Julian Reichelts Plattform „Nius“ – oder die Plattform, bei der er beschäftigt ist – steht nicht erst seit gestern in der Kritik , über ihren Finanzier ein CDU-U-Boot zu sein, das Friedrich Merz zum Kanzler machen will.
CDU-Generalsekretär Linnemann hatte zuletzt verkündet, dass es keine Aufarbeitung der Merkel-Ära geben werde, sondern man im Gegenteil die Ex-Bundeskanzlerin darum bitten werde, Wahlkämpferin für Merz zu sein.
Das wurde jetzt offenbar selbst den Lesern von „Nius“ zu heikel und die Portalmacher baten Wilhelm Haentjes aus der Chefredaktion darum, in einem Meinungsartikel dagegenzusteuern. Jetzt macht eine Schwalbe noch keinen Sommer. Und Ex-Springer-Mitarbeiter Haentjes ist vertraut mit dem Springer-System der Alibi-Artikel, aber bemerkenswert ist es dennoch.
Was ist ein Alibi-Artikel? Das sind Artikel, welche die Grundhaltung eines Blattes verschleiern sollen und die später als Alibi genommen werden, dass man eine unterstellte Haltung gar nicht hat.
Welt-Chef Poschardt beherrscht dieses Prinzip so gut, dass er es auch zum täglichen Geschäft seiner X-Postings gemacht hat. Springers „Welt“ hat sich mit solchen Alibi-Artikeln – und Alibi-Autoren! – sowohl entlang der illegalen Massenzuwanderung ab 2015 als auch durch die Pandemie gemogelt.
Aber zurück zu „Nius“ und Wilhelm Haentjes. Der schrieb jetzt einen erstaunlichen Artikel, welcher sich explizit gegen die Brandmauer wendet, die die CDU – namentlich Friedrich Merz – aufgestellt hatte, um die AfD von der Macht fernzuhalten. Über diese Brandmauer urteilt das Mitglied der Chefredaktion so: „Wir sind gerade auf dem besten Wege in eine defekte Demokratie.“ Ein wenig windet sich Haentjes noch um den heißen Brei, aber seine Aussagen sind eindeutig:
„Die Kombination aus aktuellen Umfragen und politischer Realität zeigt uns aber gerade: Egal, was die Menschen wählen – die Mehrheit wird ignoriert. Im Osten droht nicht weniger als ein demokratisches System-Versagen.“
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Speziell die Analyse des Wählerverhaltens in Sachsen hat es „Nius“ angetan. Der Autor stellt fest, dass 67 Prozent der Sachsen CDU und AfD wählen. Also „ausdrücklich NICHT links“. Und weiter:
„Aber weil die AfD im Parteiensystem als unberührbar gilt, bräuchte es ein völlig unrealistisches CDU-Links-Bündnis, um eine Regierung gegen die AfD zu bilden.“
„Nius“ schlussfolgert, dass entlang der Umfrageergebnisse Sachsen unregierbar sei, wenn die CDU die Brandmauer aufrechterhalte. Der Autor befürchtet, dass die etablierten Parteien diese Unregierbarkeit auf die Wähler schieben:
„Die Parteien werden keine Lösung für dieses Problem anbieten. Sie werden sagen: Tja liebe Bürger, da habt ihr falsch gewählt, mit diesem Ergebnis können wir nichts anfangen!“
Die Brandmauer gegen die AfD verhindere den „inhaltlichen Fortschritt“, schreibt „Nius“. Hier beginne ein „demokratische(s) System-Versagen“. Wilhelm Haentjes hat auch eine Idee, warum der Wähler sich der AfD zuwendet:
„Die Wähler sind immer unzufriedener mit den etablierten Optionen auf dem politischen Markt. Sie fühlen sich von den Parteien der Berliner Bubble bei den Themen Migration, Inflation, Energie offensichtlich so schlecht repräsentiert, dass sie zur AfD abwandern.“
Das Fazit des Nius-Autors fällt eindeutig aus:
„Während die SPD-Spitze von einem Verbotsverfahren und die Grünen-Spitze von Nazis spricht, klettert die AfD Punkt für Punkt in den Umfragen. Am Ende werden die Parteien die Gründe des AfD-Erfolgs nicht bei sich suchen – sondern auf den Wähler schieben. Und spätestens dann ist unsere Demokratie defekt.“
Das ist zum Abschluss aber auch etwas putzig, denn das Brandmauer-Gerede hat hier wenig mit der SPD oder den Grünen zu tun, sondern mit Friedrich Merz und der CDU. Erträumt sich „Nius“ für Sachsen eine Zweidrittelmehrheit aus CDU und AfD? Oder handelt es sich hier um einen dieser eingangs beschriebenen Alibi-Artikel um AfD-affine Leser bei der Stange zu halten?
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Kommentar von Bernd Neumann
Da Sie ein alter Medien-Profi sind (entschuldigen sie das „alt") wissen Sie viel besser als ich, wie in der Branche der Hase läuft. Ich finde nicht, daß man Nius vorwerfen kann, sie seien CDU-affin oder gar ein Produkt des Konrad-Adenauer-Hauses. Wen's stört, muß Nius ja nicht einschalten.
