Eine Schildkröte wird beschlagnahmt und eine Duldung ausgesprochen

Odyssee einer Trennung – Ein Schildkrötenbürgerstreich

von Alexander Wallasch (Kommentare: 7)

„Die sofortige Vollziehung der Beschlagnahme wird angeordnet.“© Quelle: Pixabay / JoakimMosebach

Eine Nachbarin hält Schildkröten im Garten. Die stillen Zeitgenossen leben dort seit bald 20 Jahren. Und damit zählen die Panzertiere nicht einmal zu den Methusalems. Es kann möglich sein, dass die Tiere die 50-Jährige überleben. Vorausgesetzt, es passiert nichts Unvorhergesehenes.

Passierte aber doch. Keine Sorge, keinem Tier oder ihrer Halterin ist etwas Schlimmes passiert. Die einzige Dame des Trios war aus dem großräumigen Gartengehege verschwunden. War sie der beiden Kerle überdrüssig geworden? Nein, die beiden sind schwul, beteuerte die Nachbarin einmal lachend. Später zeigte sie mir auf dem Handy die lautstarken Paarungsversuche, die sie einmal gefilmt hatte. Aber wir mochten nicht lange hinschauen, die Szene erschien uns zu privat.

Eines vielleicht doch: Dieses eigenartig gehechelte Gegrunze ist nichts gegen das, was meiner Nachbarin jetzt mit ihrem einzigen Schildkrötenweibchen passierte. Man will es nicht glauben, bis man die dazugehörige Korrespondenz gelesen hat, dazu aber gleich mehr.

Das Weibchen war also weg, die Nachbarin wartete noch bangend den nächsten Tag ab, denn, so sagte sie, wenn die Sonne kommt, seien ihre Schützlinge immer am aktivsten, vielleicht tauche Rosamunde einfach wieder auf. Aber nichts war zu sehen von der bald viereinhalb Pfund schweren stattlichen Schildkrötendame. Also hängte die Nachbarin ihre mit zittrigen Händen geschriebenen Suchzettel an die Laternenpfähle vor ihrem Haus, denn viel weiter konnte das Tier in seinem artigen Slow-Motion-Gang ja nicht gekommen sein.

Nichts passierte, bis am kommenden Morgen eine andere Nachbarin auf dem Weg zur Arbeit die Suchanzeigen las und Entwarnung geben konnte: Ja, sie habe die Schildkröte am Vortag vor der Bushaltestelle gefunden und zum zwanzig Kilometer entfernten NABU, dem Naturschutzbund Deutschland gebracht, so, wie es ihr das örtliche Tierheim auch geraten hatte.

Die Freude bei der Halterin des Tieres war verständlicherweise groß, denn obwohl Schildkröten keinen treuen Hundeblick haben, versicherte die Nachbarin, sei da was zusammengewachsen über die Jahre. Man koexistiere, man erkenne einander wieder, man schätze sich durchaus gegenseitig, dafür müsse man sich nicht mehrmals am Tag das Gesicht ablecken lassen.

Jetzt könnte diese Geschichte mit einer glücklichen Heimkehr und Wiedervereinigung beendet sein. Könnte – denn die Nachbarin bekam ihre Schildkröte leider nicht zurück. Der Anruf beim Nabu ergab, dass man zunächst eine „Cites-Bescheinigung“ als Beleg brauche.

Tatsächlich erinnerte sich die Nachbarin sogar noch, dass sie diese Papiere beim Kauf vor fast zwanzig Jahren archiviert hatte. Sie fand die Unterlagen samt Foto vom unverwechselbaren Bauch der Schildkrötendame im hinteren Aktenschrank wieder. Also schnell eingescannt, per E-Mail zum Nabu geschickt, ins Auto gesetzt und die Schildkröte von ihrem Ausflug zurückgeholt.

Wo Rosamunde mit dem Bus hinfahren wollte, als sie sich vom Garten aus die fünfhundert Meter zur Haltestelle quälte, wird dann für ewig ihr Geheimnis bleiben ...

Aber noch bevor die Nachbarin im Auto saß, bekam sie schon Antwort vom NABU, sie möge doch bitte die weitere Fotodokumentation schicken, da die Schildkröte seit der Ausstellung ihrer Papiere noch deutlich gewachsen sei.

