Deutsche an die Ostfront – Hurra!

Kein Nostalgiedelikt: Wehrpflicht ist Kriegsdienst für die Ukraine

von Alexander Wallasch (Kommentare: 5)

Ein Bekenntnis zur Wehrpflicht ist 2025 gleichbedeutend mit einem Bekenntnis zum Krieg.© Quelle: Youtube/ ZDF, Terra X, Screenshot

Die AfD will doch keine Friedenspartei sein. Es passt offenbar nicht zur Kernklientel. Der Eindruck entsteht, wenn man den Eiertanz mitverfolgt, den die Parteispitze gerade vollführt rund um die Forderung nach Wiedereinführung der Wehrpflicht.

Beginnen wir mit einem Blick zurück: Als ein Hauptargument für die illegale Massenzuwanderung wird von ihren Befürwortern bis heute eine demografische Fehlentwicklung ins Feld geführt. Deutsche Frauen bekämen zu wenige Kinder. Deshalb müssten wir zunehmend Fachkräfte aus dem Ausland holen. „Wir bekommen Menschen geschenkt“, erklärte die Grüne Göring-Eckardt noch 2015.

Das Demografie-Argument überrascht mich rückblickend. Denn es bedeutet doch, dass meine weiblichen Altersgenossinnen einen Deal aus den 1980er Jahren nicht eingehalten haben.

Der Deal ging damals nämlich so: Die himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass junge Männer meiner Generation eingezogen wurden oder Ersatzdienst leisteten, während gleichaltrige Frauen bereits das Studium beginnen konnten, wurde immer mit dem Hinweis weggebügelt, dass Frauen Kinder bekämen, die sie für einen Zeitraum aus dem Arbeitsleben nähme.

Tatsächlich gab es mit Blick auf den Wehrdienst eine verfassungsrechtliche Grundlage für die Ungleichbehandlung der Geschlechter. Zwar verbietet Artikel 3 Abs. 3 GG eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts, aber historisch wurde argumentiert, dass Frauen besonders schutzbedürftig seien, insbesondere in Hinblick auf Schwangerschaft und Mutterschaft. Das Bundesverfassungsgericht hatte mehrfach bestätigt, dass die Wehrpflicht für Männer mit dem Gleichberechtigungsgrundsatz vereinbar sei, dass sie auf einer besonderen, verfassungsrechtlich zulässigen Differenzierung beruhte.

Aber welche Bedeutung kann das noch 2025 haben? Inwieweit haben sich die rechtlichen Auffassungen zur Gleichstellung weiterentwickelt? Und wenn sie sich verändert haben, wäre das vielleicht ein weiterer Angriff auf ein traditionelles konservatives Familienbild?

Ich musste in den 1980er Jahren zwanzig Monate Zivildienst leisten. Das bedeutete fast zwei Jahre Ersatzdienst mit einer Aufwandsentschädigung unter der eines Auszubildenden, während meine ehemaligen Mitschülerinnen bereits zwei Jahre in Ausbildung waren bzw. schon vier Semester studieren konnten. Der Zivildienst dauert zwei Monate länger als der Wehrdienst, der damals bei 18 Monaten lag.

Und wer heute glaubt, es sei einfach gewesen, sich zwischen Zivildienst und Wehrdienst zu entschieden, der irrt gewaltig. Kriegsdienstverweigerung war das Geschäft der langhaarigen Drückeberger, der Demonstranten, der Taugenichtse, der Antideutschen, der Memmen, eben jener verweichlichten Männer, die nicht genug Traute hatten, sich ihrer Aufgabe als Mann zu stellen, wie es damals oft hieß.

Viele Großväter waren noch in der Wehrmacht gewesen und trugen ebenfalls ihren Teil zur Kritik bei. Der selbst erlebte Grauen des Krieges hatte hier erstaunlicherweise nur aus einer Minderheit Gegner eines Kriegsdienstes gemacht.

