Ein AfD-Mann soll die lange verhinderte Gründung eines Betriebsrates bei Würth erzwungen haben

Jetzt kommt heraus: Schrauben-Milliardär Würth hat sehr persönliche Gründe für seinen Brandbrief gegen die AfD

von Alexander Wallasch (Kommentare: 12)

Ihm sei Geld angeboten worden, wenn er von seiner Initiative zur Gründung eines Betriebsrats absehe ...© Quelle: Pixabay/ saulhm

Was mag den Würth-Milliardär dazu bewogen haben, einen Brandbrief gegen die AfD zu schreiben? Irritierend ist hier mindestens die persönlich anmutende Abneigung gegen die AfD, die in Würths Brandbrief rein argumentativ kaum eine Entsprechung findet. Was ist da los? Ein Erklärungsversuch.

Der 88-jährige Firmensenior und Multimilliardär Reinhold Würth hat sich in einer Art Brandbrief an seine 25.000 deutschen Mitarbeiter gewandt und ihnen nahegelegt, nicht die AfD zu wählen bzw. Ideen der AfD nichts abzugewinnen. In Gutsherrenart empfahl Würth seinen Arbeitern, diese sollen keinen „Rabatz wegen ein bisschen Spaß an der Freude“ machen.

Erstaunlich an den veröffentlichten Passagen seines fünfseitigen Schreibens sind die inneren Widersprüche. Einerseits beschwört Würth das beste Deutschland aller Zeiten, in dem jeder seine Meinung sagen dürfe. Und im selben Atemzug rät er Mitarbeitern davon ab, von dieser von ihm behaupteten Meinungsfreiheit tatsächlich Gebrauch zu machen.

Vom beruflichen Werdegang her ist Reinhold Würth ähnlich aufgestellt wie etwa Theo Müller, der Chef von Müllermilch. Der allerdings trifft sich schon mal zum lockeren Meinungsaustausch mit AfD-Chefin Alice Weidel, während Milliardärskollege Würth einen Brandbrief gegen die AfD an seine Mitarbeiter und in die Welt hinaus sendet.

Was ist da passiert? Zudem erstaunlich: Noch vor einigen Jahren soll Würth selbst durchaus auch sehr konservativen Kreisen zugeneigt gewesen sein. Woher der Sinneswandel?

Auf Spurensuche lohnt es, ein paar Jahre zurückzugehen, in die Zeit um 2019, als es bei Würth noch keinen Betriebsrat gab. Tatsächlich hat es Reinhold Würth sehr lange erfolgreich verstanden zu vermeiden, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, nämlich eine Interessenvertretung der Beschäftigten in seinem Unternehmen.

Hier soll sich dann nach Einschätzung des Anwalts Dirk Schmitz (Schmitz ist Autor bei Alexander-Wallasch.de), der zahlreiche Kläger gegen Würth vertrat, aus einem individuellen Rechtsstreit die Gründung eines Betriebsrates bei Würth ergeben haben. Um zu verdeutlichen, was das heißt: Allein, was die Freistellungen dieser Betriebsratsmitglieder angeht, entstehen Würth jährliche Kosten in Millionen Euro Höhe.

Am 27.11.2019 veröffentlichte das Arbeitsgericht Heilbronn eine Pressemitteilung unter dem Titel: „Arbeitsgericht hat die Kündigungen der Firma Würth im Rechtsstreit mit Daniel Hurlebaus für unwirksam erklärt.“ Hier geht es um einen der genannten von Schmitz vertretenen Fälle. Im Mittelpunkt steht der damalige Würth-Mitarbeiter Daniel Hurlebaus, der für die AfD auf Orts-oder Kreisebene tätig oder mindestens AfD-Mitglied gewesen sein soll.

In der Pressemitteilung heißt es zunächst, die zweite Kammer habe in dem anhängigen Rechtsstreit Hurlebaus gegen Würth entschieden, „dass das Arbeitsverhältnis des Herrn Hurlebaus durch keine der drei in Streit stehenden Arbeitgeberkündigungen aufgelöst worden ist“.

