Immer noch für viele ein No-Go: Vorsorge und Prostata-Untersuchung

Männer, wir müssen reden: Es geht um Eure Gesundheit und Euer Leben

von Alexander Wallasch (Kommentare: 19)

Die Coronavirus-Pandemie hat zu einer deutlichen Einschränkung der Versorgung urologischer Patienten geführt, die sich auch auf die Versorgung von Patienten mit dringlicher Operationsindikation auswirkte.© Quelle: Pixabay / derneuemann

Männer sterben fünf Jahre früher als Frauen. Diese Ungeheuerlichkeit wird belächelt und mit einem Selbst-schuld-Lebenswandel der Männer abgetan, anstatt endlich Maßnahmen zu ergreifen, Männern gleichberechtigte Lebenschancen zu gewähren. Bei der Prostata-Untersuchung fängt es übrigens an.

Vielleicht liegt es bei dem einen oder anderen Mann an der persönlichen Leidensgeschichte der Väter oder Großväter, die mit Prostata- bzw. Blasenproblemen zu kämpfen hatten. Jedenfalls gehen so familiär vorbelastete Männer mutmaßlich häufiger zur urologischen Vorsorge und können sich anschließend – natürlich bei Befundlosigkeit – besser fühlen.

Aber selbst wenn der untersuchende Urologe etwas Behandlungsbedürftiges feststellt: Die Vorsorge macht hier Sinn. So wird Krebs früher erkannt. Gerade bei Prostata und Blase sind die Chancen nachweislich besonders hoch, Krebs zu besiegen.

Natürlich kennt fast jeder Mann die bekannten Vorbehalte, die Musterungswitze, jene, die mit dem Daumen des Urologen bei der Abtastuntersuchung zu tun haben. Mittlerweile allerdings gibt es modernen Ultraschall-Untersuchungen, die hier zusätzlich genauer und präziser bildgebend arbeiten. Hier wird zwar mitunter noch eine geringe Zuzahlung verlangt, aber diesen vermeintliche Luxus sollte Mann sich gönnen, wenn er es schon mal bis ins Behandlungszimmer geschafft hat.

Auf der statistischen Ebene erscheinen zunächst zwei Dinge besorgniserregend, die in unmittelbarem Zusammenhang stehen: Zum einen scheint es auch bei Prostatakrebserkrankungen eine eher schleppende Datenerhebung zu geben. Zum anderen zeigt die Prognose des Robert Koch-Institut gegenüber den Vorjahren für 2022 einen deutlichen Anstieg der Prostatakrebs-Neuerkrankungen.

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Insbesondere was die Corona-Pandemie betrifft, gibt es hier direkt und indirekt Erkrankungen begünstigende Faktoren. Zum einen, was Vorsorge und Operationen angeht. Und zum anderen die während der Pandemie und Lockdowns festgestellten Gewichtszunahmen bei der Bevölkerung, die sich bei Männern mutmaßlich auch ungünstig auf Prostata-Problematiken auswirken können.

Eine Springer-Publikation fasste bereits im Februar 2021 zusammen, dass die Urologie während der COVID-19-Pandemie „eine signifikante Einschränkung der operativen Kapazität bei gleichzeitiger Bettenreduktion in den Kliniken“ hinnehmen musste.

Die “National Libary of Medicine” stellte ebenfalls im Februar 2021 fest, dass die Coronavirus-Pandemie zu einer deutlichen Einschränkung der Versorgung urologischer Patienten geführt habe, „die sich insbesondere in der zweiten Welle auch auf die Versorgung von Patienten mit dringlicher Operationsindikation auswirkte.“

Im April 2020 sank demnach der urologisch bedingte stationäre Aufenthalt in Kliniken auf 44 Prozent, er normalisierte sich im Juni zwar auf wieder 90 Prozent, sank aber im Dezember 2020 zurück auf 50 Prozent. Alle urologischen Operationen, die keinen Notfallstatus hatten, wurden im April und Dezember überhaupt nicht mehr durchgeführt oder nur zu einem sehr geringen Teil. Im Dezember ging das laut “National Libary of Medicine” sogar so weit, dass mehr als die Hälfte aller urologischen Kliniken bzw. Abteilungen angaben, nicht mehr alle Pateinten auch mit dringenden Operationen behandeln zu können.

