„Olaf Scholz' gestisches Pendant zu Willy Brandts Kniefall in Warschau"

„Nur einmal fasst er eine Granate an, aber nur ganz kurz“

von Alexander Wallasch (Kommentare: 14)

Der Bundeskanzler mit den Händen an der Artilleriegranate© Quelle: T-Online Autor Daniel Mützel fotografierte den Wahnsinn

Der Bundeskanzler steht auf dem Sandhügel und segnet die Bombe, während der Rüstungsunternehmer „mit sonorer Stimme erklärte“, dass das nun entstehende „Werk Niedersachsen“ eine „direkte Folge der Zeitenwende“ sei.

Als ich diesen T-Online Artikel las, suchte ich zunächst verzweifelt nach der Auflösung, nach dem schäbigen „April, April“-Gesicht hinter der Schlagzeile, irgendwas mit Fasching oder Red-Noise-Day. Aber der Alptraum hörte nicht auf.

Mit Wut und Entsetzen schrieb ich noch am Abend nach der Veröffentlichung über den Besuch von Olaf Scholz beim Spatenstich einer deutschen Munitionsfabrik im niedersächsischen Unterlüß von einer „deutschen Schande“ und dass Olaf Scholz die Finger abfaulen sollen – das Titelbild zeigt Scholz mit den Händen an einer Artilleriegranate.

Sicherlich war das dem Amt des Bundeskanzlers gegenüber despektierlich. Aber wie unfassbar ahistorisch und kaltschnäuzig ist das denn, wenn Olaf Scholz ausgerechnet am Vorabend des Jahrestages der Bombardierung von Dresden loszieht, um die Bombe zu streicheln wie ein waffengeiler Narr? Nein, solche Bilder passieren nicht zufällig.

Der Autor und Künstler Ingo Niermann schreibt mit scharfem Blick:

"Olaf Scholz' gestisches Pendant zu Willy Brandts Kniefall in Warschau".

Ich musste an meine Familie denken, an meine 95-jährige Tante, meine bald 88-jährige Mutter und den 90-jährigen Onkel, die auf der Flucht wenige Tage nach der Zerstörung Dresdens ebendort ankamen. Wenige Tage früher und die gesamte Familie wäre ausgelöscht worden, auch meine Kinder und Enkel hätte es nie gegeben.

Es ist ein Grausen: Der T-Online-Redakteur studierte Friedens- und Konfliktforschung an der Philipps-Universität Marburg! Und er hatte laut Vita schon mehrere Reportereinsätze in Krisengebieten (Ukraine, Israel, Irak, Afghanistan).

Folgender Satz von Daniel Mützel ist offenbar nicht ironisch gemeint:

„Beim Rüstungshersteller Rheinmetall will Scholz zeigen, dass die Zeitenwende nun endlich da ist.“

Der totale Krieg als Zeitenwende. Das Ende vom Anfang der Idee einer kriegsbeendenden Diplomatie. Im Schatten des Gedenkens an Dresden schreibt T-Online: „Das Timing könnte kaum besser sein.“

Der Text beginnt wie ein Frühjahrsausflug:

Scholz steht „auf einem aufgeschütteten Haufen Erde in der Lünebürger Heide und sticht mit einem Spaten hinein. Hier, im niedersächsischen Unterlüß, soll eine neue Munitionsfabrik von Rheinmetall entstehen, die 200.000 Artilleriegranaten pro Jahr produzieren soll. Ab 2025 sollen die ersten Geschosse vom Band laufen, rund 300 Millionen Euro will Rheinmetall in das Werk investieren.“

Der Besuch von Scholz sei „von hoher symbolischer Bedeutung“. Aber nichts daran ist gut oder entschuldbar. Die Deutschen sind mittlerweile so weichgekloppt vom Irrsinn dieser Ampel-Ideologie, dass T-Online und der Kanzler zu Recht annehmen können, dass die Empörung über diese Kriegslüsternheit ausbleiben wird. Und wer etwas dagegen sagt oder schreibt, muss ein „Nazi“ sein. Sie produzieren solche Bilder wie aus der Schreckensherrschaft des Bösen und wer es erkennt, muss ein „Nazi“ sein.

