Sehr geehrte Frau Dr. Weidel,
Sie wandten sich an mich wegen eines Elaborats mit dem Titel „Gutachten zur Einhaltung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis in der Dissertation ‚Das Rentensystem der Volksrepublik China. Reformoptionen aus ordnungstheoretischer Sicht zur Erhöhung der Risikoresistenz‘ von Dr. Alice Elisabeth Weidel, Universität Bayreuth, 2011 im Verlag P.C.O.“. Sie baten mich hierzu um eine Stellungnahme. Dieser Bitte komme ich gern nach und rate von der Einholung eines wissenschaftlichen Gutachtens ab.
Nach Durchsicht Ihrer Dissertation, von der Sie mir eine Kopie überlassen haben, halte ich die erhobenen Vorwürfe für derart abwegig, dass ein Gutachten unnützer Aufwand wäre. Lassen Sie mich das an zwei Beispielen erläutern.
1. Auf Seite 7 seines Elaborats vergleicht der Verfasser Ihre Definition des Kapitaldeckungsverfahrens mit der Definition in meiner Monografie „Theorie der Alterssicherung“. Beide Formulierungen klingen ähnlich, und der Verfasser moniert, dass Sie mich nicht zitiert hätten.
Interessant und sogar komisch ist hierbei der Fußnotenhinweis „3)“ in meinem Text. In dieser Fußnote zitiere ich meinerseits keine Quelle, sondern schreibe sinngemäß, dass der Begriff „Kapitaldeckungsverfahren“ gut eingeführt sei. Kurz, das ist ein Allerweltsbegriff
der ökonomischen Literatur, für den man ebenso wenig einen Beleg nennen muss wie für „property rights“ oder „meritorische Güter“. Natürlich zitieren Juristen viel kleinteiliger als Ökonomen und versehen auch Begriffe wie „Deutschland“ mit Fußnoten, die auf Grundgesetzkommentare und die Zugehörigkeit des Festlandssockels und der Insel Helgoland verweisen. Darauf kommt es hier aber nicht an. Ebenso ist irrelevant, dass Ihre Formulierung meiner ähnelt; denn alle Definitionen des Kapitaldeckungsverfahrens ähneln einander.
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2. Seite 9 des Elaborats betrifft eine von mir als „Theorem 2“ bezeichnete Tatsache. In meiner 1988 publizierten Monografie nutzte ich den Ausdruck „Theorem“, weil diese Tatsache damals durchaus neuartig war und eines mathematischen Beweises bedurfte. Im folgenden sickerte „Theorem 2“ in die Literatur ein, vor allem in Lehrbücher, und wurde den Studenten in Vorlesungen vermittelt. Es kann daher nicht verwundern, wenn Sie zwanzig Jahre später den Inhalt meines Theorems im laufenden Fließtext auf S. 50 als etabliertes Faktum erwähnen, ohne dabei im mindesten zu insinuieren, dies sei Ihre eigene Entdeckung gewesen.
Mehr noch: Zuvor schreiben Sie auf S. 40 explizit, Ihre Darstellung beruhe auf Homburg (1988), Breyer (1990) und Siebert (1997). Hierzu muss man wissen, dass das sehr erfolgreiche und verbreitete Lehrbuch von Breyer in Teilen auf meiner Monografie aufbaut. In der Wirtschaftswissenschaft muss allgemeines Lehrbuchwissen nicht mit satzweisen Belegen wiedergegeben werden. Auch im Schlussteil des Kapitels (S. 51) stellen Sie gleich am Anfang klar, dass Sie vorstehend „Grundkonzepte darlegen“ und nicht fremdes Wissen als eigene Schöpfung verkaufen wollten.