Als Kriegsdienstverweigerer überhaupt anerkannt zu werden, war alles andere als ein Zuckerschlecken. Nicht wenige wurden abgelehnt und sahen sich vor Gericht mit ihrer Verweigerungshaltung einer peinlichen Befragung ausgesetzt, die tief ins Private ging. Es gab allerdings in fast jeder Stadt kirchliche und weltliche Beratungsstellen, die Verweigerungswilligen über die Fallstricke hinweghelfen wollten, was aber auch nicht immer gelang.

Ich erinnere mich an mindestens drei Freunde, denen ich die Wehrdienstverweigerung schrieb, weil ich eben dieses Schreibtalent hatte, wo die Freunde andere Talente hatten, man half sich mit dem, was man am besten konnte. Ein Freund musste trotzdem durch zwei Gerichtsinstanzen, bis ihm endlich gestattet wurde, in Rendsburg zwanzig Monate mit Kindern mit Handicap auf einem landwirtschaftlichen Betrieb zu arbeiten.

Ich hatte eine Zusage beim Helmstedter Sozialamt in der Asylantenbetreuung. Hinzu kam die Betreuung von Obdachlosen. Ich erinnere mich gut an den einen, der zu lange im Wald gelebt hatte, dem sie die Socken mit dem Skalpell vom Fuß schaben mussten.

Und was die Asylanten betraf, blieben die Iraner meistens vornehm und leise, sie maulten nie, wenn ein Antrag nicht bewilligt wurde. Die Afrikaner lachten und diskutierten die Absagen gern, die Osteuropäer waren generell bissiger, wütender und fordernder. So jedenfalls mein Eindruck. Die Asylbewerber mussten damals noch viele Einzelanträge stellen: Mal ging es um eine Waschmaschine oder einfach nur um den nächsten Krankenschein. Für alles hatte man persönlich zu erscheinen und erwartet wurde man vom Zivildienstleistenden.

Wir waren keine Staatsbürger in Uniform, wir waren Querulanten, Staatsbürger im Kittel, denen die Säuberung der Bettpfanne auch nach zwei verheerenden Weltkriegen eine Lehre sein sollte. Aber wir waren auch viele. Wir hatten die längeren Haare, die cooleren Diskotheken und die wilderen Mädchen, mit denen wir in den Ferien mit Interrail für 365 Mark durch ganz Europa reisten. Fast nackt mit der Gitarre auf dem Rücken und dem verheißungsvollen Duft von Patchouli in der Nase.

Meine vier Söhne mussten nicht verweigern und auch nicht zum Wehrdienst, der wurde 2010 abgeschafft. Sie sind – ebenso, wie es mein Vater nach dem Krieg war – grüne Jahrgänge.

Weiterlesen nach der Werbung >>>

Ihre Unterstützung zählt

Mit PayPal

Unter dem Eindruck des Ukrainekriegs soll der Wehrdienst jetzt wieder eingeführt werden. Allerdings werden die Vorzeichen für die betroffenen jungen Männer ganz andere sein als Ende der 1980er Jahre. Es gibt längst keine Institutionen mehr, die eine Verweigerung unterstützen könnten. Die sogenannte Zivilgesellschaft wurde vielfach staatlich subventioniert und politisch unterwandert, sie gilt Kritikern mittlerweile als verlängerter Arm der Bundesregierung.

Das geht sogar so weit, dass zu befürchten ist, dass Kriegsdienstverweigerung – dass die Friedensbewegung selbst – heute „Nazi“ ist. Denn wenn die AfD die Partei der Kriegsgegner geworden ist, dann ist Kriegsdienstverweigerung automatisch als Nazikram etikettiert.

Aber die AfD hadert mit sich. Dr. Alice Weidel etwa will den Wehrdienst. Und man konnte den Eindruck gewinnen, sie habe diese Forderung vor den Wahlen auch als Zeichen für Schwarz-Blau Richtung Friedrich Merz betonen wollen – irgendeine Gemeinsamkeit, die nicht sofort in den Augen brennt.

