Grenzkontrollen zur EM mit Überraschungspotenzial

Nancy Faeser will Grenzen schließen – Dazu im Interview: DPolG-Boss Heiko Teggatz

von Alexander Wallasch (Kommentare: 3)

„Wir werden mal wieder an der französischen Grenze das Licht einschalten, um zu schauen, was da tatsächlich passiert.“© Quelle: ARD/ Mediathek Screenshot, privat

Nancy Faeser will zur Fußball-EM alle deutschen Grenzen „schließen“. Kanzlerin Merkel hatte 2015 behauptet, das ginge gar nicht. Alexander-Wallasch.de spricht mit Heiko Teggatz, dem Chef der Polizeigewerkschaft, wer Recht hat, und darüber, wie man Grenzen schützen kann.

Kanzlerin Merkel meinte 2015, die Grenzen ließen sich nicht schließen. Bundesinnenministerin Faeser sagt 2024, sie will die Grenzen rechtzeitig zur Fußball-EM schließen. Was sagt der Fachmann dazu?

Grenzen kann man in der Tat nicht schließen. Man kann Grenzen nur kontrollieren. Derzeit sind die Grenzen unkontrolliert. Das ist Schengen geschuldet. Und mit der Einführung von Grenzkontrollen schließt man die Grenzen nicht, sondern man kontrolliert die Grenzen. Man betreibt sozusagen Gefahrenabwehr unmittelbar an der Grenze, und das ist auch sehr sinnvoll. Das machen wir auch. Das haben wir auch 2006 bei der Fußball-Weltmeisterschaft gemacht. Das machen wir, wenn Großeinsätze sind wie etwa die G7 Gipfeltreffen oder sonst etwas. Das ist also eine völlig normale Übung und nichts Besonderes, was Frau Faeser sich da hat einfallen lassen als Teil des Sicherheitskonzeptes.

Aber wäre so ein „Grenzschutz“ nicht erfolgreich in der Abweisung dieser illegalen oder teils illegalen Massenzuwanderung gewesen?

Doch, natürlich. Und damals war ich überhaupt nicht konform mit Angela Merkel, wie im Übrigen kaum einer. Denn erstens: Wenn man an der Grenze kontrolliert, dann kann man natürlich auch zurückweisen. Und zweitens: Man muss nicht zwingend zurückweisen, aber man sollte schon wissen, wer ins Land kommt. Und das ist das, was ich Frau Merkel vorwerfe. Denn das hat sie 2015 nicht gemacht.

Es gab ja 2015 die ganz klare Weisung, eben nicht zu kontrollieren, sondern einfach nur aus humanitären Gründen für einen geordneten Abfluss zu sorgen. Das ist, was ich ihr vorgeworfen habe und was ich ihr heute noch vorwerfe. Und das ist im Übrigen auch das, was Nancy Faeser mit diesem ganzen Rumgeeiere um die Einführung der Grenzkontrollen auch nicht verstanden hat.

Kontrollen zu Österreich gibt es ja schon etwas länger. Jetzt kamen Tschechien, Polen und die Schweiz dazu. Aber das ist ja noch nicht lückenlos. Jetzt sagt Ministerin Faeser zur Europameisterschaft, sie will die Grenzen insgesamt schließen. Sie spricht von „schließen“, also auch an den Westgrenzen. Jetzt sagten Sie ja gerade, „schließen“ sei nicht unbedingt das richtige Wort. Sind Sie nicht beleidigt, dass es bei der Fußball-EM geht, aber wenn Sie es fordern, über Jahre nicht ging?

(Lacht) Der Anlass ist ein anderer. Wir haben ja in der Tat mit illegaler Migration aus Dänemark oder aus den Benelux-Staaten nach Deutschland insgesamt weniger Brennpunkte. Konkret kommen viele Migranten über den Südosten und weniger über den Westen. Das heißt, die Kontrollen, die die Bundespolizei jetzt auch an der Westgrenze und an der Grenze zu Dänemark durchführen wird, verfolgen das Ziel, gewaltbereite Fußballfans und Terroristen davon abzuhalten, die Fußballeuropameisterschaft in Deutschland zu stören. Da wird unter Umständen der eine oder andere auch miterwischt werden, der unerlaubt nach Deutschland einreisen will. Das wird aber bei diesen Kontrollen definitiv nicht der Schwerpunkt sein.

