Neulich Katastrophenstimmung in den mit viel Fleiß angelegten Beeten voller Grünkohl, Salatsorten, Radieschen, Gurken, jeder Menge Hokkaidopflanzen und diversen Gartenkräutern. Fast täglich kamen zuvor neue Bio- oder Demeter-Samentütchen mit der Post, einige findige Unternehmen schickten sogar Frischpflanzen auf Bestellung und die Jungs bauten so tatsächlich echte Heidelbeeren an in der extra dafür von der Frau aus dem Baumarkt herangekarrten Spezialerde.
Sogar noch ihr immer viel zu knappes Taschengeld setzten die Jungs ein, beispielsweise für Flechtzaunmaterial. Auch das zugesteckte Geld der Großmutter ging für den Familiengarten drauf, das Gartenhäuschen des Vorbesitzers wurde fit gemacht und Freunde dorthin eingeladen – vorher wurde natürlich diskret angefragt, ob denn die Eltern vorbeikämen. Oder anders ausgedrückt: Wenn die Eltern da vorbeischauen würden, dann empfände man das an dem Abend eher als ungünstiges Aufeinandertreffen. Ich hatte es aber vorher schon genau verstanden.
Aber in diese Richtung soll diese Geschichte hier gar nicht weitergehen. Die Katastrophenstimmung hatte zwar auch etwas mit unerwünschten Gästen zu tun, aber die um die es hier gehen soll, saßen am Salat, am Grünkohl und an allem anderen, was da so grünüppig wuchs und gedieh. Und jetzt bald nicht mehr? Einige Salatblätter jedenfalls - insbesondere diese chinesische Sorte, welche so intensiv nach scharfem Rettich schmeckt - sahen jetzt aus wie diese filigranen Blattskelette im Herbstlaub.
Die Jungs bringen gestochen scharfe Bilder aus dem Garten mit. Ein Garten, der nun dank fremder Besucher zu so etwas wie einem Horror-Camp geworden ist: Auf den Aufnahmen schwarze Käfer mit langen echt fiesen Saugrohren und dazu noch seltsam glasige Läuse unterm frischen Grün, überall wo etwas Essbares aus der Erde schießt, hängen die Viecher dran.
Wie schon berichtet, hatte ich bisher wenig Kenntnis vom Gärtnern und zudem kaum noch Platz im Kopf, dort noch in irgendeiner Windung eine kleine Gartenkompetenzecke anzulegen. Ich staune regelmäßig über das wachsende „Garten“-Fachwissen der Söhne. Jetzt allerdings juckt es mir trotzdem in den Fingern. Ich muss und will ihnen helfen, sie sind schwer besorgt um ihre Ernte und ich bin nun Mal der Vater, der ja traditionell Lösungen anbieten sollte. Aber wie? Also erst Mal zum Garten gefahren und mir das Desaster persönlich angeschaut.
Schon als ich das schlecht geölte Gartentor aufschließe, meine ich ein Geräusch zu vernehmen, das ich dort sonst nicht so zu hören bekomme: ein gleichmäßiges Summen, in etwa so, als würden irgendwo in weiter Ferne Propellermaschine synchron vorbeifliegen bzw. ihre Kreise ziehen. Klar, der Flughafen ist nicht so weit entfernt, aber dieser Geräuschteppich klingt doch anders, weniger technisch, dadurch allerdings auch wieder bedrohlicher.
Ich gehe vorsichtig am Gartenhaus vorbei, wo einer der Jungs vor Kurzem erst den Boden mit Schnellzement ausgebessert und anschließend mit Betonfarbe gestrichen hat und erreiche dahinter die sauber angelegten Beete und staune nicht schlecht: Vom Grünkohl bis zum Salat und den Hokkaidopflanzen sehe ich nämlich zunächst anstatt der Käfer und Läuse eine große Anzahl Bienen. Aber was bitte schön haben Bienen am Grünkohl verloren?
Und stechen die, wenn ich ihnen zu nahekomme? Ich gehe in Zeitlupe auf den schmalen Pfaden, welche die Jungs so fein säuberlich zwischen ihren Beeten angelegt und festgestampft haben und knie etwas später in der Mitte eines Beetes zwischen den schon üppig ausgetriebenen Grünkohlpflanzen. Auch hier überall Bienen. Ein großer summender Chor, an jeder Pflanze sind zwei, an manchen sogar drei Bienen beschäftigt. Aber womit denn bloß?
