschuldigen.

Kommentare