Die „Welt" lebt weiterhin davon, daß es KEINE ernstzunehmende und umfassende rechte Tageszeitung oder Nachrichtenportal gibt. Die JF müht sich, aber Dieter Stein fehlen die entscheidenden Millionen für eine echte 24/7-Vollredaktion. So bleibt allmorgentlich doch nur die „Welt", obwohl inzwischen 50 % der Beiträge nur Abo zugänglich sind und der Rest oft nicht zum Lesen von mehr als dem Teaser einlädt, vor lauter Brand Storys und Beiträgen, die man eher bei Trashmagazinen vermutete. Oder „Die 10 wichtigsten Aktien..." bedeutet nur, ergibt zehn Seitenaufrufe für den Ad-Counter.
Aber warum sollten Reichelt und Co nicht der CDU nachhängen? Bisher hatten sie allen Grund zu Annahme, daß sie nur so ohne Zensur von Youtube in Ghetto von Rumble vertrieben würden. Aber was ich den Springer-Renegaten zutraue, ist ein gewisses Maß an Intelligenz und Bauchgefühl. Sie ahnen, daß die Zeit zuende geht, in der überall ohne AfD regiert werden kann.
Sie werden es erleben - sogar Robin Alexander wird noch beidrehen. Spätestens im Herbst 2024.
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Kommentar von Karsten Maltinger
Warum auch immer die sächsische Umfrage in einigen Veröffentlichungen falsch angegeben wurde; die CDU kam auf 33 und nicht 30 Prozentpunkte!
Also in der Summe 70 Prozentpunkte für Blau-Schwarz! Wohlgemerkt in dieser Reihenfolge!
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Kommentar von UEng
Selbst wenn es 51 % für AfD in Sachsen werden= man wird alle Register ziehen um Thüringen zu wiederholen . Und die AfD wird sich zurück lehnen und sagen...die lassen uns nicht. Auf die Straße würden höchstens die ( Wähler) freien Sachsen gehen aber zu der gibt's ja ne alternative Brandmauer. Und selbst wenn....was wäre denn bei Übernahme von Verantwortung in einem Bundesland ? Migration? Energie"wende"? Steigende Preise? Alles Bundesprobleme....der Nimbus wäre schnell weg. Solange sich die Splitter ( Bündnis Deutschland, freie Wähler, LKR ( Ex) etc) nicht zusammen raufen und als Partner zur Verfügung stehen sehe ich ( als Sachse) leider nur rot und grün mit etwas schwarz am Horizont - möge die Zukunft mich eines besseren belehren.
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Kommentar von Corinne Henker
Die Sachsen haben bereits 2019 zu etwa zwei Drittel offiziell liberal-konservative Parteien (AfD, CDU, FDP, FW) gewählt - bekommen haben sie rotgrüne Politik mit schwarzem Umhang. Und das, obwohl SPD und Grüne zusammen nur etwa halb so viele Stimmen erhielten wie die CDU allein. Wenn die Sachsen jetzt also wieder CDU wählen und dann liberal-konservative Politik erwarten, sind sie selbst schuld.
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Kommentar von Enthor Grundbacken
Ich denke nicht ‚in Parteien‘, sondern in Themen. Thematisch hat die Union ihre früheren konservativen Positionen meist aufgegeben. Über die Ursachen spreche ich hier nicht, weil das zu weit führen würde. Es ist lediglich eine Bestandsaufnahme aus meiner ganz persönlichen Sichtweise.
Meines Erachtens hat Deutschland heute ein massives Problem mit der Zuwanderung unzivilisierter Menschen, die ‚einfach‘ durch die ehrlich arbeitenden Bürger alimentiert werden, mit der unsachlichen Betrachtung des ‚Klimawandels‘ und dem Bildungsnotstand, der irrationale Ideologen wie die Grünen erst möglich gemacht hat.
Weitere Probleme gibt es auch, jedoch spreche ich sie hier nicht an.
Insgesamt zeichnet sich ein reichlich schlechtes Bild. Ein grundsätzlicher politischer Richtungswechsel erscheint mir mehr als angebracht!
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Kommentar von Tommaso Targi
Das "demokratische Systemversagen" war besiegelt, als nach der "Wende" die ganzen StaSi-Seilschaften in unserer "Zivilgesellschaft" unterkrochen, die SED in den Bundestag einzog und Honneckers Trojanerin Kanzlerette wurde.
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Kommentar von .TS.
"CDU und AfD [wählen]. Also „ausdrücklich NICHT links.“"?
Die C-Parteien stehen für "Islam gehört zu Deutschland", unterstützen Quotenregeln und setzen staatliche Kinderbetreuung von kleinst auf vor Familie, dazu noch fleißige Unterstützer der Windrädchen- und Elektroautoagenda und eifrig dabei jegliche Macht nach Brüssel abzugeben: Mithin durchwegs rotzgrüne Gesinnungspolitik, also das was ma heutzutage landläufig als "links" bezeichnet.
Und Nius ist wie vormals schon Welt und BILD nicht mal kontrollierte Opposition sondern nur Scheinopposition die behauptet eine Lücke zu besetzen die es so gar nicht gibt sondern nur von eben diesen Journalen herbeibehauptet wird um sich seine Existenzberechtigung selbst zu schaffen.
Von solchen falschen Fuffzigern gibt es mehr als genug, im Angesicht wahrhaftigerer Alternativen in Medien und Politik muß man denen nicht als fauler oder vermeintlich sicherer Kompromiß auf den Leim gehen.
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Kommentar von Hans-Joachim Gille
"handelt es sich hier um einen dieser eingangs beschriebenen Alibi-Artikel um AfD-affine Leser bei der Stange zu halten?"
Die coolste Frage, die ein Journalist einem Journalisten stellt.