Die DAK als drittgrößte Krankenkasse des Landes hat ihre Versicherungsdaten ausgewertet, was Vorsorgeuntersuchungen angeht. Im ersten Halbjahr 2021 waren es in Summe elf Prozent weniger Vorsorgeuntersuchungen als im Vergleichszeitraumes des Jahres 2019: „So lag die Anzahl der Screenings auf Hautkrebs 15 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau, bei Darmkrebs waren es 13 Prozent und bei Prostatakrebs fünf Prozent.“

Warum ist eine Vorsorge bei Prostatakrebs so wichtig? Die Sächsische Zeitung hat sich damit beschäftigt und verrät es Ende 2021 schon im Titel: „Vorsorge erhöht Chancen“.

Besorgniserregend nach wie vor auch das Vorsorgegefälle zwischen Mann und Frau. Männer sind vergleichsweise immer noch Vorsorgemuffel, schreibt beispielsweise das Portal „Apropos gesund“ im Februar 2022 und verweist dabei auf die immer noch geringere Lebenserwartung von Männern von immerhin fünf Jahren gegenüber Frauen.

Hier muss einmal grundsätzlich darauf hinweisen werden, was das eigentlich bedeutet im Kontext mit Gleichberechtigung. Und wenn das Leben als das höchste Gut angesehen wird.

Die Lässigkeit, mit der diese Diskrepanz hingenommen wird, ist gesamtgesellschaftlich betrachtet ein unvergleichlicher Skandal gemessen an den kaum erkennbaren
Bemühungen, dieses frühe Sterben der Männer zu bekämpfen.

Wo sind hier die Kampagnen, wo die Aufklärungsfilme, wo die entsprechenden Studien und wo die glaubhaften Willensbekundungen der Bundesregierung, hier Abhilfe zu schaffen? Im Koalitionsvertrag von 2017 beispielsweise haben CDU und SPD sich zwar um das Thema „Einsamkeit im Alter" bemüht und ein paar Millionen locker gemacht, aber das frühe Sterben von Männern findet keinerlei Beachtung, es wird offensichtlich hingenommen, frei nach dem Motto: „Selbst schuld, liegt halt am Lebenswandel der Männer."

Das Online-Portal „Apropos gesund“ schreibt, dass dieses frühere Sterben auch daran läge, dass Männer seltener zu Vorsorgeuntersuchungen gingen als Frauen. Und eine Erhebung des Robert Koch-Instituts zeigt, dass nur vierzig Prozent der Männer die empfohlenen Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung regelmäßig in Anspruch nehmen.

Das ist übrigens eher ein Problem jüngerer Männer. Sie sind besonders selten beim Arzt beziehungsweise bei Vorsorgeuntersuchungen. Möglicherweise gehen Frauen auch öfter zur Vorsorge, weil sie es frühzeitig gewöhnt sind, regelmäßig zum Frauenarzt zu gehen, weil die möglichen Problematiken hier womöglich als vielschichtiger betrachtet werden, als die urologischen beim Mann.

Jungen Männern muss deutlicher gemacht werden, dass eine Vorsorgeuntersuchung bzw. ein Arztbesuch kein Zeichen von Schwäche, sondern Grundstock der Stärke von morgen sein kann.

Noch etwas erstaunt: Männer kümmern sich zwar in jungen Jahren deutlich weniger um ihre Gesundheit als Frauen, sie gehen seltener zum Arzt. Aber ältere Männer sind wiederum laut Statistiken häufiger beim Arzt, als ihre gleichaltrigen Frauen.

Über 40 Prozent der Krebserkrankungen bei Männern sind urologischen Ursprungs. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass weltweit 30 bis 50 Prozent aller Krebsfälle durch Vorbeugung verhindern werden könnten. Im Alter zwischen 45 und 65 Jahren ist Krebs die häufigste Todesursache.