„Scholz‘ Besuch vor Ort ist daher von hoher symbolischer Bedeutung. In Zeiten wackeliger Ukraine-Hilfen und einer zunehmend schwierigen Lage auf dem Schlachtfeld will der deutsche Kanzler ein Signal senden: Dass die Zeitenwende in der Rüstungsindustrie umgesetzt wird, dass Deutschland in puncto Ukraine-Unterstützung sein Wort hält.“

Ein deutscher Journalist, eingeladen vom Kanzler, ihn in die Munitionsfabrik zu begleiten, schreibt von einer „schwierigen Lage auf dem Schlachtfeld“. Darüber darf man nicht nur wütend sein, man müsste Tränen vergießen. Es fällt schwer, diese Szenen noch einmal zusammenzufassen, die der T-Online Autor so genüsslich beschreibt.

Neben Scholz auf dem Erdhaufen habe Verteidigungsminister Pistorius gestanden. Zwei Blinde auf einem Feldherrenhügel aus Sand. Rheinmetall-Chef Armin Papperger, er profitiert vom großen Schlachten, äußert sich. Die Szene wird so beschrieben:

„Der Rüstungsunternehmer hatte zuvor in seiner Rede Kanzler Scholz über den grünen Klee gelobt. Mit sonorer Stimme erklärte er, dass das nun entstehende ,Werk Niedersachsen' eine ,direkte Folge der Zeitenwende' sei. Die deutsche Ukraine-Hilfe nannte Papperger eine ,historische Leistung unserer Bundesregierung'.“

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Verzweifelt sucht man bei diesem Text nach dem Notausgang, aber es gibt keinen! Unermüdlich geht es weiter, als ginge es darum, auch im Journalismus das Undenkbare wieder hoffähig zu machen. Der Oberheeresbericht schwärmt:

„Der Ober-Rheinmetaller klingt dabei wie ein Politiker: Spricht von seiner ,Verantwortung' als Rüstungshersteller, von der ,Verteidigungsfähigkeit unseres Landes' und davon, dass Deutschlands Wort nun Gewicht habe in der Welt. Papperger weiß, wie er mit seinen staatlichen Auftraggebern umgehen muss.“

Und der Bundeskanzler antwortet seinem geliebten Waffenproduzenten: „Wer Frieden will, der muss mögliche Aggressoren erfolgreich abschrecken.“

An der Stelle hat sich mir erneut der Magen umgedreht. Dafür habe ich nicht 20 Monate Zivildienst gemacht und mich zuvor monatelang damit beschäftigt, warum ich keine Waffe anfassen möchte. Mein Vater, der den Krieg als Kind erlebt hat, legte der Begründung für meine Verweigerung einen handschriftlichen Brief bei, in welchem er in seiner Schönschrift mit dem guten Füller die Ernsthaftigkeit meines Anliegens und unsere Familiengeschichte mit Fokus auf den Krieg schilderte.

Ja, der T-Online Autor erwähnt auch die 300 protestierenden Bauern der Region, die mit ihren Traktoren den Auftritt der Feldherren lautstark begleiten. Stolz schreibt Daniel Mützel:

„Doch der Kanzler lässt sich nichts anmerken und legt einen soliden Auftritt hin. Am Ende seiner Rede gibt es noch warme Worte für die Belegschaft: ,Sie arbeiten im wahrsten Sinne des Wortes zum Wohl unseres Landes', ruft er den Mitarbeitern zu.“

Ich nehme für ein paar Minuten meine Hände von der Tastatur, um nicht zu schreiben, was ich in dem Moment schreiben müsste.

T-Online endet mit folgendem Absatz:

„Draußen auf der Wiese zeigt der Rheinmetall-Chef Scholz und Pistorius noch einige Geschosse aus der Nähe. In einem kleinen Zelt sind mehrere 155-Millimeter-Artilleriegranaten aufgereiht. Genau dieser Typ wird in der Ukraine dringend gebraucht, genau diese Granaten soll das neue Werk bald ausspucken. Scholz guckt auffällig grimmig, als er die Geschosse betrachtet. Kein heiteres Gesicht neben tödlicher Munition machen, das wird er sich vorgenommen haben.“

Und an der Stelle habe ich dann doch kurz überlegt und gefleht, ob der Autor es vielleicht ironisch meinen könnte, und es dann aber doch verworfen. Sein Schlußsatz lautet:

„Nur einmal fasst er eine Granate an, aber nur ganz kurz.“

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