Die Wiedereinführung des Wehrdienstes wäre eine Restauration einer politisch-militärischen Kontinuitätslinie, die in der Bundesrepublik Deutschland immerhin von 1956 – 2010 Bestand hatte. Und weite Teile der AfD-Wählerschaft sehnen sich offenbar nach jener Behaglichkeit der alten Bundesrepublik zurück, nach einer Zeit vor der Massenzuwanderung, vor dem Euro. Und vor einem Ukrainekrieg, mit dem die Ampelregierung auf Gedeih und Verderb das Schicksal Deutschlands verknüpft hat.

Das Bauchgefühl vieler AfD-affinen Deutschen erkennt offenbar in der Wiedereinführung des Wehrdienstes eine Renaissance von Sicherheit und Größe. Aber wo war diese plötzlich aufwallende Haltung in den fünfzehn Jahren seit Ende der Wehrpflicht? Zwar steht die Wiedereinführung nicht erst seit gestern im Wahlprogramm der AfD, aber es war sicher nicht die populärste Forderung der AfD, schon gar nicht bei potentiellen Jungwählern.

Man kann die Forderung sogar als eine reine Symbolforderung bezeichnen. Die Diskussionen darum begannen ja erst mit dem Blick der Etablierten auf den Ukrainekrieg und einer damit verbundenen Forderung nach Wiedereinführung der Wehrpflicht. Hier scheint die AfD tatsächlich Opfer ihrer eigenen Trägheit geworden zu sein.

Anders ist kaum zu erklären, dass die Alarmsirenen nicht sofort losgegangen sind und eine dringende Neubewertung der offenbar als Symbolforderung mitgeschleppten „Wiedereinführung Wehrpflicht“ vorgenommen wurde. Die AfD hat eine große Chance liegen lassen, die ihr endlich ein breites Fenster hin zu den unentschlossenen, den Nicht- und Wechselwählern hätte öffnen können: Die Profilierung als Antikriegspartei.

Stattdessen ist die Partei – bis auf wenige Ausnahmen wie dem in der Sache so hellsichtigen Co-Vorsitzenden Toni Chrupalla – den Etablierten in Sachen Wehrpflicht auf den Leim gegangen.

Denn die haben die Diskussion ohne weitere Verschleierungstaktik 1:1 mit dem Schicksal der Ukraine verbunden. Wer jetzt für die Wehrpflicht agiert, befeuert das Morden und einen Krieg, von dem gewichtige Experten nicht erst seit gestern sagen, er ist deshalb noch nicht vorbei, weil es auch jenseits von Moskau ein gesteigertes Interesse gibt, das Grauen auch nach drei Jahren Wahnsinn weiter fortzuführen.

Dänemark will uns nicht angreifen. Aber Frankreich vielleicht?

Dem schlechten Zustand der deutschen Berufsarmee ist sicher nicht mit einer Wehrpflicht beizukommen. Der aktuelle Zustand der Bundeswehr hat einzig und allein mit dem Ukrainekrieg zu tun.

Zum einen, dass ihn bestimmte Kreise überhaupt als schlechten Zustand wahrnehmen, und zum anderen, dass die Bundeswehr zu einer Art Märchen vom süßen Brei geworden ist: Man kann von außen alles herausholen, was man begehrt, die Bundesregierung schiebt von hinten einfach neue Munition ins rotglühende Rheinmetall-Kanonenrohr.

Wer den Frieden will, hat jetzt keine Ausreden mehr: Ein Bekenntnis zur Wehrpflicht ist 2025 ein Bekenntnis zum Krieg.

Ihre Unterstützung zählt

Mit PayPal

Einen Kommentar schreiben

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen. Aufgrund von zunehmendem SPAM ist eine Anmeldung erforderlich. Wir bitten dies zu entschuldigen.

Kommentare