Sinn macht für die Feministin ihr offener Brief, in dem sie sich gegen Waffenlieferungen in die Ukraine ausgesprochen hat. Zu den Erstunterzeichnern gehörten unter anderem die Schriftsteller Martin Walser und Juli Zeh.
Vielen Frauen in Deutschland wird heute einiges einfallen, das sie Schwarzer zu verdanken haben. Die Verlegerin war in den 1970er Jahren mit Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre befreundet und europäisierte so gewissermaßen den deutschen Feminismus.
Zusammen mit der Schauspielerin Catherine Deneuve und anderen stand Schwarzer ebenfalls an der Spitze der Bewegung für mehr Frauenrechte, Gleichberechtigung und vor allem für das Recht am eigenen Körper und gegen Sexismus in den Medien.
Ihre Unterstützung zählt
Oder kurz gesagt: Alice Schwarzer ist kein Feigling. Wenn die Journalistin Haltung zeigt, kommt Bewegung in eine Debatte. Wenn Schwarzer gegenüber T-Online sagt, dass ihr offener Brief „den Korken aus der Flasche gehauen hat“, dann trifft das exakt so zu.
Die wütenden Reaktionen des polit-medialen Komplexes und einiger Randfiguren wie die des ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk verdeutlichen sogar, dass der offene Brief von Schwarzer kein Korken aus der Flasche war, sondern eher der Sprengung eines brodelnden Vulkans glich.
Nun ist der Botschafter der Ukraine ganz entgegen seiner Berufung nicht für diplomatische Töne bekannt. Aber was er sich jetzt gegenüber Alice Schwarzer, einer Person des öffentlichen Lebens in Deutschland, erlaubt hat, ist mehr als nur eine Unverschämtheit – jedenfalls gemessen an der den offenen Brief diffamierenden Motivation dahinter.
Melnyk twitterte Folgendes:
„Hi Alice Schwarzer, Ihr Aufruf zur Kapitulation der Ukraine bedeutet, dass Ihr gefeierter Feminismus nur eine Fassade, ein Fake ist. Massenvergewaltigung von ukrainischen Frauen durch russische Soldaten in Kauf zu nehmen, ist Zynismus pur. Keiner mit gesundem Verstand soll Ihre schäbige EMMA kaufen.“
So eine lediglich beleidigen wollende Aussage muss man entlang der Lebensleistung von Schwarzer nicht mehr kommentieren. Hier geht es einzig darum, ihre kritische Haltung gegenüber Waffenlieferungen zu diskreditieren. Das ist schäbiger als es jedes Magazin inhaltlich sein könnte. Da zeigen wohl selbst die St. Pauli Nachrichten mehr Anstand als dieser Schreihals im viel zu großen Diplomatenanzug.
Die Charakterschwäche eines sich als Rumpelstilzchen inszenierenden Botschafters wird mit jedem seiner übergriffigen Twitter-Kommentare deutlicher. Zuletzt forderte er, in einer Art expandierendem Größenwahn, ein Mahnmal zu errichten für die ermordeten Ukrainer im Zweiten Weltkrieg. Melnyk hatte kritisiert, dass die Ukraine in der Topografie der deutschen Erinnerung fast komplett abwesend sei.
So ein Verlangen im Kontext mit der Forderung nach mehr schweren Waffen zu formulieren, ist mindestens inakzeptabel. Wann Deutschland ein Mahnmal errichtet, wo und für wen, wird 80 Jahre nach Kriegsende sicher nicht in der Entscheidung dieses ukrainischen Botschafters liegen. Und die Ausgestaltung des Geschichtsunterrichts an deutschen Schulen bleibt weiter Angelegenheit der Deutschen.
Soll sich Andrij Melnyk an Alice Schwarzer ruhig die Zähne ausbeißen. Daran sind in den vergangenen Jahrzehnten schon deutlich härtere Kerle gescheitert als dieser freche Mann aus Ost-Europa. Eine Debatte um Sinn und Unsinn von Waffenlieferungen ist längst angestoßen und Alice Schwarzer zu verdanken.