Ich schaue besorgt in die viel zu hohe Birke hinauf, weil ich mich erinnere, mal im Fernsehen gesehen zu haben, dass Bienenschwärme auch ausbüchsen können – also samt Königin das Weite suchen und dann irgendwo wieder als große hängende Bienentraube auftauchen, wo sie zur Gefahr für den Menschen werden können – aber in der Birke ist nirgends etwas zu sehen, die Birke hat auch keine Krone, wie andere Laubbäume, ich müsste es also längst gesehen haben, wenn da etwas Verdächtiges wäre.
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Die fleißigen Honigsammler sind mit irgendetwas unterhalb der Blätter beschäftigt, das ich herausfinden muss - also liege ich bald ganz flach im Beet und versuche meinen dicken Kopf unter die Grünkohlpflanzen zu bekommen. Es ist richtig stickig da unten, die Erde duftet schwer, aber leider auch mit einer stinkigen Note versetzt, wie sie auch aus den Fässern aufsteigt, welche die Jungs schon früh mit Brennnesseln gefüllt und mit Wasser aufgegossen hatten. Nach Tagen begann es furchtbar zu riechen, fast wie nach faulen Eiern, aber wer hat je faule Eier gerochen? Von den Eiern vom Discounter war bei mir noch nie eines faul, nicht einmal von denen in Bio-Qualität, wo man ja vielleicht noch am ehesten erwarten könnte, eines sei übersehen worden und zu lange im frischen grünen Grase liegengeblieben. Aber wer glaubt, Bio-Hühner würden ihre Eier in schöne grüne Osternester legen, der weiß wahrscheinlich noch viel weniger über das Landleben als ich.
Wer schon mal das seltene Vergnügen hatte, eine lebende Grünkohlpflanze von unten anzuschauen, der weiß um diese feinen Verästelungen in unterschiedlich hellen Grüntönen. Ädrig sieht es aus, so wie auf dem Handrücken älterer Menschen nur hier gar nicht welk, sondern ganz knackig.
Wer hätte gedacht, dass dieser Grünkohl mit seinen krausen Blatträndern von unten betrachtet, so agil, so frisch und vor allem so lebensbejahend aussehen könnte? Wenn man nicht wüsste, dass der Jahreswechsel auch diese Blätter spät zwar, aber unweigerlich welk macht, man würde diese zarten und doch aus der Nähe so dickfleischig aussehenden Pflanzen kaum ernten, sprich von ihren sie versorgenden Wurzeln schneiden.
Und dann entdecke ich sie: Auf der Hauptader unterhalb der Blätter marschieren in Reih und Glied rauf und runter kleine pechschwarze Käfer mit im Verhältnis zu ihrem Körpermaß ziemlich langen dünnen Rüsseln, die sie vor sich hertragen wie die Miniaturversion müder Elefanten oder wie Ameisenbären in einer Habachtstellung.
Aber das ist noch nicht alles! Auf den Flächen zwischen den Adern entdecke ich kleinere im Verhältnis zu den pechschwarzen Reih-und-Glied-Rüsselsoldaten fast durchsichtig glasig aussehende kleine läuseartige Insekten, die weniger beschäftigt aussehen als diese Rüsselkumpanen – insgesamt alles recht gruselig, noch mehr in dieser liegenden Perspektive, aber doch wie von unsichtbarer Hand und auf einen stillen Befehl hin in einer akkuraten Ordnung aufgestellt wie eine perfekt organisierte Mikro-Invasionsarmee.
Aber jetzt kommt's: Ich rufe noch unter dem Grünkohl liegend einen der Söhne an und berichte euphorisch: „Ihr werden es nicht glauben! Euer Bio-Garten ist gerettet, es braucht gar keine Chemie!“ Und dann erzähle ich aufgeregt, dass diese beeindruckende feindliche Armee unterm Grünkohl und auf dem Salat gerade im Moment selbst angegriffen und vernichtet wird. Denn ich hatte ja beobachtet, dass diese – ich trau mich das Wort kaum auszusprechen, weil es so hart klingt gegenüber diesen zart-filigranen schwarzen Minielefanten und ihre gläsernen Kumpels - ich hatte also beobachtet, wie diese Schädlinge immer wieder in einer Art umgedrehtem Sturzflug von unten hoch von besagten Bienen angeflogen wurden.
