Immunität soll vor Strafverfolgung schützen

Italienische Grüne nominieren Mitglied der Terrorgruppe „Hammerbande“ für EU-Parlament

von Alexander Wallasch (Kommentare: 2)

Deutsche Medien und der alte RAF-Mythos von einer politischen Gefangenen.© Quelle: Youtube / RAI, Screenshot

Der Italienerin Ilaria Salis wird in Budapest vorgeworfen, als Teil einer Terrorgruppe mit deutschen Linksextremisten gemeinschaftliche schwere Körperverletzungen verübt zu haben. Die italienischen Grünen stellen sie als aussichtsreiche EU-Kandidatin auf.

Die Partei Bündnis 90/Die Grünen ist mit weiteren europäischen Grünen und Linken in der Fraktion „Die Grünen/EFA“. Auch die italienischen Grünen sind Mitglieder dieser Fraktion, scheiterten aber zuletzt an einer in Italien gültigen 4 Prozent Sperrklausel – nicht alle EU-Staaten verzichten wie Deutschland bei der EU-Wahl auf eine solche Hürde.

Zur kommenden EU-Wahl haben sich die italienischen Grünen dem links-grünen Bündnis „Allianza Verde Sinistra“ angeschlossen. Jüngste Prognosen geben dem Bündnis Chancen, knapp über die Vier-Prozent-Hürde zu kommen.

Dieser Zusammenschluss italienischer Kleinparteien ist deshalb von Interesse, weil jetzt die Mobilisierung von grünen, linken und linksextremistischen Wählern über die Kandidatur einer inhaftierten mutmaßlichen Gewalttäterin gelingen soll.

Ilaria Salis, einer heute 39-jährige ehemalige Grundschullehrerin, wird vorgeworfen, als Teil einer Terrorgruppe gemeinsam mit deutschen Linksextremisten, denen in Deutschland der Prozess gemacht wird, gemeinschaftliche schwere Körperverletzungen an angeblichen Teilnehmern rechtsextremistischer Aufmärsche in Budapest begangen zu haben. Die Opfer wurden zum Teil schwer durch Schlagwerkzeuge verletzt. Videoaufnahmen eines Teils dieser Gewalttaten wurden im Internet verbreitet.

Eine Reihe deutscher Medien hat bereits über den Prozess und die Kandidatur berichtet. Von der Süddeutschen Zeitung (SZ) über das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) bis hin zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und weiteren Publikationen wird am Mythos einer politischen Gefangenen gearbeitet. Teilweise erinnern die Wortmeldungen an die Rezeption des RAF-Terrors in den 1970er und 1980er Jahren.

So schreibt die FAZ über die angeklagte Gewalttäterin von einer „39 Jahre alte Aktivistin". Die SZ nennt das mutmaßliche Mitglied einer Terrorbande „italienische Linksaktivistin“, ebenso macht es Dominik Straub für das RND.

Wo Straub politisch steht, ist zu vermuten, jedenfalls deuten bestimmte Publikationen daraufhin, dass er inhaltlich auch bei Linksextremisten Achtungserfolge erzielt.

Straub schrieb in der vergangenen Woche in seinem Artikel für das RND:

„Der ,Fall Ilaria Salis' ist in den letzten Monaten zu einer immer schwereren Belastung für die diplomatischen Beziehungen zwischen Rom und Budapest geworden – trotz des grundsätzlich freundschaftlichen Verhältnisses zwischen der postfaschistischen italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni und dem autokratischen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban.“

Die Berliner Morgenpost hatte Ministerpräsidentin Meloni auch einmal eine Postfaschistin genannt und in einem Artikel von Anfang 2023 in bester Küchenpsychologie geschrieben: „Giorgia Meloni: Vom Vater verlassen, von der Mutter geprägt“ oder „Meloni privat: Als Kind gemobbt, heute unverheiratete Mutter“ – eben Journalismus aus der Gosse.

Unabhängig davon, wie sich die ungarischen Haftbedingungen für die Italienerin tatsächlich darstellen, fällt auf, dass ein mutmaßliches Mitglied einer gewalttätigen Terrorgruppe hier von den Medien kaum als solches beschrieben wird. Vielmehr wird hier eine Täter-Opfer-Umkehr betrieben, die schon deshalb anachronistisch erscheint, weil Ilaria Salis mittlerweile samt Fußfessel aufgrund ihrer Kandidatur für das EU-Parlament in einen Budapester Hausarrest entlassen wurde, um von dort aus in Ruhe Wahlkampf zu betreiben.