Und tatsächlich stand irgendwo in den Cites-Papieren, dass eine regelmäßige Fotodokumentation der charakteristischen Panzerunterseite obligatorisch sei – erforderlich für die Bürokratie, nicht für das Wohlergehen der Tiere, welche meine Nachbarin beim Züchter gekauft hatte, als die Schildkröten kaum größer waren als Fünfmarkstücke mit kleinen lustigen Stummelfüßchen.

Die Nachbarin schrieb dem NABU nun, sie habe leider keine Fotos, aber Kinder. Da habe sie über die Jahre einfach vergessen, neue Bilder einzukleben. Es habe ja auch nie jemand gefragt in den letzten zwanzig Jahren. Und die Schildkröten habe es immer sehr gut gehabt mit ihr, versicherte die Nachbarin treuherzig den Leuten vom NABU.

Antwort der Tierschützer: Keine Fotos keine Schildkröte. Oder wörtlich per E-Mail:

„Ich verstehe das, aber ich kann Ihnen das Tier leider nicht rausgeben. Klären Sie das bitte mit der zuständigen Behörde (Name Sachbearbeiterin/Tel.) oder mit dem NLWKN (Name Sachbearbeiterin/Tel.).

Die Nachbarin googelte also „NLWKN“, was für „Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz Betriebsstelle Hannover-Hildesheim“ beim niedersächsischen Umweltministerium steht.

Gesagt, getan und angerufen. Jetzt sollte die Nachbarin bitte einmal schriftlich erklären, was passiert sei und bitte Merkmale nennen, welche belegen, dass es tatsächlich ihre Schildkröte sei. Bange geworden, tat die Nachbarin, wie ihr aufgetragen wurde:

„Sehr geehrte Frau XXXXXX, unsere weibliche Schildkröte ist am Sonntag, den 23.6. aus ihrem Gehege in unserem Garten aufgebrochen. Da wir sie den ganzen Nachmittag gesucht haben, hängten wir Suchzettel auf. Heute Morgen klingelte eine Frau, die in der Nähe wohnt und sagte, sie habe die Schildkröte am Sonntag gefunden und zum NABU gebracht. Die Schildkröte hat an der Unterseite ihres Schwanzes eine kleine, warzenähnliche Erhebung, an der sie erkannt werden kann. Auf dem Bild ist sie mit ihrem Bruder zu sehen, der sehr ähnlich aussieht aber größer ist . Ich wäre über eine schnelle Klärung sehr froh und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag. Mit freundlichen Grüßen.“

Aber damit war noch gar nichts erledigt. die Odyssee begann gerade erst. Die Trennung zwischen Nachbarin und Schildkröte wurde weiter aufrechterhalten.

Antwort der unteren Naturschutzbehörde an meine Nachbarin:

„Hallo Frau XXXXX, nach Rücksprache mit dem NLWKN ist nun folgendermaßen zu verfahren: Die vorliegende EU-Bescheinigung für die in Rede stehende Schildkröte ist aufgrund nicht fortgeführter Fotodokumentation ungültig geworden. Die ungültige Bescheinigung ist im Original an den NLWKN zu senden, sowie eine Tierbestandsmeldung für alle geschützten Tiere, die sich in Ihrem Besitz befinden. Da durch die fehlende Fotodokumentation das Tier voraussichtlich nicht zweifelsfrei der EU-Bescheinigung zugeordnet werden kann, sind andere Nachweise, wie z.B. eine Zeugenerklärung Dritter (Nachbarin) und Fotos zu übersenden.

Der NLWKN empfiehlt in diesem Zuge ohnehin die Beantragung einer neuen EU-Bescheinigung. Die notwendigen Formulare sind angehängt. Man findet diese und alle weiteren Informationen ebenfalls auf folgender Website: Vermarktungsgenehmigung | Nds. Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (niedersachsen.de) Die Meldepflicht der Bundesartenschutzverordnung für besonders geschützte Wirbeltiere | Nds. Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (niedersachsen.de) Der Antrag sowie die weiteren Unterlagen sind an die im Formular angegebene Adresse zu senden. Die Unterlagen werden dann vom NLWKN geprüft. Mit freundlichen Grüßen“

Jetzt wurde meiner Nachbarin wirklich bange. Denn es schien sich abzuzeichnen, dass die Trennung bis zur endgültigen Klärung noch Wochen in Anspruch nehmen würde. Also rief sie ein weiteres Mal persönlich an, berief sich auf das Tierwohl und erklärte sich bereit, wenn nötig sogar eine Eidesstaatliche Versicherung abzugeben.