Insgesamt gilt, dass auch, was die Vorsorge und die medizinischen Auswertungen in Bezug zu den Erkrankungen angeht, die Datenlage wie in vielen medizinischen Bereichen deutlich verbesserungswürdig ist. Corona hat vor allem eines gezeigt: Deutschland ist Daten- und Auswertungswüste. Die Kaffeesatzleserei auch führender Institutionen hat nachweislich dazu geführt, das weiß man heute, dass eine ganze Reihe der Corona-Maßnahmen sinnlos und unnötig waren.

Datenmangel bzw. ein Mangel in der Zusammenführung der gewonnen Daten sorgt mutmaßlich auch dafür, dass es unterschiedliche Interpretationen der Wahrnehmung der Vorsorgeuntersuchungen gibt. So finden sich auch Interpretationen der vorhandenen Daten, die durchaus einen Trend zu mehr Vorsorgen während der Pandemie erkannt haben wollen.

Zur Bedeutung der Vorsorge bei Prostata nennt der Focus die nüchternen Zahlen: „Über 65.000 Männer erkranken jährlich an Prostatakrebs. Durchschnittlich jeder vierte Fall verläuft dabei tödlich.“ Das sind 16.250 Männer, von denen viele nicht hätten sterben müssen, wenn sie nur die Vorsorgeangebote wahrgenommen hätten.

2022 sollen laut Prognose – auch hier müssen die Daten noch abgewartet werden – 5.000 Männer mehr an Prostatakrebs erkrankt sein, als in den Jahren vor der Pandemie, stellt das Robert Koch-Institut fest.

Der oft geführte Hinweis, dass Prostatakrebs auch am Rauchen liegen könnte, ist bisher nichts weiter als eine Vermutung. Zwar ist Rauchen nachweislich gesundheitsschädlich, aber noch ist der Zusammenhang ungewiss. Dass es überdurchschnittlich Raucher trifft, darf aber als ein Warnhinweis verstanden werden.

Die „Prostata Hilfe Deutschland“ hat Anfang 2022 darauf hingewiesen, dass zu dem Zeitpunkt mehr als zweitausend an Prostatakrebs erkrankter Männer auf ihre Operation warten mussten:

„Mehr als 2.000 (ca. zehn Prozent) der Krebskranken, die auf ihre OP warteten, hatten auch nach durchschnittlich 23 Wochen ihre Operation noch nicht bekommen. Bei allen stand der Grund für die Op-Verschiebung im Zusammenhang mit Covid-19. Eine Rolle dabei spielte auch die Strenge des Lockdowns.“

Zusammengefasst muss auf die Bedeutung von Vorsorgeuntersuchungen für Männer hingewiesen werden. Diese Untersuchungen retten nachweislich Leben. Ebenso, wie man mutmaßen kann, dass die Corona-Maßnahmen hier mit hoher Wahrscheinlichkeit insbesondere, was die Verschiebung dringender Operationen angeht, Leben gekostet haben. Leben von Männern mit Prostatakrebs.

Die Gesundheitsministerien der Länder und des Bundes müssen darüber hinaus endlich Maßnahmen ergreifen, die verhindern, dass die Lebenserwartung von Männern gegenüber Frauen immer noch um Jahre geringer ist. Strenggenommen sind das Fakten, die weltweit in der Bekämpfung höchste Priorität bekommen müssten.

Die Schieflage wird da besonders deutlich, wo von „Männerschnupfen“ die Rede ist und Männer beispielsweise von der Pharmaindustrie (Hustensaft-Werbung) regelmäßig als Waschlappen und Weicheier diffamiert werden. Der frühe Tod ist kein Männerschnupfen.

Hier werden Männer belächelt und ihnen wird suggeriert, sie wären Hypochonder, die sich mal nicht so anstellen sollten. Ja, auch so werden Männer davon abgehalten, zur Vorsorge zu gehen. Männer, die aktuell akzeptieren müssen, durchschnittlich fünf Jahre früher als Frauen zu sterben. Wohlgemerkt in Friedenszeiten. Kriege sind da noch gar nicht mit eingerechnet.

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