Der ukrainische Präsident und sein Botschafter mögen glauben, mit unserer Regierung Katz und Maus spielen zu können. Und der Ton der beiden macht den starken Eindruck, als wüsste man recht genau, dass man dabei die Amerikaner zur Seite hat.
Teil unserer westeuropäischen Nachkriegskultur ist eine starke Zivilgesellschaft. Und Alice Schwarzer ist kein unbedeutender Baustein einer Zivilgesellschaft, die es beispielsweise erfolgreich verhindert hat, dass Korruption sich im selben Maße ausdehnen konnte, wie das in vielen Ländern Ost-Europas der Fall ist:
Die Ukraine rangiert hier auf Platz 117 zwischen Sambia und Sierra Leone. Deutschland liegt auf Platz 9 zwischen Holland und Luxemburg. Das sind nur ein paar unbestechliche Hinweise zur Idee eines gemeinsamen europäischen Hauses.
Alice Schwarzer hat es nicht bei ihrem offenen Brief belassen. Sie hat jetzt anlässlich der Premiere des Dokumentarfilms „Alice Schwarzer“ noch einmal in Richtung Ukraine nachgelegt:
Selenskyj höre nicht auf zu provozieren. Und sei eine Schande, dass die Bundesregierung hier nicht lautstark protestiert hat, als die Einladung des Präsidenten kam, der Bundeskanzler solle ausgerechnet am 9. Mai nach Kiew reisen, während Russland quasi nebenan den sowjetischen Sieg über Nazideutschland feiert.
Der ukrainische Wunsch, Deutschland in einen Krieg hineinzumanövrieren, ist überdeutlich. Aber er wird nicht deutlich genug von der Bundesregierung abgewiesen. Die unsichtbare Hand von Uncle Sam im Nacken von Selenskyj und Co. – da will man gar nicht so genau hinschauen.
Alice Schwarzer kauft der deutschen Regierung den Schneid ab und bezeichnet die Einladung des ukrainischen Präsidenten als „Provokation ohne Gleichen“.
Der von Oskar Lafontaine als Blackrock-Lobbyist titulierte Friedrich Merz muss bei Selenskyj offenbar den Eindruck hinterlassen haben, mit den Deutschen könne man alles machen. Oder der Oppositionsführer im Deutschen Bundestag hat es ihm so souffliert.
Und weil die Kampagne gegen Schwarzer jetzt erst so richtig hochgefahren ist, darf auch ein Klitschko nicht fehlen und der deutschen Feministin ein paar Upper Cuts verpassen. Die allerdings waren im Verhältnis zu Andrij Melnyks Pöbelei von geradezu ausgewählter Diplomatie: Blinder Pazifismus sei so falsch wie glückselige Kriegstreiberei. Aber etwas anderes hatte Alice Schwarzer auch gar nicht behauptet.
Einen Kommentar schreiben
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen. Aufgrund von zunehmendem SPAM ist eine Anmeldung erforderlich. Wir bitten dies zu entschuldigen.
Zur Anmeldung
Kommentare
melden
Kommentar von Romy Discher
Dieser Typ soll endlich dorthin zurückkehren, wo er herkommt, wenn ihm Deutschland nicht passt. Und Deutschland soll diesen Typen endlich des Landes verweisen. Das kann doch nicht sein, dass solche Terroristen in Deutschland Innenpolitik machen. Respekt sieht anders aus. Es ist höchste Zeit solchen Pfeifen Grenzen aufzuzeigen und diese durchzusetzen.
melden
Kommentar von H. Jacobsen
Es entspricht dem Charakter von Herrn Melnyk, solche Aussagen zu treffen. Herr Melnyk ist jemand der sich, bekommt er nicht das was er will, wie ein kleines trotziges schlecht erzogenes Kind benimmt. Wäre er nicht Botschafter würde man ihm wohl eine Behandlung nahe legen.
melden
Kommentar von Ulf Küch
Ich bin in Sorge!