Verstörend im Sinne einer journalistischen Schlechtleistung wirkt eine Bemerkung von besagtem linksaktivistisch auftretenden Journalisten Straub, der ohne weitere Kenntnis des Falles oder juristische Expertise meint, sich offenbar zum Verteidiger von Ilaria Salis machen zu müssen, wenn er schreibt: „Salis bestreitet die Vorwürfe vehement und wurde von ihren angeblichen Opfern auch nicht angezeigt.“

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Deutschlandfunk schrieb Anfang 2022 über einen Auftritt Lina E., dem wohl prominentesten Mitglied der linksextremistischen „Hammerbande“, vor Gericht:

„Lina E. antwortet mit Kusshändchen. Für viele in der linken Szene ist die damals 26-jährige Pädagogikstudentin eine Ikone. Weil sie glauben, dass an ihr ein Exempel statuiert werden soll. Und dass Gewalt gegen Rechtsextreme legitim ist – weil der Staat aus ihrer Sicht versagt. ,Free Lina!' steht als Solidaritätsgraffiti an Häuserwänden – nicht nur in ihrer Wahlheimat Leipzig.“

Gewalttätige Überfälle mit schwerer Körperverletzung sollen sowohl in Ungarn als auch in Deutschland durchgeführt worden sein. Die Tagesschau schreibt Anfang 2024 über die Prozesse in Deutschland und Ungarn:

„Die deutschen und ungarischen Ermittlerinnen und Ermittler suchen wegen der Vorfälle in Budapest im Februar 2023 insgesamt neun weitere Deutsche. Es liegen Haftbefehle vor. Sie sollen gemeinsam mit Ilaria Salis und Tobias E. vermeintliche Besucher des SS-Gedenkens "Tag der Ehre" angegriffen und niedergeschlagen haben. (...) Unter den Gesuchten befinden sich zwei Männer, die (...) dem Umfeld (von) Lina E. zugerechnet werden.“

Die links-grüne EU-Fraktion EFA hat sich nach Recherchen von Alexander-Wallasch.de bisher noch nicht dazu geäußert, ob eine Zusammenarbeit mit der „Allianza Verde Sinistra“ (weiter) angestrebt werde, wenn diese mit einem mutmaßlichen Mitglied einer gewalttätigen kriminellen Vereinigung mit linksextremistischem Hintergrund ins Parlament einziehen sollte.

Die Partei Bündnis 90/Die Grünen, die mit 21 Abgeordneten im EU-Parlament sitzt und Mitglied der Fraktion EFA ist, hat sich bisher ebenfalls noch nicht geäußert, in wie weit die Grünen zukünftig einer Fraktion angehören wollen, in der möglicherweise eine Abgeordnete sitzt, welcher der Prozess wegen Bandenkriminalität und schwerer Körperverletzung gemacht wird, Medien berichten von einem möglichen Strafmaß von über 20 Jahren.

Konstantin von Notz, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, äußerte sich neulich zu EU-Kandidaten von Mitbewerbern wie folgt:

„Derzeit stehen die Spitzenkandidaten der AfD für die Europawahl, Maximilian Krah auf Listenplatz 1 und Petr Bystron auf Listenplatz 2, sowie ihr direktes Umfeld im Verdacht, unseren Rechtsstaat angreifende Staaten gegen Geld zu unterstützen. Weitere Fälle werden absehbar folgen. Die Aufklärung in- und außerhalb des Parlaments muss entschlossen vorangetrieben werden. Hier werden wir auch weiterhin unseren Teil leisten.“

Aber vielleicht hoffen die deutschen Grünen auch insgeheim, dass es die italienischen Genossen mit ihrem mutmaßlichen Bandenmitglied gar nicht über die 4 Prozenthürde schaffen.

Wenn das Ei dennoch gelegt ist, wird auch ein Konstantin von Notz Rede und Antwort stehen müssen, wie sich die Grünen hier positionieren und warum sie ihrerseits nicht gleich Lina E. nominiert haben. Timon Dzienus, der Co-Chef der Grünen Jugend, hatte sich nämlich unter dem Hashtag #FreeLina auf Twitter offen mit Lina E. solidarisiert.

Die Linken haben Carola Rackete nominiert. Ihr Verfahren wegen Widerstand wurde im Frühjahr 2021 vor einem italienischen Gericht eingestellt. Sie geht also untadelig ins Rennen. Jedenfalls wird aktuell nicht gegen die „Seenotretterin“ ermittelt. Ein jahrelang geführtes Verfahren gegen 21 weitere sogenannte „Seenotretter“ wurde ebenfalls eingestellt.

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