Aber sie möchte jetzt bitte, bitte gern ihre Schildkröte wieder abholen, die trotz ihres plötzlichen Fernwehs durchaus die Gesellschaft der mit ihr gut bekannten weiteren beiden Schildkröten zu schätzen wisse. Sie selbst habe schlecht geschlafen, sie sei sehr besorgt, dass könne sicher gut verstehen, wer selber Schildkröten habe.

Es folgte eine weitere E-Mail der Behörde:

Hallo Frau XXXXX,
um es nochmal zu verdeutlichen, der Vorschlag ist bereits ein Entgegenkommen des NLWKN. Normalerweise handelt es sich hier um eine verfolgbare Ordnungswidrigkeit, da Sie durch die fehlende Dokumentation gegen geltendes Recht verstoßen haben. Da sowohl die Untere Naturschutzbehörde als auch der NABU Interesse daran haben, dass das Tier wieder in Ihren Besitz kommt, gibt es aufgrund der gesetzlichen Vorschriften folgende Möglichkeiten:

1) Sie verfahren wie in meiner ersten Mail vom 25. Juni 2024 beschrieben und beantragen eine neue EU-Bescheinigung beim NLWKN. Die Vorgehensweise und die Dokumente finden Sie in meiner Mail.

2)     Ich kann Ihnen vorab eine kostenpflichtige Duldungsverfügung ausstellen. Mit dieser Verfügung bekommen Sie die Schildkröte zurück. Danach haben Sie trotzdem unverzüglich den 1. Punkt nachzuholen, ansonsten liegt es im Ermessen der Behörde, die Schildkröte wieder einzuziehen.“

Parallel hatte sich die mittlerweile wirklich sehr besorgte Nachbarin noch einmal mit dem NABU beschäftigt und war auf einen aktuellen Aufruf gestoßen: Wegen der sommerlichen Temperaturen war dort von einer regelrechten Schildkröten-Ausreisewelle die Rede. Mittlerweile beherberge man weit über 80 Tiere. Das NABU bittet deshalb:

„Wer einem solchen Fundtier ein dauerhaftes Zuhause geben möchte, sollte sich unbedingt unter – E-Mail – an das NABU-Artenschutzzentrum wenden.“

Schreibt das NABU, während der Schildkröte der Nachbarin die Ausreise aus dem hoffnungslos überfüllten NABU-Schildkröten-in-Gewahrsam-Lager verweigert wird bzw. nach dem Verweis der Nachbarin auf das Tierwohl dann doch nicht mehr so rigoros. Es kann jetzt eine „kostenpflichtige Duldungsverfügung“ ausgestellt werden. Natürlich war die Nachbarin dazu in ihrer Not bereit und sie antwortete wieder etwas erleichterter:

„Hallo Frau XXXXXX, senden Sie uns gern die dem Tierwohl entgegenkommende ,Duldungsverfügung' zu und den Abholtermin? Mit freundlichen Grüßen“

Die Antwort der unteren Naturschutzbehörde in Absprache mit dem NLWKN ging dann so:

Hallo Frau XXXXXXX, ich werde die Verfügung vorbereiten. Sie wird Ihnen per Postzustellungsurkunde zugehen. Dafür benötige ich noch Ihre Anschrift. Das Artenschutzzentrum weiß über das Vorgehen Bescheid. Sie können dann einen Termin mit Frau XXXXX vereinbaren. Mit freundlichen Grüßen“

Die Nachbarin sah weitere Tage der Trennung und antwortete der Behörde:

„Ist eine zusätzliche Zusendung des Papiers per E-Mail möglich, damit wir sie heute noch abholen können?“

Antwort:

„Hallo Frau XXXXX, anliegend erhalten Sie die Beschlagnahmeverfügung bezüglich Ihrer Schildkröte vorab per Mail. Das unterschriebene Original sowie der Kostenfestsetzungsbescheid gehen Ihnen per Post zu. Bitte denken Sie auch an die CITES Bescheinigung beim Abholen des Tieres. Sobald Sie beim NLWKN eine neue Bescheinigung beantragt haben bzw. sobald mir diese vorliegt, entfällt die Beschlagnahme. Sie haben auch mit Ihren weiteren Schildkröten so zu verfahren, wenn keine Fotodokumentation vorhanden ist. Alternativ kann auch ein Artenschutztransponder gesetzt werden. Dann kann das Tier eindeutig zugeordnet werden und die Fotodokumentation entfällt. Mit freundlichen Grüßen“

Die Behörden hatten sich besprochen und aus der „kostenpflichtigen Duldungsverfügung“ war jetzt eine „Beschlagnahmeverfügung“ geworden?

Die Nachbarin war zwischenzeitlich wirklich mit allem einverstanden, um nur endlich ihre Schildkröte wieder zu Hause haben zu können. Sie erklärte sich weiterhin einverstanden und fuhr samt Papieren zum NABU-Zentrum um ihre Schildkröte in Empfang zu nehmen.

Dort bekam sie das geliebte Tier samt Rechnung ausgehändigt:

Pflegekosten pro Tag moderate 4,20 Euro mal vier Tage. Zudem musste eine Parasitenkontrolluntersuchung bezahlt werden samt Kotprobe, „Probeentnahme, Versand, Untersuchung“ und die Einrichtung und Desinfektion eines Quarantäneterrariums.

Die Schildkröte ist jetzt wieder bei der Nachbarin. Und wer nun noch wissen möchte, was die Behörden ihr über mehrere Seiten geschrieben haben, der kann das hier nach der Werbung nachlesen.

Weiterlesen nach der Werbung >>>

Ihre Unterstützung zählt

Mit PayPal

-1-
Beschlagnahme einer streng geschützten Landschildkröte Duldung des Verbleibs in Ihrem Besitz

Sehr geehrte Frau XXXX,
1. ich beschlagnahme die in Ihrem Besitz befindliche Breitrandschildkröte (Testudo marginata Schoepf) und ordne ein Verfügungsverbot für dieses Tier an, d. h. Schildkröte darf weder verkauft noch auf andere Weise weitergegeben werden.
2. Die Beschlagnahme entfällt, sobald für das Tier eine rechtmäßige EU-Bescheinigung vorliegt.

Die Beschlagnahme erfolgt unter folgenden Nebenbestimmungen:
a)  Die Schildkröte verbleibt vorerst bei Ihnen und ist von Ihnen artgerecht unterzubringen und zu versorgen.
b)  Die Schildkröte darf nicht zum Zweck der Zucht eingesetzt werden.
c)  Der Tod einer Schildkröte ist mir unverzüglich anzuzeigen. Der Kadaver des verstorbenen Tieres ist mir nach Absprache zu zeigen, ggf. ist dieser von Ihnen zwischenzeitlich eingefroren aufzubewahren.
d)  Falls Sie die Schildkröte nicht mehr halten möchten oder können, ist der weitere Verbleib des Tieres mit mir abzusprechen.
e)  Für die Schildkröte ist die für besonders geschützte Tiere gesetzlich vorgeschriebene Fotodokumentation anzufertigen. Die Dokumentation ist in solchen Zeitabständen zu wiederholen, dass mögliche Änderungen der Körpermerkmale nachvollziehbar sind.


Die sofortige Vollziehung der Beschlagnahme wird angeordnet. Ein eventuell eingelegter Widerspruch hat demnach keine aufschiebende Wirkung.
Den Widerruf der Duldung sowie die Festsetzung weiterer Auflagen behalte ich mir vor.