Ich lasse es hierbei bewenden, weil das Elaborat unter folgender methodischer Schwäche leidet: Weder die eingesetzte Software noch der Verfasser verstehen inhaltlich, worum es eigentlich geht. Daher lassen bloße Wortähnlichkeiten dort rote Warnlampen aufflammen,
wo kein Plagiat erkennbar ist. Ich habe in dem gesamten Elaborat nichts gefunden, was auf Ihre Absicht schließen ließe, Gutachter zu täuschen und sich mit fremden Federn zu schmücken.
Dies wäre jedoch Voraussetzung für ein Plagiatsverfahren. Als ein in Ihrer Dissertation oft zitierter wissenschaftlicher Autor bestätige ich, dass ich mich von Ihnen wohlwollend behandelt fühle und an keiner Stelle geistigen Diebstahl feststellen konnte. Über 600
Fußnoten und ein ellenlanges Literaturverzeichnis passen zu diesem Eindruck. Für diese kurze Stellungnahme berechne ich natürlich nichts. Sie können die Stellungnahme gern gegenüber Dritten verwenden.
Mit freundlichen Grüßen
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Kommentar von Carl Peter
Wie Dr. Weidel selbst sagte, mit derartigen Plagiatsvorwürfen haben sich schon sehr viel früher ihre Gegner erfolglos beschäftigt.
Und was auch immer die einschlägigen Medien daraus machen wollen, man kauft doch von Rosstäuschern keine Pferde - naja, schön gesagt, in Wahrheit wird hierzulande zuhauf auf halb bis ganz toten Pferden geritten.
Etwas bleibt schon hängen, Lüge oder Wahrheit ist doch egal, ein Doktortitel ist generell ein halbseidener Titel, wenn er für ein höheres gesellschaftliches Ansehen gebraucht wird.
Man sollte mal seine eigenen Arbeiten durch eines dieser Plagiatsprüfungtools im Internet schicken, und wird sich dann wundern, was an Fragmentarischem so alles gefunden wird - ist von kostenlos bis kostenpflichtig in jeglichem Umfang zu nutzen, und lässt sich als jeder gegen jeden prima einsetzen.
Man muss nicht mal selbst lesen - selbst schreiben sowieso nicht, und am Ende muss man auch nicht selbst leben, selbst autofahren oder selbst sterben…
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Kommentar von .TS.
Die Antwort von Herrn Homburg kurz zusammengefasst: Die Kritiker der Süddeutschen Zeckung sind schlicht zu dumm zum Lesen.
Das könnte auch erklären warum die Gentergagawillkürschaften heute so hoch im Kurs sind: Da ist schlicht und ergreifend nichts plagiiert, denn solchen Blödsinn den man abguttenbergen könnte gab es früher schlicht und ergreifend gar nicht.
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Kommentar von Alwin Ettl
War klar, dass die Unfähigen sich jetzt darauf einschießen, den politischen Gegner zu schwächen, um sich selbst zu retten.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Frau Weidel es nötig hätte, sich mit fremden Federn zu schmücken. Und ich stelle sie in eine Reihe mit Helmut Schmidt, wenn es um Vertrauenswürdigkeit geht.
Schöner Zug des Professor Homburg, dass er so schnell reagiert und Entwarnung gibt.
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Kommentar von Eugen Karl
Was sollen denn "viele kleine Plagiatsfragmente" sein? Einzelne Wörter? Diesen Terminus sollte man einmal unter die Lupe nehmen. Was könnten "Fragmente" eines Plagiats sein? Ein Fragment ist etwas Unfertiges, genauer ein Bruchteil (lat. frangere = brechen). Um es als solchen erkennen zu können, muß man das Ganze kennen. Da aber dieses Ganze in Weidels Dissertation nicht vorhanden ist - sonst hätte man es sicherlich aufgespießt -, kennen es die Nonames gar nicht und ihre "Fragmente" sind reine Phantasieprodukte, Einzelwörter, willkürlich als Plagiats"teile" zurechtphantasiert. Wenn zwei Autoren deutsch schreiben, werden sich Teile ihres Wortschatzes überschneiden, die dann von Dummköpfen als "Plagiatsfragmente" zurechtgebogen werden.