Wie lange würde es dauern, bis die Bienen diese Insektenarmee vernichtet hätten? Und seit wann machen Biene das überhaupt, ich hatte zuvor noch niemals etwas davon gehört. Ist das womöglich diese neu eingeschleppte aggressive Bienenart aus Amerika, überlegte ich noch. Aber so groß sahen unsere summenden Verbündeten gar nicht aus.
Die Jungs sind also informiert, dass sich der Schaden in Kürze schon sprichwörtlich in Luft auflösen und die Schädlinge allesamt in irgendeinem Vorratslager eines versteckt angelegten Bienenstock enden würden. Auf dem Nachhauseweg kommen mir allerdings erste Zweifel. Es soll Bienen geben, die andere Insekten eliminieren und noch dazu im Schwarm? So etwas habe ich noch nie gehört oder etwa im Fernsehen in einer Natur-Dokumentationen gesehen.
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Aber ich erinnere mich an den Imker und seinen mit Bienenstöcken vollgestellten Garten in der Nähe und daran, dass ich ihn neulich darum bat, mir doch eine volle Wabe zu verkaufen. Er vertröstete mich und gab mir seine Visitenkarte mit der Bitte, ihn in der kommenden Woche anzurufen. Ich rufe also jetzt an. Und ja, ich wüsste schon noch, dass es mit der Wabe erst nächste Woche so weit sei, weil ja, wie er doch ziemlich ausführlich erklärt hatte, die Deckel über dem Honig noch nicht ausreichend geschlossen seien.
Der Imker, der vorher Lehrer war, der jetzt im Ruhestand mit Biene macht, lacht. Und er kann keine leider auch keine Entwarnung geben: Die Bienen am Grünkohl über den Käfern und Läusen seien keine Killerbienen. Es könnten sogar welche aus seinen eigenen Bienenstocken sein, lacht er. Und für ihn hieße das nur, dass es wieder mehr Waldhonig gibt.
Ich verstehe kein Wort. Aber nach und nach begreife ich die Zusammenhänge und erfahre etwas von ihm, dass ich zuvor nicht gewusst hatte: Bienen saugen nicht nur Nektar, sie versklaven auch Insekten! Am liebsten dort, wo sie vermehrt auftreten, so wie diese glasigen Läuse unterm Grünkohl der Jungs. Der Imker erzählt es mir freundlicherweise so, als wäre ich erst vier Jahre alt:
„Was du gesehen hast, war nicht das Fressen einer Laus durch die Biene, sondern eine Art Schock: Die Biene fliegt die Laus an, diese erschrickt sich ganz furchtbar und sondert eine Flüssigkeit ab, welche die Biene aufnimmt. Daraus macht die Biene später den Waldhonig, der eigentlich Läusehonig heißen müsste.“
Was? Das muss ich genauer wissen auch um es den Jungs erzählen zu können - also noch mehr Erklärungen und die Angelegenheit wird immer verrückter. Also die Kurzform: Die Laus entnimmt der Pflanze – in unserem Falle dem Grünkohl - Pflanzensaft, der enthält Zucker welcher der Laus aber gar nicht so wichtig ist und den schnappt sich dann die Biene. Die Ameise hat diese Technik übrigens auch perfektioniert.
Der Imker weiß den Fachbegriff: Die Ameise „betrillert“ die Laus, heißt, sie kitzelt den Zucker durch Reizung mit ihren Fühlern regelrecht aus der Laus heraus. Man vermutet, dass es die Biene ebenso macht, aber dazu gibt es noch keine gesicherten Informationen.
Wie kommt der Zucker in die Laus und warum scheidet sie ihn aus? Weil sie ihn eben nicht so dringend benötigt wie die Biene. Die Pflanze hat zwei Hauptleitungsbahnen, da wäre zunächst die Wasserleitungsbahn hoch zu den Blättern und ihren Chlorophyllkörpern, kleine Hochleistungsfabriken. Dort wird mit Hilfe der Sonnenenergie Zucker hergestellt und dann in gelöster Form in einer Abwärtsleitungsbahn wieder in die Speicherorgane der Pflanze zurückgeführt. Und genau diese Zuckerrückführungsbahn sticht die Laus gerne an.