Hatten wir nicht schon einmal die Problematik, dass über Spanien auch viele Zuwanderer kamen, die in Spanien direkt in den Gratisbus gesetzt wurden bis zur französischen Grenze, von wo aus die Franzosen sie umstandslos einfach zu uns weitergeleitet haben?

Das ist die sogenannte westmediterrane Route. Die ist aber in den letzten Jahren von den Schleuserbanden nicht so bespielt worden. Das sind hauptsächlich Migrationsbewegungen aus Schwarzafrika Richtung Kanaren gewesen, aber das hält sich tatsächlich momentan relativ in Grenzen.

Was wissen Sie über Zurückweisungen? Wenn jetzt aus Frankreich Migranten kommen, die dort einen Erstantrag gestellt haben, funktioniert das mittlerweile, dass sie hier in Deutschland eben keinen zweiten Antrag stellen können, sondern direkt zurückgewiesen werden?

Nein, das funktioniert leider nicht so gut. Weil wir eben bisher keine stationären Grenzkontrollen nach Frankreich haben. Die Grenze zu Frankreich ist nicht notifiziert. Und bei denjenigen, die über die französische Grenze nach Deutschland kommen und hier in einen Folgeantrag stellen, die müssen wir immer über dieses sehr aufwendige Dublin-Verfahren den Franzosen wieder anbieten. Die Franzosen nehmen die dann zurück, das ist keine Frage. Aber das dauert Wochen, ehe über diese Dublin-Anträge entschieden ist. Zügiger ginge es, wenn wir stationäre Grenzkontrollen eingeführt hätten, sprich die Grenze notifiziert hätten, auch nach Frankreich. Dann könnte man bereits an der Grenze zurückweisen. Das wird jetzt möglich sein, wenn Nancy Faeser dort anlässlich der Europameisterschaft die Grenzkontrollen einführt. Und wir müssen dann einfach mal sehen, was die Statistik in der Zeit ergibt. Wir werden sozusagen mal wieder auch an der französischen Grenze das Licht einschalten, um zu schauen, was da eigentlich tatsächlich passiert.

Angler wurden zuletzt auf der Ostsee von der Bundespolizei mit großem Aufwand kontrolliert, damit sie nicht in Naturschutzstreifen vor der Küste fischen. Das dürfte für Angler einfacher werden, wenn die Kollegen abgezogen werden müssen ...

(Lacht) Tatsächlich werden wir nicht umhinkommen, anlässlich der Fußball Europameisterschaft wahrscheinlich auch unsere Seefahrt-Experten in die Einsätze zu bringen. Wir werden alles Personal, was die Bundespolizei zur Verfügung hat, für die Bewältigung der Kernaufgaben der Bundespolizei in diesem Zeitraum einsetzen müssen.

Diese Kollegen werden auffallen, die sind nämlich alle braun gebrannt ...

Die haben wir tatsächlich 2014 beim G7-Gipfel auch zur Grenzkontrolle in den Bergen eingesetzt. Das war ein ganz witziges Bild. Da standen die Kollegen wirklich in ihren maritimen Uniformen in den Grenzkontrollen an der österreichischen Grenze und haben dort kontrolliert. Das Schöne ist, dass muss man auch mal wirklich so sagen: Diese Kollegen sind ja alles Polizisten. Das heißt, die normalen grenzpolizeilichen Aufgaben beherrschen die auch. Sie haben ihre Zusatzqualifizierung und werden dafür viel zu schlecht bezahlt, das muss man auch mal sagen. Man kann einen Seemann jederzeit in den Einsatz bringen.

Aber wenn ich eine Einsatzhundertschaft aus Ratzeburg an die Küste verlege und sage, jetzt setzt ihr euch auch mal auf das Schiff und fahrt mal eine Runde durch die Ostsee, dann krempeln die meisten ihre Hosentaschen nach außen, weil sie das natürlich nicht können.

Danke für das Gespräch!

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