„Denk ich an Deutschland in der Nacht,
/ Dann bin ich um den Schlaf gebracht“ – Heinrich Heine-(1844)
Die derzeitigen Auseinandersetzungen mit der Gegenwart und der „Ukraine“, als Appendix der Coronakrise, verdeutlichen m.E., dass leider noch der überwiegende Teil der Nation vom „Geist der gegenwärtigen Erklärungen und Prognosen amtlicher Verlautbarungen“ gefangen ist und damit auch von ihm abhängig wurde. Es sind noch wenig Zweifler, aber mehr und mehr fragende kritische Menschen, die beschimpft, verhöhnt und diskreditiert werden, obwohl sie sachlich versuchen (und nur von denen rede ich), sich von diesem aufgeworfenen Ballast zu befreien und unser Rad der Geschichte, der Menschlichkeit und vor allem der Toleranz, wieder anzuschieben.
Ich habe mich viel, seinerzeit gerade auch beruflich, mit der Frage beschäftigt, wie Menschen dazu kommen, andere so zu hassen, sie so zu ignorieren und wie anhand der deutschen Geschichte deutlich geworden ist, ganze Völker, Religionsgemeinschaften und auch Menschen, die nicht dem allgemeinen „Mainstream“ entsprachen, weil deren sexuelle Ausrichtung oder einfach auch nur das Denken (ich meine keine Gewalttätigen) anders war oder ist, schlichtweg auszurotten.
In der Geschichte der Menschen spielte die Ausübung von Gewalt zur Durchsetzung eigener oder auch staatlich-religiöser Interessen immer „die wesentlichste Rolle“.
Die Verfolgung von Menschen im Mittelalter, die man der Hexerei beschuldigte, ist hier ein Paradebeispiel für das Verhalten von Gesellschaften, wenn ihnen die „richtigen Gründe für die Anwendung von Gewalt, Verleumdung und Ausgrenzung“ angeboten werden.
So spielten hier die katholische Kirche und später auch die Lutheraner eine unrühmliche Rolle.
Ein „Gerichtsgutachter“ namens Sebastian Nötting in Nördlingen (Duhr 1913, Seite 50)schrieb auf, warum die Menschen dem Hexenglauben zugewandt waren:
„…die einen tun`s aus Not und Armut, Andere aus Rachsucht, viele aus Fürwitz (Neu- und Habgier), andere aus Geilheit, die dann aber in Ernst umschlage…“.
Oft entstanden diese „Hexenprozesse“ aus strittigen Situationen und nicht selten spielten dann rein materielle Erwägungen eine große Rolle, wenn es galt, missliebige Personen auszuschalten.
Entscheidend waren aber, -wie auch heute?- die von “oben verordneten Rahmenbedingungen“.
Und man komme mir nicht damit, man hätte seinerzeit eher regional agiert. Nein, Kirche und wie heute die Politik hatten immer ihre Machtzirkel und auch geheime Treffen. Konzil oder Kardinalstreffen in Europa vs. "Bilderberger, Atlantik-Brücke" oder Treffen der G 7. Die Mechanismen sind wenig unterschiedlich(?)
Der Hexenglaube hat mit der derzeitigen Diskussion um die Gefährlichkeit eines bevorstehenden Krieges, also des „Für und wider“ einer Gefahr, die der „normale Mensch und Nichtmilitäreperte „ weder realistisch einschätzen noch beurteilen kann“, ein gewisse Parallelität erreicht(?)
Es geht auch hier in erster Linie um Glauben, nicht nur um Wissen, wobei auch noch Kalkül dazu gekommen ist.
Insofern unterscheiden wir uns kaum vom mittelalterlichen Menschen, denn „verflucht wird, was man weder sehen, noch fühlen kann“ (?)
Die seinerzeit von der Kirche über Jahrhunderte systematisch aufgebaute „geistige Gefolgschaft und der Kadavergehorsam“ der Menschen trug die erwünschten Früchte.
Die Machthaber, zunächst die Kirche, nutzten diesen Hebel schamlos aus, um ihre geistig religiöse Politik durchzusetzen und sich an Grund und Boden sowie Gold und Silber zu bereichern.
Wer da nicht mitmachte, war ein Gotteslästerer und später ein Ketzer, die Frauen endeten als Hexen.