-2-
Die Kosten dieses Bescheides haben Sie zu tragen. Begründung:
Mit E-Mail vom 24. Juni 2024 gaben Sie an, dass Ihre weibliche Schildkröte am Sonntag, den 23. Juni 2024 aus dem Gehege in Ihrem Garten ausgebrochen ist. Eine Nachbarin teilte Ihnen mit, sie habe die Schildkröte am gleichen Tag gefunden und ins NABU Artenschutzzentrum (...) gebracht, wo sie seitdem untergebracht ist.
Bei sämtlichen Landschildkröten handelt es sich gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 13 a) Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) (1)i. V. m. Anhang B der EG-Verordnung 338/97 (2) um besonders geschützte Tierarten, die Breitrandschildkröte ist nach § 7 Abs. 2 Nr. 14 sogar streng geschützt.
Besonders geschützte Tiere unterliegen einem Vermarktungs- und Besitzverbot. Dies bedeutet, es ist verboten, Tiere der geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen bzw. in Besitz oder Gewahrsam zu haben.
Von dem Besitzverbot ist eine Ausnahme möglich, wenn nach § 45 BNatSchG in Verbindung mit Artikel 8 Abs. 5 EG-Verordnung Nr. 338/97 der Nachweis über die rechtmäßige Herkunft der geschützten Tiere gegenüber der zuständigen Behörde geführt wird. Die betroffenen Exemplare müssen demnach rechtmäßig in der Europäischen Gemeinschaft der Natur entnommen, gezüchtet oder gemäß den Rechtsvorschriften über die Erhaltung der wildlebenden Tier- und Pflanzenarten rechtmäßig in die Europäische Gemeinschaft eingeführt worden sein.
Aufgrund der dargestellten Rechtslage wäre zu belegen, dass die Landschildkröten in Ihrem Besitz rechtmäßig der Natur entnommen wurden, aus Zucht stammt oder legal eingeführt wurde.
Im Artenschutzrecht verhält es sich grundsätzlich so, dass es sich bei der Nachweispflicht nach Artikel 8 Abs. 5 der EG-Verordnung Nr. 338/97 und § 46 BNatSchG um eine Umkehr der materiellen Beweislast handelt und somit ein fehlender Nachweis zu Lasten des Nachweispflichtigen geht.
Für die Schildkröte kann eine CITES Bescheinigung vorgelegt werden. Jedoch wurde die vorgeschriebene fortlaufende Fotodokumentation nicht angefertigt. Somit ist die CITES Bescheinigung aktuell ungültig. Aufgrund Ihrer Beschreibung kann die Schildkröte jedoch zugeordnet werden, so dass beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) eine neue Bescheinigung beantragt werden kann. Der Nachweis der Legalität kann somit zu einem späteren Zeitpunkt erbracht werden. Die Schildkröte wird hiermit vorerst nach § 47 i. V. m. § 51 BNatSchG beschlagnahmt. Sobald Ihnen einen neue EU-Bescheinigung vorliegt, entfällt die Beschlagnahme.
Die Beschlagnahme ist unter Berücksichtigung der Belange des Artenschutzes geeignet, erforderlich und angemessen, um eine illegale Haltung und möglicherweise Weitergabe der besonders geschützten Schildkröte zu verhindern.
Die nunmehr beschlagnahmte Schildkröte kann bei Ihnen untergebracht und von Ihnen versorgt werden. Der Verbleib des beschlagnahmten Tieres bei Ihnen wird daher geduldet.
Die Duldung erfolgt unter Auferlegung eines Verfügungsverbotes, d. h. Sie dürfen die beschlagnahmte Schildkröte weder verkaufen noch auf andere Weise weitergeben, denn nur so ist gewährleistet, dass das beschlagnahmte Tier nicht in den Verkehr gebracht werden, sondern die zuständige Behörde über den Verbleib des Tieres entscheidet.