Dem Mann wurde also drei Mal erfolglos von Würth gekündigt. Im Detail liest sich das dann so:

„Die dritte Kündigung vom 3. Mai 2019 hatte die Firma Würth damit begründet, dass Herr Hurlebaus einen ihrer Geschäftsführer einer Straftat nach § 119 BetrVG bezichtigt habe. Er habe insoweit behauptet, ihm sei Geld angeboten worden, wenn er von seiner Initiative zur Gründung eines Betriebsrats im Unternehmen Abstand nehme. Das Arbeitsgericht hielt auch diesen Vorwurf für unbegründet.“

Erstaunlich: Die Schmiergeld-Behauptung selbst war hier gar nicht Gegenstand, sondern nur, die Frage, ob Hurlebaus sie öffentlich behauptet habe, woraufhin das Gericht nun wiederum keinen Kündigungsgrund gegen Hurlebaus ableiten konnte.

„Die Stimme“ schrieb 2019 über einen Gerichtstermin in diesem Zusammenhang:

„Formal geht es am Montagvormittag nicht um die Gründung eines Betriebsrats bei Würth, sondern um eine Kündigung, die der Initiator Daniel Hurlebaus schon im vergangenen Juli erhalten hatte.“

Eine relevante Einschätzung dieses Falles liefert die „Wirtschaftswoche“, die rückbklickend im Juli 2021 kommentierte:

„Vor zwei Jahren erzwang ein AfD-naher Mitarbeiter die Gründung eines Betriebsrats beim Schraubenkonzern Würth. Die Schockwellen sind bis heute spürbar und zeigen das angespannte Verhältnis zwischen Familienbetrieb und Belegschaft.“

Damit, dass ein AfD-Mitglied am Anfang der Gründungsgeschichte des Betriebsrates von Würth steht, muss nun auch die IG Metall leben. Aber auch die IG Metall-Gewerkschafter sollen von Reinhold Würth anfangs gar nicht gern gesehen worden sein. Mittlerweile stellen sie mit aktuell 15 Mitgliedern allerdings etwa 40 Prozent der Betriebsratsposten, es fehlen lediglich noch drei weitere, um die absolute Mehrheit der Betriebsräte mit IGM-Mitgliedschaft zu stellen.

Das Geschäftsmodell von Würth beruht auf hunderten von Verkaufsbüros auch im Osten. Allein im Bereich Dresden sind das laut Würth-Niederlassungsfinder 10 solcher Shops. Gemessen an den Umfragewerten für die AfD sieht es in diesen Regionen mit dem Zuspruch für die AfD noch deutlich besser aus als im Bundesschnitt. Die beschäftigten Würth-Mitarbeiter müssen ihre Schrauben hier an Handwerker verkaufen, die wiederum in den Medien lesen müssen, dass jede einzelne Würth-Schraube politisch korrekt verkauft wird von Mitarbeitern, die keine AfD mehr wählen sollen.

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Alexander-Wallasch.de fragt beim Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier – er ist Co- Landesvorsitzender der AfD in Baden-Württemberg – was er von der Wahlempfehlung von Reinhold Würth hält. Sein Kommentar:

„Es ist aberwitzig: Ein greiser Milliardär warnt vor der Einführung einer Diktatur durch die AfD. Jedoch ist es gerade ein Merkmal von Diktaturen, wenn Chefs ihren Mitarbeitern vorschreiben, was sie wählen sollen. In anderen Ländern bezeichnet man Milliardäre wie Herrn Würth, die Wahlen unbotmäßig in ihrem Sinne manipulieren wollen, deshalb als Oligarchen. Der Oligarch Würth scheint sich weder der Ironie dieser Situation noch der Lebensrealität der Bürger bewusst zu sein. Die leiden unter Inflation und Energiekrise, unsanierten Schulen, maroden Straßen und Netzen und können sich eben nicht mehr Haus, Auto und Familiengründung leisten wie vor fünfzig Jahren. Herr Würth sollte sich aufgrund der katastrophalen Ampel-Wirtschaftspolitik lieber auf sein Unternehmen konzentrieren und den Bürgern keine Märchen erzählen.“