Es reichte somit eine „Idee“ aus, mit der man den Menschen so viel Angst einflößte, dass sie bereit waren, ihren nächsten Nachbarn, Teile der Gesellschaft und sogar die eigene Familie an die „Mächtigen“ auszuliefern.
Nun sind wie hier erfreulicherweise nicht im Mittelalter, aber die von den Zeitzeugen dieser dunklen europäischen beschriebenen Mechanismen wirken scheinbar erneut wieder?
Ein zweifelsfrei und unbestritten vorhandene Aggression Putins, tödlich für Menschen in seiner Armee und vor allem in der Ukraine, wird dazu „missbraucht“, staatliche "Waffenlieferungen" zu rechtfertigen. Ein Beweis für die katastrophalen Folgen bleiben die Mächtigen allerdings schuldig. Statt dessen, Angst und immer wieder Angst. Zahlen von Toten und Verbrechen werden uns aus der Ukraine geliefert, aber auch ohne wirkliche Offenlegung der dort herrschenden tatsächlichen Situation und Umstände. "Beweise" werden allerdings einfach offen gelassen.
Stattdessen werden stündlich irgendwelche „Horrorgeschichten“ über den bevorstehenden 3.Weltkrieg durch die Niederungen der Presse gejagt, um den Verunsicherungsfaktor aufrecht zu erhalten.
Beweise, Fehlanzeige!!
Nur vage Anzeichen oder geschickt verpackte Vermutungen(?)
Hätte ich als Kriminalist solche Konstrukte vor Gericht vorgelegt, wäre ich dort des Saales verwiesen worden.
Daher gilt auch hier(?)
Früher war es die Hexe, die tödlich per Fluch agierte, jetzt ist es "Mars“, welcher tötet(?)
Missliebige Warner und seriöse Ex-Generäle werden „als Scharlatane von selbst ernannten „Faktencheckern“ diskreditiert.
Der Zensor ist auferstanden und löscht alles, was nicht "gefällig" ist.
Heinrich Heine hätte heute ein deja vu.
Die Begründungen für die Maßnahmen zum Schutz aller sind und waren allerdings täuschend ähnlich :
„Es geht uns darum, das Volk und die westlichen Werte zu schützen“
Die wahren Gründe blieben zunächst, wie auch heute m.E. noch im Verborgenen.
Suchen wir also jetzt demokratisch und gewaltfrei nach der Wahrheit. Auch die gottlose Verfolgung der Menschen, insbesondere hunderttausender Frauen im Mittelalter, fand im Rahmen der Aufklärung ein Ende und die Kirchen hatten sich, zumindest moralisch, zu verantworten.
Meine Sorge gilt der derzeitigen sprachlichen Situation in diesem Land. Ich habe bewusst und natürlich wie immer provokant den Bogen zur Hexenverfolgung gezogen.
Wenn ich heute im Internet, oder auch hier auf Facebook lese, dass man diese „Putinversteher“, die „das Volk, unsere Demokratie und die westliche Lebensart schwer beschädigen, ausweisen, einsperren, oder sonst etwas mit ihnen machen sollte“, dann sei mir dieser Vergleich erlaubt.
Sprache schafft Wirklichkeit liebe Landsleute. Gemeine Hetzerei oder Lug und Trug sind da kein probates Mittel, die soziale Ordnung und das Gemeinschaftsgefühl in Deutschland wieder herzustellen.
Ganz im Gegenteil, geht das leider auch stark medial angefeuerte Gehetze und Gepöbele gegen „anders Denkende“ so weiter, steuern wir auf etwas zu, was neben den ohnehin absehbaren katastrophalen wirtschaftlichen Folgen den Exodus unserer Gesellschaft befördern könnte.
Da möchte ich auch im Namen meiner Kinder, Enkel und Kindeskinder bestimmt nicht hin!
Und ja, Frau Schwarzer hat das, was vielen Politikern fehlt.
Eier!!!
melden
Kommentar von Stefan Meschkank
Das ist so dicht, da kann ich nichts anderes sagen als: Da hast Du recht.