Der Imker ist tief eingetaucht in diesen geheimnisvollen Mikrokosmos des Lebens. Er fragt mich, ob ich schon einmal unter einer Linde geparkt hätte und mich erinnere, wie verklebt die Windschutzscheibe am nächsten Tag gewesen sei. Das nämlich wären ebenfalls diese Zuckerabsonderungen fleißiger Läuse gewesen. Gerade war ich noch beim Grünkohl und befinde mich plötzlich mitten im Kopf eines Bienenflüsterers.
Ob ich denn auch wüsste, fragt er schon weiter, dass die Biene ein hundert Mal stärkeres Geruchsvermögen hätte als ein Hund. Nein, wusste ich natürlich nicht. Ich wusste nur, dass der Hund ein vielfach stärkeres Geruchsorgan als der Mensch hat. Und das hatte ich mir ganz einfach mit der Größe der Nase erklärt – aber diese Herleitung kann ja bei einer Biene nicht mehr funktionieren - einer Biene, deren Nase oder Geruchsorgan man nicht einmal mit dem bloßen Auge erkennen kann.
Aber der Höhepunkt dieser merkwürdigen Geschichte ist noch gar nicht erreicht, die kommt erst noch: Es gäbe, so mein Imker, Bienen, die könnten mit ihrem Geruchssinn Minen aufspüren!
Wie das denn ginge, frage ich lachend zurück, jetzt ganz sicher, dass es auch so etwas, wie Imkerlatein geben muss. Die Bienen würden regelrecht trainiert werden, indem Honig auf Metall gestrichen wird, erzählt der Imker. Und wenn sie diesen Metallgeruch zuverlässig mit dem Honig in Verbindung brächten, dann könnte man sie überall dort einsetzen, wo noch Landmienen lägen. Der Flug der Bienen würde dann auf eine spezielle Art geortet und aufgezeichnet werden. So ließe sich zuverlässig auswerten, wo verdächtige Objekte verborgen sein könnten.
Ich mag diesen Moment des Zugewinns von Wissen sehr, erinnert er mich doch an Kindheit und Jugend, die so randvoll sind von Aha-Erlebnissen. Und während ich also diesem verschütteten Gefühl nachspüre, kommt mir plötzlich eine fantastische Idee! Mein Gesprächspartner ist doch Imker, warum probieren wir das nicht einfach mit Gold? Wir müssten doch nur lange genug Honig beispielsweise auf unsere Eheringe schmieren und dann fliegen wir mit dem so durchtrainierten Bienenkorb einfach dorthin, wo die dicken Nuggets liegen und lassen unsere Goldimmen fliegen! Nur Gold? Aber das ginge doch bestimmt auch bei Trüffeln, fällt mir noch ein, aber da hat der Imker leider schon lachend aufgelegt.
Was aus dem Grünkohl wurde? Die Jungs haben noch eine weitere Armee ins Rennen geschickt, aber dieses Mal selbst gesteuert und aus der Tüte aus dem Garten-Center. Was da herauskam war ein natürlicher zwar, aber doch ein recht ekeliger Feind der Feinde des Gartens, also unser Freund: Kleine Würmer sind das, die sich mit den Rüsslern befassen und wo man gar nicht so genau wissen möchte, auf welche Weise hier eine Art die andere vernichtet. Zusätzlich haben die Jungs eine Knoblauchjauche angesetzt und nach ein paar Tagen Reife die Blätter damit eingesprüht. Aktuell ist der Grünkohl noch am Leben zwar, aber doch an den gewellten Rändern gelblich verfärbt und insgesamt etwas farbloser, trauriger in der Erscheinung. Oder ist er sogar zu früh ins Beet gekommen? Grünkohl steht ja bis zuletzt im Beet, er soll sogar Frost bekommen, damit er später schmeckt – der Grünkohl ist also zumindest dem Prinzip hart im Nehmen, ich halte Sie auf dem Laufenden.
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