Alexander-Wallasch.de spricht dazu länger mit Uwe Bauer, er ist Erster Bevollmächtigter der IG Metall zuständig für Würth. Bauer verweist gleich zu Beginn ungefragt auf besagten Fall Daniel Hurlebaus, in dessen Zusammenhang man Auseinandersetzungen gehabt habe, keine AfD-Vertreter in den Betriebsrat von Würth zu bekommen. Die IG Metall sei bereits fertig damit gewesen, einen Würth-Betriebsrat zu initiieren, AfD-Hurlebaus sei mit seiner Liste dann lediglich noch auf den Zug aufgesprungen. Die berühmte Frage um das Huhn und das Ei?

Die IG Metall sei übrigens, so Bauer weiter gegenüber Alexander-Wallasch.de, schon damals mit Reinhold Würth persönlich in einem engen Austausch gewesen, was die Liste „Hurlebaus“ anging.

Bauer verweist auf einen Betrieb Arnold der Würth-Gruppe, wo man in einer Nachtschicht Hitlers Geburtstag gefeiert habe. Auf Nachfrage, was das mit der AfD zu tun habe, meint Bauer, der Betriebsratsvorsitzende dort sei doch AfD-Mitglied. Einer der Mitfeiernden sei ein IG Metall-Mitglied gewesen. Da sei es schwer gewesen, den wieder aus der IG Metall herauszubekommen, denn man habe der Person gleichzeitig Rechtsschutz anbieten müssen.

Es gebe auch die eine oder andere Würth-Tochter wie Würth-Elektronik, wo sich auch Führungskräfte – im niedrigstelligen Bereich – ganz offen zur AfD bekannt und Kollegen und Kolleginnen unter Druck gesetzt haben sollen, Mitglied in der AfD zu werden.

Die AfD ist für Bauer rassistisch. Das legitimiere auch das Anliegen von Reinhold Würth. Er ordne die AfD rassistisch ein aus einer Erfahrung als Gewerkschaftssekretär aus den Betrieben heraus, so Bauer weiter. Und auf Frage, ob das bedeute, dass er den Brandbrief von Würth unterstütze, bestätigt der Betriebsratsvorsitzende diese Annahme explizit.

Er finde es positiv, dass sich jemand ganz klar gegen eine rassistisch angehauchte Partei aufstellt, deren Parolen zutiefst menschenverachtend seien. Das stehe im Übrigen alles auch in den Wahlprogrammen der AfD, der Begriff „Remigration“ fällt bei Bauer als Beleg.

Auf Nachfrage, warum der Würth-Betriebsrat das Papier nicht mit Herrn Würth zusammen verfasst habe und ihm so die Unterstützung versichert habe, antwortet Bauer, das wäre natürlich ideal und wünschenswert gewesen. Aber Herr Würth habe leider oft seinen eigenen Kopf, eine Anfrage an den Betriebsrat habe es nicht gegeben, Würth nehme sich solche Dinge einfach heraus.

Was bleibt hier als Fazit? Hat Würth-Senior Reinhold Würth mit der AfD noch eine Rechnung offen? Bekannt ist jedenfalls, dass am Ende eines vielbeachteten Arbeitsgerichtsverfahren zwischen einem AfD-Mitglied und dem Unternehmen der Aufbau eines Betriebsrats stand, den das Unternehmen in den Jahrzehnten zuvor vehement und erfolgreich hatte vermeiden können.

Alexander-Wallasch.de befragt auch den Vorsitzenden der Good-Governance-Gewerkschaft Marcel Luthe, was er zum vorliegenden Fall sagt. Der will sich das Ganze auch rechtlich einmal genauer anschauen und schreibt:

„Unser Grundgesetz verbietet in Art. 3 Abs. 3 die Ungleichbehandlung wegen politischer Überzeugung. Wer versucht, seine Stellung als Arbeitgeber zu missbrauchen, um die freie politische Willensbildung der Beschäftigten mit Druck zu manipulieren, steht nicht auf dem Boden des Grundgesetzes, sondern totalitärer Ideologie.“

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