-3-
Zudem wird ein Zuchtverbot angeordnet. Der Grund für diese Entscheidung liegt darin, dass die Nachkommen illegaler Tiere ebenso illegal sind und nicht gehalten oder in den Verkehr gebracht werden dürfen.
Entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen für Landschildkröten haben Sie auch für die beschlagnahmte Schildkröte eine Fotodokumentation anzufertigen, da auf diese Weise die Tiere unterschieden werden können. Die Dokumentation ist in solchen Zeitabständen zu wiederholen, dass mögliche Änderungen der Körpermerkmale nachvollziehbar sind. Alternativ kann auch ein Artenschutztransponder gesetzt werden.
Der Vorbehalt des Widerrufs wird aufgrund des § 36 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) (3) verfügt. Darüber hinaus bin ich gem. § 36 VwVfG berechtigt, die Duldung mit Nebenbestimmungen zu versehen. Die vorgenannten Auflagen dienen dazu, die Versorgung des Tieres sicherzustellen sowie ggf. eintretenden Veränderungen hinsichtlich der Haltung der Landschildkröte im Sinne des Artenschutzes Rechnung zu tragen.
So haben Sie mir den Tod eines beschlagnahmten Tieres unverzüglich anzuzeigen und mir den Kadaver vorzuweisen, ggf. ist dieser zwischenzeitlich einzufrieren, um so den Nachweis führen zu können, dass das Tier tatsächlich verstorben ist.
Die getroffenen Regelungen sind verhältnismäßig, denn sie sind unter Berücksichtigung der Belange des Artenschutzes geeignet, erforderlich und angemessen, den illegalen Besitz sowie die Weitergabe der beschlagnahmten Landschildkröte zu verhindern und den Bestimmungen des Tierschutzes Rechnung zu tragen.
Anordnung der sofortigen Vollziehung:
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Ziffer 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) (4) ist zulässig, wenn daran ein besonderes öffentliches Interesse besteht.
Das besondere öffentliche Interesse ist hier gegeben, da bei Einlegung eines Widerspruchs die aufschiebende Wirkung eintreten würde, d.h. die mit dem Bescheid beabsichtigte Rechtswirkung, in diesem Fall die Beschlagnahme der von Ihnen ohne Legalitätsnachweis gehaltenen Schildkröte unter Auferlegung eines Verfügungs- und Zuchtverbotes, würde zunächst nicht eintreten.
Die Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung und Ihrem privaten Interesse an der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs wurde zugunsten des öffentlichen Interesses getroffen, da die mit dem Bescheid getroffenen Verpflichtungen sofort verbindlich sein sollen. Es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse daran, besonders geschützte Tiere als unersetzlichen Teil der Natur zu schützen und die Einhaltung bestehender Rechtsvorschriften zu deren Schutz zu sichern. Die aufschiebende Wirkung würde hingegen dem Sinn und Zweck der Beschlagnahme und der Auferlegung des Verfügungs- und Zuchtverbotes widersprechen, da die betroffene Schildkröte möglicherweise weitergegeben bzw. veräußert oder zur Zucht genutzt werden könnte, obwohl noch keine abschließende gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung getroffen wurde. Hinter diesem öffentlichen Interesse tritt Ihr Interesse an einer eventuellen vorherigen Überprüfung dieses Bescheides zurück. Nach Abwägung der gegensätzlichen Interessen ist daher die Anordnung der sofortigen Vollziehung verhältnismäßig.
Kostenentscheidung:
Die Kosten der Verfügung haben Sie zu tragen. Es ergeht ein gesonderter Kostenbescheid.

-4-
Hinweise:

Sollten Sie die beschlagnahmte Schildkröte entgegen des angeordneten Verfügungsverbotes veräußern, an Dritte weitergeben oder aussetzen, könnte der Straftatbestand des § 136 Strafgesetzbuch (StGB) erfüllt sein. Der in der vorgenannten Vorschrift geregelte Verstrickungsbruch wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch bei XXXX erhoben werden.
Mit freundlichen Grüßen XXXXXX
(1) Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG) vom 29. Juli 2009 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - I S. 2542), zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 8. Mai 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 153).
(2) Verordnung Nr. 338/97 des Rates vom 9. Dezember 1996 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels (Amtsblatt der EG Nr. L 61 vom 3. März 1997, S. 1 ff), zuletzt geändert durch Art. 1 VO (EU) 2023/966 vom 15.5.2023 (ABl. L 133 S. 1, L 188 S. 62).
(3) Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 (BGBl. I S. 102), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 4. Dezember 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 344).
(4) Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert durch Artikel 11 des Gesetzes vom 22. Dezember 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 409).

 

Ihre Unterstützung zählt

Mit PayPal

Einen Kommentar schreiben

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen. Aufgrund von zunehmendem SPAM ist eine Anmeldung erforderlich. Wir bitten dies zu entschuldigen.

Kommentare